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JOHANNES PAUL II.

GENERALAUDIENZ

Mittwoch, 4. April 1984

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1. „Wenn wir aus dem Geist leben, dann wollen wir dem Geist auch folgen“ (Gal 5,25).

Liebe Brüder und Schwestern! Bei den vergangenen Gebetsbegegnungen des Mittwochs haben wir uns um eine vertiefende Betrachtung der christlichen und menschlichen Bedeutung der verschiedenen Abschnitte, in die sich das Bußsakrament gliedert, bemüht. Heute wollen wir unsere Aufmerksamkeit auf die Früchte, Ergebnisse und Auswirkungen der empfangenen Vergebung lenken.

Wenn uns das Sakrament der Versöhnung im Zustand der schweren Sünde antrifft und von uns mit der entsprechenden inneren Verfassung empfangen wird, befreit es uns von der Schuld und gibt uns das Leben der Gnade wieder. Natürlich macht die Lossprechung, die uns im Namen Gottes durch die Vermittlung der Kirche in Christus gewährt wird, die begangenen Sünden nicht ungeschehen. Durch sie jedoch gibt uns die Macht des göttlichen Erbarmens jene Würde der Kinder Gottes wieder, die wir in der Taufe empfangen haben.

Der Katechismus hat uns gelehrt, von „habitueller Gnade“ zu sprechen, das heißt von einem neuen göttlichen Leben, das uns geschenkt wird: Dieses bewirkt in uns die Einwohnung des „Geistes Christi“ (Röm 8,9), der uns Christus gleichförmig macht (vgl. Röm 8,29), damit wir in der wiedergefundenen kirchlichen Brüderlichkeit (vgl. 1 Kor 2,11) in uns das Mysterium von Tod und Auferstehung des Erlösers wiederholen (vgl. Eph 2,3–6) und so auf neue Weise die wahrhaft menschliche Komponente der Existenz zurückgewinnen und neu schätzen lernen.

2. Es handelt sich also nicht um etwas, das uns gleichsam von außen auferlegt würde. Im gläubigen Sünder, dem vergeben wurde, nimmt der Heilige Geist erneut Wohnung (vgl. Röm 8,11; 1 Kor 2,12; 3,16; 6,19; 2 Kor 3,3; 5,5; Gal 3,2–5; 4,6), wie Jesus uns versprochen hat (vgl. Joh 14,15–17); ja, Christus selbst wohnt zusammen mit dem Vater wieder in ihm (vgl. Joh 14,23; Offb 3,20).

Eine solche Präsenz bleibt nicht ohne glückliche Auswirkungen auf Leben und Handeln des von der Todsünde befreiten Gläubigen. Dieser wird aufs Neue innerlich verwandelt, seinsmäßig und so zu einer „neuen Schöpfung“ (Gal 6,15); er erhält „an der göttlichen Natur Anteil“ (vgl. 2 Petr 1,3–4), wird als Einzelner nach dem Bild und Gleichnis des Gottessohnes geprägt und gestaltet (vgl. 1 Kor 12,13; 2 Kor 1,21–22; Eph 1,13; 4,30). Mehr noch: Der von der Todsünde befreite Gläubige gewinnt eine neue Grundlage für sein Handeln, eben den göttlichen Geist, sodass er zu einer Erkenntnis und zu einem neuen, Gott gemäßen Willen befähigt wird (vgl. 1 Joh 3,1–2; 4,7–8): Er lebt für den Vater wie Christus (vgl. Joh 6,58), betet (vgl. Röm 8,26–27), liebt die Brüder und Schwestern (vgl. 1 Kor 12,4–11; 13,4), hofft auf das künftige Erbe (vgl. Röm 8,17; Gal 4,7; Tit 3,7), während er „sich vom Geist führen lässt“, wie uns Paulus im Galaterbrief versichert (Gal 5,18). Diese Erneuerung stellt sich nicht neben die menschliche Komponente, sondern nimmt sie auf, ordnet und verwandelt sie, sodass wir uns „im Herrn freuen“ (Phil 4,4–8), „alles prüfen und das Gute behalten“ können (vgl. 1 Thess 5,21).

3. Das Bußsakrament beschränkt sich jedoch nicht nur darauf, die Taufgnade wieder zu schenken. Es bietet neue Anregungen, Christus gleichförmig zu werden, wie sie zur Umkehr gehören, wenn diese von der sakramentalen Lossprechung nach der Sünde bestätigt und vervollkommnet werden.

Die zuverlässige, geistliche Überlieferung nennt dieses Geschenk des Sakraments der Versöhnung gern „Geist der Zerknirschung“.

