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JOHANNES PAUL II.

GENERALAUDIENZ

Mittwoch, 28. März 1984

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1. „Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben; wem ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert“ (Joh 20,23). Der Auferstandene überträgt den Aposteln die Macht, in seinem Namen Sünden zu vergeben.

Bei dem Bemühen, die Bedeutung der Gesten zu erfassen, die zu vollziehen wir aufgerufen sind, wenn wir das Bußsakrament empfangen, haben wir am vergangenen Mittwoch Sinn und Bedeutung des Schuldbekenntnisses als eines Augenblicks betrachtet, in dem sich der Sünder vor dem vergebenden Gott Jesus Christus über sich selbst klar wird. Die Lossprechung – die wir heute betrachten wollen – ist Gottes Antwort an den Menschen, der seine Sünden erkennt und zugibt, Reue über seine Schuld an den Tag legt und bereit ist – weil er Erbarmen gefunden hat –, sein Leben zu ändern.

Von dem in der Kirche wirkenden Priester her gesehen, ist die Lossprechung Ausdruck des Gerichts Gottes über das böse Handeln des Menschen. Der reuige Mensch aber, der vor Gott steht und sich als schuldig erklärt, erkennt den Schöpfer als seinen Herrn an und nimmt sein Urteil als das eines Vaters an, der nicht den Tod des Sünders will, sondern dass er sich bekehrt und lebt (vgl. Ez 33,11).

2. Dieses Gericht wird offenbar im Tod und in der Auferstehung Christi: Obwohl er keine Sünde kannte, „hat Gott ihn für uns zur Sünde gemacht, damit wir in ihm Gerechtigkeit Gottes würden“ (vgl. 2 Kor 5,21). So ist Jesus „unsere Versöhnung“ (vgl. Röm 5,11) und „unser Friede“ (vgl. Eph 2,14) geworden. Die Kirche handelt also durch den Priester in einzigartiger Weise, aber nicht so, als könne sie autonom handeln: Sie ist in ihrem Aufbau abhängig von Jesus, der sie gegründet hat, der in ihr lebt und wirkt, um zu allen Zeiten und in jedem Bereich das Erlösungsgeheimnis gegenwärtig zu machen.

Das Wort des Evangeliums erklärt dieses „Gesendetsein“ der Kirche durch Christus, der ihren Aposteln die Vergebung der Sünden auftrug. „Wie mich der Vater gesandt hat – sagt der auferstandene Christus –, so sende ich euch.“ Und nachdem er das gesagt hatte, hauchte er sie an und fügte hinzu: „Empfangt den Heiligen Geist! Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben; wem ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert“ (Joh 20,21–22). Hinter bzw. in der menschlichen Wirklichkeit des Priesters verbirgt sich also und wirkt derselbe Herr, der „die Vollmacht hat, die Sünden zu vergeben“ (vgl. Lk 5,24) und der zu diesem Zweck nach seinem Opfertod auf Golgota und dem Ostersieg den Jüngern „seinen Geist“ (vgl. Röm 8,9) „verdient“ (vgl. Joh 7,39) und „gesandt“ hat (vgl. Joh 20,22).

3. Man wird nie nachdrücklich genug betonen können, dass dieses Eingreifen Gottes, um uns aus unserem Elend und unserer Verzweiflung zu befreien, völlig ohne unser Zutun erfolgt. Die Lossprechung ist nämlich keinesfalls ein Anspruch, den der Sünder Gott gegenüber geltend machen kann: Sie ist ausschließlich Geschenk, für das der Sünder mit Wort und Tat danken muss.

Ebenso gilt: Man wird niemals nachdrücklich genug den konkreten und persönlichen Charakter der Vergebung hervorheben können, die dem einzelnen Sünder von der Kirche angeboten wird. Es genügt nicht, dass sich der Mensch irgendwie an einen fernen und abstrakten Gott wendet. Es ist ein menschliches Bedürfnis, das mit dem von Gott in Christus verwirklichten und in der Kirche fortdauernden Heilsplan für unsere Geschichte übereinstimmt, dass wir einem konkreten Menschen wie uns begegnen können, der uns, unterstützt von den Gebeten und guten Werken seiner Brüder und Schwestern und „in persona Christi“ handelnd, des Erbarmens versichert, das uns gewährt wird.

Was sodann den persönlichen Charakter der Vergebung betrifft, so habe ich, der ständigen Tradition der Kirche gemäß, bereits in meiner ersten Enzyklika (Redemptor hominis, Nr. 20) und in der Folge wiederholt nicht nur die Pflicht zur persönlichen Lossprechung betont, sondern auch das Recht des einzelnen Sünders, angehört und in seiner unersetzlichen und unwiederholbaren Einmaligkeit angenommen zu werden. Nichts ist so persönlich und unübertragbar wie die Verantwortung für die Schuld. Und nichts ist so persönlich und unübertragbar wie die Reue und das Erwarten und Erflehen des Erbarmens Gottes. Im Übrigen wendet sich jedes Sakrament an die Einzelperson in ihrer Einmaligkeit und nicht an Personen im Allgemeinen. „Ich taufe dich“, heißt es bei der Taufe. „Empfange das Siegel des Heiligen Geistes“, lautet die Formel bei der Firmung usw. Im gleichen Sinn heißt es: „Ich spreche dich los von deinen Sünden.“

Man wird deshalb ständig darauf achten müssen, dass auf einen individualistisch verstandenen Vollzug des Sakraments nicht noch ein schädlicherer, anonymer Vollzug folgt. Der gemeinschaftlichen Dimension von Sünde und Vergebung entspricht nicht notwendigerweise ein gemeinschaftlicher Ritus, noch wird sie ausschließlich durch diesen Wirklichkeit. Man kann bei der Einzelbeichte Herz und Geist offen haben für die Katholizität in ihrer Fülle, und man kann, umgekehrt, individualistisch gesinnt sein, wenn man sich in einer anonymen Masse gleichsam verloren fühlt.

Möge es den Gläubigen heute gelingen, den Wert des Sakraments der Vergebung wiederzuentdecken, damit sie in ihm die freudige Erfahrung jenes Friedens machen können, den der auferstandene Christus am Ostertag seiner Kirche geschenkt hat (vgl. Joh 20,19–20).

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Liebe Brüder und Schwestern!

Das Jubiläumsjahr der Erlösung lädt uns ein, vom Bußsakrament einen häufigen und fruchtbaren Gebrauch zu machen. Deshalb suchen wir in unseren wöchentlichen Begegnungen seine tiefe geistliche Bedeutung für uns zu bedenken. Heute gilt unsere Aufmerksamkeit der Absolution des Priesters. Die Lossprechung ist die Antwort Gottes auf das Bekenntnis unserer Sünden, wenn wir aufrichtige Reue und Entschlossenheit zur Umkehr bekunden. Das Urteil Gottes über die Sünde ist im Tod und in der Auferstehung Jesu Christi endgültig gefällt. Ihn, der die Sünde nicht kannte, hat Gott „für uns zur Sünde gemacht, damit wir in ihm Gerechtigkeit Gottes würden“ (2 Kor 5,21). Durch sein Erlösungswerk ist Christus für uns zum Urheber unserer Versöhnung und unseres Friedens mit Gott geworden.

Wie Christus ist der Priester gesandt, im Namen Gottes die Sünden zu vergeben. Diese Vollmacht hat er nach seiner Auferstehung ausdrücklich den Aposteln verliehen, indem er sagte: „Empfangt den Heiligen Geist. Allen, denen ihr die Sünden erlässt, sind sie erlassen; allen, denen ihr sie nicht erlässt, sind sie nicht erlassen“ (Joh 20, 22–23). Die Lossprechung von unseren Sünden ist stets ein völlig unverdientes Gnadengeschenk der erbarmenden Liebe Gottes, das dem Einzelnen ganz persönlich im Bußsakrament zugesprochen wird.

