zoomText
  • A
  • A
  • A

JOHANNES PAUL II.

GENERALAUDIENZ

Mittwoch, 2. August 1989

DE  - ES  - IT

1. Im Pfingstfest von Jerusalem findet das Ostergeschehen des Kreuzes und der Auferstehung Christi seine Krönung. Die Herabkunft des Heiligen Geistes auf die im Abendmahlssaal von Jerusalem mit Maria und der Urgemeinde der Jünger Christi versammelten Apostel bildet die Erfüllung der Verheißungen Jesu an seine Jünger. Pfingsten ist die feierliche öffentliche Besiegelung des Neuen Bundes, der zwischen Gott und dem Menschen „im Blut“ Christi geschlossen wurde: „Dieser Kelch ist der Neue Bund in meinem Blut“, hatte Jesus beim Letzten Abendmahl gesagt (1 Kor 11,25). Es handelt sich um einen neuen, endgültigen und ewigen Bund. Vorausgehende Bundesschlüsse, von denen die Heilige Schrift spricht, hatten ihn vorbereitet. Sie enthielten bereits die Ankündigung des endgültigen Bundes, den Gott in Christus und im Heiligen Geist mit den Menschen schließen würde. Das Wort Gottes, das der Prophet Ezechiel überliefert, war schon eine Einladung, das Pfingstgeschehen in diesem Licht zu sehen: „Ich lege meinen Geist in euch“ (Ez 36,27).

2. In unseren früheren Betrachtungen sahen wir, dass das Pfingstfest zunächst ein Erntefest war (vgl. Ex 23,14), dann aber nach und nach auch als Erinnerung an den Bundesschluss und gewissermaßen als Erneuerung dieses Bundes gefeiert wurde, den Gott mit Israel nach der Befreiung aus der ägyptischen Knechtschaft geschlossen hatte (vgl. 2 Chr 15,10-13). Im Übrigen lesen wir schon im Buch Exodus: Mose nahm „die Urkunde des Bundes und verlas sie vor dem Volk. Sie antworteten: Alles, was der Herr gesagt hat, wollen wir tun; wir wollen gehorchen. Da nahm Mose das Blut, besprengte damit das Volk und sagte: Das ist das Blut des Bundes, den der Herr aufgrund all dieser Worte mit euch geschlossen hat“ (Ex 24,7-8).

3. Der Bund vom Sinai war zwischen Gott, dem Herrn, und dem Volk Israel geschlossen worden. Vor diesem hatte schon, nach den biblischen Texten, der Bund Gottes mit dem Patriarchen Noah und mit Abraham bestanden.

Der Bundesschluss mit Noah nach der Sintflut enthielt schon die Ankündigung eines Bundes, den Gott mit der ganzen Menschheit schließen wollte: „Hiermit schließe ich meinen Bund mit euch und mit euren Nachkommen und mit allen Lebewesen bei euch … mit allen Tieren der Erde, die mit euch aus der Arche gekommen sind“ (Gen 9,9-10). Also nicht nur mit der Menschheit, sondern mit der ganzen Schöpfung, die den Menschen in der sichtbaren Welt umgibt.

Der Bund mit Abraham hatte noch eine weitere Bedeutung. Gott erwählte einen Menschen und schloss mit ihm einen Bund im Hinblick auf seine Nachkommenschaft: „Ich schließe meinen Bund zwischen mir und dir samt deinen Nachkommen, Generation um Generation, einen ewigen Bund: Dir und deinen Nachkommen werde ich Gott sein“ (Gen 17,7). Der Bund mit Abraham sollte hinführen zu dem Bund mit einem ganzen Volk, mit Israel, im Hinblick auf den Messias, der aus diesem, von Gott eben dazu erwählten Volk hervorgehen sollte.

4. Der Bund mit Abraham enthielt kein wirkliches und eigentliches Gesetz. Das göttliche Gesetz wird später, im Bundesschluss am Sinai, gegeben. Gott verhieß es Mose, als dieser auf Gottes Ruf hin auf den Berg gestiegen war: „Jetzt aber, wenn ihr auf meine Stimme hört und meinen Bund haltet, werdet ihr unter allen Völkern mein besonderes Eigentum sein. Mir gehört die ganze Erde … Das sind die Worte, die du den Israeliten mitteilen sollst“ (Ex 19,5.6). Nach der Übermittlung dieser göttlichen Verheißung an die Ältesten Israels antwortete „das ganze Volk einstimmig und erklärte: Alles, was der Herr gesagt hat, wollen wir tun. Mose überbrachte dem Herrn die Antwort des Volkes“ (Ex 19,8). Diese biblische Beschreibung der Vorbereitung auf den Bundesschluss und der vermittelnden Rolle, die Mose dabei spielte, hebt die Gestalt dieses großen Führers und Gesetzgebers Israels hervor, sie zeigt die göttliche Herkunft des Gesetzes, das er dem Volk gab, aber sie will auch begreiflich machen, dass der Bundesschluss vom Sinai beiderseitige Verpflichtungen enthielt: Gott, der Herr, erwählte Israel zu seinem besonderen Eigentum „als ein Reich von Priestern und als ein heiliges Volk“ (Ex 19,6), doch unter der Bedingung, dass das Volk das Gesetz beachten würde, das er ihm in den zehn Geboten (vgl. Ex 20,1 ff.) und den anderen Vorschriften und Normen gab. Israel seinerseits verpflichtete sich zur Beobachtung.

5. Die Geschichte des Alten Bundes zeigt uns, dass diese Verpflichtung oftmals nicht eingehalten wurde. Besonders die Propheten warfen Israel seine Untreue vor und machten ihm die traurigen Ereignisse seiner Geschichte als göttliche Strafen deutlich. Sie drohten weitere Strafgerichte an, verkündeten aber zugleich auch einen weiteren Bundesschluss. So lesen wir z. B. bei Jeremia: „Seht, es werden Tage kommen – Spruch des Herrn –, in denen ich mit dem Haus Israel und dem Haus Juda einen neuen Bund schließen werde, nicht wie der Bund war, den ich mit ihren Vätern geschlossen habe, als ich sie bei der Hand nahm, um sie aus Ägypten herauszuführen. Diesen meinen Bund haben sie gebrochen“ (31,31-32).

Der neue – zukünftige – Bund wird den Menschen in einer Weise in Pflicht nehmen, die mehr auf sein Inneres abzielt. Wir lesen nämlich weiterhin: „Denn das wird der Bund sein, den ich nach diesen Tagen mit dem Haus Israel schließe – Spruch des Herrn: Ich lege mein Gesetz in sie hinein und schreibe es auf ihr Herz. Ich werde ihr Gott sein, und sie werden mein Volk sein“ (Jer 31,33).

Diese neue Initiative Gottes betrifft vor allem den inneren Menschen. Das Gesetz Gottes wird dem Menschen in die Tiefe seines menschlichen Wesens, seines menschlichen „Ich“ hineingelegt. Dieser Charakter der Innerlichkeit wird durch das andere Wort bekräftigt: „Ich schreibe es auf ihr Herz.“ Es handelt sich also um ein Gesetz, durch das der Mensch sich innerlich unterscheidet. Nur dann ist Gott wirklich „sein“ Gott.

6. Nach dem Propheten Jesaja wird das grundlegende Gesetz des Neuen Bundes im Geist des Menschen durch den Geist Gottes geschlossen. „Aus dem Baumstumpf Isais wächst ein Reis hervor, ein … Trieb aus seinen Wurzeln … Der Geist des Herrn lässt sich nieder auf ihm“ (Jes 11,1-2), nämlich auf dem Messias. In ihm werden die Worte des Propheten Wirklichkeit: „Der Geist Gottes, des Herrn, ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt“ (Jes 61,1). Der Messias, der vom Geist Gottes geführt ist, wird den Bund verwirklichen, und er wird ihn zum neuen und ewigen Bund machen. Das kündigt der gleiche Jesaja an mit prophetischen Worten, die das Dunkel der Geschichte aufhellen: „Das ist der Bund, den ich mit ihnen schließe, spricht der Herr: Mein Geist, der auf dir ruht, soll nicht von dir weichen, und meine Worte, die ich dir in den Mund gelegt habe, sollen immer in deinem Mund bleiben und im Mund deiner Kinder und im Mund deiner Enkel, jetzt und in Ewigkeit“ (Jes 59,21).

7. In welchen geschichtlichen Zusammenhängen und prophetischen Begriffen diese Schau des Jesaja auch immer ihren Platz hat, wir können wohl sagen, dass seine Worte ihre volle Verwirklichung in Christus finden, in seinem Wort, das sein eigenes, aber auch das Wort des Vaters ist, der ihn gesandt hat (vgl. Joh 5,37). In seinem Evangelium, in dem das Gesetz sich erneuert, vollkommen wird und zum Leben kommt. Und im Heiligen Geist, der kraft der von Christus durch sein Kreuz und seine Auferstehung vollbrachten Erlösung gesandt wird zur vollen Bestätigung dessen, was Gott schon im Alten Bund durch die Propheten verheißen hatte. In Christus und im Heiligen Geist ist der Neue Bund Wirklichkeit geworden, von dem der Prophet Ezechiel als Überbringer der göttlichen Botschaft vorausgesagt hatte: „Ich schenke euch ein neues Herz und lege einen neuen Geist in euch. Ich nehme das Herz von Stein aus eurer Brust und gebe euch ein Herz von Fleisch. Ich lege meinen Geist in euch und bewirke, dass ihr meinen Gesetzen folgt und auf meine Gebote achtet und sie erfüllt… Ihr werdet mein Volk sein, und ich werde euer Gott sein“ (Ez 36,26-28).

8. Im Pfingstgeschehen von Jerusalem bringt die Herabkunft des Heiligen Geistes als „Geschenk aus der Höhe“ (vgl. Jak 1,17) endgültig den „neuen und ewigen“ Bund zur Krönung und Erfüllung, den Gott mit der Menschheit „im Blut“ seines eingeborenen Sohnes geschlossen hat. In diesem Bund schenkt der dreieinige Gott sich nunmehr nicht nur dem auserwählten Volk, sondern der ganzen Menschheit. Die Prophezeiung Ezechiels: „Ihr werdet mein Volk sein, und ich werde euer Gott sein“ (Ez 36,28) nimmt jetzt eine neue und endgültige Dimension an: Sie wird universal. Sie bringt die innere Dimension zu ihrer Vollendung, denn die Fülle der göttlichen Gabe, der Heilige Geist, soll alle Herzen durchdringen und allen die notwendige Kraft geben zur Überwindung aller Schwäche und Sünde. Sie nimmt die Dimension der Ewigkeit an: Es ist ein „neuer und ewiger“ Bund (vgl. Hebr 13,20). In dieser Fülle der Gabe hat die Kirche als Volk Gottes des neuen und ewigen Bundes ihren Anfang. So wird die Verheißung Christi Wirklichkeit, dass der Heilige Geist als „anderer Beistand“ (Paráklätos) gesandt werde, „der für immer bei euch bleiben soll“ (Joh 14,16).

____________________________

Liebe Brüder und Schwestern!

Das Kommen des Heiligen Geistes am Pfingstfest ist die Krönung des Ostergeschehens und Erfüllung der von Christus gemachten Verheißungen. Pfingsten ist gleichzeitig die feierliche öffentliche Besiegelung des Neuen Bundes, der „im Blut“ Jesu Christi zwischen Gott und den Menschen geschlossen worden ist.

In diesem Neuen Bund erfüllen sich alle vorhergehenden Bundesschlüsse. Jene haben diesen vorbereitet. Der Bundesschluss mit Noah nach der Sintflut enthielt schon die Ankündigung eines Bundes mit der ganzen Menschheit, ja mit der gesamten Schöpfung. Im Bundesschluss mit Abraham verheißt Gott, dass dieser Bund mit ihm und seinen Nachkommen ein „ewiger“ Bund sein werde (vgl. Gen 17,7). Als Gott dann unter Mose am Sinai seinen Bund mit dem ganzen Volk Israel schließt, tritt das Gesetz als wesentlicher Bestandteil hinzu. Die Beobachtung des Gesetzes wird zur unerlässlichen Voraussetzung der Bundestreue. Gott sagt zu den Israeliten: „Wenn ihr auf meine Stimme hört…, werdet ihr unter allen Völkern mein besonderes Eigentum sein“ (Ex 19,5). Diese Gesetzes- und Bundestreue wurde von Israel jedoch häufig gebrochen. Darum verkünden die Propheten, dass Gott mit seinem Volk noch einen anderen Bund schließen werde, bei dem er sein Gesetz in das Herz der Menschen selbst einschreiben werde (vgl. Jer 31,33). Bei Ezechiel sagt Gott: „Ich schenke euch ein neues Herz und lege einen neuen Geist in euch… Ich lege meinen Geist in euch und bewirke, dass ihr meinen Gesetzen folgt und auf meine Gebote achtet und sie erfüllt“ (Ez 36,26-27). Der Geist Gottes ist es also, der im Neuen Bund das göttliche Gesetz in die Herzen der Menschen einprägt. Diese Verheißung wird Wirklichkeit im Kommen des Heiligen Geistes am Pfingstfest. An Pfingsten schließt Gott durch das Geschenk seines Geistes einen endgültigen und ewigen Bund mit der ganzen Menschheit.

HERZLICH GRÜßE ich schließlich alle heutigen Audienzteilnehmer deutscher Sprache. Ich wünsche euch eine schöne und erholsame Ferienzeit wie auch eine innere, geistige Bereicherung. Dazu erbitte ich euch die reichen Gaben des Heiligen Geistes und segne euch alle von Herzen.