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JOHANNES PAUL II.

GENERALAUDIENZ

Mittwoch, 20. Januar 1988

DE  - ES  - IT

1. So hat Jesus für seine Jünger gebetet, die beim Abendmahl anwesend waren, und für all jene, die auf ihr Wort hin an ihn glauben sollten. Auf diesem Gebet gründet die ganze Suche nach der vollen Einheit unter den Christen.

Die ökumenische Bewegung „wird von Menschen getragen, die den dreieinigen Gott anrufen und Jesus als Herrn und Erlöser bekennen“ (Unitatis redintegratio, Nr. 1); sie findet im Gebet Jesu ihre endgültige Perspektive und die Richtlinie der authentischen missionarischen Wirksamkeit, die heute stark empfunden wird: die Einheit als Zeichen und Mittel der Evangelisierung der Welt. Die theologische und pastorale Arbeit für die Wiederherstellung der vollen Einheit der Christen entspricht dem Willen Jesu Christi selbst. Deshalb betrachtet die katholische Kirche sie als eine vordringliche Aufgabe, die das Zweite Vatikanische Konzil „den Gläubigen wie auch den Hirten, je nach ihrer Fähigkeit“, aufgetragen hat (Unitatis redintegratio, Nr. 5).

Aufgrund der Schwierigkeit des Problems, dessen Lösung „die menschlichen Kräfte und Fähigkeiten übersteigt“, hat das Konzil erklärt, dass es „seine Hoffnung gänzlich auf das Gebet Christi für die Kirche, auf die Liebe des Vaters zu uns und auf die Kraft des Heiligen Geistes“ setze (Unitatis redintegratio, Nr. 24). Das Konzil hat aber auch an die Worte des hl. Paulus an die Römer erinnert: „Die Hoffnung aber lässt nicht zugrunde gehen“ (Röm 5,5).

2. Die Gebetswoche für die Einheit der Christen, die alljährlich in diesen Tagen oder anlässlich des Pfingstfestes gefeiert wird, will sich in Treue und im Geist des Gehorsams mitten in das Gebet Jesu an den Vater einfügen, damit alle eins seien, vollendet in der Einheit und geheiligt in der Wahrheit. Diese fruchtbare Initiative, die durch die Gnade Gottes in immer stärkerem Maße verwirklicht wird, steht fest auf dem Fundament des Glaubens, der allen noch gemeinsam ist. Sie bekundet außerdem die Absicht der Christen, das Möglichste zu tun, jeder für seinen Teil, um gemeinsam auf die volle Einheit zuzugehen, wie es der Herr selbst will. Unser Glaube gibt uns die Gewissheit, dass der Herr „mitten unter uns“ ist (vgl. Mt 18,20). Er, der „die Wahrheit und das Leben“ ist, wird die an ihn Glaubenden wie einst die Jünger von Emmaus (vgl. Lk 24,30) bis zum „Tisch“ der Eucharistie in der wiederhergestellten Einheit des Glaubens begleiten. Wie diese Jünger müssen wir diesen Weg „mit einem brennenden Herzen in der Brust“ gehen und auf die Worte der Heiligen Schriften hören. Das Gebet gibt uns darin entscheidende Hilfe. Es befreit uns von den Sorgen, die nicht dem Plan Gottes zugehören, konzentriert uns auf das „einzig Notwendige“ und lenkt uns auf die Erfüllung des göttlichen Willens hin.

