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JOHANNES PAUL II.

GENERALAUDIENZ

Mittwoch, 29. Juli 1987

DE  - ES  - IT

1. Das Gebet Jesu, des Sohnes, der „vom Vater ausgegangen ist“, bringt in besonderer Weise die Tatsache zum Ausdruck, dass er „zum Vater geht“ (vgl. Joh 16,28). Er selbst „geht“ und er führt all jene zum Vater, die der Vater „ihm gegeben hat“ (vgl. Joh 17,6). Außerdem hinterlässt er allen das beständige Erbe seines Gebetes als Sohn: „Wenn ihr betet, … so sollt ihr sprechen: Unser Vater…“ (vgl. Mt 6,9; Lk 11,2). Wie aus dieser von Jesus gelehrten Formel hervorgeht, ist sein Gebet an den Vater von einigen Grundzügen gekennzeichnet: Das Gebet ist vom Lob erfüllt, von der grenzenlosen Hingabe an den Willen des Vaters und, was uns betrifft, von der inständigen Bitte um Vergebung. In diesen Rahmen passt insbesondere das Dankgebet.

2. Jesus sagt: „Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du all das den Weisen und Klugen verborgen, den Unmündigen aber offenbart hast…“ (Mt 11,25). Mit den Worten „Ich preise dich“ will Jesus den Dank für das Geschenk der Offenbarung Gottes zum Ausdruck bringen, denn „niemand kennt den Sohn, nur der Vater, und niemand kennt den Vater, nur der Sohn und der, dem es der Sohn offenbaren will“ (Mt 11,27). Auch das hohepriesterliche Gebet, das wir bei der letzten Katechese untersucht haben, ist von einem tiefen Gefühl der Dankbarkeit durchdrungen, obwohl es den Charakter einer besonderen Bitte an sich hat, die der Sohn am Schluss seiner Sendung auf Erden an den Vater richtet. Man kann sogar sagen, dass die Danksagung der wesentliche Inhalt nicht nur des Gebetes Christi, sondern auch seiner existenziellen Vertrautheit mit dem Vater ist. Im Mittelpunkt all dessen, was Jesus tut und sagt, findet sich das Bewusstsein des Schenkens; alles ist Geschenk Gottes, des Schöpfers und Vaters; und eine dem Geschenk angemessene Antwort ist die Dankbarkeit, die Danksagung.

3. Besonders zu beachten sind die Stellen in den Evangelien, vor allem die von Johannes, wo diese Danksagung besonders hervorgehoben wird. Ein solches Beispiel ist das Gebet bei der Auferweckung des Lazarus: „Vater, ich danke dir, dass du mich erhört hast“ (Joh 11,41). Bei der wunderbaren Speisung (in der Nähe von Kafarnaum) „nahm Jesus die Brote, sprach das Dankgebet und teilte an die Leute aus, so viel sie wollten; ebenso machte er es mit den Fischen“… (Joh 6,11). Zuletzt, bei der Einsetzung der Eucharistie, „nahm Jesus den Kelch, sprach das Dankgebet“ (Lk 22,17; vgl. auch Mk 14,23; Mt 26,27), bevor er die Einsetzungsworte über Brot und Wein sagte. Diese Form wird über den Kelch gesprochen, während man über das Brot auch den „Segen“ spricht. Dennoch hat nach dem Alten Testament der Ausdruck „Gott preisen“ auch die Bedeutung von „Dank sagen“, neben jener von „Gott loben“ und „den Herrn bekennen“.

4. Im Dankgebet wird die biblische Tradition weitergeführt, die vor allem in den Psalmen Ausdruck findet. „Wie schön ist es, dem Herrn zu danken, deinem Namen, du Höchster, zu singen … Denn du hast mich durch deine Taten froh gemacht; Herr, ich will jubeln über die Werke deiner Hände“ (Ps 92,2-5). „Danket dem Herrn, denn er ist gütig, denn seine Huld währt ewig.

So sollen alle sprechen, die vom Herrn erlöst sind… sie alle sollen dem Herrn danken für seine Huld, für sein wunderbares Tun an den Menschen. Sie sollen ihm Dankopfer weihen“ (zebah todah) (Ps 107,1.2.21–22). „Danket dem Herrn, denn er ist gütig, denn seine Huld währt ewig … Ich danke dir, dass du mich erhört hast; du bist für mich zum Retter geworden … Du bist mein Gott, dir will ich danken; mein Gott, dich will ich rühmen“ (Ps 118,1.21.28). „Wie kann ich dem Herrn all das vergelten, was er mir Gutes getan hat? … Ich will dir ein Opfer des Dankes bringen und anrufen den Namen des Herrn“ (Ps 116,12.13.17). „Ich danke dir, dass du mich so wunderbar gestaltet hast. Ich weiß: Staunenswert sind deine Werke“ (Ps 139,14). „Ich will dich rühmen, mein Gott und König, und deinen Namen preisen immer und ewig“ (Ps 145,1).

5. Auch im Buch Jesus Sirach lesen wir: „Preiset den Herrn für all seine Werke! Verherrlicht seinen Namen, feiert ihn mit Lobgesang … Sprecht unter lautem Jubel: Alle Werke Gottes sind gut, sie genügen zur rechten Zeit für jeden Bedarf … Man sage nicht: Wozu dies, wozu das? Denn alles ist für seinen Zweck bestimmt“ (Sir 39,14–16.21). Die Aufforderung des Sirach, „den Herrn zu preisen“, klingt lehrhaft.

6. Jesus hat dieses für das Alte Testament so bedeutsame Erbe aufgegriffen und in der Reihenfolge Preisen – Bekennen – Lobsingen die Dimension der Danksagung entfaltet. Man kann deshalb sagen, dass der Höhepunkt dieser biblischen Tradition beim Letzten Abendmahl erreicht wird, als Jesus das Sakrament seines Leibes und Blutes einsetzt, bevor er diesen Leib und dieses Blut am Kreuz opfert. Der hl. Paulus schreibt: „Jesus, der Herr, nahm in der Nacht, in der er ausgeliefert wurde, Brot, sprach das Dankgebet, brach das Brot und sagte: Das ist mein Leib für euch. Tut dies zu meinem Gedächtnis“ (1 Kor **11,**23–24). Ähnlich berichten die Synoptiker ihrerseits vom Dankgebet über den Kelch: „Dann nahm er den Kelch, sprach das Dankgebet, reichte ihn den Jüngern, und sie tranken alle daraus. Und er sagte zu ihnen: Das ist mein Blut, das Blut des Bundes, das für viele vergossen wird“ (Mk 14,23–24; vgl. Mt 26,27; Lk 22,17).

7. Der ursprüngliche griechische Ausdruck für „er sprach das Dankgebet“ ist „εὐχαριστήσας“ (von „eucharistein“) – davon „Eucharistie“. Das Opfer des Leibes und Blutes Christi, als heiligstes Sakrament der Kirche, erfüllt und übersteigt also zugleich jene Lobopfer, von denen man in den Psalmen (zebah todah) spricht. Von frühester Zeit an verbanden die Christengemeinden die Feier der Eucharistie mit der Danksagung, wie ein Text der „Didache“ zeigt, der am Ende des 1. Jahrhunderts und zu Beginn des 2. Jahrhunderts wahrscheinlich in Syrien, vielleicht in Antiochia selbst, verfasst wurde.

„Wir danken dir, unser Vater, für den heiligen Weinstock Davids, deines Dieners, den du uns durch Jesus Christus, deinen Diener, offenbart hast…

„Wir danken dir, unser Vater, für das Leben und die Erkenntnis, die du uns durch Jesus Christus, deinen Diener, erfüllt hast…“

„Wir danken dir, heiliger Vater, für deinen heiligen Namen, den du in unseren Herzen wohnen lässt, und für die Erkenntnis, den Glauben und die Unsterblichkeit, die du uns durch Jesus Christus, deinen Diener, offenbart hast“ (Didache 9,2–3; 10,2).

8. Das Danklied der Kirche, das die Eucharistiefeier begleitet, kommt aus ihrem innersten Herzen, ja aus dem Herzen des Sohnes selbst, der aus der Danksagung lebte. Man kann gut sagen, dass sein Gebet, ja sogar sein ganzes Erdendasein, die Grundwahrheit offenbarte, auf die im Jakobusbrief hingewiesen wird: „Jede gute Gabe und jedes vollkommene Geschenk kommt von oben, vom Vater der Gestirne …“ (Jak 1,17).

Indem Christus, der Menschensohn, der „neue Adam“, aus der Danksagung lebte, besiegte er die Sünde an der Wurzel selbst, die unter dem Einfluss des „Vaters der Lüge“ vom Herzen des „ersten Adam“ Besitz ergriffen hatte (vgl. Gen 3). Das Dankgebet macht dem Menschen wieder das von Gott „von Anfang an“ empfangene Geschenk bewusst und bringt die Bereitschaft, das Geschenk zu erwidern, zum Ausdruck: aus tiefstem Herzen sich selbst und alles andere Gott zu schenken – als Rückerstattung, denn alles hat in ihm seinen Anfang und seinen Ursprung.

„Lasset uns danken dem Herrn, unserem Gott“, lautet die Einladung, die die Kirche in den Mittelpunkt der Eucharistiefeier stellt. Auch in dieser Aufforderung erklingt laut das Echo der Danksagung, aus der der Sohn Gottes auf Erden lebte. Und das Gottesvolk antwortet gemeinsam mit dem vielstimmigen, schlichten und herrlichen Bekenntnis: „Dignum et iustum est – Das ist würdig und recht!“

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Liebe Brüder und Schwestern!

Euch allen ein herzliches Willkommen zur heutigen Audienz. Unsere wöchentlichen Überlegungen verweilen weiterhin bei Jesus Christus und seinem innigen Verhältnis zum Vater. Als Sohn Gottes ist er vom Vater ausgegangen und kehrt wieder zum Vater zurück. Sein ganzes Leben und Wirken ist auf den Vater ausgerichtet; so besonders auch sein Gebet. Unter den von ihm in den Evangelien erwähnten Gebeten kommt dem Dankgebet eine vorrangige Bedeutung zu. Jesus dankt Gott für die Offenbarung, die den Klugen und Weisen verborgen, den Unmündigen aber zuteil geworden ist. Er ist sich dessen bewusst, dass letztlich alles Geschenk Gottes ist und dass Dank die einzig angemessene Antwort darauf ist. Jesus dankt ferner ausdrücklich bei der Auferweckung des Lazarus und vor allem bei der Einsetzung der Eucharistie. Bevor Jesus Brot und Wein nimmt, um sie in seinen Leib und in sein Blut zu verwandeln, spricht er das Dankgebet. „Eucharistie“ selbst bedeutet Danksagung. Das Dankgebet Christi und der Kirche ist die Fortsetzung von jenem Lobpreis und Dank, den wir in den alttestamentlichen Psalmen finden. Er erhält in der Feier der Eucharistie seinen höchsten Ausdruck und seine bleibende, aktuelle Gegenwart.

Die Kirche fordert uns, liebe Brüder und Schwestern, in ihrer Liturgie immer wieder zum Dankgebet auf. Stimmen wir mit unserem persönlichen Gebet in ihren ununterbrochenen Lobpreis von Gottes Güte und Liebe ein. Diese herzliche Einladung richte ich heute an alle anwesenden Pilger und Besucher, besonders an die Priester und Ordensleute unter euch; so namentlich an die Gruppe von Schönstatt-Priestern und an die Pilgergruppe des Spätberufenenseminares Sankt Matthias in Waldram/Wolfratshausen. Wie wir nach den Worten Jesu ständig beten sollen, so soll unser ganzes Leben ein steter Lobpreis und Dank vor Gott sein. Dazu erbitte ich euch und allen Pilgern von Herzen Gottes Beistand mit meinem besonderen Apostolischen Segen.