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JOHANNES PAUL II.

GENERALAUDIENZ

Mittwoch, 26. Juli 1989

DE  - ES  - IT

1. Wir haben die äußeren Zeichen der Gotteserscheinung am Pfingstfest in Jerusalem, wie sie die Apostelgeschichte berichtet, einer Analyse unterzogen: „Da kam plötzlich vom Himmel her ein Brausen“, heißt es im Text, „wie wenn ein heftiger Sturm daherfährt“ (Apg 2,2), „Zungen wie von Feuer“ (Apg 2,3) ließen sich auf die im Abendmahlssaal Versammelten nieder. Schließlich jenes psychologische, vernehmbare Geschehen, dass die Apostel auch von jenen verstanden werden, die „andere Sprachen“ sprechen (vgl. Apg 2,4-13). Ferner haben wir gesehen, dass bei all diesen äußeren Erscheinungen die innere Umwandlung der Apostel das Wichtigere und Wesentlichere ist. Gerade in dieser Umwandlung kommt die Anwesenheit und das Wirken des Heiligen Geistes, des Beistands und Helfers, zum Ausdruck, dessen Kommen Christus den Aposteln in der Stunde seiner Rückkehr zum Vater versprochen hatte.

Die Herabkunft des Heiligen Geistes ist eng mit dem Ostergeheimnis verbunden, das sich im Erlösungsopfer des Kreuzes und der Auferstehung Christi vollzieht, die neues Leben schenken. Am Pfingsttag erhalten die Apostel durch das Wirken des Heiligen Geistes vollen Anteil an diesem Leben. So reift in ihnen die Kraft zum Zeugnis, das sie für den auferstandenen Herrn ablegen werden.

2. Ja, am Pfingstfest offenbart sich der Heilige Geist als jener, der das Leben schenkt, wie wir es im Credo bekennen, wenn wir ihn „Dominum et vivificantem“ nennen. So vollendet sich in der Heilsgeschichte die Selbstmitteilung Gottes, die begonnen hat, als er sich dem nach seinem Bild und Gleichnis erschaffenen Menschen schenkte. Dieses Sich-Schenken Gottes – im Ursprung das Geheimnis der Erschaffung des Menschen und seine Erhebung zu übernatürlicher Würde – setzt sich nach dem Sündenfall in der Geschichte fort als Verheißung des Heiles, und diese Heilsverheißung erfüllt sich im Geheimnis der von Christus, dem Gottmenschen, durch sein Opfer vollbrachten Erlösung. In Pfingsten findet das Ostergeheimnis Christi, das „Sich-Schenken Gottes“, seine Vollendung. Die Gottesoffenbarung in Jerusalem kennzeichnet den neuen Anfang der Selbstmitteilung Gottes. Die Apostel und alle, die zusammen mit Maria, der Mutter Christi, im Abendmahlssaal waren, erlebten an jenem Tag als erste die neue Ausgießung des göttlichen Lebens, das sich in ihnen und durch sie – und daher in der Kirche und durch die Kirche – für jeden Menschen aufgetan hat. Es ist universal, wie die Erlösung universal ist.

3. Den Beginn des neuen Lebens empfängt man im Geschenk der Gotteskindschaft. Christus hat sie durch die Erlösung für alle erwirkt, und er hat sie auf alle übertragen durch den Heiligen Geist, der in der Gnade den Menschen erneuert, ihn gewissermaßen neu erschafft nach dem Bild des eingeborenen Sohnes des Vaters. So erneuert und festigt das menschgewordene Wort die Selbstmitteilung Gottes. Durch das Erlösungswerk bietet es dem Menschen jenen „Anteil an der göttlichen Natur“ an, von dem der zweite Petrusbrief spricht (vgl. 2 Petr 1,4) und ebenso Paulus im Brief an die Römer, wenn er von Jesus Christus sagt, dass er „dem Geist der Heiligkeit nach eingesetzt ist als Sohn Gottes in Macht seit der Auferstehung von den Toten“ (1,4).

Die Frucht der Auferstehung, in der die Machtfülle Christi, des Gottessohnes, sich verwirklicht, wird also denen mitgeteilt, die sich dem Wirken seines Geistes im neuen Geschenk der Gotteskindschaft öffnen. So sagt der hl. Johannes, nachdem er im Prolog seines Evangeliums vom Wort gesprochen hat, das Fleisch geworden ist: „Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden, allen, die an seinen Namen glauben“ (1,12).

Die beiden Apostel Johannes und Paulus bestimmen den Begriff der Gotteskindschaft als Geschenk des neuen, von Christus durch den Heiligen Geist gewirkten Lebens an den Menschen.

Es ist ein Geschenk des Vaters, wie wir im ersten Johannesbrief lesen: „Seht, wie groß die Liebe ist, die der Vater uns geschenkt hat: Wir heißen Kinder Gottes, und wir sind es“ (1 Joh 3,1). Im Brief an die Römer stellt Paulus die gleiche Wahrheit im Licht des ewigen Planes Gottes dar: „Denn alle, die er im Voraus erkannt hat, hat er auch im Voraus dazu bestimmt, an Wesen und Gestalt seines Sohnes teilzuhaben, damit dieser der Erstgeborene von vielen Brüdern sei“ (8,29). Der gleiche Apostel spricht im Brief an die Epheser von der Annahme an Kindes Statt, zu der Gott uns im Voraus bestimmt hat, „seine Söhne zu werden durch Jesus Christus“ (1,5).

4. Auch im Brief an die Galater bezieht Paulus sich auf den ewigen Plan, den Gott in der Tiefe seines dreifältigen Lebens gefasst und in der „Fülle der Zeit“ durch das Kommen des Sohnes in der Menschwerdung verwirklicht hat, um uns als seine Kinder anzunehmen: „Gott sandte seinen Sohn, geboren von einer Frau, … damit wir die Sohnschaft erlangen“ (Gal 4,4-5). Diese Sendung (missio) des Sohnes ist nach dem Apostel im Plan des dreifältigen Gottes eng mit der Sendung des Heiligen Geistes verbunden, und so fährt er fort: „Weil ihr aber Söhne seid, sandte Gott den Geist seines Sohnes in unser Herz, den Geist, der ruft: Abba, Vater“ (Gal 4,6).

Hier berühren wir das Endziel des Pfingstgeheimnisses: Der Heilige Geist steigt als Geist des Sohnes in die Herzen herab. Weil er der Geist des Sohnes ist, dürfen wir Menschen zusammen mit Christus zu Gott rufen: „Abba, Vater!“

5. Dieser Ruf ist Ausdruck für die Tatsache, dass wir nicht nur Kinder Gottes heißen, sondern es auch wirklich sind, wie der Apostel Johannes in seinem ersten Brief unterstreicht (vgl. 1 Joh 3,1). Wir haben – aufgrund des Geschenkes – wirklichen Anteil an der Sohnschaft des Sohnes Gottes, Jesus Christus selbst. Das ist die übernatürliche Wahrheit unserer Beziehung zu Christus. Sie ist begreifbar nur für den, der „den Vater erkannt hat“ (vgl. 1 Joh 2,14).

Diese Kenntnis wiederum ist nur möglich kraft des Zeugnisses, das der Heilige Geist dem Menschen in seinem Innern gibt, wo er als der Ursprung der Wahrheit und des Lebens anwesend ist. Der Apostel Paulus lehrt uns: „So bezeugt der Geist selber unserem Geist, dass wir Kinder Gottes sind. Sind wir aber Kinder, dann auch Erben; wir sind Erben Gottes und sind Miterben Christi“ (Röm 8,16-17). „Denn ihr habt nicht einen Geist empfangen, der euch zu Sklaven macht, so dass ihr euch immer noch fürchten müsstet, sondern ihr habt den Geist empfangen, der euch zu Söhnen macht, den Geist, in dem wir rufen: Abba, Vater!“ (Röm 8,15).

6. Bei der Gestaltung dieses Werkes „reproduziert“ der Heilige Geist gewissermaßen im Menschen das Bild des Sohnes und stellt so das innerste Band der Bruderschaft zu Christus her, das uns dazu bringt, „zusammen mit ihm“ zu rufen: Abba, Vater! Darum schreibt der Apostel: „Alle, die sich vom Geist Gottes leiten lassen, sind Söhne Gottes“ (Röm 8,14). Der Heilige Geist „atmet“ im Herzen der Gläubigen als Geist des Sohnes, er stellt im Menschen die Gotteskindschaft her nach dem Bild Christi und in der Verbundenheit mit Christus. Der Heilige Geist formt von innen her den menschlichen Geist nach dem göttlichen Vorbild Christus. So wird Christus, wie wir ihn aus den Seiten des Evangeliums kennen, durch den Geist zum „Leben der Seele“, und der Mensch wird im Denken, im Lieben, im Urteilen, im Handeln, ja selbst im Fühlen Christus gleichgestaltet, er wird „christusförmig“.

7. Dieses Werk des Heiligen Geistes hat seinen „neuen Anfang“ am Pfingstfest von Jerusalem, am Gipfel des Ostergeheimnisses. Seitdem ist Christus bei uns und wirkt in uns durch den Heiligen Geist. Er führt aus, was der Vater von Ewigkeit her geplant hat: dass wir dazu bestimmt sind, „seine Söhne zu werden durch Jesus Christus“ (Eph 1,5). Wir wollen nicht müde werden, immer wieder auf diese wunderbare Wahrheit unseres Glaubens zurückzukommen und darüber nachzudenken.

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Liebe Schwestern und Brüder!

Am Pfingsttag erweist sich der Heilige Geist als Spender und Vermittler des Lebens. Im Credo bekennen wir ihn als den, „der Herr ist und lebendig macht“. Pfingsten ist mit dem Ostergeheimnis Christi verbunden; an ihm erfährt die Selbstmitteilung Gottes an die Menschen ihre Vollendung.

Der Beginn des „neuen Lebens“ erfolgt durch das Geschenk der Gotteskindschaft, das allen von Christus eröffnet ist und durch das Wirken des Heiligen Geistes allen mitgeteilt werden kann.

Die beiden Apostel Johannes und Paulus entwickeln diesen Gedanken der Gotteskindschaft als Geschenk, das von Christus durch das Wirken des Heiligen Geistes den Menschen vermittelt wird. Sie ist ein Geschenk, das vom Vater kommt, wie wir im ersten Johannesbrief lesen: „Seht, wie groß die Liebe ist, die der Vater uns geschenkt hat: Wir heißen Kinder Gottes, und wir sind es“ (1 Joh 3,1). Im Brief an die Galater verbindet Paulus die Sendung des Sohnes mit der Sendung des Heiligen Geistes, wenn er sagt: „Weil ihr aber Söhne seid, sandte Gott den Geist seines Sohnes in unser Herz, den Geist, der ruft: Abba, Vater“ (Gal 4,6). Hier stoßen wir an den Kern des Pfingstgeheimnisses: Der Heilige Geist kommt „in die Herzen“ als Geist des Sohnes.

Wir nehmen wahrhaft teil an der wirklichen Kindschaft des Gottessohnes Jesus Christus. Das ist die übernatürliche Wahrheit unserer Beziehung zu Christus, die nur von dem erkannt werden kann, der „den Vater erkannt hat“ (vgl. 1 Joh 2,14).

Dieses Erkennen ist nur möglich kraft des Heiligen Geistes, und dieses sein Wirken hat seinen „Neuanfang“ am Pfingstfest in Jerusalem. Von jenem Augenblick an ist Christus bei uns und wirkt in uns durch den Heiligen Geist. Werden wir nicht müde, diese wunderbare Glaubenswahrheit immer neu zu wiederholen und zu durchdenken.

MIT DIESER KURZEN Betrachtung grüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher und erteile euch allen sowie euren lieben Angehörigen in der Heimat von Herzen meinen Apostolischen Segen.