JOHANNES PAUL II.
GENERALAUDIENZ
Mittwoch, 6. September 1989
1. Als die aus dem Kreuzesopfer geborene Kirche ihren Weg in der Welt aufnahm, durch das Werk des Heiligen Geistes, der am Pfingsttag im Abendmahlssaal herabgekommen war, begann „ihre Zeit“, die „Zeit der Kirche“, als Mitwirkende des Geistes bei dem Sendungsauftrag, die Erlösung durch Christus in der Menschheit, von Generation zu Generation, fruchtbar werden zu lassen. Gerade in dieser Sendung und Mitwirkung mit dem Geist verwirklicht sich die „Sakramentalität“, die das Zweite Vatikanische Konzil ihr zuschreibt, wenn es lehrt: „Die Kirche ist ja in Christus gleichsam das Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit“ (Lumen Gentium, Nr. 1). Diese „Sakramentalität“ hat eine tiefe Bedeutung in Bezug auf das Pfingstgeheimnis, das der Kirche die Kraft und die Charismen gibt, sichtbar in der ganzen Menschheitsfamilie zu wirken.
2. In dieser Katechese wollen wir hauptsächlich die Beziehung zwischen Pfingsten und dem Taufsakrament betrachten. Wir wissen, dass das Kommen des Heiligen Geistes zusammen mit dem Kommen Christi beim Jordan angekündigt wurde. Es war Johannes der Täufer, der das Kommen beider miteinander in Verbindung brachte und sogar auf den engen Zusammenhang hinwies, indem er von einer „Taufe“ sprach: „Er wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen“ (Mt 3,11). Diese Verbindung zwischen dem Heiligen Geist und dem Feuer ist in den Kontext der Bibelsprache zu stellen, die schon im Alten Testament das Feuer als ein Mittel darstellte, das Gott anwandte, um die Gewissen zu reinigen (vgl. Jes 1,25; 6,5–7; Sach 13,9; Mal 3,2–3; Sir 2,5 usw.). Ihrerseits war die Taufe, die man im Judentum und bei den anderen alten Religionen vollzog, ein Ritus des Eintauchens, mit dem eine Reinigung und Erneuerung angedeutet wurde. Johannes der Täufer hatte diese Taufpraxis im Wasser angewandt und dabei aber betont, dass sie nicht nur zeichenhaften, sondern moralischen Wert hatte, denn sie diente der „Umkehr“ (vgl. Mt 3,2.6.8.11; Lk 3,10–14). Sie stellte eine Art Initiation dar, durch die diejenigen, die sie empfingen, Jünger des Täufers wurden und um ihn herum sowie mit ihm eine Art Gemeinschaft bildeten, gekennzeichnet von der eschatologischen Erwartung des Messias (vgl. Mt 3,2.11; Joh 1,19–34). Sie war jedoch eine Taufe mit Wasser, das heißt, sie hatte keine sakramentale reinigende Kraft. Diese Kraft sollte gerade die vom Messias gebrachte Taufe mit Feuer haben – ein von sich aus viel mächtigeres Element als das Wasser. Johannes verkündete die vorbereitende und symbolische Funktion seiner Taufe in Bezug auf den Messias, der „mit dem Heiligen Geist und mit Feuer“ taufen sollte (Mt 3,11; vgl. 3,7.10.12; Joh 1,33). Und er fügte hinzu, dass der Messias zwar mit dem Feuer des Geistes die „als Weizen in seiner Scheune“ gesammelten und bereiten Menschen von Grund auf reinigen, aber „die Spreu in nie erlöschendem Feuer verbrennen“ würde (vgl. Mt 3,12), wie im „Feuer der Hölle“ (vgl. Mt 18,8–9), dem Symbol des Sich-Verzehrens, für das alles bestimmt ist, was sich nicht hat reinigen lassen (vgl. Jes 66,24; Jdt 16,17; Sir 7,17; Zef 1,18; Ps 21,10 usw.).
3. Während er seine prophetische und vorausdeutende Tätigkeit auf der Linie der Symbolik des Alten Testamentes ausübte, begegnete der Täufer eines Tages Jesus im Wasser des Jordan. Er erkannte in ihm den Messias und sagte von ihm: „Seht, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt“ (Joh 1,29), und auf seine Bitte hin taufte er ihn (vgl. Mt 3,14–15); aber zugleich gab er Zeugnis von seiner Messianität und bekannte sich als der einfache Ankündiger und Vorläufer (vgl. Joh 1,30–31). Dieses Zeugnis des Johannes ist eingefügt in die Mitteilung, die er selbst seinen Jüngern und Zuhörern machte über das bei dieser Gelegenheit Erlebte, das ihn vielleicht an die Erzählung der Genesis über das Ende der großen Flut erinnerte (vgl. Gen 8,10): „Ich sah, dass der Geist vom Himmel herabkam wie eine Taube und auf ihm blieb. Auch ich kannte ihn nicht; aber er, der mich gesandt hat, mit Wasser zu taufen, hat mir gesagt: Auf wen du den Geist herabkommen siehst und auf wem er bleibt, der ist es, der mit dem Heiligen Geist tauft“ (Joh 1,32–33; vgl. Mt 3,16; Mk 1,8; Lk 3,22).
„Mit dem Heiligen Geist taufen“ bedeutet, die Menschheit durch die Kraft des Geistes Gottes zu erneuern. Das tut der Messias, auf dem, wie Jesaja (vgl. 11,2; 42,1) vorhergesagt hatte, der Geist ruht und der die Menschheit mit göttlicher Kraft erfüllt, angefangen von der Menschwerdung bis zur Fülle der Auferstehung nach dem Tod am Kreuz (vgl. Joh 7,39; 14,26; 16,7.8; 20,22; Lk 24,49). Nachdem er diese Fülle empfangen hat, kann Jesus, der Messias, die neue Taufe mit dem Geist, von dem er erfüllt ist, schenken (vgl. Joh 1,33; Apg 1,5). Aus seiner verherrlichten Menschheit als der Quelle des lebendigen Wassers wird sich der Geist über die ganze Welt ausbreiten (vgl. Joh 7,37–39; 19,34; vgl. Röm 5,5): Das ist die Ankündigung, die der Täufer macht, indem er für Christus Zeugnis ablegt bei der Taufe, in der sich die Symbole des Wassers und des Feuers vereinen als Ausdruck des Geheimnisses der neuen, lebenspendenden Kraft, die der Messias und der Geist über die Welt ausgegossen haben.
4. Auch Jesus spricht während seines Dienstes von seinem Leiden und Tod wie von einer Taufe, die er selbst empfangen muss: eine Taufe, weil er ganz eingetaucht werden muss in das Leiden, bildlich dargestellt auch durch den Kelch, den er trinken muss (vgl. Mk 10,38; 14,36); aber eine Taufe, die von Jesus mit dem anderen Symbol des Feuers verbunden wird, das er auf die Erde zu bringen gekommen ist (vgl. Lk 12,49–50): des Feuers, in dem man sehr leicht den Heiligen Geist erblicken kann, der seine Menschheit „erfüllt“ und der eines Tages, nach dem Entzünden des Kreuzes, sich in der Welt ausdehnen soll als Verbreitung der Taufe mit dem Feuer. Jesus sehnt sich so sehr, diese zu empfangen, dass er bedrückt ist, solange sie noch nicht vollzogen ist (vgl. Lk 12,50).
5. In der Enzyklika Dominum et vivificantem schrieb ich: „Im Alten Testament spricht man mehrmals vom ‚Feuer des Himmels, das die von den Menschen dargebrachten Opfer verzehrte (vgl. Lev 9,24; 1 Kön 18,38; 2 Chr 7,1). In analoger Weise kann man sagen, dass der Heilige Geist ‚Feuer vom Himmel‘ ist, das in der Tiefe des Kreuzesgeheimnisses wirkt… Der Heilige Geist als Liebe und Gnadengeschenk versenkt sich gewissermaßen in die Herzmitte jenes Opfers, das am Kreuz dargeboten wird. Mit Bezug auf die biblische Tradition können wir sagen: Er verzehrt dieses Opfer mit dem Feuer der Liebe, die den Sohn mit dem Vater in der trinitarischen Gemeinschaft vereint. Und weil das Kreuzesopfer ein eigener Akt Christi ist, ‚empfängt‘ auch er den Heiligen Geist. Er empfängt ihn auf solche Weise, dass er ihn dann – und nur er allein mit dem Vater – den Aposteln, der Kirche, der Menschheit ‚geben‘ kann. Er allein ‚sendet‘ ihn vom Vater (vgl. Joh 15,26). Er allein zeigt sich den im Abendmahlssaal versammelten Aposteln, ‚haucht sie an‘ und sagt: ‚Empfangt den Heiligen Geist! Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben‘ (Joh 20,22–23)“ (Nr. 41).
6. So erfüllt sich die messianische Ankündigung des Johannes am Jordan: „Er wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen“ (Mt 3,11; vgl. Lk 3,16). Hier verwirklicht sich auch die biblische Symbolik, in der Gott selbst erschien als Feuersäule, die sein Volk durch die Wüste führte (vgl. Ex 13,21–22); als Wort des Feuers, weshalb „der Berg [Sinai] brannte: Feuer, hoch bis in den Himmel hinauf“ (Dtn 4,11); als Licht, das zum Feuer wird (vgl. Jes 10,17); als in der Liebe zu Israel sich verzehrendes Feuer (vgl. Dtn 4,24). Es erfüllt sich das, was Christus selbst verheißen hat, als er sagte, dass er gekommen sei, „um Feuer auf die Erde zu werfen“ (Lk 12,49), während die Apokalypse von ihm sagt, seine Augen seien wie Feuerflammen (vgl. Offb 1,14; 2,18; 19,12). So erklärt sich, dass der Heilige Geist in „Zungen wie von Feuer“ (vgl. Apg 2,3) gesandt wird. All dies geschieht im Ostergeheimnis, als Christus im Kreuzesopfer „die Taufe empfängt, mit der ich getauft werden muss“ (vgl. Mk 10,38), und im Pfingstgeheimnis, als der auferstandene und verherrlichte Christus seinen Geist auf die Apostel und auf die Kirche ausbreitet.
Durch jene in seinem Opfertod empfangene „Taufe mit Feuer“ wurde Christus – wie der Apostel Paulus sagt – in seiner Auferstehung zum „Letzten Adam“, zum „lebendigmachenden Geist“ (1 Kor 15,45). Deshalb verkündet der auferstandene Christus den Aposteln: „Johannes hat mit Wasser getauft, ihr aber werdet schon in wenigen Tagen mit dem Heiligen Geist getauft“ (Apg 1,5). Durch das Werk Christi, des „Letzten Adam“, wird den Aposteln und der Kirche der Geist geschenkt, „der lebendig macht“ (vgl. Joh 6,63).
7. Am Pfingsttag wird diese Taufe offenbar, die neue und endgültige Taufe, die die Reinigung und Heiligung zu einem neuen Leben bewirkt; die Taufe, kraft derer die Kirche in der eschatologischen Perspektive geboren wird, die sich „bis zum Ende der Welt“ erstreckt (vgl. Mt 28,20); nicht nur die „Kirche von Jerusalem“, die der Apostel und die der unmittelbaren Jünger des Herrn, sondern die ganze, gesamte, universale Kirche, die durch die Zeiten und Orte ihrer Einwurzelung auf Erden Wirklichkeit wird.
Die Feuerzungen, die das Pfingstgeschehen im Abendmahlssaal von Jerusalem begleiten, sind Zeichen jenes Feuers, das Jesus Christus auf die Erde brachte und entzündete (vgl. Lk 12,49): das Feuer des Heiligen Geistes.
8. Im Licht von Pfingsten können wir auch die Bedeutung der Taufe als erstes Sakrament verstehen, insofern sie Werk des Heiligen Geistes ist. Jesus selbst hatte im Gespräch mit Nikodemus darauf angespielt: „Amen, amen, ich sage dir: Wenn jemand nicht aus Wasser und Geist geboren wird, kann er nicht in das Reich Gottes kommen“ (Joh 3,5). In demselben Gespräch deutet Jesus auch seinen zukünftigen Tod am Kreuz an (vgl. Joh 3,14–15) und sein Aufsteigen in den Himmel (vgl. Joh 3,13): Es ist die Taufe des Opfertodes, von der die Taufe mit Wasser, das erste Sakrament der Kirche, die Kraft empfängt, die Wiedergeburt durch den Heiligen Geist zu bewirken und den Menschen „den Eingang in das Reich Gottes“ zu öffnen. So schreibt der Apostel Paulus an die Römer, dass „wir alle, die wir auf Christus Jesus getauft wurden, auf seinen Tod getauft worden sind. Wir wurden mit ihm begraben durch die Taufe auf den Tod; und wie Christus durch die Herrlichkeit des Vaters von den Toten auferweckt wurde, so sollen auch wir als neue Menschen leben“ (Röm 6,3–4). Dieser Weg der Taufe zum neuen Leben beginnt am Pfingsttag in Jerusalem.
9. Der Apostel erläutert mehrmals die Taufe in seinen Briefen (vgl. 1 Kor 6,11; Tit 3,5; 2 Kor 1,22; Eph 1,13). Er versteht sie als ein „Bad der Wiedergeburt und der Erneuerung im Heiligen Geist“ (Tit 3,5), dem Verkünder der Rechtfertigung „im Namen Jesu Christi, des Herrn“ (1 Kor 6,11; vgl. 2 Kor 1,22); als ein „Siegel des verheißenen Heiligen Geistes“ (Eph 1,13); als „ersten Anteil des Geistes in unseren Herzen“ (vgl. 2 Kor 1,22). Im Hinblick auf diese Gegenwart des Heiligen Geistes in den Getauften empfahl der Apostel den Christen von damals und wiederholt auch uns heute: „Beleidigt nicht den Heiligen Geist Gottes, dessen Siegel ihr tragt für den Tag der Erlösung“ (Eph 4,30).
__________________________
Liebe Brüder und Schwestern!
In unserer heutigen Betrachtung wollen wir unseren Blick auf die Beziehung lenken, die zwischen dem Pfingstereignis und dem Sakrament der Taufe besteht.
Johannes der Täufer schildert seinen Zuhörern den kommenden Messias in prophetischer Weise: „Er wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen“ (Mt 3,11). Unter „Feuer“ als von Gott angewandtes Mittel wird in der Bildsprache des Alten Testamentes reinigende Kraft als Folge einer Erneuerung des Einzelnen wie des ganzen Gottesvolkes verstanden.
Bei seiner Begegnung erkennt Johannes Jesus als den Messias. Er verkündet ihn als „das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt“ (Joh 1,29). Johannes tauft nur mit Wasser. Der Messias aber, der von Jahwe mit der Fülle des Geistes ausgestattet ist (vgl. Jes 11,2; 42,1), wird die neue Taufe „im Geist“ schenken. Er ist wie eine Quelle lebendigen Wassers, von der sich der Geist über die Welt hinausgießt. Das ist die Botschaft des Johannes bei der Taufe Jesu, bei welcher die Symbole Wasser und Feuer das Geheimnis der neuen lebenschaffenden Kraft ausdrücken.
Diese lebens- und heilsschaffende Kraft kommt aus dem österlichen Geheimnis, in dem Christus in seiner Hingabe am Kreuz „die Taufe empfing, mit welcher er getauft werden musste“ (vgl. Mk 10,38); und sie kommt aus dem Geheimnis von Pfingsten, bei dem der auferstandene und verherrlichte Christus seinen Geist über die Apostel und seine Kirche ausgießt. An Pfingsten offenbart sich also die neue und endgültige Taufe, die den Menschen reinigt und zu einem neuen Leben heiligt. Sie ist jene Taufe, aus deren Kraft die universale Kirche hervorgeht, die alle Völker umfassen und „bis zum Ende der Welt“ (vgl. Mt 28,20) sich ausbreiten soll.
Die Feuerzungen, die das Pfingstereignis begleiten, sind Zeichen jenes Feuers, das Christus auf die Erde gebracht hat, nämlich das Feuer des Heiligen Geistes. Im Licht von Pfingsten können wir auch die Bedeutung der Taufe als erstes Sakrament verstehen, insofern sie ja ein Werk des Heiligen Geistes ist: Die Taufe „in Wasser und Geist“ ist der Beginn des neuen Lebens, in dem wir an Jesu Tod und Auferstehung teilhaben (vgl. Röm 6,3–4) und in dem uns der Zugang zum Reich Gottes geöffnet ist (vgl. Joh 3,5).
MIT DESEN KURZEN Ausführungen über unseren Glauben grüße ich Euch Pilger und Besucher aus den verschiedenen deutschsprachigen Ländern. Ich bitte Euch, seid stets bestrebt, dem Heiligen Geist in Eurem Leben Raum zu geben. Er ist es, der alles Gute in uns bewirkt und dessen Siegel wir für den Tag der Erlösung tragen. Hierfür erteile ich Euren Familien, sowie den über Radio Vatikan mit uns verbundenen Hörerinnen und Hörern von Herzen meinen Apostolischen Segen.
Gelobt sei Jesus Christus!
Copyright © Dikasterium für Kommunikation