JOHANNES PAUL II.
GENERALAUDIENZ
Mittwoch, 31. August 1983
1. „Legt (als neues Gewand) den Herrn Jesus Christus an“ (Röm 13,14): Diese Worte, liebe Brüder und Schwestern, umschreiben für uns vollständig das Ethos der Erlösung. Der aus Wasser und dem Heiligen Geist erneuerte und neugeschaffene Mensch hat die Berufung und Aufgabe empfangen, „als neues Gewand den Herrn Jesus Christus anzulegen“, das heißt, Christus immer ähnlicher zu werden: in seinem Denken, in seinen Entscheidungen, in seinem alltäglichen Verhalten.
Der tiefste Grund für diese Seinsverpflichtung des erlösten Menschen besteht darin, dass der Erlösungsakt tatsächlich das Sein der menschlichen Person verändert hat, und das Handeln ist die Verwirklichung des Seins. Der Erlösungsakt hat den Menschen in Christus aufgenommen, indem er ihn an der Gotteskindschaft des Wortes teilhaben lässt: Wir sind Söhne im eingeborenen Sohn des Vaters. „Denn Christus“ – schreibt der hl. Thomas und wiederholt damit eine bleibende Lehre der Kirche – „empfing in seinem Menschsein die höchste Gnadenfülle; da er der eingeborene Sohn des Vaters ist, fließt die Gnade von ihm auf die anderen zurück, sodass der menschgewordene Sohn Gottes die Menschen zu Söhnen Gottes macht“ (Compendium Theologiae, c. 214). Diese tiefe Einheit zwischen Christus und dem gerechtfertigten Menschen stellt an ihn die Anforderung, „als neues Gewand den Herrn Jesus anzulegen“ und „so gesinnt zu sein, wie es dem Leben in Christus Jesus entspricht“ (vgl. Phil 2,5). Das praktische Handeln des Christen darf nicht im Widerspruch zu seinem Sein stehen.
2. Auf diese Weise erlangt unser Menschsein die Fülle seiner Wahrheit. Denn wir sind erschaffen worden, um Söhne durch den Sohn zu werden (vgl. Eph 1,5), im Voraus dazu bestimmt, an Wesen und Gestalt seines Sohnes teilzuhaben (vgl. Röm 8,29). Christus ist die ganze Wahrheit des Menschen (vgl. Gaudium et spes, Nr. 22), und infolgedessen ist Christus das Gesetz für das Leben des Menschen (vgl. 1 Kor 9,21).
Diese Beziehung zwischen dem erlösten Menschen und Christus darf nicht in dem Sinn verstanden werden, als wäre Christus lediglich ein Leitbild, das uns gegenüber und außerhalb von uns steht und das nachgeahmt werden soll. Uns ist der Heilige Geist geschenkt worden, damit er uns von innen her antreibt, in Christus und wie Christus zu handeln. Das Gesetz Christi ist durch den Geist in unsere Herzen eingeschrieben.
„So erkennt auch keiner Gott – nur der Geist Gottes“ (1 Kor 2,11). Der Heilige Geist, die dritte Person der Heiligsten Dreifaltigkeit, wohnt in Gott, er kennt sozusagen von innen her die Pläne des Vaters, seine Geheimnisse, und vermag sie uns daher zu enthüllen. „Wir aber haben nicht den Geist der Welt empfangen, sondern den Geist, der aus Gott stammt, damit wir das erkennen, was uns von Gott geschenkt worden ist“, versichert uns der Apostel (1 Kor 2,12). In Gott und im Herzen des Erlösten wohnt der Geist und wirkt dahin, dass wir „alles, was uns der Vater geschenkt hat“ erkennen und auf dieses Geschenk eingehen können.
Worin besteht das Geschenk des Vaters? Alles im Leben des Christen ist Geschenk. Geschenk ist der eingeborene Sohn des Vaters (vgl. Joh 3,16), in dem wir erschaffen worden sind. Geschenk ist der Heilige Geist: „Donum Dei altissimi“ (Geschenk des höchsten Gottes – vgl. Lk 11,13). Der Geist drängt uns dazu, unser Wesen in seiner tiefsten Wahrheit zu verwirklichen, und er gestaltet uns nach dem Bild Christi. Noch bevor er unter dem Herzen seiner Mutter empfangen wurde, ist ein jeder von uns im Herzen Gottes empfangen, das heißt, erdacht und gewollt worden. Der Geist kennt Gottes Plan für unser Leben. Er lenkt unser Dasein, damit unser ideales Sein, wie es von Ewigkeit her erdacht worden ist, sich in der Zeit verwirklicht.
