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JOHANNES PAUL II.

GENERALAUDIENZ

Mittwoch, 5. Juli 1989

DE  - ES  - IT

1. Aus den Katechesen, die bisher dem Glaubensartikel über den Heiligen Geist gewidmet waren, ist die reichhaltige biblische Grundlage der pneumatologischen Wahrheit zu entnehmen. Zugleich jedoch müssen wir auch die unterschiedliche Gestalt festhalten, die diese Wahrheit in Bezug zur christologischen Wahrheit in der göttlichen Offenbarung hat. Aus den Heiligen Schriften geht tatsächlich hervor, dass der ewige Sohn, eines Wesens mit dem Vater, die Fülle der Selbstoffenbarung Gottes in der Menschheitsgeschichte ist. Indem er „Menschensohn“ wurde, „geboren von einer Frau“ (Gal 4,4), hat er sich als wahrer Mensch gezeigt und gehandelt. Als solcher hat er auch den Heiligen Geist endgültig offenbart, indem er dessen Kommen ankündigte und dessen Beziehung mit dem Vater und mit dem Sohn in der Heilssendung und folglich im Geheimnis der Dreifaltigkeit bekannt machte. Gemäß der Verkündigung und der Verheißung Jesu nimmt mit dem Kommen des Beistandes die Kirche ihren Anfang, der Leib Christi (vgl. 1 Kor 12,27) und das Sakrament seiner Gegenwart „bei uns bis zum Ende der Welt“ (vgl. Mt 28,20).

Dennoch bleibt der dem Vater und dem Sohn wesensgleiche Heilige Geist der „verborgene Gott“. Obwohl er in der Kirche und in der Welt wirkt, tritt er nicht sichtbar in Erscheinung, im Gegensatz zum Sohn, der Menschennatur annahm und uns gleich wurde, sodass die Jünger ihn während seines Erdenlebens sehen und „mit den Händen anfassen“ konnten, ihn, das Wort des Lebens (vgl. 1 Joh 1,1).

Hingegen besitzt die Erkenntnis des Heiligen Geistes, auf dem Glauben an die Offenbarung Christi gegründet, nicht den Trost einer sichtbar unter uns in menschlicher Gestalt lebenden göttlichen Person, sondern nur die Feststellung der Auswirkungen seiner Gegenwart und seines Handelns in uns und in der Welt. Der Schlüssel zu dieser Erkenntnis ist das Geschehen von Pfingsten.

2. Nach der religiösen Tradition Israels war Pfingsten ursprünglich das „Fest der Ernte“. „Dreimal im Jahr sollen alle deine Männer vor dem Herrn, dem Gott Israels, erscheinen“ (Ex 34,23): das erste Mal zum Osterfest, das zweite Mal zum Fest der Ernte, das dritte Mal zum sogenannten Laubhüttenfest.

Das „Fest der Ernte, des ersten Ertrags deiner Aussaat auf dem Feld“ (Ex 23,16), wurde im Griechischen „Pfingsten“ genannt, denn es wurde fünfzig Tage nach dem Osterfest gefeiert. Es wurde auch „Wochenfest“ genannt, weil es sieben Wochen nach dem Osterfest begangen wurde. Getrennt davon wurde dann das Fest der Lese gegen Ende des Jahres gefeiert (vgl. Ex 23,16; 34,22). Die Gesetzesbücher enthielten die vorgeschriebenen Einzelheiten für die Feier von Pfingsten (vgl. Lev 23,15 f.; Num 28,26-31), das dann auch das Fest der Erneuerung des Bundes wurde (vgl. 2 Chr 15,10-13), wie wir später sehen werden.

3. Die Herabkunft des Heiligen Geistes auf die Apostel und auf die Urgemeinde der Jünger Christi, die im Abendmahlssaal von Jerusalem „einmütig im Gebet“ mit Maria, der Mutter Jesu, verharrten (vgl. Apg 1,14), knüpft an die alttestamentliche Bedeutung von Pfingsten an. So wird das Fest der Ernte zum Fest der „neuen Ernte“, deren Urheber der Heilige Geist ist: die Ernte im Geist.