3. In dieser Gebetswoche für die Einheit ist es auch unsere Pflicht, Gott für den bisher zurückgelegten Weg zu danken. Es ist wahr, die von allen gewünschte Einheit ist noch nicht vorhanden, und ernste Schwierigkeiten bestehen weiterhin. Aber die Beziehungen zwischen den Christen und der theologische Dialog haben eine wirklich neue Situation der Brüderlichkeit geschaffen. Die vorhandene Gemeinsamkeit ist richtig hervorgehoben, und die Unterschiede sind mit größerer Genauigkeit dargelegt worden. Weiter sind wichtige Übereinstimmungen mühevoll getroffen worden über Themen, die in der Vergangenheit stark umstritten waren, wie die Taufe, die Rechtfertigung, das Dienstamt, die Eucharistie, die Autorität in der Kirche. Inzwischen wird der Dialog mit den christlichen Kirchen und Gemeinschaften in der Welt fortgeführt, getragen von der Hoffnung, dass endlich die volle Übereinstimmung erreicht werden kann. Dieser äußerst heikle Vorgang erfordert die Hilfe des Gebets aller.

Auch im vergangenen Jahr wurde mir die Gnade geschenkt, sowohl hier in Rom als auch in den verschiedenen Ländern, die ich besuchte, die Verantwortlichen der anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften zu treffen. Trotz der unterschiedlichen Situation am Ort konnte ich feststellen, dass die Sorge um die Einheit mit wachsender Dringlichkeit empfunden wird. Wie kann ich unter diesen Begegnungen nicht den jüngsten Besuch des ökumenischen Patriarchen Dimitrios I. erwähnen? Wir haben miteinander gesprochen, wir haben zusammen die Gläubigen gesegnet. Wir wollten all das gemeinsam tun, was der Glaube uns zu tun erlaubte. Wir waren gemeinsam tief betrübt, dass wir nicht am selben Brot und am selben Kelch teilhaben konnten. Diese aufrichtige Trauer sei für alle ein neuer Antrieb im Einsatz, die Schwierigkeiten, die auf unserem gemeinsamen Weg weiter bestehen, zu klären und zu lösen. Zugleich mache die durch diesen Besuch stark empfundene Freude die Herzen aller froh und ermutige uns, auf dem Weg des Herrn weiterzugehen mit der Kraft und der Hoffnung, die der Geist in unseren Herzen uns eingibt.

4. Das ist die Ermutigung, die wir von dieser Gebetswoche erhalten, die unter dem Leitwort steht: „Gottes Liebe vertreibt die Furcht“ (1 Joh 4,18).

Das Thema erinnert uns vor allem an die Liebe Gottes, die dem christlichen Leben zugrunde liegt. Die Heiligste Dreifaltigkeit hat uns geliebt, „bevor die Welt war“. Der Sohn Gottes wurde zu uns gesandt; er hat uns von der Knechtschaft befreit und uns berufen, neue Menschen nach seinem Bild und Gleichnis zu werden; er hat uns in die Gemeinschaft mit seinem Leben aufgenommen, indem er uns eine Liebe sichergestellt hat, von der uns weder Leben noch Tod trennen kann.

Wenn es so ist, dann folgt daraus die Forderung nach gegenseitiger Liebe. „Wenn Gott uns so geliebt hat, müssen auch wir einander lieben“ (1 Joh 4,11). Die ökumenische Erfahrung zeigt uns mit immer größerer Deutlichkeit, dass der Dialog der Liebe die gesamte Anstrengung der Wiederversöhnung unterstützt. Die Liebe bewirkt nicht nur das gegenseitige Verzeihen. Sie befreit von Misstrauen, von der Furcht vor dem Anderen, den sie ja als Bruder im Herrn sieht.

Das gemischte Komitee, bestehend aus Vertretern der katholischen Kirche und des Ökumenischen Rates der Kirchen, hat bei diesem Themenvorschlag die Aufmerksamkeit auf das Phänomen der Angst und Furcht gelenkt, die heute in der Welt und auch in den christlichen Gemeinschaften besteht. Die Furcht ist ein Gefühl, das spaltet, isoliert und einkapselt. Aber wir glauben an Ihn, der die Welt besiegt, den Tod überwunden und das Leben wieder geschenkt hat. Die Wiederherstellung der Einheit unter den Christen in der Liebe und in der Wahrheit wird auch ein wirksames Zeichen der Hoffnung für ein besseres Zusammenleben in der Welt sein. Wenn die Liebe innerhalb der christlichen Gemeinschaften echt ist, befreit sie auch von der Furcht, die Einheit könne sich in Einförmigkeit umwandeln. Die Einheit ist ein Gut für alle. Sie weiß nicht nur die echten Charismen zu achten, sondern sie festigt sie und bringt sie untereinander in Einklang zum Nutzen aller.

In der Liebe gibt es keine Furcht (vgl. 1 Joh 4,18). Ohne falsche Ängste und mit von der Liebe Gottes entzündetem Herzen fahren wir mit Ausdauer im Gebet und in den entsprechenden Initiativen fort in der Aussicht auf die Wiederherstellung der Einheit unter allen Christen.

Gebet:

Ich lade jetzt die Anwesenden ein, mit mir für die volle Einheit der Christen zu beten.

– Dass das Leben der Christen der verschiedenen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften von deiner Liebe genährt werde, bitten wir dich:

Herr, erhöre uns.

– Dass der gemeinsame Weg zur vollen Einheit aller Christen frei von falscher Furcht sei, bitten wir dich:

Herr, erhöre uns.

– Dass dieser Weg gemeinsam in Freude, in gegenseitigem Vertrauen und unter wechselseitiger Hilfe gegangen werde, bitten wir dich:

Herr, erhöre uns.

Dem Wort unseres Herrn und Erlösers gehorsam und getreu seiner göttlichen Weisung wagen wir zu sprechen:

Alle: Vaterunser …

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Liebe Brüder und Schwestern!

Im hohenpriesterlichen Gebet hat Jesus für seine Jünger und die Gläubigen aller Zeiten gebetet: „Alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir und ich in dir bin, sollen auch sie in uns eins sein, damit die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast“ (Joh 17,21). Dieses Gebet Jesu bildet die Grundlage der ganzen ökumenischen Bewegung und auch der jetzigen Weltgebetsoktav für die Einheit der Christen.

Die Wiederherstellung der Einheit ist eine vordringliche Aufgabe aller Christen. Das gemeinsame Gebet über alle noch bestehenden Unterschiede hinweg unterstreicht die Bereitschaft, alles zu tun, um gemeinsam auf die volle Einheit zuzugehen. Wir danken Gott für das viele, das auf diesem Weg schon zusammen erreicht worden ist. Mit besonderer Freude erinnere ich hier nur an den kürzlichen Besuch des ökumenischen Patriarchen Dimitrios I. im Vatikan. Zugleich unterstützen wir durch unser Gebet den weiteren Dialog und die Bemühungen, die noch immer erforderlich sind.

Das Thema der diesjährigen Gebetswoche stammt aus dem ersten Johannesbrief: „Die Liebe Gottes vertreibt die Furcht“ (1 Joh 4,18). Gemeint ist vor allem die Liebe Gottes zu uns in seinem menschgewordenen Sohn, der unser Erlöser geworden ist. Der hl. Johannes selbst folgert daraus: „Wenn Gott uns so geliebt hat, müssen auch wir einander lieben“ (1 Joh 4,11). Nicht die Furcht, sondern die gegenseitige Liebe soll auch das Gespräch zwischen den getrennten Christen beseelen. Die Liebe befreit von der Furcht, dass Einheit sich in Einförmigkeit verwandeln könnte. Die Einheit, die wir gemeinsam anstreben, weiß die vorhandenen echten Charismen zu achten, sie bekräftigt diese und bringt sie untereinander zum Einklang zum Nutzen aller.

Beten wir darum um das Geschenk einer solchen Einheit unter allen Christen. Betet darum, liebe Brüder und Schwestern, nicht nur jetzt in dieser Weltgebetsoktav, sondern ununterbrochen das ganze Jahr hindurch. Dabei helfe euch Gott mit seiner Gnade durch meinen besonderen Apostolischen Segen.