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JOHANNES PAUL II.

GENERALAUDIENZ

Mittwoch, 29. Dezember 1982

1. Die letzte Generalaudienz des Jahres steht ganz unter dem Licht von Weihnachten, das wir gerade gefeiert haben. Andererseits führt sie uns zum Übergang vom alten in das neue Jahr, der für die Menschen so große Bedeutung hat.

Vom Geheimnis des menschgewordenen Gottes, unseres Herrn Jesus Christus, erleuchtet, gewinnt die Geschichte des Menschen eine entschiedene Orientierung zur göttlichen Welt hin. Das Weihnachtsfest gibt den menschlichen Ereignissen und Gefühlen, Plänen und Hoffnungen einen christlichen Sinn. Es erlaubt, in dem rhythmischen, scheinbar mechanischen Ablauf der Zeit nicht nur die Tendenzlinien menschlichen Wanderns zu finden, sondern auch die Zeichen, Prüfungen und Appelle der göttlichen Vorsehung und Güte.

2. Gehen wir auf ein besseres Jahr zu? Gehen wir auf ein schlechteres Jahr zu? Für den Christen gibt es keinen Zweifel: Die Erlösung durch Christus, die in der Heiligen Nacht beginnt, führt die erlöste – und die Erlösung annehmende – Menschheit immer weiter zum Triumph über das Böse und den Tod.

Gewiss, je mehr wir auf Gott zugehen, desto mehr wachsen die Prüfungen und Schwierigkeiten. Das gilt für den Weg der Kirche wie für den der einzelnen Christen. Die Kräfte, die der Wahrheit und Gerechtigkeit entgegenstehen – und von denen die Geheime Offenbarung spricht –, wachsen im Lauf der Geschichte und damit ihre Machenschaften und ihre Gewalttätigkeit gegen die, die dem Weg des Erlösers folgen wollen. Trotzdem gelangt die Geschichte, ungeachtet der Risiken und zeitweiligen Niederlagen, schließlich zum Triumph des Guten, zum Endsieg Christi.

3. Der historische Fortschritt ist also für den Christen eine Wirklichkeit und eine sichere Hoffnung. Aber er ist nicht einfach das Resultat einer dialektischen Entwicklung, die sich im persönlichen Einsatz für Gerechtigkeit und Heiligkeit erschöpft. Er ist das Ergebnis unserer Auslieferung an den Strom göttlicher Gnade, die uns durch die Erlösung zum Reich Gottes hinführt, aber bei keinem von uns die bedauernswerte Möglichkeit, uns freiwillig der wohlwollenden Kraft des göttlichen Einflusses zu entziehen, ausschließt.

In seiner tiefsten Bedeutung kann der wahre historische Fortschritt, der nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (Gaudium et spes, Nr. 39) das Reich Gottes vorbereitet, nur das Ergebnis menschlicher Bemühungen sein, die von der Erlösungskraft des Blutes Christi getragen werden. Das menschgewordene göttliche Wort hat die Zeit und die Geschichte erlöst, indem es sie zum Heil des Menschen und seiner Seligkeit in der Schau der Seligen führt und ihnen eine unaufhaltsame, wenn auch bekämpfte, fortschreitende Richtung gegeben hat.

4. Wir haben am letzten Sonntag das Fest der Heiligen Familie von Nazaret gefeiert, des Vorbildes aller christlichen Familien.

Für die Familie stellt sich ganz allgemein die Frage: Sind die Werte der Familie im Verfall? Gewinnen die Werte der Familie wieder an Kraft? Auch hier kann unsere Antwort des Glaubens nur eine Antwort der Hoffnung und eines gesunden christlichen Optimismus sein, der die Augen nicht vor der Schwere der echten mit ihr verbundenen Probleme schließt, aber auch die Phänomene des Wachstums sieht; der aus den Schwierigkeiten, die gewisse Verfallserscheinungen liefern, die Gelegenheit zu einem entschiedenen Streben nach Heiligkeit und einem mutigen Zeugnis ergreift, auch in diesem grundlegenden Bereich des Lebens wie dem der Familie.

Das liturgische Jahr mit seinen periodischen Festen will uns die Ecksteine des christlichen Denkens und Handelns in Erinnerung bringen und erleben lassen, und es ist deshalb ein unschätzbares Geschenk Gottes, der in der Geschichte gegenwärtig ist: ein Geschenk des Weihnachtsfestes, könnte man sagen. Die liturgischen Feste stützen so unsere Treue zur Botschaft des Evangeliums und erlauben uns gleichzeitig, aus seiner unendlichen Kraft beständig Nutzen zu ziehen.

Das Fest der Heiligen Familie ist einer dieser Lichtpunkte der Liturgie auf unserem Erdenweg. Durch sie können wir die Endbedeutung der Zeit erkennen und wie der am Kreuz erhöhte Christus in Wahrheit alles an sich zieht (vgl. Joh 12,32).

5. Die Liturgie, von der wir in diesen Tagen einige besonders eindrucksvolle Momente erleben, zeigt uns so den Sinn der Zeit und Geschichte. Wenn in uns der Eindruck entsteht, das Böse wachse und triumphiere, führt sie uns durch das Geheimnis von Weihnachten zum Geheimnis des Kreuzes hin. Nein, das Böse wächst nicht: Die Prüfungen mehren sich. Und, nachdem Gott uns mit den Prüfungen auch die Kraft gibt, sie zu bestehen (vgl. 1 Kor 10,13), wird die Überhandnahme des Bösen, das uns treffen und verführen will, sich in den Überfluss des Guten und der Herrlichkeit verwandeln. Deshalb konnte Paulus sagen, dass „wo die Sünde mächtig wurde, die Gnade übergroß ist“ (Röm 5,20).

Im Lauf der Zeit wachsen die Angriffe gegen das Reich Gottes und gegen die, die Christus fromm folgen wollen. Aber auch die Gabe der Tapferkeit wächst, die ihnen vom Heiligen Geist geschenkt wurde, bis am Ende alles seine Lösung findet in dem Sieg, der denen vorbehalten ist, die ausharren. Das, liebe Schwestern und Brüder, ist die Sicht, mit der wir dem kommenden neuen Jahr entgegengehen müssen. Das Leben hier unten ist für sich genommen kein bequemer und sicherer Weg zum Guten. Wenn wir vom Beginn unseres Lebens an die Augen offen gehalten haben, wissen wir das. Aber es ist sicher eine reale Perspektive: Die Menschheit, geführt vom Volk Gottes, geht in die gute Richtung. Aber für jeden von uns ist dieser Weg zum Besseren nicht frei von Risiken und Schwierigkeiten; er unterliegt der Prüfung unseres Verantwortungsbewusstseins, er muss zur freien Entscheidung werden.

Das Licht von Betlehem, das Licht der Krippe, zeigt uns den Weg zum Guten, es spricht zu uns vom Endsieg des Guten, es ermutigt uns, voll Hoffnung und ohne Furcht voranzuschreiten, „ohne nach rechts oder links abzuweichen“ (Jos 23,6).

Danken wir der Heiligen Dreifaltigkeit für dieses Licht. Danken wir Maria, der Mutter des Herrn, die es durch ihr Ja ermöglichte, dass sich dieses Licht auf die Erde senkte. Danken wir für die vergangenen Prüfungen, und seien wir bereit, mutig zu handeln als wahre Söhne des Lichts.



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