Diese Ernte ist Frucht der Aussaat Christi, des Sämanns. Man erinnere sich an die Worte Jesu, die im Johannesevangelium aufgezeichnet sind: „Blickt umher und seht, dass die Felder weiß sind, reif zur Ernte“ (Joh 4,35). Jesus gab zu verstehen, dass die Apostel schon nach seinem Tod die Ernte dieser Aussaat einholen würden: „Einer sät, und ein anderer erntet. Ich habe euch gesandt, zu ernten, wofür ihr nicht gearbeitet habt; andere haben gearbeitet, und ihr erntet die Frucht ihrer Arbeit“ (Joh 4,37-38).

Vom Pfingsttag an werden die Apostel durch das Wirken des Heiligen Geistes die Schnitter der Aussaat Christi. „Schon empfängt der Schnitter seinen Lohn und sammelt Frucht für das ewige Leben, sodass sich der Sämann und der Schnitter gemeinsam freuen“ (Joh 4,36). Wahrhaftig, schon am Pfingsttag, nach der ersten Rede des Petrus, zeigte sich eine reiche Ernte, denn es bekehrten sich „etwa dreitausend Menschen“ (Apg 2,41), sodass Grund zu gemeinsamer Freude war: Freude der Apostel und ihres Meisters, des göttlichen Sämanns.

4. Die Ernte ist wirklich Frucht seines Opfertodes. Wenn Jesus von der „Mühe“ des Sämanns spricht, so besteht diese vor allem in seinem Leiden und Tod am Kreuz. Christus ist jener „Andere“, der für diese Ernte gearbeitet hat. „Ein Anderer“, der dem Geist der Wahrheit den Weg eröffnet hat, der vom Pfingsttag an durch das apostolische „Kerygma“ kräftig am Werk ist.

Der Weg wurde durch das Selbstopfer Christi am Kreuz eröffnet: durch den erlösenden Tod, bekräftigt von der durchbohrten Seite des Gekreuzigten. Denn aus seinem Herzen „floss sogleich Blut und Wasser heraus“ (Joh 19,34) als Zeichen des physischen Todes. Aber in dieser Tatsache kann man auch die Erfüllung der geheimnisvollen Worte sehen, die Jesus einmal am letzten Tag des Laubhüttenfestes in Bezug auf das Kommen des Heiligen Geistes gesprochen hatte: „Wer Durst hat, komme zu mir, und es trinke, wer an mich glaubt. Wie die Schrift sagt: Aus seinem Inneren werden Ströme von lebendigem Wasser fließen.“ Der Evangelist erläutert: „Damit meinte er den Geist, den alle empfangen sollten, die an ihn glauben“ (Joh 7,37-39). Um zu sagen, dass die Glaubenden weit mehr als den am Laubhüttenfest erflehten Regen empfangen sollten, indem sie aus einer Quelle schöpften, aus der wirklich das lebendige Wasser von Zion kommen sollte, das die Propheten angekündigt hatten (vgl. Sach 14,8; Ez 47,1 f.).

5. In Bezug auf den Heiligen Geist hatte Jesus verheißen: „Gehe ich aber, so werde ich ihn zu euch senden“ (Joh 16,7). Das Wasser, das aus der durchbohrten Seite Christi kommt (vgl. Joh 19,34), ist wirklich das Zeichen dieses „Sendens“. Es wird eine „reiche“ Ausgießung sein: ja „Ströme lebendigen Wassers“ als Gleichnis, das die besondere Hochherzigkeit und Güte Gottes ausdrückt, die sich dem Menschen schenkt.

Das Jerusalemer Pfingsten ist die Bekräftigung dieses göttlichen Überflusses, der von Christus verheißen und durch den Geist gewährt wurde.

Die Umstände des Festes selbst scheinen in der Erzählung des Lukas eine symbolische Bedeutung zu haben. Die Herabkunft des Geistes geschieht tatsächlich zur Vollendung des Festes. Der vom Evangelisten verwandte Ausdruck weist auf eine Fülle hin. Denn er sagt: „Als der Pfingsttag gekommen war …“ (Apg 2,1). Andererseits berichtet der heilige Lukas noch, dass „sich alle [zusammen] am gleichen Ort befanden“ (Apg 2,1), was die Vollständigkeit der versammelten Gemeinschaft andeutet. „Alle [zusammen]“, nicht nur die Apostel, sondern die ganze Urgemeinde der entstehenden Kirche, Männer und Frauen, zusammen mit der Mutter Jesu. Dies ist eine erste Einzelheit, die berücksichtigt werden muss. Aber in der Beschreibung dieses Geschehens gibt es auch andere Einzelheiten, die immer unter dem Gesichtspunkt der „Fülle“ nicht weniger bedeutsam sind.

Wie Lukas schreibt, „kam plötzlich vom Himmel her ein Brausen, wie wenn ein heftiger Sturm daherfährt, und erfüllte das ganze Haus, in dem sie waren … Alle wurden mit dem Heiligen Geist erfüllt“ (Apg 2,2.4). Man merke diese Betonung der Fülle („erfüllte“, „alle wurden erfüllt“). Eine Beschreibung, die mit dem in Beziehung gesetzt werden kann, was Jesus sagte, als er zum Vater zurückkehrte: „Ihr aber werdet schon in wenigen Tagen mit dem Heiligen Geist getauft“ (Apg 1,5). „Getauft“ heißt „eingetaucht“ in den Heiligen Geist: Dies bringt der Ritus des Eintauchens in das Wasser während der Taufe zum Ausdruck. Das „Eintauchen“ und das „Erfülltsein“ bedeuten dieselbe geistliche Wirklichkeit, die sich durch die Herabkunft des Heiligen Geistes in den Aposteln und in allen Anwesenden im Abendmahlssaal vollzog.

6. Dieses „Erfülltsein“, das die kleine Gemeinschaft zu Beginn des Pfingstages erlebte, kann beinahe als geistliche Verlängerung der Fülle des Heiligen Geistes betrachtet werden, der in Christus „wohnt“, in dem die „ganze Fülle“ ist (vgl. Kol 1,19). Wir lesen in der Enzyklika Dominum et vivificantem: „Was er jedoch vom Vater und von sich selbst, dem Sohn, sagt, entspringt nichtsdestoweniger aus jener Fülle des Geistes, die in ihm ist, die sich in sein Herz ergießt, sein ‚Ich‘ selbst durchdringt und sein Wirken von innen her anregt und belebt“ (Nr. 21). Deshalb kann das Evangelium sagen, dass „Jesus, vom Heiligen Geist erfüllt, voll Freude ausrief“ (Lk 10,21). So hat sich die „Fülle“ des Heiligen Geistes, die in Christus ist, am Pfingsttag offenbart, indem sie alle im Abendmahlssaal Versammelten „mit dem Heiligen Geist erfüllte“. So entstand diese christologisch-ekklesiologische Wirklichkeit, die der Apostel Paulus andeutet: „Durch ihn seid auch ihr davon erfüllt; denn er ist das Haupt“ (Kol 2,10).

7. Man kann hinzufügen, dass der Heilige Geist an Pfingsten „Herr“ der Apostel wird und seine Macht über ihre Menschheit zeigt. Die Offenbarung dieser Macht erscheint in einer Fülle des geistlichen Geschenks, das als Kraft des Geistes, Kraft des Verstandes, des Willens und des Herzens zutage tritt. So schreibt der Apostel Johannes, „der, den Gott gesandt hat, … gibt den Geist unbegrenzt“ (Joh 3,34): Das bezieht sich an erster Stelle auf Christus; aber man kann es auch auf die Apostel anwenden, denen Christus den Geist gegeben hat, damit sie ihn ihrerseits den anderen mitteilen.

8. Am Schluss entnehmen wir, dass sich zu Pfingsten auch die Worte Ezechiels erfüllten: „Ich lege einen neuen Geist in euch“ (Ez 36,26). Und dieses „Anhauchen“ hat wirklich die Freude der Schnitter hervorgerufen, sodass man mit Jesaja sagen kann: „Man freut sich in deiner Nähe, wie man sich freut bei der Ernte“ (Jes 9,2). Pfingsten, das antike Fest der Ernte, hat sich jetzt im Herzen von Jerusalem in einem neuen Sinn, als eine besondere „Ernte“ des göttlichen Beistandes, offenbart. So hat sich die Verheißung Joels bewahrheitet: „Danach aber wird es geschehen, dass ich meinen Geist ausgieße über alles Fleisch“ (Joel 3,1).

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Liebe Brüder und Schwestern!

Das Glaubensbekenntnis der Kirche über den Heiligen Geist besitzt eine reichhaltige biblische Grundlage. Christus selbst als die Fülle der Selbstmitteilung Gottes an die Menschen hat uns auch den Heiligen Geist endgültig geoffenbart. Mit dem Kommen des göttlichen Beistandes beginnt der Weg der Kirche in der Geschichte.

Dennoch bleibt der dem Vater und dem Sohn wesensgleiche Heilige Geist der „verborgene Gott“. Im Unterschied zum göttlichen Sohn tritt er nicht sichtbar in Erscheinung. Den Heiligen Geist erkennen wir nur an den Wirkungen seines Handelns. Entscheidend für diese Erkenntnis ist das Geschehen am Pfingstfest. Pfingsten war in der jüdischen Tradition das „Fest der Ernte“. In der Herabkunft des Heiligen Geistes wird Pfingsten in diesem alttestamentlichen Sinn zum Fest der neuen Ernte: die Ernte im Heiligen Geist. Diese Ernte ist die Frucht des von Christus ausgesäten Samens. Darum sagt er zu seinen Aposteln: „Ich habe euch gesandt, zu ernten, wofür ihr nicht gearbeitet habt; andere haben gearbeitet, und ihr erntet die Frucht ihrer Arbeit“ (Joh 4,38). Die neue Ernte im Heiligen Geist beginnt schon am Pfingstfest selbst mit der Bekehrung von „etwa dreitausend Menschen“ (Apg 2,41). Das Geschenk des Heiligen Geistes ist vor allem die Frucht des Opfertodes Jesu Christi, aus dessen geöffneter Seite Blut und Wasser geflossen sind. „Ströme von lebendigem Wasser“ sind für Johannes ein Symbol für den Heiligen Geist, den alle empfangen sollen, die an Christus glauben (vgl. Joh 7,38-39). Am Pfingstfest werden alle im Abendmahlssaal Versammelten vom Heiligen Geist erfüllt – und mit ihnen die ganze Kirche. In diesem Pfingstgeschehen erfüllt sich die Verheißung des Joel: „Danach aber wird es geschehen, dass ich meinen Geist ausgieße über alles Fleisch“ (Joel 3,1).

NACH DIESER KURZEN Betrachtung grüße ich euch alle sehr herzlich, die ihr als Pilger aus deutschsprachigen Ländern an dieser Audienz teilnehmt. Für eure Begegnung mit den Heiligen Stätten in Rom erbitte ich euch den besonderen Beistand des Heiligen Geistes. Möget ihr dadurch geistlich reich beschenkt werden und mit neuem Mut zu einem lebendingen Glaubenszeugnis in eure Heimat zurückkehren. Von Herzen erteile ich euch und euren Lieben daheim meinen besonderen Apostolischen Segen.