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JOHANNES PAUL II.

GENERALAUDIENZ

Mittwoch, 16. Februar 1983

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1. Diese Generalaudienz findet am ersten Tag der Fastenzeit statt: am Aschermittwoch! Mit diesem Tag beginnt eine geistliche Zeit, die besonders verpflichtend für jeden Christen ist, der sich in würdiger Weise auf die Feier des Paschageheimnisses, also auf das Gedächtnis des Leidens, des Todes und der Auferstehung des Herrn, vorbereiten will.

Diese bedeutende liturgische Zeit ist von der biblischen Botschaft gekennzeichnet, die sich in einem einzigen Wort zusammenfassen lässt: „metanoeite“, „kehrt um!“ Dieses Gebot ergeht an die Gläubigen bei dem ernsten Ritus der Auflegung der geweihten Asche, einem Ritus, der mit den Worten „Kehrt um und glaubt an das Evangelium“ und mit dem Satz „Gedenke, Mensch, dass du Staub bist und wieder zum Staub zurückkehren wirst!“ alle auffordert, über die Pflicht zur Umkehr nachzudenken und sie an die unabwendbare Hinfälligkeit und Vergänglichkeit des dem Tode unterworfenen Menschenlebens erinnert.

Leider stellen wir das jeden Tag fest, und traurige Geschehnisse lassen uns das nur allzuoft mit der Hand greifen: Es genügt, die beiden schweren Unglücksfälle vom vergangenen Sonntag zu erwähnen, die sich in Turin bzw. im Aostatal ereignet haben. Sie haben zahlreiche Familien in Trauer gestürzt. Ich bringe ihnen noch einmal von Herzen mein Beileid zum Ausdruck, während ich für die Verstorbenen bete und den Verletzten mit meinen besten Wünschen Mut zuspreche.

Die eindrucksvolle Zeremonie vom Aschermittwoch erhebt unseren Geist zu der ewigen Wirklichkeit, die unvergänglich ist, zu Gott, dem Anfang und Ende, dem Alpha und Omega unseres Daseins. Die Umkehr ist in der Tat nichts anderes als eine Rückkehr zu Gott, indem wir die irdische Wirklichkeit im unvergänglichen Licht seiner Wahrheit beurteilen. Das ist eine Beurteilung, die uns immer klarer die Tatsache zum Bewusstsein bringt, dass wir durch die beschwerlichen Erfahrungen dieser Erde nur hindurchgehen. Sie treibt und spornt uns an, jede Anstrengung zu unternehmen, damit das Reich Gottes in uns entstehe und seine Gerechtigkeit triumphiere.

2. Ein Synonym für Umkehr ist auch das Wort „Buße“: Die Fastenzeit fordert uns auf, Buße zu üben – aber nicht in der negativen Bedeutung von Traurigkeit und Frustration, sondern in der Erhebung des Geistes, der Befreiung vom Übel, der Abkehr von der Sünde und allen Abhängigkeiten, die unseren Weg zur Fülle des Lebens behindern können. Buße als Medizin, als Wiederherstellung, als Gesinnungswandel, die auf den Glauben und die Gnade vorbereitet, aber Willen, Anstrengung und Ausdauer voraussetzt. Buße als Ausdruck freien und freudigen Einsatzes in der Nachfolge Christi, die die Annahme der fordernden, aber auch fruchtbringenden Worte des Meisters einschließt: „Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach“ (Mt 16,24).

Zu diesen Gedanken und Vorsätzen lädt uns die Fastenzeit ein.

3. Der Beginn dieser heiligen Zeit lässt uns auch an das Jubiläumsjahr der Erlösung denken, das, wie ihr wisst, gegen Ende der Fastenzeit eröffnet wird, und zwar am 25. März, dem Fest der Verkündigung des Herrn, im Gedenken an den von der Vorsehung bestimmten Augenblick, in dem das ewige Wort Gottes um unseres Heils willen im reinen Schoß der Jungfrau Maria Mensch geworden ist.

Die eindrucksvolle Symbolik der Öffnung der Heiligen Pforte soll uns an dieses große Ereignis erinnern: Der Himmel hat sich über der Erde geöffnet, der Mensch hat die Pforte gefunden, durch die er in und mit Christus in das „Himmelreich“ (vgl. Mt 3,2; 4,17), das heißt in die Freundschaft und den Frieden Gottes, eintreten kann.

Von heute an möchte ich mit euch über Bedeutung und Zielsetzung der Feier dieses für die Geschichte der Menschheit und für das Schicksal eines jeden von uns entscheidenden Ereignisses sprechen: Die Feier dieses Jubiläums will in allen Gläubigen eine Neubesinnung und eine erneute Glaubensentscheidung für unseren barmherzigen Herrn und Erlöser Christus, den Gekreuzigten, bewirken und alle heutigen Menschen, auch die Nichtchristen, einladen, mit neuen Augen auf ihn, die Quelle des universalen Heils, zu blicken.

4. Wenn wir vom „Heiligen“ Jahr sprechen, dann deshalb, weil wir in dieser Gnadenzeit aufgerufen sind, mit besonderem Eifer das zu suchen, was Gottes Bereich ist, weil es ihm geweiht und heilig („sanctum“) ist, und zwar nicht nur unter ontologischem, sondern auch unter ethischem, psychologischem, geistlichem und geschichtlichem Gesichtspunkt. Tatsächlich ist jede Zeit Gottes Zeit, und die ganze Geschichte entfaltet in der Zeit den göttlichen Heilsplan; alle Jahre der Geschichte und alle Tage des Jahres laufen ab nach einem von Gott festgelegten Leitfaden und verwirklichen ontologisch seine Herrschaft, sein Königtum.

Aber der christliche Glaube schenkt dem Menschen zugleich ein neues Bewusstsein von der Heiligkeit der Zeit, der Geschichte und des Lebens, weil er ihn das „Geheimnis, das seit ewigen Zeiten verborgen war“ (Kol 1,26), entdecken lässt, das heißt den Heilsplan Gottes, der mit der Menschwerdung begann, am Kreuz seine volle Verwirklichung fand und sich in der Geschichte fortschreitend entfaltet hat, nämlich durch das Wirken der Kirche von der Himmelfahrt bis zur Parusie, also der Wiederkunft Christi als König der ewigen Herrlichkeit.

Christus, der „unvergängliche König der Ewigkeit“ (vgl. 1 Tim 1,17), ist Herr der Geschichte, und durch ihn tritt die Zeit wieder in die Ewigkeit ein, das heißt, sie findet dort ihre Quelle wieder und letzten Endes auch ihre Erklärung und Rechtfertigung.

Das Heilige Jahr will diese messianische und eschatologische Grundwahrheit des christlichen Glaubens in Erinnerung bringen.

5. Bekanntlich reicht die Praxis des Heiligen Jahres bis ins Alte Testament zurück. Es war Mose, der oberste Gesetzgeber Israels, der festlegte: „Du sollst sieben Jahreswochen … zählen; … am zehnten Tag des Monats sollst du das Jobel (Signalhorn) ertönen lassen; am Versöhnungstag sollt ihr das Horn im ganzen Land ertönen lassen. Erklärt dieses 50. Jahr für heilig und ruft Freiheit für alle Bewohner des Landes aus! Es gelte euch als Jubeljahr“ (Lev 25, 8-10)

So wurde es wahrscheinlich nach dem Horn genannt, durch das es verkündet wurde. Das Jubiläum sollte anfangs den Zusammenhalt einer Gesellschaft sichern, die sich auf die Familie und die Güter der Familie gründete. Es sollte deshalb in Israel eine Neuordnung im sozialen, wirtschaftlichen und sogar ökologischen Bereich fördern – durch die Befreiung der Sklaven, die Wiedereingliederung eines jeden in seine Sippe, den Erlass der Schulden, die Wiederherstellung des väterlichen Erbes und die Ruhezeit des Ackerlandes.

Später hat man, wie die Propheten, das Jubiläum ausdrücklich auf die messianische Zeit bezogen, in der endgültig das Ideal des Heiligen Jahres Wirklichkeit werden sollte – nämlich die Anerkennung der absoluten Oberhoheit Gottes über den Menschen und die Dinge und damit in Wahrheit sein „Reich“.

