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JOHANNES PAUL II.

GENERALAUDIENZ

Mittwoch, 15. Februar 1984

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1. „Seid fruchtbar und vermehrt euch, bevölkert die Erde und unterwerft sie euch“ (Gen 1,28). Das Wort des Schöpfergottes überträgt dem Menschen eine unverwechselbare Aufgabe für die Entwicklung der dem Universum innewohnenden Möglichkeiten. Er ist aufgerufen, am Werk des Schöpfers teilzunehmen, das von der Bibel bezeichnenderweise mit dem Wort „Arbeit“ umschrieben wird. Seinen Fähigkeiten entsprechend setzt er fort, entwickelt und vervollständigt, was Gott begonnen hat.

Doch die Bedeutung der menschlichen Arbeit erschöpft sich nicht in dieser Aufgabe. Sie ist auch unverwechselbar für den Aufbau einer gerechteren Gesellschaft, in der Wahrheit und Liebe herrschen und die in der Erlösung Christi enthaltene Verheißung des Gottesknechts daher sichtbar hervortreten soll. „Deshalb darf die Arbeit, wie ich während meiner apostolischen Reise in Mexiko sagte, nicht nur eine Notwendigkeit sein, sie muss vielmehr als eine echte Berufung betrachtet werden, ein Aufruf Gottes, eine neue Welt zu bauen, in der Gerechtigkeit und Brüderlichkeit wohnen, eine Vorwegnahme des Reiches Gottes, in dem es weder Mangel noch Beschränkungen geben wird. Die Arbeit muss das Mittel sein, dem Menschen die ganze Schöpfung in seiner Würde als Mensch und als Kind Gottes unterzuordnen“ (Ansprache an Arbeiterfamilien in Guadalajara, 30. Januar 1979: O.R. dt. vom 16.2.1979, S. 11).

2. Wenn wir unsere Überlegungen im Sinn des Zweiten Vatikanischen Konzils vertiefen, wissen wir aufgrund unseres Glaubens, dass „der Mensch durch seine Gott dargebrachte Arbeit sich mit dem Erlösungswerk Jesu Christi selbst verbindet, der, indem er in Nazaret mit eigenen Händen arbeitete, der Arbeit eine einzigartige Würde verliehen hat“ (Gaudium et spes, Nr. 67). Tatsächlich wird die durch Christus erlöste Arbeit für den Menschen zum Ausdruck seiner Berufung – der Berufung des Geschöpfes, das sich Christus angleichen soll, um in tiefer, inniger Einheit mit dem Sohn Gottes zu leben. In der von der Erlösung eröffneten Sicht wird die Arbeit zu einer der grundlegenden Weisen, wie sich der Mensch gegenüber sich selbst und – in Christus – gegenüber Gott, dem Vater, öffnet.

Das Zweite Vatikanische Konzil hat uns außerdem gelehrt, dass eine der wichtigsten Früchte dieser Einheit mit Christus die Teilnahme an seinem Königtum ist, das heißt an seiner Bestimmung zum Herrn des Alls und der Geschichte (vgl. Lumen gentium, Nr. 36). Christus hat sein Königtum vor allem im von Liebe getragenen Dienst an den Brüdern gelebt (vgl. Mt 20,28; Mk 10,45). Durch seine Teilnahme an diesem Königtum erwirbt der Mensch eine neue Freiheit – die Freiheit, sich in der täglichen Mühsal der Arbeit, die er als Erweis und Zeugnis der Liebe empfindet und lebt, hochherzig in den Dienst des Nächsten zu stellen.

In einer manchmal schweren und mühseligen Arbeit verborgen, gibt sich die Liebe nicht sogleich und nicht immer zu erkennen; allmählich aber, wenn der Arbeitende Glauben und Ausdauer besitzt, zeigt sich die Liebe in der Solidarität, die zwischen den verschiedenen Menschen wächst. Die mit Liebe und aus Liebe geleistete Arbeit ist für den Menschen eine wichtige Gelegenheit zu innerem Wachstum, sichert sie ihm doch, wie mein verehrter Vorgänger Pius XII. sagte, „einen Bereich angemessener, nicht nur wirtschaftlicher, sondern auch politischer, kultureller und religiöser Freiheit“ (Pius XII., Botschaft vom 1.9.1944).

Darüber hinaus schließt die Arbeit einen „königlichen Dienst“ ein, denn indem der Mensch „die Mühsal der Arbeit in Einheit mit dem für uns gekreuzigten Christus erträgt, wirkt er mit dem Gottessohn an der Erlösung der Menschheit auf seine Weise mit. Er erweist sich als wahrer Jünger Christi, wenn auch er Tag für Tag bei der ihm aufgegebenen Tätigkeit sein Kreuz auf sich nimmt“ (Laborem exercens, Nr. 27).

In der so verstandenen Arbeit verwirklicht sich in Weiterführung der Sendung Christi die Fähigkeit des Menschen, die Welt umzugestalten, indem er sie seiner erhabenen Würde, der Würde des Erlösten, angleicht. Die Erlösung der Arbeit versetzt den Menschen in die Lage, sein munus regale („königliches Amt“) auszuüben, das heißt, dem Gebot des Schöpfers zu entsprechen, sich die Erde untertan zu machen und sie zu beherrschen (vgl. Gen 1,28). Daher kann Gaudium et spes feststellen, die Arbeit „ist unmittelbarer Ausfluss der Person, die den stofflichen Dingen ihren Stempel aufprägt und sie ihrem Willen dienstbar macht“ (Nr. 67).

3. Die Arbeit ist auch deshalb von großem schöpferischem Wert, weil sie den Einzelnen dazu veranlasst, sich zusammen mit der ganzen familiären, gesellschaftlichen und politischen Gemeinschaft zu engagieren.

Denn in der Tat empfängt jeder Mensch unaufhörlich Hilfe von den ihm Nahestehenden ebenso wie von den Fernstehenden. Er zieht Nutzen aus den materiellen, moralischen, kulturellen und religiösen Gütern, die von ganzen Generationen geschaffen wurden und die er vielleicht nicht einmal vom Hörensagen kennt. Er lebt von der Arbeit, den Anstrengungen, dem Eifer, der Hingabe und dem Opfer, die andere erbracht haben. Keines der Güter, die Frucht dieser gewaltigen Arbeitsleistung darstellen, ist ihm unbekannt. Es wäre jedoch egoistisch, diesen ganzen Reichtum passiv anzunehmen, ohne sich um entsprechende Abgeltung zu bemühen, indem man durch eigene Arbeit aktiv zur Lösung der dramatischen sozialen Probleme in unserer heutigen Welt beiträgt.

Diese einfache Betrachtung erhellt die der menschlichen Arbeit innewohnende Dimension der Teilhabe. Sie öffnet dem Menschen den Weg zur Selbstverwirklichung, weil sie ihm die unvergleichliche Möglichkeit bietet, sich dem anderen im Rahmen fester und solidarischer Beziehungen mitzuteilen, die den realen Bedürfnissen und vor allem der höchsten Notwendigkeit entsprechen, einen Sinn für das eigene Dasein zu finden. Diese von der Erlösung Christi erschlossene Dimension erweist sich damit als ein hervorragendes Heilmittel gegen die Situation der Entfremdung, in der sich die menschliche Arbeit oft abwickelt.

Das Heilige Jahr der Erlösung ist für jeden von uns eine Einladung, in Christus, dem Erlöser, die tiefste Bedeutung der Arbeit und damit die Freude wiederzuentdecken, die dem Bewusstsein entspringt, persönlich zum Aufbau einer erneuerten Welt beizutragen.

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Liebe Brüder und Schwestern!

Gott fordert die ersten Menschen im Paradies auf, sich zu vermehren und sich die Welt untertan zu machen. Der Mensch ist aufgerufen, durch seine Arbeit am Werk des Schöpfers teilzunehmen und die menschliche Gesellschaft in Wahrheit, Gerechtigkeit und Liebe zu gestalten. Die Arbeit ist für den Menschen nicht nur eine reine Notwendigkeit, sie ist eine besondere Berufung. Wie das Konzil betont, verbindet der Mensch sich durch seine Gott dargebrachte Arbeit mit dem Erlösungswerk Jesu Christi selber, der durch seine eigene Arbeit in Nazaret der menschlichen Arbeit eine einzigartige Würde verliehen hat (vgl. Gaudium et spes, Nr. 67). In Christus wird der Mensch fähig, die Welt durch seine Mitarbeit im Dienst der Gemeinschaft so zu gestalten, dass sie seiner Würde als Erlöster entspricht. Als Christen sind wir berufen, mit Christus, dem menschgewordenen Gottessohn, zum Heil der Menschheit mitzuwirken.

Mit dieser kurzen Betrachtung über die hohe Würde der menschlichen Arbeit grüße ich herzlich alle deutschsprachigen Teilnehmer an dieser Audienz. Ich grüße besonders die heute wiederum zahleichen Pilgergruppen aus Österreich, darunter die Schüler mit ihren Eltern aus dem Bischöflichen Seminar ”Marianum“ in Tanzenberg, Diözese Gurk-Klagenfurt. Ich erbitte euch für eure Rompilgerfahrt reiche Jubiläumsgnaden des Heiligen Jahres und erteile euch und euren Lieben in der Heimat als deren Unterpfand von Herzen meinen Apostolischen Segen.