3. „Die Nacht ist vorgerückt, der Tag ist nahe“ (Röm 13,12): Das ist die Zeit, in der wir aufgerufen sind, den Herrn Jesus Christus anzuziehen. Es ist die Zeit zwischen dem Ende einer Nacht und dem Beginn des Tages. Denn wenn es wahr ist, dass jeder von uns bereits erlöst ist, so ist ebenso wahr, dass die Erlösung in uns noch nicht vollendet ist: Das wird erst geschehen, wenn wir in den vollen Tag des ewigen Lebens eintreten.
Die notwendige und unmittelbare Folge dieser Seinssituation des Gläubigen besteht darin, dass er sich mit Christus bekleiden muss, indem er durch Abtötung und Selbstverleugnung gegen das Böse kämpft. „Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach“, sagt der Herr (Mt 16,24).
Das Ethos der Erlösung ist damit auch von einer starken asketischen Spannung gekennzeichnet: Es ist ein Ethos des entschlossenen Kampfes gegen alles, was den Christen daran hindert, „den Herrn Jesus Christus anzuziehen“. „Wisst ihr nicht“, sagt der Apostel, „dass die Läufer im Stadion zwar alle laufen, aber dass nur einer den Siegespreis gewinnt? Lauft so, dass ihr ihn gewinnt. Jeder Wettkämpfer lebt aber völlig enthaltsam; jene tun dies, um einen vergänglichen, wir aber, um einen unvergänglichen Siegeskranz zu gewinnen“ (1 Kor 9,24–25).
Nur durch diesen geistlichen Kampf vermag die „Gestalt Christi“ alle Schichten des erlösten Menschen zu durchdringen und seine freie Anhänglichkeit an das Gute zu wahren. Die Freiheit des Glaubenden ist in der Tat immer in Gefahr, sich dadurch selbst zu zerstören, dass sie sich von der vollen Wahrheit Christi lossagt, um eine Selbstverwirklichung anzustreben, die seiner überirdischen Bestimmung nicht entspricht. Durch die Askese wird die Verbindung von Freiheit und Wahrheit immer mehr gefestigt und erneuert.
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Liebe Brüder und Schwestern!
Herzlich grüße ich euch zur heutigen Audienz im Jubiläumsjahr der Erlösung. Mein Gruß gilt allen einzelnen Pilgern und den genannten Gruppen. Ich erbitte allen Anwesenden reiche Gnaden Jesu Christi, unseres Erlösers.
Der Apostel Paulus ermahnt uns, unser Leben immer mehr auf Christus auszurichten. Wir sollen ihm im Denken und Handeln ähnlich werden. Deshalb sagt er:”Legt (als neues Gewand) den Herrn Jesus Christus an“. Christus ist für uns nicht nur Vorbild, sondern zugleich die geistige Kraft unserer inneren Erneuerung. Sein Gesetz ist durch den Heiligen Geist in unsere Herzen geschrieben. Wir sollen es zu unserer Lebensregel machen. Das aber verlangt von uns Mühe und Opfer. Nur durch einen entschlossenen geistigen Kampf kann Christus wirklich Gestalt in uns gewinnen. Dazu erbitte ich euch allen von Herzen die Kraft und den Beistand des göttlichen Geistes mit meinem besonderen Apostolischen Segen.
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Heute jährt sich zum dritten Mal die Vereinbarung zwischen den polnischen Behörden und den Arbeitern in Danzig und Stettin, ein Ereignis von besonderer Bedeutung in der jüngsten Geschichte Polens. Beten wir heute zusammen mit der ganzen Kirche Polens sowie mit allen Menschen guten Willens auf der ganzen Welt, dass diese Vereinbarung durch einen wahren Dialog der Behörden mit der Bevölkerung verwirklicht werde. Dazu haben auch die polnischen Bischöfe während ihrer jüngsten Vollversammlung aufgerufen.
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