Dies ist Wirklichkeit geworden mit dem Kommen Jesu, des ewigen Sohnes Gottes, der um unseres Heiles willen Mensch wurde, am Kreuz starb und dann auferstand, „gemäß der Schrift“. Mit ihm wurden die Vorbilder, die Verheißungen und die alten Erwartungen erfüllt, und es öffnete sich in der Welt für die ganze Menschheit die Quelle des Heils. Mit ihm „wurde eine Brücke zur Welt geschlagen“ – wie die hl. Katharina von Siena sich ausdrückt –, „damit auf ihr alle zu Gott aufsteigen können.“

Auf Christus, unseren Erlöser, wollen wir während dieser Fastenzeit mit neuem Glaubenseifer und mit Liebe hinblicken. Das wird die beste Vorbereitung auf die Feier des Heiligen Jahres sein. „Setzt eure Hoffnung ganz auf die Gnade – sage ich euch mit dem Apostel Petrus … Ihr wisst, dass ihr … nicht um einen vergänglichen Preis losgekauft wurdet, nicht um Silber oder Gold, sondern mit dem kostbaren Blut Christi …“ (1 Petr 1, 13–19). Das ist die tiefste Bedeutung des Jubiläumsjahres, das uns einlädt, uns mit Christus zu vereinigen als dem „lebendigen und heiligen Opfer, das Gott gefällt“ (Röm 12, 1).

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Liebe Brüder und Schwestern!

Euch allen ein herzliches Willkommen zu dieser Audienz. Der heutige Tag, der Aschermittwoch, lenkt unsere Gedanken auf die nun beginnende Fastenzeit.

Der ernste Ritus der Auflegung der geweihten Asche soll uns an die Hinfälligkeit des menschlichen Lebens erinnern: „Gedenke, Mensch, dass du Staub bist und zum Staub wieder zurückkehren wirst.“ Die Liturgie der ganzen Fastenzeit ist geprägt von dem biblischen Ruf zu Umkehr und Buße. Bekehrung besagt Abkehr von Sünde und Schuld und Hinwendung zu Gott, dem Anfang und Ende aller Geschichte, dem Grund und Ursprung auch unseres wahren Glücks. Umkehr und Buße rufen uns in die Nachfolge Christi gemäß den Worten des Herrn: „Wer zu mir gehören will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir“ (Mt 16, 24). Wenn wir die Fastenzeit in diesem Geist leben, wird sie für uns zugleich zur besten Vorbereitung auf das bald beginnende Jubiläumsjahr der Erlösung. Dieses will alle Gläubigen noch näher und tiefer zu Christus führen, der am Kreuz der Erlöser aller Menschen geworden ist. Möge die Fastenzeit und das Jubiläumsjahr der Erlösung für euch alle zu einer Zeit der Gnade und des Heils werden. Das erbitte ich euch von Herzen mit meinem besonderen Apostolischen Segen.

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Heute ist Aschermittwoch, der Anfang der Fastenzeit.

Heute und auch am kommenden Sonntag werden in den Kathedralen, Kirchen und Kapellen in ganz Polen Millionen Menschen die Häupter neigen und zum Zeichen der Buße um die Auflegung der Asche bitten. Dabei werden sie die Worte hören: „Gedenke, Mensch, dass du Staub bist und wieder zum Staub zurückkehren wirst“, oder die Worte: „Kehrt um und glaubt an das Evangelium!“

Mit diesen Worten beginnt die Fastenzeit – die Zeit der Vorbereitung auf Ostern.

Herrin von Jasna Góra!

Im Jubiläumsjahr knie ich vor deinem Gnadenbild und vereinige mich mit meinen Brüdern und Schwestern im Glauben und zugleich mit den Söhnen und Töchtern meiner Heimat und bitte flehentlich,

- lass sie in dieser heiligen Zeit aufs Neue die Wahrheit entdecken, dass Gott die Welt geliebt hat: „Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat“ (Joh 3, 16);

- lass sie jene Kraft wiederfinden, die für jeden Menschen im gekreuzigten und auferstandenen Christus liegt;

- lass sie nicht den Mächten des Todes und der Sünde unterliegen, sondern sich mit ihrem ganzen menschlichen und christlichen Ich dem Leben weihen!