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JOHANNES PAUL II.

GENERALAUDIENZ

Mittwoch, 4. September 1985

DE  - ES  - IT

1. Die Kirche bekennt unablässig den Glauben, wie er im ersten Artikel der ältesten christlichen Glaubensbekenntnisse formuliert ist: „Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde.“ Diese Worte spiegeln in knapper und zusammenfassender Form das Zeugnis wider, das der Gott unseres Glaubens, der lebendige und wahre Gott der Offenbarung, von sich selbst gegeben hat, als er – wie es im Hebräerbrief heißt – „durch die Propheten“ und zuletzt „durch den Sohn“ sprach (Hebr 1,1–2). Indem sie den wandelnden Erfordernissen der jeweiligen Zeit begegnete, hat die Kirche die Wahrheit über Gott immer weiter vertieft, wie die verschiedenen Konzilien bezeugen. Ich möchte hier auf das Erste Vatikanische Konzil Bezug nehmen, dessen Lehre von der Notwendigkeit bestimmt wurde, einerseits den Verirrungen des Pantheismus des 19. Jahrhunderts und andererseits den Irrtümern des Materialismus entgegenzutreten, der sich damals durchzusetzen begann.

2. Das Erste Vatikanische Konzil lehrt: „Die Heilige Kirche glaubt und bekennt, dass es nur den einen, lebendigen und wahren Gott gibt, den Schöpfer und Herrn des Himmels und der Erde, der allmächtig, ewig, unermesslich und unbegreiflich ist und unendlich an Verstand, Willen und jeder Vollkommenheit; da er eine geistige Substanz, vollkommen einfach und unwandelbar ist, muss er als wirklich und wesentlich verschieden von der Welt verkündet werden, als an sich und von sich aus in höchstem Maße glücklich und unaussprechlich erhaben über alle Dinge, die außerhalb von ihm bestehen und gedacht werden können“ (Konstitution Dei filius, can. 1–4, DS 3001).

3. Es ist leicht erkennbar, dass der Konzilstext von jenen alten Glaubensbekenntnissen ausgeht, die auch wir sprechen: „Ich glaube an Gott den Vater, den Allmächtigen, Schöpfer des Himmels und der Erde“, dass er aber diese grundlegende Aussage entsprechend der in der Heiligen Schrift, in der Überlieferung und im Lehramt der Kirche enthaltenen Lehre weiterentfaltet. Dank dieser vom I. Vatikanum vorgenommenen Weiterentfaltung werden die „Eigenschaften“ Gottes in einer Form angeführt, die jene der ältesten Glaubensbekenntnisse vervollständigt.

Unter „Attributen“ verstehen wir die Eigenschaften des göttlichen Seins, die von der Offenbarung wie auch von der besten philosophischen Reflexion bekundet werden (vgl. z. B. Summa Theol., I, q. 3 ff.). Die Heilige Schrift beschreibt Gott unter Verwendung verschiedener Adjektive. Diese sind Äußerungen der menschlichen Sprache, die sich vor allem dann als begrenzt erweist, wenn sie eine Aussage über jene völlig transzendente Wirklichkeit zu machen versucht, die Gott in sich selbst ist.

4. Der oben wiedergegebene Abschnitt des Ersten Vatikanischen Konzils beweist die Unmöglichkeit, Gott adäquat zu beschreiben. Er ist unbegreiflich und unaussprechlich. Der Glaube der Kirche und ihre Lehre über Gott begnügen sich jedoch, auch wenn sie an der Überzeugung seiner Unbegreiflichkeit und Unaussprechlichkeit festhalten, nicht damit – etwa nach Art der sogenannten „apophatischen“ Theologie –, sich auf negative Aussagen zu beschränken, mit der Behauptung, die menschliche Sprache und somit auch die Sprache der Theologie vermöge ausschließlich oder nahezu ausschließlich nur das auszusagen, was Gott nicht ist, da es ihr an adäquaten Ausdrücken fehle, um erklären zu können, was Gott ist.

5. So beschränkt sich das I. Vatikanum nicht auf Aussagen, die von Gott nur in negativen Ausdrücken sprechen, sondern es macht auch positive, bejahende Aussagen. Es lehrt z. B., dass dieser Gott, der wesentlich von der Welt verschieden ist (a mundo distinctus re et essentia), ein ewiger Gott ist. Diese Wahrheit wird an verschiedenen Stellen und in verschiedener Weise in der Heiligen Schrift ausgesagt. So lesen wir z. B. im Buch Jesus Sirach: „Der Herr, der in Ewigkeit lebt, hat alles insgesamt erschaffen“ (Sir 18,1). Im Buch des Propheten Daniel heißt es: „Er ist der lebendige Gott; er lebt in Ewigkeit“ (Dan 6,27).

