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JOHANNES PAUL II.

GENERALAUDIENZ

Mittwoch, 9. März 1988

DE  - ES  - IT

1. „Wir glauben... an den einen Herrn Jesus Christus, den Sohn Gottes, als Einziggeborener (monogenä) gezeugt vom Vater, das heißt aus der Wesenheit des Vaters, Gott von Gott, Licht vom Lichte, wahrer Gott vom wahren Gott, gezeugt, nicht geschaffen, wesenseins mit dem Vater (homoousion to patri) durch den alles geworden ist, was im Himmel und was auf Erden ist, der um uns Menschen und um unseres Heiles willen herabgestiegen und Fleisch und Mensch geworden ist, gelitten hat und am dritten Tage auferstanden ist, aufgestiegen zu den Himmeln und kommen wird, zu richten die Lebenden und die Toten ...“ (Denzinger/Schönmetzer 125).

Dies ist der Text der Definition, mit der das Konzil von Nizäa (325) den Glauben der Kirche an Jesus Christus formulierte: wahrer Gott und wahrer Mensch, Sohn Gottes, wesensseins mit dem Ewigen Vater und wahrer Mensch, mit einer Natur wie der unsrigen. Dieser Konzilstext hat fast wörtlich im Glaubensbekenntnis Eingang gefunden, das die Kirche in der Liturgie und in anderen feierlichen Augenblicken wiederholt, in Form des nizäno-konstantinopolitanischen Glaubensbekenntnisses (381) (vgl. Denzinger/Schönmetzer 150), auf dessen Spuren unser ganzer Katechesezyklus aufgebaut ist.

2. Der Text der dogmatischen Definition des Konzils gibt die wesentlichen Elemente der biblischen Christologie wieder, die wir in den vorausgegangenen Katechesen dieses Zyklus untersucht haben. Von Anfang an stellten sie den lebendigen Glaubensinhalt der Kirche aus der Zeit der Apostel dar, wie wir in der letzten Katechese gesehen haben. Dem Zeugnis der Apostel folgend, hat die Kirche von Anfang an geglaubt und bekannt, daß Jesus von Nazaret, der Sohn Marias und deshalb wahrer Mensch, gekreuzigt und auferstanden, der Sohn Gottes, der Herr (Kyrios) und der einzige Erlöser der Welt ist, der der Menschheit geschenkt wurde, „als die Zeit erfüllt war“ (vgl. Gal 4,4).

3. Die Kirche hat von Anfang an diesen Glauben bewahrt und ihn den nachfolgenden christlichen Generationen weitergegeben. Sie hat ihn gelehrt und verteidigt, indem sie ihn vom Geist der Wahrheit geführt, zu vertiefen und seinen wesentlichen Inhalt zu erklären suchte, der in den Angaben der Offenbarung enthalten ist. Das Konzil von Nizäa (325) war auf diesem Weg der Erkenntnis und Formulierung des Dogmas ein echter Meilenstein. Es war ein wichtiges und feierliches Ereignis, das von da an allen, die Christus nachfolgten, den Weg des wahren Glaubens gewiesen hat, lange bevor sich die Spaltungen der Christenheit in den späteren Zeiten ereigneten. Besonders bemerkenswert ist die Tatsache, daß sich dieses Konzil versammelte, kurz nachdem die Kirche (im Jahr 313) die Freiheit erlangt hatte, auf dem ganzen Territorium des römischen Reiches im öffentlichen Leben zu wirken. Damit wollte die Kirche gleichsam den Willen bekunden, in dem einen Glauben der Apostel zu bleiben, während sich dem Christentum neue Wege der Ausdehnung öffneten.

4. In jener Epoche spiegelt die Definition des Konzils nicht nur die von den Aposteln erreichte und in den Büchern des Neuen Testaments festgehaltene Wahrheit über Jesus Christus wider, sondern auch die Lehre der Väter der nachapostolischen Zeit, die bekanntlich auch die Zeit der Verfolgung und Katakomben war. Es ist für uns Pflicht und Freude, hier wenigstens die beiden ersten Väter zu nennen, die durch ihre Lehre, verbunden mit der Heiligkeit ihres Lebens, entscheidend dazu beitrugen, die Tradition und das ständige Erbe der Kirche weiterzugeben: Ignatius von Antiochien, der in Rom im Jahr 107 oder 106 dem Tod durch wilde Tiere ausgeliefert wurde, und Irenäus von Lyon, der das Martyrium wahrscheinlich im Jahr 202 erlitt; beide waren Bischöfe und Hirten ihrer Kirchen. Vom hl. Irenäus wollen wir in Erinnerung rufen, daß er zu seiner Lehre: Christus ist „wahrer Mensch und wahrer Gott“ schrieb: „Wie könnten die Menschen das Heil erlangen, wenn Gott nicht ihr Heil auf der Erde gewirkt hätte? Wie wäre der Mensch zu Gott gelangt, wenn Gott nicht zum Menschen gekommen wäre?“ (Adv. Haer. IV,33.4). Man sieht hier das soteriologische Argument, das seinerseits auch in der Definition des Konzils von Nizäa Ausdruck fand.

5. Der soeben zitierte Text des hl. Irenäus stammt aus dem Werk „Adversus Haereses“, d. h. aus einem Buch, das auf die Verteidigung der christlichen Wahrheit gegen die Irrtümer der Häretiker abzielte, in diesem Fall, die Ebioniter. Die apostolischen Väter mußten in ihrer Lehre sehr oft die authentische Offenbarungswahrheit gegenüber den Irrtümern verteidigen, die sich ständig in verschiedener Weise bemerkbar machten. Aus dem beginnenden 4. Jahrhundert ist Arius bekannt, von dem eine Irrlehre ausging, die nach ihm benannt wurde: der Arianismus. Nach Arius ist Jesus Christus nicht Gott: Wenn auch, vor der Geburt aus Maria präexistent, wurde er in der Zeit geschaffen. Das Konzil von Nizäa verwarf diesen Irrtum des Arius. Dadurch erklärte und formulierte es die wahre Glaubenslehre der Kirche mit den Worten, die wir zu Beginn dieser Katechese zitiert haben. Mit der Bekräftigung, daß Christus als einziggeborener Sohn Gottes wesenseins mit dem Vater (homoousios to patrí) ist, hat das Konzil in einer der damaligen (griechischen) Kultur entsprechenden Formel die Wahrheit ausgedrückt, die wir im ganzen Neuen Testament finden. Denn wir wissen, daß Jesus von sich selbst sagt, daß er „eins“ mit dem Vater sei. „Ich und der Vater sind eins“ (Joh 10,30), und er bekräftigt es vor den Zuhörern, die ihn deshalb wegen Gotteslästerung steinigen wollten (vgl. Joh 10,31). Schließlich bestätigt er es während der Gerichtsverhandlung vor dem Hohen Rat, woraufhin er zum Tode verurteilt wird. Eine Aufzählung der einzelnen Bibelstellen zu diesem Thema findet sich in den voraufgegangenen Katechesen. Aus ihrer Zusammenschau geht klar hervor: Wenn das Konzil von Nizäa, indem es von Christus als dem Sohn Gottes, „wesenseins mit dem Vater“ (ek ten óusías tou patros) „Gott von Gott, von Ewigkeit her gezeugt, nicht geschaffen“, spricht, tut es nichts anderes, als eine in der göttlichen Offenbarung enthaltene präzise Wahrheit zu bestätigen, die Glaubenwahrheit der Kirche, Hauptwahrheit des ganzen Christentums, geworden ist.

6. Man kann sagen, daß zur Zeit der Definition dieser Wahrheit durch das Konzil im Denken und Bewußtsein der Kirche bereits alles reif für eine solche Definition war. Man kann ebenfalls sagen, daß die Definition weiterhin aktuell bleibt, auch für unsere Zeit, in der sich in vielfältiger Weise alte und neue Tendenzen zeigen, die Christus zwar als außerordentlichen, doch eben nur als Menschen, aber nicht als Gott anerkennen wollen. Ihnen zuzustimmen oder sie zu unterstützen hieße, das christologische Dogma zu zerstören, aber gleichzeitig auch die gesamte christliche Soteriologie auszulöschen. Wenn Christus nicht wahrer Gott ist, vermittelt er der Menschheit nicht das göttliche Leben. Folglich ist er nicht der Erlöser des Menschen in dem von Offenbarung und Tradition herausgestellten Sinn. Indem man diese Glaubenswahrheit der Kirche verletzt, bringt man das ganze Gebäude des christlichen Dogmas zum Einsturz. Die gesamte Logik des christlichen Glaubens und Lebens wird zunichte gemacht, weil man den Schlußstein des ganzen Gebäudes beseitigt.

 

7. Wir müssen aber sofort hinzufügen, daß die Kirche bei der feierlichen und endgültigen Bestätigung dieser Wahrheit auf dem Konzil von Nizäa zugleich an der Wahrheit über die wahre Menschheit Christi festgehalten, sie gelehrt und verteidigt hat. Auch diese Wahrheit war Gegenstand irriger Meinungen und häretischer Theorien geworden. Im einzelnen sei hier an den Doketismus erinnert (vom griechischen Wort dokein = scheinen).

Diese Auffassung hob die menschliche Natur Christi auf, indem sie behauptete, daß er keinen wirklichen Leib gehabt habe, sondern nur den Schein menschlichen Fleisches. Die Doketen glaubten, daß Gott nicht wirklich von einer Frau hätte geboren werden und nicht wirklich am Kreuz hätte sterben können. Aus diesem ihrem Standpunkt folgte, daß wir es in der ganzen Sphäre der Menschwerdung und der Erlösung nur mit dem Anschein des Fleisches zu tun haben. Dies steht im offenen Gegensatz zu der Offenbarung, die in den verschiedenen Texten des Neuen Testamentes enthalten ist; darunter die des Johannes : „Jesus Christus ist im Fleisch gekommen“ (vgl. 1 Joh 4,2). „Das Wort ist Fleisch geworden“ (vgl. Joh 1,14), und die des Paulus, nach der Christus im Fleisch „gehorsam war bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz“ (vgl. Phil 2,8).

8. Gemäß dem Glauben der Kirche, der aus der Offenbarung schöpft, war Jesus Christus wahrer Mensch. Eben deshalb wurde sein menschlicher Leib von einer wahren menschlichen Seele belebt. Dem Zeugnis der Apostel und Evangelisten, die in diesem Punkt völlig übereinstimmen, entsprach die Lehre der Urkirche wie auch der ersten kirchlichen Schriftsteller, z. B. des Tertullian, der schrieb: „In Christus ... finden wir Seele und ,Fleisch“4, d. h. eine echte (menschliche) Seele und ein echtes .Fleisch4 (De came Christi 13,4). Trotzdem gab es entgegengesetzte Meinungen auch über diesen Punkt, insbesondere die des Apollinaris von Laodicea (geb. etwa um 310 in Laodicea in Syrien, gest. um 390) und seine Anhänger, Apollinaristen genannt, nach denen es in Christus keine wahre menschliche Seele gegeben hätte, da diese vom Wort Gottes ersetzt worden sei. Doch es ist klar, daß auch in diesem Fall die wahre Menschheit Christi verneint wurde.

9. In der Tat wies Papst Damasus I. (366-384) in einem Schreiben an die orientalischen Bischöfe (um 374) auf die Irrlehren des Arius und des Apollinaris hin und verwarf sie gleichzeitig. „Jene (d. h. die Arianer) schreiben dem Sohn Gottes eine unvollkommene Göttlichkeit zu, diese (die Appollinaristen) vertreten fälschlicherweise eine unvollkommene Menschheit des Menschensohnes. Wenn aber wirklich ein unvollständiger Mensch angenommen worden ist, dann ist das Werk Gottes unvollkommen, unser Heil unvollkommen, denn es ist nicht der ganze Mensch erlöst worden ... Und wir, die wir wissen, daß wir in der Fülle des Menschseins erlöst worden sind, bekennen dem Glauben der katholischen Kirche gemäß, daß Gott in der Fülle seines Seins den Menschen in der Fülle seines Seins angenommen hat.“ Das Dokument des Damasus, fünfzig Jahre nach Nizäa verfaßt, war aber hauptsächlich gegen die Apollinaristen gerichtet (vgl. Denzinger/Schönmetzer 146). Wenige Jahre später verurteilte das Erste Konzil von Konstantinopel (381) alle Irrlehren der Zeit, einschließlich Arianismus und Apollinarismus, und bestätigte das, was Papst Damasus I. über die Menschheit Christi gelehrt hatte, zu der dem Wesen nach eine wahre menschliche Seele (und damit ein wahrer menschlicher Verstand, ein freier Wille) gehört (vgl. Denzinger/Schönmetzer 146,149,151).

10. Das soteriologische Argument, mit dem das Konzil von Nizäa die Menschwerdung erklärte, indem es lehrte, daß der Sohn, wesenseins mit dem Vater, „für uns Menschen und zu unserem Heil“ Mensch geworden ist, fand neuen Ausdruck in der Verteidigung der ganzen Wahrheit über Christus sowohl gegenüber dem Arianismus als auch gegenüber dem Apollinarismus durch Papst Damasus und das Konzil von Konstantinopel. Vor allem gegenüber denen, die die wahre Menschheit des Sohnes Gottes leugneten, wurde das soteriologische Argument in neuer Weise aufgegriffen: Um den ganzen Menschen erlösen zu können, mußte die ganze (vollkommene) Menschheit in der Einheit des Sohnes angenommen werden: „quod non est assumptum, non est sanatum“ („was nicht angenommen ist, ist nicht erlöst“) (vgl. hl. Gregorius von Nazianz, Ep. 101 ad Cledon).

11. Das. Konzil von Chalcedon (451) verurteilte nochmals den Apollinarismus und vervollständigte so in gewissem Sinn das nizänische Glaubensbekenntnis, indem es Christus als „vollkommen der Gottheit und vollkommen der Menschheit nach“ verkündete: „ ... unser Herr Jesus Christus ... ist vollkommen der Gottheit und vollkommen der Menschheit nach, wahrer Gott und wahrer Mensch, bestehend aus einer vernünftigen Seele und dem Leib. Der eine und selbe ist wesensgleich dem Vater der Gottheit nach und wesensgleich auch uns seiner Menschheit nach (homooúsion hämín ... katà tän anthropotäta) (Hebr 4,15). Vor aller Zeit wurde er aus dem Vater gezeugt seiner Gottheit nach, in den letzten Tagen aber wurde derselbe für uns und um unseres Heiles willen aus Maria, der Jungfrau, der Gottesgebärerin, der Menschheit nach geboren: Wir bekennen einen und denselben Christus, den Sohn, den Herrn, den Einziggeborenen ... “ (Chalcedonisches Glaubensbekenntnis, Denzinger/Schönmetzer 301).

Wie man sieht, führt uns die mühevolle Ausarbeitung des christologischen Dogmas durch das Werk der Väter und Konzilien immer wieder zum Geheimnis des einen Christus zurück, dem zu unserem Heil Fleisch gewordenen Wort, der sich uns durch die Offenbarung zu erkennen gab, damit wir, indem wir an ihn glauben und ihn lieben, gerettet werden und das Leben haben (vgl. Joh 20,31).

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Liebe Brüder und Schwestern!

Wenn wir in der heiligen Messe am Sonntag gemeinsam das Glaubensbekenntnis sprechen oder singen, sind wir uns manchmal gar nicht bewußt, wie alt und ehrwürdig dieser Text ist. Seine ältesten Teile gehen zurück auf eine feierliche Definition des Konzils von Nizäa vom Jahre 325.

Indem die Kirche dem Zeugnis der Apostel folgte, hat sie von Anfang an geglaubt und öffentlich bekannt, daß Jesus von Nazaret als Sohn Marias ein wahrer Mensch ist, der für uns gekreuzigt, aber dann zu neuem Leben auferweckt worden ist; mit gleicher Deutlichkeit aber hat die Kirche immer bekamt, daß dieser Jesus zugleich wahrer Sohn Gottes ist, der Herr aller Dinge und ihrer Geschichte, der Erlöser der Welt. Diesen Glauben hat die Kirche in den Jahren der Verfolgung treu bewahrt und fortwährend an die nächsten Generationen von Christen weitergegeben; sie hat diesen Glauben den Taufschülern erklärt und ihn gegen mancherlei einseitige und einschränkende Vorstellungen verteidigt.

Auf diesem Weg der Klärung der Ideen und der Formulierungen zum Geheimnis der Menschwerdung Gottes stellt das Konzil von Nizäa einen wichtigen Meilenstein dar. Wenige Jahre, nachdem den christlichen Gemeinden vom Staat die Freiheit zuerkannt worden war, im gesamten römischen Reich ihren Glauben zu leben und zu bekennen, und lange vor den ersten Spaltungen im Volk Gottes, faßte jenes Konzil mit apostolischer Autorität den Glauben an unseren Erlöser Jesus Christus maßgebend zusammen.

So bekennen wir bis heute und immer wieder neu: „Wir glauben an ... den einen Herrn Jesus Christus, Gottes eingeborenen Sohn, aus dem Vater geboren vor aller Zeit: Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott... eines Wesens mit dem Vater“. Das ist unser verbindlicher Glaube; er ist uns Katholiken gemeinsam mit den orthodoxen und protestantischen Christen. Ihm wollen wir treu bleiben, um durch ihn mit Christus verbunden zu sein und unser Lebensziel in Gott zu erreichen.

Mit dieser kurzen Erinnerung an den Kern unseres gemeinsamen Glaubens grüße ich auch alle Besucher deutscher Sprache in dieser Audienz, darunter die Pilgergruppe von Familien aus Österreich, die mit der Internationalen Gemeinschaft das Werk verbunden sind. Ich ermutige Euch, Euren Glauben als erwachsene Christen überzeugen und froh zu leben und ihn dort gern weiterzuschenken, wo immer der Herr selbst bereits den Boden dafür bereitet hat. Allen anwesenden Besuchern aus Deutschland, Österreich und der Schweiz erbitte ich Gottes reichen Segen und treuen Schutz an hellen wie an dunkleren Tagen. Unter seiner Führung habt Ihr allen Grund, auf Eurem Lebensweg mit viel gutem Willen und großer Zuversicht voranzuschreiten.

Gelobt sei Jesus Christus.