Was bedeutet das, und was beinhaltet es? Der Geist der Zerknirschung ist letzten Endes eine besondere Verbundenheit mit Christus, dem Sieger über Sünde, Leidenschaft und Versuchung. Er schließt also eine klare und einzigartige Erkenntnis der Schuld ein, aber nicht als Grund der Angst, sondern vielmehr als Anlass zu freudiger Dankbarkeit, weil man die Vergebung der Schuld erfahren hat, bis hin zum Empfinden eines fast instinktiven Ekels vor dem Bösen.

Er schließt außerdem eine besondere Erfahrung menschlicher Schwäche ein, die ja zum Teil auch nach dem Empfang des Sakramentes fortbesteht und uns neuerlich verleiten kann, „das Begehren des Fleisches zu erfüllen“ (Gal 5,16): „Unzucht, Unsittlichkeit, ausschweifendes Leben, Götzendienst, Zauberei, Feindschaften, Streit, Eifersucht, Jähzorn, Eigennutz, Spaltungen, Parteiungen, Neid und Missgunst, Trink- und Eßgelage und ähnliches mehr“ (Gal 5,19–21), während die wiedergeschenkte Gnade zur „Frucht des Geistes“ führen soll, nämlich zu „Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Selbstbeherrschung“ (Gal 5,22–23).

Darüber hinaus führt der Geist der Zerknirschung zu einer besonders klaren Erkenntnis der Pflichten des christlichen Lebens in allen seinen sittlichen Bereichen und in seiner Anwendung auf die einzelne Person; zugleich schenkt er eine neue Fähigkeit, alle diese Pflichten zu erfüllen. Und das geschieht, weil die im Bußsakrament empfangene Vergebung Gottes uns in eigentümlicher Weise Jesus Christus ähnlich macht, der gestorben und auferstanden ist, um „die Sünde der Welt“ hinwegzunehmen (Joh 1,29) und „Erlösung“ zu sein (vgl. Mt 20,28; Eph 1,7; Kol 1,14) für die Sünden eines jeden von uns.

Ein solcher Geist der Zerknirschung ist also keineswegs Trauer oder Angst, sondern Ausbruch jubelnder Freude, die der Macht und dem Erbarmen Gottes entspringt, der in Jesus die Sünden tilgt und dem wir mit empfindsamem Gewissen und inniger Liebe antworten sollen.

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Liebe Brüder und Schwestern!

„Wenn wir aus dem Geist leben, dann wollen wir dem Geist auch folgen“ (Gal 5,25). Der häufige Empfang des Bußsakramentes soll uns dazu veranlassen, uns darüber immer wieder Rechenschaft zu geben. Wenn wir im Zustand der schweren Sünde leben, schenkt uns die Lossprechung des Priesters das Leben der Gnade zurück. Sie macht die Sünde zwar nicht ungeschehen, stellt in uns jedoch die in der Taufe empfangene Würde der Kinder Gottes wieder her. Was der Katechismus als „Stand der Gnade“ bezeichnet, beschreibt die Heilige Schrift als „Einwohnung“ des Heiligen Geistes. Christus selbst wohnt mit dem Vater in der Seele des gerechtfertigten Sünders. Als Gerechtfertigter ist der Mensch eine „neue Kreatur“, die der göttlichen Natur teilhaftig ist.

Das Bußsakrament stellt aber nicht nur den in der Sünde verlorenen Gnadenstand wieder her, sondern will den Menschen auch zu einer immer größeren Verähnlichung mit Christus führen. Aus dem Geist der Reue und Wiedergutmachung bemüht sich der gerechtfertigte Christ umso entschlossener um die Heiligung seines Lebens. Da er aus dem göttlichen Geist lebt, sucht er diesem auch in wachsender Treue zu folgen.

Liebe Brüder und Schwestern!

Herzlich grüße ich bei der heutigen Jubiläumsaudienz alle anwesenden Pilger deutscher Sprache aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Unter den genannten Gruppen begrüße ich besonders die zahlreichen Diözesan und Nationalleiter der Katholischen Männerbewegung Österreichs unter der Leitung des Herrn Weihbischofs Karl Moser. Mit Freude denke ich an meine Begegnung mit euch unter den Vertretern des Laienapostolates bei der Eucharistiefeier im Stephansdom während meines Pastoralbesuches in Österreich. ”Der Laie ist“, wie ich euch damals sagte, ”zugleich Zeichen des Heils in der Welt und Brücke zwischen Welt und Kirche“. Ich weiß um euren Einsatz für die christlichen Grundwerte in Familie und Gesellschaft, für Gerechtigkeit und Frieden und die vordringlichen Anliegen der Völker der Dritten Welt. Ich ermutige euch in diesem wichtigen Apostolat. Es ist für Christen konkrete Teilnahme am Dienst der Verkündigung der Frohen Botschaft Jesu Christi. Ich erbitte eurem Wirken stets Gottes Licht und Beistand. Zugleich erteile ich euch und allen hier anwesenden deutschsprachigen Pilgern von Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen.