zoomText
  • A
  • A
  • A
pdf

JOHANNES PAUL II.

GENERALAUDIENZ

Mittwoch, 30. August 1989

DE  - ES  - IT

1. Am Pfingsttag zeigt sich der Welt durch das Wirken des Heiligen Geistes die Kirche, die aus dem Erlösungstod Christi hervorgegangen ist. Das Thema der heutigen Katechese wurde bereits in der vorhergehenden über die Herabkunft des Heiligen Geistes vorgestellt, die den Anfang setzte für das neue Volk Gottes. Wir haben gesehen, daß – unter Bezugnahme auf den Alten Bund zwischen Gott, dem Herrn, und Israel als seinem „auserwählten“ Volk – das Volk des Neuen Bundes, der „im Blut Christi“ (vgl. 1 Kor 11,25) geschlossen wurde, zur Heiligkeit berufen ist im Heiligen Geist. Es ist das Volk, das schon im Taufsakrament durch die „Salbung des Heiligen Geistes“ geheiligt wird. Es ist die eine „königliche Priesterschaft, berufen, „geistige Opfer darzubringen“ (vgl. 1 Petr 2,9).

Indem er auf diese Weise das Volk des Neuen Bundes formt, macht der Heilige Geist die Kirche offenbar, die dem am Kreuz durchbohrten Herzen des Erlösers entsprungen ist.

2. Bereits in den Katechesen des christologischen Zyklus haben wir gezeigt, daß Jesus Christus, „indem er den Aposteln das vom Vater ihm vermachte Reich übergibt“ (vgl. Lk 22,29 und auch Mk 4,11), die Fundamente zum Bau seiner Kirche legt. Er hat sich tatsächlich nicht darauf beschränkt, durch das Wort des Evangeliums und die von ihm gewirkten „Zeichen“ Hörer und Jünger anzuziehen, sondern er hat klar verkündet, daß er „die Kirche bauen“ will auf den Aposteln und insbesondere auf Petrus (vgl. Mt 16,18). Als die Stunde seines Leidens, als der Vorabend naht, betet er für ihre „Heiligung in der Wahrheit“ (vgl. Joh 17,17), und bittet er für ihre Einheit: „Alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, … damit die Welt erkennt, daß du mich gesandt hast“ (Joh 17,21-23). Am Ende gibt er sein Leben hin „als Lösegeld für viele“ (Mk 10,45), „um die versprengten Kinder Gottes wieder zu sammeln“ (Joh 11,52).

3. Die Konzilskonstitution Lumen Gentium unterstreicht die Verbindung zwischen dem Ostergeheimnis und dem Pfingsttag: „Als aber Jesus nach seinem für die Menschen erlittenen Kreuzestod auferstanden war, ist er als der Herr, der Gesalbte und als der zum Priester auf immerdar Bestellte erschienen (vgl. Apg 2,36; Hebr 5,6; 7,17-21) und hat den vom Vater verheißenen Geist auf die Jünger ausgegossen (vgl. Apg 2,33)“ (Lumen Gentium, Nr. 5). Dies erfüllte sich entsprechend den Ankündigungen, die Jesus im Abendmahlssaal vor seinem Leiden machte und vor seinem endgültigen Fortgehen von dieser Erde zum Vater wiederholte: „Aber ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch herabkommen wird; und ihr werdet meine Zeugen sein … bis an die Grenzen der Erde“ (Apg 1,8).

Diese Tatsache ist der entscheidende Höhepunkt für das Dasein der Kirche. Christus hat sie angekündigt, errichtet und dann endgültig „geboren“ am Kreuz durch seinen Heilstod. Doch das Bestehen der Kirche wurde am Pfingsttag offenbar, als der Heilige Geist herabkam und die Apostel begannen, vom Ostergeheimnis Christi „Zeugnis zu geben“.

Wir können von dieser Tatsache wie von einer Geburt der Kirche sprechen, wie wir von der Geburt eines Menschen in dem Augenblick sprechen, in dem er aus dem Schoß der Mutter kommt und sich der Welt „kundmacht“.

4. In der Enzyklika Dominum et vivificantem habe ich geschrieben: „Die Zeit der Kirche hat begonnen mit dem Kommen, das heißt mit der Herabkunft des Heiligen Geistes auf die Apostel, die im Abendmahlssaal von Jerusalem mit Maria, der Mutter des Herrn, versammelt waren (vgl. Apg 1,14). Die Zeit der Kirche hat in jenem Augenblick begonnen, als die Verheißungen und Ankündigungen, die sich so ausdrücklich auf den Beistand, auf den Geist der Wahrheit, bezogen, anfingen, sich in aller Macht und Deutlichkeit an den Aposteln zu erfüllen und so die Geburt der Kirche zu bewirken. … Der Heilige Geist … [hat] die unsichtbare – in gewisser Weise aber auch wahrnehmbare – Führung derer übernommen, die sich nach dem Fortgang des Herrn Jesus zutiefst als Waisen zurückgelassen fühlten. Mit dem Kommen des Geistes sahen sie sich nun in die Lage versetzt, die ihnen anvertraute Sendung zu erfüllen. Sie fühlten sich voller Kraft. Ebendies hat der Heilige Geist bewirkt, und das bewirkt er in der Kirche ständig in ihren Nachfolgern“ (Nr. 25).

5. Die Geburt der Kirche ist wie eine „neue Schöpfung“ (vgl. Eph 2,15). Man kann eine Ähnlichkeit feststellen mit der ersten Schöpfung: „Da formte Gott, der Herr, den Menschen aus Erde vom Ackerboden und blies in seine Nase den Lebensatem“ (Gen 2,7). Diesem „Lebensatem“ verdankt der Mensch den „Geist“, der in der menschlichen Zusammensetzung bewirkt, daß er Person ist. Auf diesen schöpferischen „Lebensatem“ muß man zurückgreifen, wenn man liest, daß der auferstandene Christus, als er den im Abendmahlssaal versammelten Aposteln erschien, sie anhauchte und zu ihnen sprach: „Empfangt den Heiligen Geist! Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben; wem ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert“ (Joh 20,22-23). Dieses Ereignis, das noch am Abend des Ostertages stattfand, kann als ein vorweggenommenes, noch nicht öffentliches Pfingsten betrachtet werden. Es folgte dann der Pfingsttag, die öffentliche Kundgebung des Geistgeschenkes, als Jesus Christus, „nachdem er durch die rechte Hand Gottes erhöht worden war und vom Vater den verheißenen Heiligen Geist empfangen hatte, ihn ausgegossen hat“ (Apg 2,33). Durch das Wirken des Heiligen Geistes entstand „die neue Schöpfung“ (vgl. Ps 104,30).

6. Über die Analogie mit dem Buch Genesis hinaus ist eine andere in einem Abschnitt des Buches Ezechiel zu finden, wo wir lesen: „So spricht Gott, der Herr: Geist, komm herbei von den vier Winden! Hauch diese Erschlagenen an, damit sie lebendig werden“ (Ez 37,9). „Ich öffne eure Gräber und hole euch, mein Volk, aus euren Gräbern herauf. Ich bringe euch zurück in das Land Israel“ (Ez 37,12). „Ich hauche euch meinen Geist ein, dann werdet ihr lebendig … Dann werdet ihr erkennen, daß ich der Herr bin“ (Ez 37,14). „… und es kam Geist in sie. Sie wurden lebendig und standen auf“ (Ez 37,10). Diese großartige und eindringliche prophetische Vision betrifft die messianische Wiederherstellung Israels nach dem Exil, die nach dem langen Leidensweg von Gott angekündigt worden war (vgl. Ez 37,11-14). Es ist dieselbe Ankündigung des Aufschwungs und neuen Lebens, die Hosea (vgl. Hos 6,2; 13,14) und Jesaja (vgl. Jes 26,19) gemacht hatten. Die vom Propheten verwandte Symbolik legte in die Seele Israels die Sehnsucht nach der Aussicht auf eine individuelle Auferstehung, die vielleicht Hiob geahnt hatte (vgl. Hiob 19,25). Eine solche Idee reifte später heran, wie andere Abschnitte des Alten (vgl. Dan 12,2; 2 Makkabäer 7,9-14.23-36; 12,43-46) und des Neuen Testamentes (vgl. Mt 22,29-32; 1 Kor 15) bestätigen. Aber dieser Gedanke enthielt die Vorbereitung auf den Begriff des „neuen Lebens“, der in der Auferstehung Christi offenbar werden und durch das Werk des Heiligen Geistes auf diejenigen herabkommen sollte, die glaubten. Auch im Text Ezechiels können wir an Christus Glaubenden deshalb eine gewisse österliche Analogie erkennen.

7. Und nun ein letzter Aspekt des Geheimnisses der Kirche, die unter dem Wirken des Geistes am Pfingsttag entstand. In ihr verwirklicht sich das hohepriesterliche Gebet Christi im Abendmahlssaal: „Alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, daß du mich gesandt hast“ (Joh 17,21). Während er auf die um Maria, die Mutter Christi, versammelten Jünger herabkommt, wandelt und eint der Heilige Geist sie, indem er sie mit der Fülle des göttlichen Lebens überschüttet. Sie werden „eins“: eine Apostelgemeinschaft, bereit, Zeugnis vom gekreuzigten und auferstandenen Christus zu geben. Das ist die aus dem Kreuz erwachsene und vom Heiligen Geist belebte „neue Schöpfung“, die am Pfingsttag in der Geschichte begonnen hat.

______________________________

Liebe Brüder und Schwestern!

Jesus hat in den Jahren seines öffentlichen Wirkens Jünger um sich gesammelt und sie durch Wort und „Zeichen“ gelehrt. Zugleich versicherte er ihnen, daß er auf den Aposteln, insbesondere auf Petrus, seine Kirche bauen werde (vgl. Mt 16,18). Vor seinem Leiden betete er für sie, daß „sie alle eins seien“, damit die Welt glaube (vgl. Joh 17,21-23). Schließlich gab Christus sein Leben hin am Kreuz, „um die versprengten Kinder Gottes wieder zu sammeln“ (Joh 11,52).

Christus legt in seinem öffentlichen Wirken die Grundlagen für seine Kirche. Diese wird dann in seinem Erlöserleiden, in seinem Tod und in seiner Auferstehung gezeugt und am Pfingstfest durch die Mitteilung des Heiligen Geistes geboren. Zu Pfingsten tritt die Kirche offen in Erscheinung im mutigen Glaubenszeugnis der Apostel, zu dem sie der Geist Gottes befähigt. Wie Gott am Schöpfungsmorgen Adam den Lebensodem eingehaucht hat, so wird die Kirche lebendig und apostolisch wirksam durch die Vermittlung des göttlichen Pfingstgeistes. Mit der Geburt der Kirche erfolgt gleichsam eine „neue Schöpfung“ (vgl. Eph 2,15).

WERDEN WIR UNS liebe Brüder und Schwestern, der großen Gnade wieder neu bewußt, zur Kirche Jesu Christi gehören zu dürfen. Ich grüße euch alle sehr herzlich zur heutigen Audienz, alle Gruppen und Einzelpilger; besonders die anwesende Studiengruppe von Priestern und Schwestern, die dem Deutschorden angehören. Möge dieser Rombesuch in euch allen eure Liebe zur Kirche neu entfachen und euch zu einem entschlossenen Glaubenszeugnis im Alltag ermutigen. Von Herzen erteile ich euch und allen, die euch verbunden sind, meinen besonderen Apostolischen Segen.

***

Es freut mich, eine unter uns weilende Gruppe libanesischer Jugendlicher herzlich zu begrüßen. Wir alle lieben ihr Land; wir alle hoffen inständig, daß es den Frieden wiederfindet. Am Ende dieser Audienz werden wir wie gewohnt das Vaterunser singen; wir werden es heute zusammen tun und besonders für den Libanon beten. Euch allen, Jugendlichen und Erwachsenen, erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen.