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JOHANNES PAUL II.

GENERALAUDIENZ

Mittwoch, 12. Dezember 1985

DE  - ES  - IT

1. „Unus Deus Trinitas . .“

Am Ende langer Reflexion**,** die von den Kirchenvätern vorangetrieben und in den Definitionen der Konzilien niedergelegt wurde, spricht die Kirche vom Vater, vom Sohn und vom Heiligen Geist als von drei „Personen“, die in der Einheit ihres identisch göttlichen Wesens subsistieren.

Von „Person“ zu sprechen, heißt, Bezug zu nehmen auf ein einziges vernunftbegabtes Seiendes, wie schon Boethius in seiner berühmten Definition klarstellt: „Persona proprie dicitur rationalis naturae individua substantia“ (in De duabus naturis et una persona Christi, PL 64, 1343 D). Die alte Kirche stellt jedoch sofort klar, dass die Vernunftnatur in Gott mit den drei Personen nicht vervielfältigt wird; sie bleibt eine einzige, sodass der Gläubige mit dem Glaubensbekenntnis Quicumque sprechen kann: „Nicht drei Götter, sondern ein einziger Gott.“

Hier wird das Geheimnis besonders tief: drei verschiedene Personen und ein einziger Gott. Wie ist das möglich? Die Vernunft begreift, dass das kein Widerspruch ist, denn die Dreiheit betrifft die Personen und die Einheit die göttliche Natur. Es bleibt jedoch die Schwierigkeit: Jede der Personen ist ein und derselbe Gott; wie können sie also real voneinander unterschieden sein?

2. Die Antwort, die unser Verstand stammelt, stützt sich auf den Begriff der „Relation“. Die drei göttlichen Personen unterscheiden sich voneinander einzig durch die Relationen, die sie zueinander haben, und zwar durch das Verhältnis des Vaters zum Sohn, des Sohnes zum Vater; des Vaters und des Sohnes zum Geist, des Geistes zum Vater und Sohn. In Gott ist also der Vater reine Vaterschaft, der Sohn reine Sohnschaft, der Heilige Geist reines „Liebesband“ der beiden, sodass die Unterscheidung in Personen dieselbe und einzige göttliche Natur der Drei nicht teilt.

Das 11. Konzil von Toledo (im Jahr 675) verdeutlicht sehr genau: „Das, was der Vater ist, ist er nicht in Bezug auf sich selbst, sondern in der Beziehung zum Sohn; und das, was der Sohn ist, ist er nicht in Bezug auf sich selbst, sondern in der Beziehung zum Vater; ebenso ist der Heilige Geist, der als Geist des Vaters und des Sohnes verkündet wird, das nicht in Bezug auf sich selbst, sondern in Beziehung zum Vater und zum Sohn“ (DS 528).

Das Konzil von Florenz (im Jahr 1442) konnte darum aussagen: „Diese drei Personen sind ein einziger Gott (…), weil sie eine einzige Substanz, ein einziges Wesen, eine einzige Natur, eine einzige Gottheit, eine einzige Unermesslichkeit, eine einzige Ewigkeit haben; denn in Gott ist alles eins, soweit nicht ein Gegensatz der Beziehung besteht“ (DS 1330).

3. Die Relationen, die so den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist unterscheiden und sie in ihrem Sein selbst real einander zuwenden, tragen die ganze Fülle des Lichts und des Lebens der göttlichen Natur in sich, mit dem sie völlig identisch sind. Es sind subsistierende Relationen, die kraft der ihnen innewohnenden Lebensenergie sich aufeinander zubewegen, in einer Gemeinschaft, in der die Person in ihrer Ganzheit Offenheit für die andere ist – erhabenstes Beispiel der Aufrichtigkeit und geistigen Freiheit, wonach die zwischenmenschlichen Beziehungen streben müssen, auch wenn sie von diesem transzendenten Vorbild sehr weit entfernt sind.

In diesem Zusammenhang bemerkt das II. Vatikanische Konzil: „Wenn der Herr Jesus zum Vater betet, dass alle eins seien (…) wie auch wir eins sind“ (Joh 17,20–22), und damit Horizonte aufreißt, die der menschlichen Vernunft unerreichbar sind, legt er eine gewisse Ähnlichkeit nahe zwischen der Einheit der göttlichen Personen und der Einheit der Kinder Gottes in der Wahrheit und der Liebe. Dieser Vergleich macht offenbar, dass der Mensch, der auf Erden die einzige von Gott um ihrer selbst willen gewollte Kreatur ist, sich selbst nur durch die aufrichtige Hingabe seiner selbst vollkommen finden kann“ (Gaudium et spes, Nr. 24).

4. Wenn die vollkommenste Einheit der drei göttlichen Personen der transzendente Höhepunkt ist, der jede Form echter Gemeinschaft unter den Menschen erleuchtet, ist es ganz richtig, dass unsere Gedanken immer wieder zur Betrachtung dieses Geheimnisses zurückkehren, auf das im Evangelium so oft hingewiesen wird. Es genügt, an die Worte Jesu zu erinnern: „Ich und der Vater sind eins“ (Joh 10,30); und: „Glaubt wenigstens den Werken (…) Dann werdet ihr erkennen und einsehen, dass in mir der Vater ist und ich im Vater bin“ (Joh 10,38). Und in einem anderen Zusammenhang: „Die Worte, die ich zu euch sage, habe ich nicht aus mir selbst. Der Vater, der in mir bleibt, vollbringt seine Werke. Glaubt mir doch, dass ich im Vater bin und dass der Vater in mir ist“ (Joh 14,10–11).

Die geistlichen Autoren der Antike und des Mittelalters erörtern immer wieder dieses gegenseitige Sich-Durchdringen der göttlichen Personen. Die Griechen nennen es „perichoresis“, im Abendland spricht man (besonders seit dem 11. Jahrhundert) von „circumincessio“ (= gegenseitiges Sich-Durchdringen) oder „circuminsessio“ (= gegenseitiges Einwohnen). Das Konzil von Florenz hat diese trinitarische Wahrheit mit folgenden Worten formuliert: „Durch diese Einheit (…) ist der Vater ganz im Sohn, ganz im Heiligen Geist; der Sohn ist ganz im Vater, ganz im Heiligen Geist; der Heilige Geist ist ganz im Vater, ganz im Sohn“ (DS 1331). Die drei göttlichen Personen, voneinander verschieden, weisen, obwohl sie wechselseitige Beziehungen darstellen, dasselbe Sein, dasselbe Leben auf und sind derselbe Gott.

Angesichts dieses überwältigenden Geheimnisses der Gemeinschaft, in dem sich unser kleiner Verstand nicht zurechtfindet, kommt uns unwillkürlich die Anrufung der Liturgie auf die Lippen: „Gloria tibi, Trinitas, aequalis, una Deitas et ante omnia saecula, et nunc et in perpetuum.“ (Ehre sei dir, o Dreifaltigkeit, in der Gleichheit der Personen, eine Gottheit vor aller Zeit und jetzt und in Ewigkeit.) (Erste Vesper des Dreifaltigkeitsfestes, 1. Ant.)

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Liebe Brüder und Schwestern!

Am Beginn dieser Audienz haben wir soeben Worte Jesu aus dem Johannesevangelium gehört. Dort betet der Herr um die Einheit seiner Jünger; er sagt: „Alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein (…) Sie sollen eins sein, wie wir eins sind“ (Joh 17,20–22). Mit diesen Worten gibt uns Christus das Maß an für unser Bemühen um Einheit: Das Maß ist die Einheit Jesu mit Gott dem Vater im Heiligen Geist.

Über diese und ähnliche Worte Jesu haben Kirchenväter und Theologen über die Jahrhunderte hin viel nachgedacht. Der Herr offenbart uns ja darin die innige, liebende Gemeinschaft des Gottessohnes mit Gott Vater, geeint durch das Band des Heiligen Geistes. Diese Gemeinschaft beginnt aber nicht etwa in der Zeit; sie ist von Ewigkeit her. Sie gehört zu Gottes Wesen selbst; Gott ist ewige Gemeinschaft.

Gemeinschaft aber besteht zwischen Personen – so auch in Gott. Der christliche Glaube sieht in Gott drei Personen, die sich einander liebend zuwenden: Vater, Sohn und Heiliger Geist. Dabei nehmen wir natürlich das Erbe des Alten Bundes sehr ernst und beten nur einen einzigen Gott an. Über allen begrenzten, geschaffenen Wesen kann es ja nur eine einzige unendliche, ungeschaffene, göttliche Natur geben. Die christliche Theologie fasst diese Dreiheit und diese Einheit so zusammen: Gott verwirklicht drei Personen in einer einzigen göttlichen Natur. So ist er das göttliche Urbild für alle Gemeinschaft und liebende Zuwendung unter den Menschen, vor allem aber unter uns Christen.

Mit diesen kurzen Hinweisen auf das tiefste Geheimnis unseres Glaubens grüße und segne ich von Herzen die anwesenden Besucher deutscher Sprache, darunter die Gruppe von Schülerinnen aus Krastowitz in Österreich. Gelobt sei Jesus Christus!