Indem ich euch, liebe Bruder und Schwestern, durch diese kurze Betrachtung ermutige, den hohen Wert des Bußsakramentes in eurem Leben neu zu entdecken, Grüße ich euch alle sehr herzlich zu dieser Audienz. Ich Grüße jeden einzelnen von euch, die genannten Gruppen und besonders die drei großen Diözesanpilgerzüge aus der Bundesrepublik Deutschland. Herzlich willkommen heiße ich die Gläubigen aus der Diözese Fulda mit ihrem Bischof Johannes Dyba und denke in Dankbarkeit an meinen Besuch am Grab des hl. Bonifatius in eurer Domkirche.

Mein aufrichtiger Willkommensgruß gilt ebenso dem neuen Oberhirten von Hildesheim, Bischof Josef Homeyer, zusammen mit seiner großen Diözesanwallfahrt sowie dem Pilgerzug aus der Diözese Rottenburg-Stuttgart unter der Leitung ihres Herrn Weihbischofs Anton Herre. Mögen die Gebete und Gnaden dieser eurer Jubiläumswallfahrt in die Ewige Stadt allen euren Gemeinden, Familien und Angehörigen zum großen geistlichen Gewinn werden. Wir sind Christen immer in Gemeinschaft mit allen Gläubigen, vor allem mit denen, die uns besonders nahestehen. Deshalb gilt auch mein heutiger Segen euch allen hier auf dem Petersplatz und euren Lieben in der Heimat. Der Herr beschütze und segne euch mit seiner reichen Gnade!

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Mehr als einmal schon habe ich die Weltöffentlichkeit aufmerksam gemacht und zum Gebet für zwei Völker, das iranische und das irakische, aufgefordert, die in einen Krieg verwickelt sind – einen Krieg, der seit über drei Jahren andauert und immer bitterer und blutiger wird.

Leider scheint eine friedliche Lösung – trotz der Vermittlungsangebote – in weiter Ferne, während Gewalttätigkeiten, Zerstörungen und die Zahl der Opfer steigen.

Der Gedanke an so viele Schrecken hat mich ständig bedrängt, und er wird jetzt zum Anlass einer noch tieferen Besorgnis. Denn die jüngsten Vorwürfe, die kürzlich durch die Ergebnisse von ernst zu nehmenden Untersuchungen bekräftigt wurden, haben bestätigt, dass in diesem Krieg Kampfmittel benutzt wurden, die den internationalen Vereinbarungen über den Ausschluss von grausamen, pauschal eingesetzten Zerstörungswaffen widersprechen.

Ich beziehe mich besonders auf den Einsatz chemischer Waffen. Sie sind durch das Genfer Protokoll von 1925, das sehr viele Länder unterzeichneten und dem auch der Heilige Stuhl zustimmte, verboten. Auf ihren Gebrauch trifft das strenge Urteil des II. Vatikanischen Konzils in der Konstitution Gaudium et spes zu: die Verurteilung des sogenannten „totalen Krieges“ (vgl. Nr. 80).

Wir müssen wünschen, dass sich eine solche schreckliche Realität nicht wiederholt – zum Wohl jener Völker und aus Respekt vor den fundamentalen Werten, die im Gewissen eines jeden Menschen verwurzelt sind. Wir müssen zu Gott, dem Allmächtigen, beten, dem Vater der Menschen und der Völker, damit der Iran und der Irak mit Hilfe der befreundeten Länder und der internationalen Gemeinschaft so schnell wie möglich einen Waffenstillstand erreichen und über einen gerechten Frieden verhandeln.

Wir erbitten das Geschenk des Friedens auch für die anderen Völker des Mittleren Ostens und anderer Regionen der Welt, wo die Waffen weiterhin Opfer, Leiden und Zerstörungen fordern.