Ähnlich lauten auch die Worte des 102. Psalms, auf die der Hebräerbrief Bezug nimmt. Im Psalm heißt es: „Vorzeiten hast du der Erde Grund gelegt, die Himmel sind das Werk deiner Hände. Sie werden vergehen, du aber bleibst; sie alle zerfallen wie ein Gewand; du wechselst sie wie ein Kleid, und sie schwinden dahin. Du aber bleibst, der du bist, und deine Jahre enden nie“ (Ps 102,27–28). Einige Jahrhunderte später wird der Verfasser des Hebräerbriefes die Worte des zitierten Psalms wieder aufgreifen: „Du, Herr, hast vorzeiten der Erde Grund gelegt, die Himmel sind das Werk deiner Hände. Sie werden vergehen, du aber bleibst; sie alle veralten wie ein Gewand; du rollst sie zusammen wie einen Mantel, und wie ein Gewand werden sie gewechselt. Du aber bleibst, der du bist, und deine Jahre enden nie“ (Hebr 1,10–12).

Die Ewigkeit ist hier jenes Element, das Gott wesentlich von der Welt unterscheidet. Während diese Veränderungen unterworfen ist und vergeht, bleibt Gott über das Vergehen der Welt hinaus: Er ist notwendig und unveränderlich: „Du bleibst, der du bist…“

Im Bewusstsein des Glaubens an diesen ewigen Gott schreibt der hl. Paulus: „Dem König der Ewigkeit, dem unvergänglichen, unsichtbaren, einzigen Gott, sei Ehre und Herrlichkeit in alle Ewigkeit. Amen“ (1 Tim 1,17). Dieselbe Wahrheit findet sich in der Geheimen Offenbarung noch einmal anders formuliert: „Ich bin das Alpha und das Omega, spricht Gott, der Herr, der ist und der war und der kommt, der Herrscher über die ganze Schöpfung“ (Offb 1,8).

6. In diesen Zitaten der Offenbarung findet auch die vernunftmäßige Überzeugung Ausdruck, zu der man gelangt, wenn man bedenkt, dass Gott das subsistierende Sein und somit notwendig und ewig ist; weil er nicht umhin kann zu sein, hat er weder Anfang noch Ende noch eine Aufeinanderfolge von Momenten in dem einen und unendlichen Akt seiner Existenz. Die rechte Vernunft und die Offenbarung stimmen in diesem Punkt wunderbar überein. Wenn Gott die absolute Fülle des Seins (ipsum esse subsistens) ist, muss seine „in die Begrifflichkeit des Seins eingeschriebene“ Ewigkeit verstanden werden als „unteilbarer, vollkommener und gleichzeitiger Besitz eines Lebens ohne Ende“ und somit als Eigenschaft des absoluten Seins „jenseits der Zeit“.

Die Ewigkeit Gottes geht nicht mit der Zeit der erschaffenen Welt einher, „sie entspricht ihr nicht“; sie geht ihr weder voraus noch verlängert sie sie ins Unendliche, sondern sie liegt außerhalb und über ihr. Die Ewigkeit mit allem, was zum Geheimnis Gottes gehört, umfasst in einem gewissen Sinn „von jenseits“ und „von oben her“ alles, was „von innen“ der Zeit, der Veränderung und dem nicht Notwendigen unterworfen ist. Hier kommen uns die Worte des hl. Paulus vor dem Areopag in Athen in den Sinn: „In ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir“ (Apg 17,28).

Wir sagen „von außen“, um mit diesem bildhaften Ausdruck die Transzendenz Gottes über die Dinge und die der Ewigkeit über die Zeit zu bezeichnen, auch wenn wir wissen und erneut bekräftigen, dass Gott jenes Sein ist, das dem Sein der Dinge und somit auch der Zeit innewohnt, die wie ein Aufeinanderfolgen von Augenblicken ist, von denen aber keiner außerhalb des ewigen Umfasstseins durch Gott liegt.

Der Text des I. Vatikanums drückt den Glauben der Kirche an den lebendigen, wahren und ewigen Gott aus. Er ist ewig als absolute Fülle des Seins, die – wie die angeführten Bibeltexte klar aussagen – nicht als eine Summe von Bruchstücken oder „Teilchen“ des Seins verstanden werden darf, die sich im Laufe der Zeit verändern. Die absolute Fülle des Seins kann nur als Ewigkeit verstanden werden, d. h. als der totale und unteilbare Besitz jenes Seins, das das Leben Gottes selbst ausmacht. In diesem Sinne ist Gott ewig: ein „Nunc“, ein subsistierendes „Jetzt“, das kein Werden kennt und dessen Seinsweise sich wesentlich von jener der Geschöpfe unterscheidet, die „der Zufälligkeit unterworfene“ Wesen sind.

7. Daher also ist der lebendige Gott, der sich selbst geoffenbart hat, der ewige Gott. Treffender sagen wir, dass Gott die Ewigkeit selbst ist. Die vollkommene Einfachheit des göttlichen Seins (omnino simplex) verlangt eine solche Ausdrucksweise.

Wenn wir in unserer menschlichen Sprache sagen: „Gott ist ewig“, nennen wir eine Eigenschaft des göttlichen Seins. Und da sich jedes Attribut konkret nicht vom Wesen Gottes selbst unterscheidet (während sich die menschlichen Eigenschaften von dem Menschen, der sie besitzt, sehr wohl unterscheiden), wollen wir mit der Aussage „Gott ist ewig“ bekräftigen: „Gott ist die Ewigkeit.“

Diese Ewigkeit ist für uns, die wir dem Raum und der Zeit unterworfen sind, unbegreiflich wie das göttliche Sein; sie lässt uns jedoch auch unter diesem Gesichtspunkt die unendliche Größe und Majestät des göttlichen Seins erfassen, während uns der Gedanke mit Freude erfüllt, dass dieses ewige Sein alles in sich schließt, was geschaffen und nicht notwendig ist, auch unser kleines Sein, jede unserer Handlungen, jeden Augenblick unseres Lebens.

„In ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir.“

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Liebe Brüder und Schwestern!

Im ersten Satz des Credo bekennen wir unseren Glauben „an den einen Gott, den allmächtigen Vater, Schöpfer des Himmels und der Erde“. Diese Worte enthalten die Glaubenswahrheit, die Gott selbst über sich geoffenbart hat. Die Kirche hat sie später durch theologische Reflexion noch vertieft und weiterentfaltet. So bekennt das I. Vatikanische Konzil von Gott, dem Schöpfer, nicht nur, dass er allmächtig ist, sondern auch „ewig, unermesslich, unbegreiflich und unendlich … in jeder Vollkommenheit“. Als geistige Substanz, als reiner Geist, ist er wirklich und wesentlich verschieden von der Welt. Dieses Konzil bestätigt somit die Unmöglichkeit, Gott adäquat beschreiben zu können; es beschränkt sich aber auch nicht nur auf negative Aussagen. So lehrt es positiv, dass Gott unabhängig und außerhalb von Zeit und Welt existiert, also ein ewiger Gott ist.

Auch diese Wahrheit ist an vielen Stellen der Heiligen Schrift ausgesagt; so im Buch Jesus Sirach: „Der Herr, der in Ewigkeit lebt, hat alles insgesamt erschaffen“ (18,1). Im Psalm 102 beten wir: „Vorzeiten hast du der Erde Grund gelegt, die Himmel sind das Werk deiner Hände. Sie werden vergehen, du aber bleibst … Du bleibst, der du bist, und deine Jahre enden nie“ (26–28). Die Theologen sprechen daran anschließend von Gott als dem subsistierenden Sein, dem Sein schlechthin, das notwendig und ewig ist. Gott ist die absolute Fülle des Seins, die keinen Anfang und kein Ende haben kann. Er ist außerhalb von Raum und Zeit, ein ewiges „Jetzt“, das alles, was ist, in gewisser Weise in sich schließt. Der hl. Paulus sagt von uns, dass wir in ihm leben, uns in ihm bewegen und in ihm sind (vgl. Apg 17,28). Gott ist nicht nur ewig, sondern ist selbst die Ewigkeit.

Herzlich grüße ich bei der heutigen Audienz alle Pilger und Besucher aus Deutschland, Osterreich und der Schweiz; unter ihnen besonders die Gruppe von Priestern aus der Diözese Regensburg sowie die der Barmherzigen Schwestern aus Augsburg. Einen weiteren Willkommensgruß richte ich an die Teilnehmer der Rom-Wallfahrt der Erzdiözese München und Freising und der Diözese Passau wie auch an die große Pilgergruppe der Katholischen Männerbewegung aus Graz. Euch und allen Audienzteilnehmern wünsche ich einen frohen und auch geistig fruchtbaren Aufenthalt in der Ewigen Stadt und erteile euch von Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen.