JOHANNES PAUL II.
GENERALAUDIENZ
Mittwoch, 7. Mai 1986
1. Wir setzen heute die Katechese über die göttliche Vorsehung fort. Durch die Schöpfung hat Gott alles, was außerhalb von ihm existieren sollte, aus dem Nichts ins Dasein gerufen. Aber der Schöpfungsakt Gottes ist damit nicht zu Ende. Was aus dem Nichts entstanden ist, würde ins Nichts zurücksinken, wenn es sich selbst überlassen bliebe und nicht vom Schöpfer in seiner Existenz erhalten würde. In Wirklichkeit nämlich fährt Gott, nachdem er einmal den Kosmos geschaffen hat, fort, ihn zu erschaffen, indem er ihn im Dasein erhält. Die Erhaltung ist eine fortdauernde Schöpfung (conservatio est continua creatio).
2. Wir können sagen, dass die göttliche Vorsehung, im allgemeineren Sinn verstanden, vor allem in dieser Erhaltung zum Ausdruck kommt: das heißt darin, dass alles, was aus dem Nichts entstanden ist, im Dasein erhalten wird. In diesem Sinn ist die Vorsehung so etwas wie eine beständige und unaufhörliche Bestätigung des Schöpferwerkes in seiner ganzen Fülle und Vielfalt. Sie bedeutet die ständige und ununterbrochene Gegenwart Gottes als Schöpfer in der gesamten Schöpfung: eine Gegenwart, die fortwährend schaffend am Werke ist und fortwährend an die tiefsten Wurzeln alles Seienden heranreicht, um dort als Erstursache des Seins und des Handelns zu wirken. In dieser Gegenwart Gottes drückt sich fortdauernd der ewige Wille aus, zu erschaffen und das Erschaffene im Dasein zu erhalten: ein in höchstem Maße und ganz und gar souveräner Wille, durch den Gott, als Gutes, das ihm auf absolute Weise eigen ist (bonum diffusivum sui), fortfährt, sich so, wie er es im ersten Schöpfungsakt getan hat, für das Sein statt für das Nichts, für das Leben statt für den Tod, für das Licht statt für die Finsternis auszusprechen (vgl. Joh 1,4), mit einem Wort: für die Wahrheit, das Gute und die Schönheit, alles dessen, was ist. Im Geheimnis der Vorsehung dauert ununterbrochen und unumkehrbar das im Buch Genesis enthaltene Urteil fort: „Gott sah, dass es gut war … dass es sehr gut war“ (Gen 1,25.31): dies bedeutet also die grundlegende und unerschütterliche Bejahung des Schöpfungswerkes.
3. Diese grundlegende Bejahung wird von keinem Übel angetastet, das von der einem jeden Ding im Kosmos anhaftenden Grenze herrührt oder, wie es in der Geschichte des Menschen geschehen ist, in schmerzlichem Gegensatz zu jenem ursprünglichen „Gott sah, dass es gut war … dass es sehr gut war“ (Gen 1,25.31), steht. Von der göttlichen Vorsehung sprechen heißt, anerkennen, dass im ewigen Plan Gottes, in seinem Schöpfungsplan, jenes Übel – das ursprünglich nicht vorgesehen ist, nachdem es einmal vom Menschen begangen und von Gott zugelassen ist – schließlich dem Guten untergeordnet wird: Er „führt alles zum Guten“, wie es der Apostel formuliert (vgl. Röm 8,28). Aber das ist ein Problem, auf das wir noch zurückkommen müssen.
4. Die Wahrheit von der göttlichen Vorsehung ist in der gesamten Offenbarung gegenwärtig. Ja, man kann sagen, sie durchdringt die gesamte Offenbarung ebenso wie die Wahrheit von der Schöpfung. Mit dieser bildet sie den ersten und grundlegenden Bezugspunkt von allem, was Gott „viele Male und auf vielerlei Weise“ den Menschen „durch die Propheten und in dieser Endzeit … durch den Sohn“ (Hebr 1,1f) sagen wollte. Man muss daher diese Wahrheit erneut bedenkend lesen, und zwar sowohl in den Texten der Offenbarung, wo unmittelbar von ihr die Rede ist, als auch dort, wo die Heilige Schrift auf indirekte Weise von ihr Zeugnis gibt.
5. Sie findet sich als fundamentale Glaubenswahrheit von Anfang an in der ordentlichen Lehrverkündigung der Kirche, auch wenn erst das Erste Vatikanische Konzil in der dogmatischen Konstitution „De fide catholica“ sie feierlich als Wahrheit über die Schöpfung bekräftigt hat. Hier die Worte des Ersten Vatikanums: „Alles, was Gott geschaffen hat, bewahrt und lenkt er mit seiner Vorsehung, ‚die ihre Kraft machtvoll von einem Ende zum andern entfaltet und voll Güte das All durchwaltet‘ (Weish 8,1). ‚Alles liegt nackt und bloß vor seinen Augen**‘** (Hebr 4,13), auch das, was aus freier Initiative der Geschöpfe geschieht“ (DS 3003).
6. Der, wie man sieht, eher knappe Konzilstext war durch die besonderen Erfordernisse der Zeit (19. Jahrhundert) bestimmt. Das Konzil wollte vor allem die ständige Lehre der Kirche über die Vorsehung und damit die unveränderliche Lehrtradition, die – wie die im Text enthaltenen Abschnitte aus dem Alten und Neuen Testament bezeugen – an die ganze biblische Botschaft gebunden ist, bestätigen. Mit der Bestätigung dieser ständigen Lehre des christlichen Glaubens wollte sich das Konzil den damals herrschenden Irrtümern des Materialismus und des Deismus entgegenstellen. Der Materialismus leugnet bekanntlich die Existenz Gottes, während der Deismus die Existenz Gottes und die Erschaffung der Welt zwar gelten lässt, aber behauptet, Gott kümmere sich überhaupt nicht mehr um die von ihm geschaffene Welt. Man könnte daher sagen, dass gerade der Deismus mit seiner Lehre die Wahrheit von der göttlichen Vorsehung direkt angreift.
7. Die Trennung des Schöpfungswerkes von der göttlichen Vorsehung, wie sie für den Deismus typisch ist, und noch mehr die dem Materialismus eigene totale Leugnung Gottes öffnen den Weg zum materialistischen Determinismus, dem der Mensch und seine Geschichte vollständig untergeordnet werden. Der theoretische Materialismus wird zum historischen. In diesem Zusammenhang stellt die Wahrheit von der Existenz Gottes und insbesondere von der göttlichen Vorsehung die grundlegende und endgültige Gewähr für den Menschen und seine Freiheit im Kosmos dar. Das lässt die Heilige Schrift bereits im Alten Testament erkennen, wenn sie Gott als starke und unerschütterliche Stütze betrachtet: „Ich will dich lieben, Herr, meine Stärke, Herr, du mein Fels, meine Burg, mein Retter, mein Gott, meine Feste, in der ich mich berge, mein Schild und sicheres Heil, meine Zuflucht“ (Ps 18,26). Gott ist das unerschütterliche Fundament, auf das sich der Mensch mit seinem ganzen Sein stützt: „Du hältst mein Los in deinen Händen“ (Ps 16,5).
Man kann sagen, dass die göttliche Vorsehung als souveräne Bejahung der ganzen Schöpfung durch Gott und insbesondere der Vorrangstellung des Menschen unter den Geschöpfen die grundlegende Gewähr für die Souveränität des Menschen selbst der Welt gegenüber darstellt. Das bedeutet nicht die Aufhebung der den Naturgesetzen innewohnenden Determination, sondern die Ausschließung jenes materialistischen Determinismus, der die gesamte menschliche Existenz auf das Reich der Notwendigkeit beschränkt und damit praktisch das Reich der Freiheit vernichtet, das der Schöpfer hingegen für den Menschen bestimmt hat. Gott mit seiner Vorsehung hört nicht auf, die letzte Stütze des Reiches der Freiheit zu sein.
8. Der Glaube an die göttliche Vorsehung ist, wie man sieht, eng mit der Grundvorstellung von der menschlichen Existenz, das heißt mit dem Sinn des menschlichen Lebens, verbunden. Der Mensch vermag sich seiner eigenen Existenz auf grundlegend andere Weise zu stellen, wenn er die Gewissheit hat, dass er sich nicht in der Gewalt eines blinden Schicksals (fatum) befindet, sondern von Jemandem abhängt, der ihm Schöpfer und Vater ist. Darum befreit der Glaube an die göttliche Vorsehung, wie er in den ersten Worten des Apostolischen Glaubensbekenntnisses formuliert ist: „Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen“, die menschliche Existenz von den verschiedenen Formen des fatalistischen Denkens.
9. In Fortsetzung der ständigen Überlieferung der Kirche und insbesondere der Lehre des Ersten Vatikanischen Konzils spricht auch das Zweite Vatikanische Konzil oftmals von der göttlichen Vorsehung. Aus den Texten seiner Konstitutionen ergibt sich, dass Gott derjenige ist, der „väterlich für alle sorgt“ (GS 24), insbesondere „für das Menschengeschlecht“ (DV 3). Ausdruck dieser Sorge ist auch das „göttliche Gesetz, das ewige, objektive und universale, durch das Gott nach dem Ratschluss seiner Weisheit und Liebe die ganze Welt und die Wege der Menschengemeinschaft ordnet, leitet und regiert“ (DH 3). „Der Mensch … existiert nämlich nur, weil er von Gott aus Liebe geschaffen, immer aus Liebe erhalten wird; und er lebt nicht voll gemäß der Wahrheit, wenn er diese Liebe nicht frei anerkennt und sich seinem Schöpfer anheimgibt“ (GS 19).
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Liebe Brüder und Schwestern!
Eng verbunden mit dem Glaubenssatz von der Schöpfung durch Gott ist die Wahrheit von der göttlichen Vorsehung. Gott erschafft die Dinge und Lebewesen nicht nur aus dem Nichts, sondern erhält sie auch ständig im Dasein. Die göttliche Vorsehung im weiten Sinn drückt sich vor allem in dieser Erhaltung der Schöpfung aus. Sie besagt eine ununterbrochene Gegenwart Gottes in der Schöpfung als Erstursache allen Seins und Handelns. Sie ist gleichsam die ständige Bestätigung des Urteils Gottes, der am Anfang sah, dass alles Geschaffene gut, ja „sehr gut“ war (vgl. Gen 1,2). Dieses positive Urteil über die Schöpfung wird durch kein nachfolgendes Übel oder Böses beeinträchtigt. Wenn auch ursprünglich nicht vorgesehen, so wird dieses schließlich dem Guten untergeordnet. Die Wahrheit von der göttlichen Vorsehung ist gegenwärtig in der ganzen Offenbarung und in der gesamten Heiligen Schrift. Sie findet sich als fundamentale Glaubenswahrheit von Anfang an im Lehramt der Kirche. Das I. Vatikanische Konzil spricht ausdrücklich von ihr. Es bekräftigt die konstante Lehre der Kirche über die Vorsehung und verteidigt sie gegen die Irrtümer des Materialismus und des Deismus, die entweder die Existenz Gottes oder sein Wirken in der Schöpfung leugnen. Diese schließen den Menschen in ein „Reich der Zwänge“ ein, während die Lehre von der göttlichen Vorsehung die Freiheit des Menschen verteidigt. Ebenso spricht auch das II. Vatikanische Konzil von dem göttlichen Gesetz, „durch das Gott nach dem Ratschluss seiner Weisheit und Liebe die ganze Welt und die Wege der Menschengemeinschaft ordnet, leitet und regiert“ (DH 3). Darum ist der Mensch auch aufgerufen, sich dieser Weisheit und Liebe des Schöpfers voller Glauben und Zuversicht anzuvertrauen.
Mit dieser kurzen Betrachtung grüße ich euch alle sehr herzlich: aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Unter den genannten Gruppen grüße ich namentlich die Teilnehmer der Rompilgerfahrt aus dem Landkreis Erding im Erzbistum München und Freising, die Mitglieder der Katholischen Österreichischen Studentenverbindung”Austria Wien“sowie die Eltern und Angehörigen der neuen Rekruten der Päpstlichen Schweizergarde. Indem ich euch und alle anwesenden Pilger deutscher Sprache Gottes Gute und Vorsehung anempfehle, erteile ich euch und euren Angehörigen in der Heimat von Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen.
1. Wir setzen heute die Katechese über die göttliche Vorsehung fort. Durch die Schöpfung hat Gott alles, was außerhalb von ihm existieren sollte, aus dem Nichts ins Dasein gerufen. Aber der Schöpfungsakt Gottes ist damit nicht zu Ende. Was aus dem Nichts entstanden ist, würde ins Nichts zurücksinken, wenn es sich selbst überlassen bliebe und nicht vom Schöpfer in seiner Existenz erhalten würde. In Wirklichkeit nämlich fährt Gott, nachdem er einmal den Kosmos geschaffen hat, fort, ihn zu erschaffen, indem er ihn im Dasein erhält. Die Erhaltung ist eine fortdauernde Schöpfung (conservatio est continua creatio).
2. Wir können sagen, dass die göttliche Vorsehung, im allgemeineren Sinn verstanden, vor allem in dieser Erhaltung zum Ausdruck kommt: das heißt darin, dass alles, was aus dem Nichts entstanden ist, im Dasein erhalten wird. In diesem Sinn ist die Vorsehung so etwas wie eine beständige und unaufhörliche Bestätigung des Schöpferwerkes in seiner ganzen Fülle und Vielfalt. Sie bedeutet die ständige und ununterbrochene Gegenwart Gottes als Schöpfer in der gesamten Schöpfung: eine Gegenwart, die fortwährend schaffend am Werke ist und fortwährend an die tiefsten Wurzeln alles Seienden heranreicht, um dort als Erstursache des Seins und des Handelns zu wirken. In dieser Gegenwart Gottes drückt sich fortdauernd der ewige Wille aus, zu erschaffen und das Erschaffene im Dasein zu erhalten: ein in höchstem Maße und ganz und gar souveräner Wille, durch den Gott, als Gutes, das ihm auf absolute Weise eigen ist (bonum diffusivum sui), fortfährt, sich so, wie er es im ersten Schöpfungsakt getan hat, für das Sein statt für das Nichts, für das Leben statt für den Tod, für das Licht statt für die Finsternis auszusprechen (vgl. Joh 1,4), mit einem Wort: für die Wahrheit, das Gute und die Schönheit, alles dessen, was ist. Im Geheimnis der Vorsehung dauert ununterbrochen und unumkehrbar das im Buch Genesis enthaltene Urteil fort: „Gott sah, dass es gut war … dass es sehr gut war“ (Gen 1,25.31): dies bedeutet also die grundlegende und unerschütterliche Bejahung des Schöpfungswerkes.
3. Diese grundlegende Bejahung wird von keinem Übel angetastet, das von der einem jeden Ding im Kosmos anhaftenden Grenze herrührt oder, wie es in der Geschichte des Menschen geschehen ist, in schmerzlichem Gegensatz zu jenem ursprünglichen „Gott sah, dass es gut war … dass es sehr gut war“ (Gen 1,25.31), steht. Von der göttlichen Vorsehung sprechen heißt, anerkennen, dass im ewigen Plan Gottes, in seinem Schöpfungsplan, jenes Übel – das ursprünglich nicht vorgesehen ist, nachdem es einmal vom Menschen begangen und von Gott zugelassen ist – schließlich dem Guten untergeordnet wird: Er „führt alles zum Guten“, wie es der Apostel formuliert (vgl. Röm 8,28). Aber das ist ein Problem, auf das wir noch zurückkommen müssen.
4. Die Wahrheit von der göttlichen Vorsehung ist in der gesamten Offenbarung gegenwärtig. Ja, man kann sagen, sie durchdringt die gesamte Offenbarung ebenso wie die Wahrheit von der Schöpfung. Mit dieser bildet sie den ersten und grundlegenden Bezugspunkt von allem, was Gott „viele Male und auf vielerlei Weise“ den Menschen „durch die Propheten und in dieser Endzeit … durch den Sohn“ (Hebr 1,1f) sagen wollte. Man muss daher diese Wahrheit erneut bedenkend lesen, und zwar sowohl in den Texten der Offenbarung, wo unmittelbar von ihr die Rede ist, als auch dort, wo die Heilige Schrift auf indirekte Weise von ihr Zeugnis gibt.
5. Sie findet sich als fundamentale Glaubenswahrheit von Anfang an in der ordentlichen Lehrverkündigung der Kirche, auch wenn erst das Erste Vatikanische Konzil in der dogmatischen Konstitution „De fide catholica“ sie feierlich als Wahrheit über die Schöpfung bekräftigt hat. Hier die Worte des Ersten Vatikanums: „Alles, was Gott geschaffen hat, bewahrt und lenkt er mit seiner Vorsehung, ‚die ihre Kraft machtvoll von einem Ende zum andern entfaltet und voll Güte das All durchwaltet‘ (Weish 8,1). ‚Alles liegt nackt und bloß vor seinen Augen**‘** (Hebr 4,13), auch das, was aus freier Initiative der Geschöpfe geschieht“ (DS 3003).
6. Der, wie man sieht, eher knappe Konzilstext war durch die besonderen Erfordernisse der Zeit (19. Jahrhundert) bestimmt. Das Konzil wollte vor allem die ständige Lehre der Kirche über die Vorsehung und damit die unveränderliche Lehrtradition, die – wie die im Text enthaltenen Abschnitte aus dem Alten und Neuen Testament bezeugen – an die ganze biblische Botschaft gebunden ist, bestätigen. Mit der Bestätigung dieser ständigen Lehre des christlichen Glaubens wollte sich das Konzil den damals herrschenden Irrtümern des Materialismus und des Deismus entgegenstellen. Der Materialismus leugnet bekanntlich die Existenz Gottes, während der Deismus die Existenz Gottes und die Erschaffung der Welt zwar gelten lässt, aber behauptet, Gott kümmere sich überhaupt nicht mehr um die von ihm geschaffene Welt. Man könnte daher sagen, dass gerade der Deismus mit seiner Lehre die Wahrheit von der göttlichen Vorsehung direkt angreift.
7. Die Trennung des Schöpfungswerkes von der göttlichen Vorsehung, wie sie für den Deismus typisch ist, und noch mehr die dem Materialismus eigene totale Leugnung Gottes öffnen den Weg zum materialistischen Determinismus, dem der Mensch und seine Geschichte vollständig untergeordnet werden. Der theoretische Materialismus wird zum historischen. In diesem Zusammenhang stellt die Wahrheit von der Existenz Gottes und insbesondere von der göttlichen Vorsehung die grundlegende und endgültige Gewähr für den Menschen und seine Freiheit im Kosmos dar. Das lässt die Heilige Schrift bereits im Alten Testament erkennen, wenn sie Gott als starke und unerschütterliche Stütze betrachtet: „Ich will dich lieben, Herr, meine Stärke, Herr, du mein Fels, meine Burg, mein Retter, mein Gott, meine Feste, in der ich mich berge, mein Schild und sicheres Heil, meine Zuflucht“ (Ps 18,26). Gott ist das unerschütterliche Fundament, auf das sich der Mensch mit seinem ganzen Sein stützt: „Du hältst mein Los in deinen Händen“ (Ps 16,5).
Man kann sagen, dass die göttliche Vorsehung als souveräne Bejahung der ganzen Schöpfung durch Gott und insbesondere der Vorrangstellung des Menschen unter den Geschöpfen die grundlegende Gewähr für die Souveränität des Menschen selbst der Welt gegenüber darstellt. Das bedeutet nicht die Aufhebung der den Naturgesetzen innewohnenden Determination, sondern die Ausschließung jenes materialistischen Determinismus, der die gesamte menschliche Existenz auf das Reich der Notwendigkeit beschränkt und damit praktisch das Reich der Freiheit vernichtet, das der Schöpfer hingegen für den Menschen bestimmt hat. Gott mit seiner Vorsehung hört nicht auf, die letzte Stütze des Reiches der Freiheit zu sein.
8. Der Glaube an die göttliche Vorsehung ist, wie man sieht, eng mit der Grundvorstellung von der menschlichen Existenz, das heißt mit dem Sinn des menschlichen Lebens, verbunden. Der Mensch vermag sich seiner eigenen Existenz auf grundlegend andere Weise zu stellen, wenn er die Gewissheit hat, dass er sich nicht in der Gewalt eines blinden Schicksals (fatum) befindet, sondern von Jemandem abhängt, der ihm Schöpfer und Vater ist. Darum befreit der Glaube an die göttliche Vorsehung, wie er in den ersten Worten des Apostolischen Glaubensbekenntnisses formuliert ist: „Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen“, die menschliche Existenz von den verschiedenen Formen des fatalistischen Denkens.
9. In Fortsetzung der ständigen Überlieferung der Kirche und insbesondere der Lehre des Ersten Vatikanischen Konzils spricht auch das Zweite Vatikanische Konzil oftmals von der göttlichen Vorsehung. Aus den Texten seiner Konstitutionen ergibt sich, dass Gott derjenige ist, der „väterlich für alle sorgt“ (GS 24), insbesondere „für das Menschengeschlecht“ (DV 3). Ausdruck dieser Sorge ist auch das „göttliche Gesetz, das ewige, objektive und universale, durch das Gott nach dem Ratschluss seiner Weisheit und Liebe die ganze Welt und die Wege der Menschengemeinschaft ordnet, leitet und regiert“ (DH 3). „Der Mensch … existiert nämlich nur, weil er von Gott aus Liebe geschaffen, immer aus Liebe erhalten wird; und er lebt nicht voll gemäß der Wahrheit, wenn er diese Liebe nicht frei anerkennt und sich seinem Schöpfer anheimgibt“ (GS 19).
In deutscher Sprache sagte der Papst:
Liebe Brüder und Schwestern!
Eng verbunden mit dem Glaubenssatz von der Schöpfung durch Gott ist die Wahrheit von der göttlichen Vorsehung. Gott erschafft die Dinge und Lebewesen nicht nur aus dem Nichts, sondern erhält sie auch ständig im Dasein. Die göttliche Vorsehung im weiten Sinn drückt sich vor allem in dieser Erhaltung der Schöpfung aus. Sie besagt eine ununterbrochene Gegenwart Gottes in der Schöpfung als Erstursache allen Seins und Handelns. Sie ist gleichsam die ständige Bestätigung des Urteils Gottes, der am Anfang sah, dass alles Geschaffene gut, ja „sehr gut“ war (vgl. Gen 1,2). Dieses positive Urteil über die Schöpfung wird durch kein nachfolgendes Übel oder Böses beeinträchtigt. Wenn auch ursprünglich nicht vorgesehen, so wird dieses schließlich dem Guten untergeordnet. Die Wahrheit von der göttlichen Vorsehung ist gegenwärtig in der ganzen Offenbarung und in der gesamten Heiligen Schrift. Sie findet sich als fundamentale Glaubenswahrheit von Anfang an im Lehramt der Kirche. Das I. Vatikanische Konzil spricht ausdrücklich von ihr. Es bekräftigt die konstante Lehre der Kirche über die Vorsehung und verteidigt sie gegen die Irrtümer des Materialismus und des Deismus, die entweder die Existenz Gottes oder sein Wirken in der Schöpfung leugnen. Diese schließen den Menschen in ein „Reich der Zwänge“ ein, während die Lehre von der göttlichen Vorsehung die Freiheit des Menschen verteidigt. Ebenso spricht auch das II. Vatikanische Konzil von dem göttlichen Gesetz, „durch das Gott nach dem Ratschluss seiner Weisheit und Liebe die ganze Welt und die Wege der Menschengemeinschaft ordnet, leitet und regiert“ (DH 3). Darum ist der Mensch auch aufgerufen, sich dieser Weisheit und Liebe des Schöpfers voller Glauben und Zuversicht anzuvertrauen.
Mit dieser kurzen Betrachtung grüße ich euch alle sehr herzlich: aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Unter den genannten Gruppen grüße ich namentlich die Teilnehmer der Rompilgerfahrt aus dem Landkreis Erding im Erzbistum München und Freising, die Mitglieder der Katholischen Österreichischen Studentenverbindung „Austria Wien“ sowie die Eltern und Angehörigen der neuen Rekruten der Päpstlichen Schweizergarde. Indem ich euch und alle anwesenden Pilger deutscher Sprache Gottes Güte und Vorsehung empfehle, erteile ich euch und euren Angehörigen in der Heimat von Herzen meinen besonderen apostolischen Segen.
1. Wir setzen heute die Katechese über die göttliche Vorsehung fort. Durch die Schöpfung hat Gott alles, was außerhalb von ihm existieren sollte, aus dem Nichts ins Dasein gerufen. Aber der Schöpfungsakt Gottes ist damit nicht zu Ende. Was aus dem Nichts entstanden ist, würde ins Nichts zurücksinken, wenn es sich selbst überlassen bliebe und nicht vom Schöpfer in seiner Existenz erhalten würde. In Wirklichkeit nämlich fährt Gott, nachdem er einmal den Kosmos geschaffen hat, fort, ihn zu erschaffen, indem er ihn im Dasein erhält. Die Erhaltung ist eine fortdauernde Schöpfung (conservatio est continua creatio).
2. Wir können sagen, dass die göttliche Vorsehung, im allgemeineren Sinn verstanden, vor allem in dieser Erhaltung zum Ausdruck kommt: das heißt darin, dass alles, was aus dem Nichts entstanden ist, im Dasein erhalten wird. In diesem Sinn ist die Vorsehung so etwas wie eine beständige und unaufhörliche Bestätigung des Schöpferwerkes in seiner ganzen Fülle und Vielfalt. Sie bedeutet die ständige und ununterbrochene Gegenwart Gottes als Schöpfer in der gesamten Schöpfung: eine Gegenwart, die fortwährend schaffend am Werke ist und fortwährend an die tiefsten Wurzeln alles Seienden heranreicht, um dort als Erstursache des Seins und des Handelns zu wirken. In dieser Gegenwart Gottes drückt sich fortdauernd der ewige Wille aus, zu erschaffen und das Erschaffene im Dasein zu erhalten: ein in höchstem Maße und ganz und gar souveräner Wille, durch den Gott, als Gutes, das ihm auf absolute Weise eigen ist (bonum diffusivum sui), fortfährt, sich so, wie er es im ersten Schöpfungsakt getan hat, für das Sein statt für das Nichts, für das Leben statt für den Tod, für das Licht statt für die Finsternis auszusprechen (vgl. Joh 1,4), mit einem Wort: für die Wahrheit, das Gute und die Schönheit, alles dessen, was ist. Im Geheimnis der Vorsehung dauert ununterbrochen und unumkehrbar das im Buch Genesis enthaltene Urteil fort: „Gott sah, dass es gut war … dass es sehr gut war“ (Gen 1,25.31): dies bedeutet also die grundlegende und unerschütterliche Bejahung des Schöpfungswerkes.
3. Diese grundlegende Bejahung wird von keinem Übel angetastet, das von der einem jeden Ding im Kosmos anhaftenden Grenze herrührt oder, wie es in der Geschichte des Menschen geschehen ist, in schmerzlichem Gegensatz zu jenem ursprünglichen „Gott sah, dass es gut war … dass es sehr gut war“ (Gen 1,25.31), steht. Von der göttlichen Vorsehung sprechen heißt, anerkennen, dass im ewigen Plan Gottes, in seinem Schöpfungsplan, jenes Übel – das ursprünglich nicht vorgesehen ist, nachdem es einmal vom Menschen begangen und von Gott zugelassen ist – schließlich dem Guten untergeordnet wird: Er „führt alles zum Guten“, wie es der Apostel formuliert (vgl. Röm 8,28). Aber das ist ein Problem, auf das wir noch zurückkommen müssen.
4. Die Wahrheit von der göttlichen Vorsehung ist in der gesamten Offenbarung gegenwärtig. Ja, man kann sagen, sie durchdringt die gesamte Offenbarung ebenso wie die Wahrheit von der Schöpfung. Mit dieser bildet sie den ersten und grundlegenden Bezugspunkt von allem, was Gott „viele Male und auf vielerlei Weise“ den Menschen „durch die Propheten und in dieser Endzeit … durch den Sohn“ (Hebr 1,1f) sagen wollte. Man muss daher diese Wahrheit erneut bedenkend lesen, und zwar sowohl in den Texten der Offenbarung, wo unmittelbar von ihr die Rede ist, als auch dort, wo die Heilige Schrift auf indirekte Weise von ihr Zeugnis gibt.
5. Sie findet sich als fundamentale Glaubenswahrheit von Anfang an in der ordentlichen Lehrverkündigung der Kirche, auch wenn erst das Erste Vatikanische Konzil in der dogmatischen Konstitution „De fide catholica“ sie feierlich als Wahrheit über die Schöpfung bekräftigt hat. Hier die Worte des Ersten Vatikanums: „Alles, was Gott geschaffen hat, bewahrt und lenkt er mit seiner Vorsehung, ‚die ihre Kraft machtvoll von einem Ende zum andern entfaltet und voll Güte das All durchwaltet‘ (Weish 8,1). ‚Alles liegt nackt und bloß vor seinen Augen**‘** (Hebr 4,13), auch das, was aus freier Initiative der Geschöpfe geschieht“ (DS 3003).
6. Der, wie man sieht, eher knappe Konzilstext war durch die besonderen Erfordernisse der Zeit (19. Jahrhundert) bestimmt. Das Konzil wollte vor allem die ständige Lehre der Kirche über die Vorsehung und damit die unveränderliche Lehrtradition, die – wie die im Text enthaltenen Abschnitte aus dem Alten und Neuen Testament bezeugen – an die ganze biblische Botschaft gebunden ist, bestätigen. Mit der Bestätigung dieser ständigen Lehre des christlichen Glaubens wollte sich das Konzil den damals herrschenden Irrtümern des Materialismus und des Deismus entgegenstellen. Der Materialismus leugnet bekanntlich die Existenz Gottes, während der Deismus die Existenz Gottes und die Erschaffung der Welt zwar gelten lässt, aber behauptet, Gott kümmere sich überhaupt nicht mehr um die von ihm geschaffene Welt. Man könnte daher sagen, dass gerade der Deismus mit seiner Lehre die Wahrheit von der göttlichen Vorsehung direkt angreift.
7. Die Trennung des Schöpfungswerkes von der göttlichen Vorsehung, wie sie für den Deismus typisch ist, und noch mehr die dem Materialismus eigene totale Leugnung Gottes öffnen den Weg zum materialistischen Determinismus, dem der Mensch und seine Geschichte vollständig untergeordnet werden. Der theoretische Materialismus wird zum historischen. In diesem Zusammenhang stellt die Wahrheit von der Existenz Gottes und insbesondere von der göttlichen Vorsehung die grundlegende und endgültige Gewähr für den Menschen und seine Freiheit im Kosmos dar. Das lässt die Heilige Schrift bereits im Alten Testament erkennen, wenn sie Gott als starke und unerschütterliche Stütze betrachtet: „Ich will dich lieben, Herr, meine Stärke, Herr, du mein Fels, meine Burg, mein Retter, mein Gott, meine Feste, in der ich mich berge, mein Schild und sicheres Heil, meine Zuflucht“ (Ps 18,26). Gott ist das unerschütterliche Fundament, auf das sich der Mensch mit seinem ganzen Sein stützt: „Du hältst mein Los in deinen Händen“ (Ps 16,5).
Man kann sagen, dass die göttliche Vorsehung als souveräne Bejahung der ganzen Schöpfung durch Gott und insbesondere der Vorrangstellung des Menschen unter den Geschöpfen die grundlegende Gewähr für die Souveränität des Menschen selbst der Welt gegenüber darstellt. Das bedeutet nicht die Aufhebung der den Naturgesetzen innewohnenden Determination, sondern die Ausschließung jenes materialistischen Determinismus, der die gesamte menschliche Existenz auf das Reich der Notwendigkeit beschränkt und damit praktisch das Reich der Freiheit vernichtet, das der Schöpfer hingegen für den Menschen bestimmt hat. Gott mit seiner Vorsehung hört nicht auf, die letzte Stütze des Reiches der Freiheit zu sein.
8. Der Glaube an die göttliche Vorsehung ist, wie man sieht, eng mit der Grundvorstellung von der menschlichen Existenz, das heißt mit dem Sinn des menschlichen Lebens, verbunden. Der Mensch vermag sich seiner eigenen Existenz auf grundlegend andere Weise zu stellen, wenn er die Gewissheit hat, dass er sich nicht in der Gewalt eines blinden Schicksals (fatum) befindet, sondern von Jemandem abhängt, der ihm Schöpfer und Vater ist. Darum befreit der Glaube an die göttliche Vorsehung, wie er in den ersten Worten des Apostolischen Glaubensbekenntnisses formuliert ist: „Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen“, die menschliche Existenz von den verschiedenen Formen des fatalistischen Denkens.
9. In Fortsetzung der ständigen Überlieferung der Kirche und insbesondere der Lehre des Ersten Vatikanischen Konzils spricht auch das Zweite Vatikanische Konzil oftmals von der göttlichen Vorsehung. Aus den Texten seiner Konstitutionen ergibt sich, dass Gott derjenige ist, der „väterlich für alle sorgt“ (GS 24), insbesondere „für das Menschengeschlecht“ (DV 3). Ausdruck dieser Sorge ist auch das „göttliche Gesetz, das ewige, objektive und universale, durch das Gott nach dem Ratschluss seiner Weisheit und Liebe die ganze Welt und die Wege der Menschengemeinschaft ordnet, leitet und regiert“ (DH 3). „Der Mensch … existiert nämlich nur, weil er von Gott aus Liebe geschaffen, immer aus Liebe erhalten wird; und er lebt nicht voll gemäß der Wahrheit, wenn er diese Liebe nicht frei anerkennt und sich seinem Schöpfer anheimgibt“ (GS 19).
In deutscher Sprache sagte der Papst:
Liebe Brüder und Schwestern!
Eng verbunden mit dem Glaubenssatz von der Schöpfung durch Gott ist die Wahrheit von der göttlichen Vorsehung. Gott erschafft die Dinge und Lebewesen nicht nur aus dem Nichts, sondern erhält sie auch ständig im Dasein. Die göttliche Vorsehung im weiten Sinn drückt sich vor allem in dieser Erhaltung der Schöpfung aus. Sie besagt eine ununterbrochene Gegenwart Gottes in der Schöpfung als Erstursache allen Seins und Handelns. Sie ist gleichsam die ständige Bestätigung des Urteils Gottes, der am Anfang sah, dass alles Geschaffene gut, ja „sehr gut“ war (vgl. Gen 1,2). Dieses positive Urteil über die Schöpfung wird durch kein nachfolgendes Übel oder Böses beeinträchtigt. Wenn auch ursprünglich nicht vorgesehen, so wird dieses schließlich dem Guten untergeordnet. Die Wahrheit von der göttlichen Vorsehung ist gegenwärtig in der ganzen Offenbarung und in der gesamten Heiligen Schrift. Sie findet sich als fundamentale Glaubenswahrheit von Anfang an im Lehramt der Kirche. Das I. Vatikanische Konzil spricht ausdrücklich von ihr. Es bekräftigt die konstante Lehre der Kirche über die Vorsehung und verteidigt sie gegen die Irrtümer des Materialismus und des Deismus, die entweder die Existenz Gottes oder sein Wirken in der Schöpfung leugnen. Diese schließen den Menschen in ein „Reich der Zwänge“ ein, während die Lehre von der göttlichen Vorsehung die Freiheit des Menschen verteidigt. Ebenso spricht auch das II. Vatikanische Konzil von dem göttlichen Gesetz, „durch das Gott nach dem Ratschluss seiner Weisheit und Liebe die ganze Welt und die Wege der Menschengemeinschaft ordnet, leitet und regiert“ (DH 3). Darum ist der Mensch auch aufgerufen, sich dieser Weisheit und Liebe des Schöpfers voller Glauben und Zuversicht anzuvertrauen.
Mit dieser kurzen Betrachtung grüße ich euch alle sehr herzlich: aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Unter den genannten Gruppen grüße ich namentlich die Teilnehmer der Rompilgerfahrt aus dem Landkreis Erding im Erzbistum München und Freising, die Mitglieder der Katholischen Österreichischen Studentenverbindung „Austria Wien“ sowie die Eltern und Angehörigen der neuen Rekruten der Päpstlichen Schweizergarde. Indem ich euch und alle anwesenden Pilger deutscher Sprache Gottes Güte und Vorsehung empfehle, erteile ich euch und euren Angehörigen in der Heimat von Herzen meinen besonderen apostolischen Segen.
1. Wir setzen heute die Katechese über die göttliche Vorsehung fort. Durch die Schöpfung hat Gott alles, was außerhalb von ihm existieren sollte, aus dem Nichts ins Dasein gerufen. Aber der Schöpfungsakt Gottes ist damit nicht zu Ende. Was aus dem Nichts entstanden ist, würde ins Nichts zurücksinken, wenn es sich selbst überlassen bliebe und nicht vom Schöpfer in seiner Existenz erhalten würde. In Wirklichkeit nämlich fährt Gott, nachdem er einmal den Kosmos geschaffen hat, fort, ihn zu erschaffen, indem er ihn im Dasein erhält. Die Erhaltung ist eine fortdauernde Schöpfung (conservatio est continua creatio).
2. Wir können sagen, dass die göttliche Vorsehung, im allgemeineren Sinn verstanden, vor allem in dieser Erhaltung zum Ausdruck kommt: das heißt darin, dass alles, was aus dem Nichts entstanden ist, im Dasein erhalten wird. In diesem Sinn ist die Vorsehung so etwas wie eine beständige und unaufhörliche Bestätigung des Schöpferwerkes in seiner ganzen Fülle und Vielfalt. Sie bedeutet die ständige und ununterbrochene Gegenwart Gottes als Schöpfer in der gesamten Schöpfung: eine Gegenwart, die fortwährend schaffend am Werke ist und fortwährend an die tiefsten Wurzeln alles Seienden heranreicht, um dort als Erstursache des Seins und des Handelns zu wirken. In dieser Gegenwart Gottes drückt sich fortdauernd der ewige Wille aus, zu erschaffen und das Erschaffene im Dasein zu erhalten: ein in höchstem Maße und ganz und gar souveräner Wille, durch den Gott, als Gutes, das ihm auf absolute Weise eigen ist (bonum diffusivum sui), fortfährt, sich so, wie er es im ersten Schöpfungsakt getan hat, für das Sein statt für das Nichts, für das Leben statt für den Tod, für das Licht statt für die Finsternis auszusprechen (vgl. Joh 1,4), mit einem Wort: für die Wahrheit, das Gute und die Schönheit, alles dessen, was ist. Im Geheimnis der Vorsehung dauert ununterbrochen und unumkehrbar das im Buch Genesis enthaltene Urteil fort: „Gott sah, dass es gut war … dass es sehr gut war“ (Gen 1,25.31): dies bedeutet also die grundlegende und unerschütterliche Bejahung des Schöpfungswerkes.
3. Diese grundlegende Bejahung wird von keinem Übel angetastet, das von der einem jeden Ding im Kosmos anhaftenden Grenze herrührt oder, wie es in der Geschichte des Menschen geschehen ist, in schmerzlichem Gegensatz zu jenem ursprünglichen „Gott sah, dass es gut war … dass es sehr gut war“ (Gen 1,25.31), steht. Von der göttlichen Vorsehung sprechen heißt, anerkennen, dass im ewigen Plan Gottes, in seinem Schöpfungsplan, jenes Übel – das ursprünglich nicht vorgesehen ist, nachdem es einmal vom Menschen begangen und von Gott zugelassen ist – schließlich dem Guten untergeordnet wird: Er „führt alles zum Guten“, wie es der Apostel formuliert (vgl. Röm 8,28). Aber das ist ein Problem, auf das wir noch zurückkommen müssen.
4. Die Wahrheit von der göttlichen Vorsehung ist in der gesamten Offenbarung gegenwärtig. Ja, man kann sagen, sie durchdringt die gesamte Offenbarung ebenso wie die Wahrheit von der Schöpfung. Mit dieser bildet sie den ersten und grundlegenden Bezugspunkt von allem, was Gott „viele Male und auf vielerlei Weise“ den Menschen „durch die Propheten und in dieser Endzeit … durch den Sohn“ (Hebr 1,1f) sagen wollte. Man muss daher diese Wahrheit erneut bedenkend lesen, und zwar sowohl in den Texten der Offenbarung, wo unmittelbar von ihr die Rede ist, als auch dort, wo die Heilige Schrift auf indirekte Weise von ihr Zeugnis gibt.
5. Sie findet sich als fundamentale Glaubenswahrheit von Anfang an in der ordentlichen Lehrverkündigung der Kirche, auch wenn erst das Erste Vatikanische Konzil in der dogmatischen Konstitution „De fide catholica“ sie feierlich als Wahrheit über die Schöpfung bekräftigt hat. Hier die Worte des Ersten Vatikanums: „Alles, was Gott geschaffen hat, bewahrt und lenkt er mit seiner Vorsehung, ‚die ihre Kraft machtvoll von einem Ende zum andern entfaltet und voll Güte das All durchwaltet‘ (Weish 8,1). ‚Alles liegt nackt und bloß vor seinen Augen**‘** (Hebr 4,13), auch das, was aus freier Initiative der Geschöpfe geschieht“ (DS 3003).
6. Der, wie man sieht, eher knappe Konzilstext war durch die besonderen Erfordernisse der Zeit (19. Jahrhundert) bestimmt. Das Konzil wollte vor allem die ständige Lehre der Kirche über die Vorsehung und damit die unveränderliche Lehrtradition, die – wie die im Text enthaltenen Abschnitte aus dem Alten und Neuen Testament bezeugen – an die ganze biblische Botschaft gebunden ist, bestätigen. Mit der Bestätigung dieser ständigen Lehre des christlichen Glaubens wollte sich das Konzil den damals herrschenden Irrtümern des Materialismus und des Deismus entgegenstellen. Der Materialismus leugnet bekanntlich die Existenz Gottes, während der Deismus die Existenz Gottes und die Erschaffung der Welt zwar gelten lässt, aber behauptet, Gott kümmere sich überhaupt nicht mehr um die von ihm geschaffene Welt. Man könnte daher sagen, dass gerade der Deismus mit seiner Lehre die Wahrheit von der göttlichen Vorsehung direkt angreift.
7. Die Trennung des Schöpfungswerkes von der göttlichen Vorsehung, wie sie für den Deismus typisch ist, und noch mehr die dem Materialismus eigene totale Leugnung Gottes öffnen den Weg zum materialistischen Determinismus, dem der Mensch und seine Geschichte vollständig untergeordnet werden. Der theoretische Materialismus wird zum historischen. In diesem Zusammenhang stellt die Wahrheit von der Existenz Gottes und insbesondere von der göttlichen Vorsehung die grundlegende und endgültige Gewähr für den Menschen und seine Freiheit im Kosmos dar. Das lässt die Heilige Schrift bereits im Alten Testament erkennen, wenn sie Gott als starke und unerschütterliche Stütze betrachtet: „Ich will dich lieben, Herr, meine Stärke, Herr, du mein Fels, meine Burg, mein Retter, mein Gott, meine Feste, in der ich mich berge, mein Schild und sicheres Heil, meine Zuflucht“ (Ps 18,26). Gott ist das unerschütterliche Fundament, auf das sich der Mensch mit seinem ganzen Sein stützt: „Du hältst mein Los in deinen Händen“ (Ps 16,5).
Man kann sagen, dass die göttliche Vorsehung als souveräne Bejahung der ganzen Schöpfung durch Gott und insbesondere der Vorrangstellung des Menschen unter den Geschöpfen die grundlegende Gewähr für die Souveränität des Menschen selbst der Welt gegenüber darstellt. Das bedeutet nicht die Aufhebung der den Naturgesetzen innewohnenden Determination, sondern die Ausschließung jenes materialistischen Determinismus, der die gesamte menschliche Existenz auf das Reich der Notwendigkeit beschränkt und damit praktisch das Reich der Freiheit vernichtet, das der Schöpfer hingegen für den Menschen bestimmt hat. Gott mit seiner Vorsehung hört nicht auf, die letzte Stütze des Reiches der Freiheit zu sein.
8. Der Glaube an die göttliche Vorsehung ist, wie man sieht, eng mit der Grundvorstellung von der menschlichen Existenz, das heißt mit dem Sinn des menschlichen Lebens, verbunden. Der Mensch vermag sich seiner eigenen Existenz auf grundlegend andere Weise zu stellen, wenn er die Gewissheit hat, dass er sich nicht in der Gewalt eines blinden Schicksals (fatum) befindet, sondern von Jemandem abhängt, der ihm Schöpfer und Vater ist. Darum befreit der Glaube an die göttliche Vorsehung, wie er in den ersten Worten des Apostolischen Glaubensbekenntnisses formuliert ist: „Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen“, die menschliche Existenz von den verschiedenen Formen des fatalistischen Denkens.
9. In Fortsetzung der ständigen Überlieferung der Kirche und insbesondere der Lehre des Ersten Vatikanischen Konzils spricht auch das Zweite Vatikanische Konzil oftmals von der göttlichen Vorsehung. Aus den Texten seiner Konstitutionen ergibt sich, dass Gott derjenige ist, der „väterlich für alle sorgt“ (GS 24), insbesondere „für das Menschengeschlecht“ (DV 3). Ausdruck dieser Sorge ist auch das „göttliche Gesetz, das ewige, objektive und universale, durch das Gott nach dem Ratschluss seiner Weisheit und Liebe die ganze Welt und die Wege der Menschengemeinschaft ordnet, leitet und regiert“ (DH 3). „Der Mensch … existiert nämlich nur, weil er von Gott aus Liebe geschaffen, immer aus Liebe erhalten wird; und er lebt nicht voll gemäß der Wahrheit, wenn er diese Liebe nicht frei anerkennt und sich seinem Schöpfer anheimgibt“ (GS 19).
In deutscher Sprache sagte der Papst:
Liebe Brüder und Schwestern!
Eng verbunden mit dem Glaubenssatz von der Schöpfung durch Gott ist die Wahrheit von der göttlichen Vorsehung. Gott erschafft die Dinge und Lebewesen nicht nur aus dem Nichts, sondern erhält sie auch ständig im Dasein. Die göttliche Vorsehung im weiten Sinn drückt sich vor allem in dieser Erhaltung der Schöpfung aus. Sie besagt eine ununterbrochene Gegenwart Gottes in der Schöpfung als Erstursache allen Seins und Handelns. Sie ist gleichsam die ständige Bestätigung des Urteils Gottes, der am Anfang sah, dass alles Geschaffene gut, ja „sehr gut“ war (vgl. Gen 1,2). Dieses positive Urteil über die Schöpfung wird durch kein nachfolgendes Übel oder Böses beeinträchtigt. Wenn auch ursprünglich nicht vorgesehen, so wird dieses schließlich dem Guten untergeordnet. Die Wahrheit von der göttlichen Vorsehung ist gegenwärtig in der ganzen Offenbarung und in der gesamten Heiligen Schrift. Sie findet sich als fundamentale Glaubenswahrheit von Anfang an im Lehramt der Kirche. Das I. Vatikanische Konzil spricht ausdrücklich von ihr. Es bekräftigt die konstante Lehre der Kirche über die Vorsehung und verteidigt sie gegen die Irrtümer des Materialismus und des Deismus, die entweder die Existenz Gottes oder sein Wirken in der Schöpfung leugnen. Diese schließen den Menschen in ein „Reich der Zwänge“ ein, während die Lehre von der göttlichen Vorsehung die Freiheit des Menschen verteidigt. Ebenso spricht auch das II. Vatikanische Konzil von dem göttlichen Gesetz, „durch das Gott nach dem Ratschluss seiner Weisheit und Liebe die ganze Welt und die Wege der Menschengemeinschaft ordnet, leitet und regiert“ (DH 3). Darum ist der Mensch auch aufgerufen, sich dieser Weisheit und Liebe des Schöpfers voller Glauben und Zuversicht anzuvertrauen.
Mit dieser kurzen Betrachtung grüße ich euch alle sehr herzlich: aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Unter den genannten Gruppen grüße ich namentlich die Teilnehmer der Rompilgerfahrt aus dem Landkreis Erding im Erzbistum München und Freising, die Mitglieder der Katholischen Österreichischen Studentenverbindung „Austria Wien“ sowie die Eltern und Angehörigen der neuen Rekruten der Päpstlichen Schweizergarde. Indem ich euch und alle anwesenden Pilger deutscher Sprache Gottes Güte und Vorsehung empfehle, erteile ich euch und euren Angehörigen in der Heimat von Herzen meinen besonderen apostolischen Segen.
1. Wir setzen heute die Katechese über die göttliche Vorsehung fort. Durch die Schöpfung hat Gott alles, was außerhalb von ihm existieren sollte, aus dem Nichts ins Dasein gerufen. Aber der Schöpfungsakt Gottes ist damit nicht zu Ende. Was aus dem Nichts entstanden ist, würde ins Nichts zurücksinken, wenn es sich selbst überlassen bliebe und nicht vom Schöpfer in seiner Existenz erhalten würde. In Wirklichkeit nämlich fährt Gott, nachdem er einmal den Kosmos geschaffen hat, fort, ihn zu erschaffen, indem er ihn im Dasein erhält. Die Erhaltung ist eine fortdauernde Schöpfung (conservatio est continua creatio).
2. Wir können sagen, dass die göttliche Vorsehung, im allgemeineren Sinn verstanden, vor allem in dieser Erhaltung zum Ausdruck kommt: das heißt darin, dass alles, was aus dem Nichts entstanden ist, im Dasein erhalten wird. In diesem Sinn ist die Vorsehung so etwas wie eine beständige und unaufhörliche Bestätigung des Schöpferwerkes in seiner ganzen Fülle und Vielfalt. Sie bedeutet die ständige und ununterbrochene Gegenwart Gottes als Schöpfer in der gesamten Schöpfung: eine Gegenwart, die fortwährend schaffend am Werke ist und fortwährend an die tiefsten Wurzeln alles Seienden heranreicht, um dort als Erstursache des Seins und des Handelns zu wirken. In dieser Gegenwart Gottes drückt sich fortdauernd der ewige Wille aus, zu erschaffen und das Erschaffene im Dasein zu erhalten: ein in höchstem Maße und ganz und gar souveräner Wille, durch den Gott, als Gutes, das ihm auf absolute Weise eigen ist (bonum diffusivum sui), fortfährt, sich so, wie er es im ersten Schöpfungsakt getan hat, für das Sein statt für das Nichts, für das Leben statt für den Tod, für das Licht statt für die Finsternis auszusprechen (vgl. Joh 1,4), mit einem Wort: für die Wahrheit, das Gute und die Schönheit, alles dessen, was ist. Im Geheimnis der Vorsehung dauert ununterbrochen und unumkehrbar das im Buch Genesis enthaltene Urteil fort: „Gott sah, dass es gut war … dass es sehr gut war“ (Gen 1,25.31): dies bedeutet also die grundlegende und unerschütterliche Bejahung des Schöpfungswerkes.
3. Diese grundlegende Bejahung wird von keinem Übel angetastet, das von der einem jeden Ding im Kosmos anhaftenden Grenze herrührt oder, wie es in der Geschichte des Menschen geschehen ist, in schmerzlichem Gegensatz zu jenem ursprünglichen „Gott sah, dass es gut war … dass es sehr gut war“ (Gen 1,25.31), steht. Von der göttlichen Vorsehung sprechen heißt, anerkennen, dass im ewigen Plan Gottes, in seinem Schöpfungsplan, jenes Übel – das ursprünglich nicht vorgesehen ist, nachdem es einmal vom Menschen begangen und von Gott zugelassen ist – schließlich dem Guten untergeordnet wird: Er „führt alles zum Guten“, wie es der Apostel formuliert (vgl. Röm 8,28). Aber das ist ein Problem, auf das wir noch zurückkommen müssen.
4. Die Wahrheit von der göttlichen Vorsehung ist in der gesamten Offenbarung gegenwärtig. Ja, man kann sagen, sie durchdringt die gesamte Offenbarung ebenso wie die Wahrheit von der Schöpfung. Mit dieser bildet sie den ersten und grundlegenden Bezugspunkt von allem, was Gott „viele Male und auf vielerlei Weise“ den Menschen „durch die Propheten und in dieser Endzeit … durch den Sohn“ (Hebr 1,1f) sagen wollte. Man muss daher diese Wahrheit erneut bedenkend lesen, und zwar sowohl in den Texten der Offenbarung, wo unmittelbar von ihr die Rede ist, als auch dort, wo die Heilige Schrift auf indirekte Weise von ihr Zeugnis gibt.
5. Sie findet sich als fundamentale Glaubenswahrheit von Anfang an in der ordentlichen Lehrverkündigung der Kirche, auch wenn erst das Erste Vatikanische Konzil in der dogmatischen Konstitution „De fide catholica“ sie feierlich als Wahrheit über die Schöpfung bekräftigt hat. Hier die Worte des Ersten Vatikanums: „Alles, was Gott geschaffen hat, bewahrt und lenkt er mit seiner Vorsehung, ‚die ihre Kraft machtvoll von einem Ende zum andern entfaltet und voll Güte das All durchwaltet‘ (Weish 8,1). ‚Alles liegt nackt und bloß vor seinen Augen**‘** (Hebr 4,13), auch das, was aus freier Initiative der Geschöpfe geschieht“ (DS 3003).
6. Der, wie man sieht, eher knappe Konzilstext war durch die besonderen Erfordernisse der Zeit (19. Jahrhundert) bestimmt. Das Konzil wollte vor allem die ständige Lehre der Kirche über die Vorsehung und damit die unveränderliche Lehrtradition, die – wie die im Text enthaltenen Abschnitte aus dem Alten und Neuen Testament bezeugen – an die ganze biblische Botschaft gebunden ist, bestätigen. Mit der Bestätigung dieser ständigen Lehre des christlichen Glaubens wollte sich das Konzil den damals herrschenden Irrtümern des Materialismus und des Deismus entgegenstellen. Der Materialismus leugnet bekanntlich die Existenz Gottes, während der Deismus die Existenz Gottes und die Erschaffung der Welt zwar gelten lässt, aber behauptet, Gott kümmere sich überhaupt nicht mehr um die von ihm geschaffene Welt. Man könnte daher sagen, dass gerade der Deismus mit seiner Lehre die Wahrheit von der göttlichen Vorsehung direkt angreift.
7. Die Trennung des Schöpfungswerkes von der göttlichen Vorsehung, wie sie für den Deismus typisch ist, und noch mehr die dem Materialismus eigene totale Leugnung Gottes öffnen den Weg zum materialistischen Determinismus, dem der Mensch und seine Geschichte vollständig untergeordnet werden. Der theoretische Materialismus wird zum historischen. In diesem Zusammenhang stellt die Wahrheit von der Existenz Gottes und insbesondere von der göttlichen Vorsehung die grundlegende und endgültige Gewähr für den Menschen und seine Freiheit im Kosmos dar. Das lässt die Heilige Schrift bereits im Alten Testament erkennen, wenn sie Gott als starke und unerschütterliche Stütze betrachtet: „Ich will dich lieben, Herr, meine Stärke, Herr, du mein Fels, meine Burg, mein Retter, mein Gott, meine Feste, in der ich mich berge, mein Schild und sicheres Heil, meine Zuflucht“ (Ps 18,26). Gott ist das unerschütterliche Fundament, auf das sich der Mensch mit seinem ganzen Sein stützt: „Du hältst mein Los in deinen Händen“ (Ps 16,5).
Man kann sagen, dass die göttliche Vorsehung als souveräne Bejahung der ganzen Schöpfung durch Gott und insbesondere der Vorrangstellung des Menschen unter den Geschöpfen die grundlegende Gewähr für die Souveränität des Menschen selbst der Welt gegenüber darstellt. Das bedeutet nicht die Aufhebung der den Naturgesetzen innewohnenden Determination, sondern die Ausschließung jenes materialistischen Determinismus, der die gesamte menschliche Existenz auf das Reich der Notwendigkeit beschränkt und damit praktisch das Reich der Freiheit vernichtet, das der Schöpfer hingegen für den Menschen bestimmt hat. Gott mit seiner Vorsehung hört nicht auf, die letzte Stütze des Reiches der Freiheit zu sein.
8. Der Glaube an die göttliche Vorsehung ist, wie man sieht, eng mit der Grundvorstellung von der menschlichen Existenz, das heißt mit dem Sinn des menschlichen Lebens, verbunden. Der Mensch vermag sich seiner eigenen Existenz auf grundlegend andere Weise zu stellen, wenn er die Gewissheit hat, dass er sich nicht in der Gewalt eines blinden Schicksals (fatum) befindet, sondern von Jemandem abhängt, der ihm Schöpfer und Vater ist. Darum befreit der Glaube an die göttliche Vorsehung, wie er in den ersten Worten des Apostolischen Glaubensbekenntnisses formuliert ist: „Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen“, die menschliche Existenz von den verschiedenen Formen des fatalistischen Denkens.
9. In Fortsetzung der ständigen Überlieferung der Kirche und insbesondere der Lehre des Ersten Vatikanischen Konzils spricht auch das Zweite Vatikanische Konzil oftmals von der göttlichen Vorsehung. Aus den Texten seiner Konstitutionen ergibt sich, dass Gott derjenige ist, der „väterlich für alle sorgt“ (GS 24), insbesondere „für das Menschengeschlecht“ (DV 3). Ausdruck dieser Sorge ist auch das „göttliche Gesetz, das ewige, objektive und universale, durch das Gott nach dem Ratschluss seiner Weisheit und Liebe die ganze Welt und die Wege der Menschengemeinschaft ordnet, leitet und regiert“ (DH 3). „Der Mensch … existiert nämlich nur, weil er von Gott aus Liebe geschaffen, immer aus Liebe erhalten wird; und er lebt nicht voll gemäß der Wahrheit, wenn er diese Liebe nicht frei anerkennt und sich seinem Schöpfer anheimgibt“ (GS 19).
In deutscher Sprache sagte der Papst:
Liebe Brüder und Schwestern!
Eng verbunden mit dem Glaubenssatz von der Schöpfung durch Gott ist die Wahrheit von der göttlichen Vorsehung. Gott erschafft die Dinge und Lebewesen nicht nur aus dem Nichts, sondern erhält sie auch ständig im Dasein. Die göttliche Vorsehung im weiten Sinn drückt sich vor allem in dieser Erhaltung der Schöpfung aus. Sie besagt eine ununterbrochene Gegenwart Gottes in der Schöpfung als Erstursache allen Seins und Handelns. Sie ist gleichsam die ständige Bestätigung des Urteils Gottes, der am Anfang sah, dass alles Geschaffene gut, ja „sehr gut“ war (vgl. Gen 1,2). Dieses positive Urteil über die Schöpfung wird durch kein nachfolgendes Übel oder Böses beeinträchtigt. Wenn auch ursprünglich nicht vorgesehen, so wird dieses schließlich dem Guten untergeordnet. Die Wahrheit von der göttlichen Vorsehung ist gegenwärtig in der ganzen Offenbarung und in der gesamten Heiligen Schrift. Sie findet sich als fundamentale Glaubenswahrheit von Anfang an im Lehramt der Kirche. Das I. Vatikanische Konzil spricht ausdrücklich von ihr. Es bekräftigt die konstante Lehre der Kirche über die Vorsehung und verteidigt sie gegen die Irrtümer des Materialismus und des Deismus, die entweder die Existenz Gottes oder sein Wirken in der Schöpfung leugnen. Diese schließen den Menschen in ein „Reich der Zwänge“ ein, während die Lehre von der göttlichen Vorsehung die Freiheit des Menschen verteidigt. Ebenso spricht auch das II. Vatikanische Konzil von dem göttlichen Gesetz, „durch das Gott nach dem Ratschluss seiner Weisheit und Liebe die ganze Welt und die Wege der Menschengemeinschaft ordnet, leitet und regiert“ (DH 3). Darum ist der Mensch auch aufgerufen, sich dieser Weisheit und Liebe des Schöpfers voller Glauben und Zuversicht anzuvertrauen.
Mit dieser kurzen Betrachtung grüße ich euch alle sehr herzlich: aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Unter den genannten Gruppen grüße ich namentlich die Teilnehmer der Rompilgerfahrt aus dem Landkreis Erding im Erzbistum München und Freising, die Mitglieder der Katholischen Österreichischen Studentenverbindung „Austria Wien“ sowie die Eltern und Angehörigen der neuen Rekruten der Päpstlichen Schweizergarde. Indem ich euch und alle anwesenden Pilger deutscher Sprache Gottes Güte und Vorsehung empfehle, erteile ich euch und euren Angehörigen in der Heimat von Herzen meinen besonderen apostolischen Segen.
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