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JOHANNES PAUL II.

GENERALAUDIENZ

Mittwoch, 13. Juni 1990

DE  - ES  - IT

1. Die Wahrheit über den Heiligen Geist erscheint klar im Text der Evangelien, die einige Ereignisse des Lebens und der Sendung Christi beschreiben. Die jungfräuliche Empfängnis und die Geburt Jesu aus Maria durch das Wirken des Heiligen Geistes haben wir bereits überdacht, im „Kindheitsevangelium“ sind weitere Stellen, auf die wir unser Augenmerk richten müssen, denn in ihnen wird besonders das Handeln des Heiligen Geistes hervorgehoben.

Eine dieser Stellen ist gewiss der Bericht des Evangelisten Lukas über den Besuch Marias im Hause Elisabeths. Wir lesen: „Nach einigen Tagen machte sich Maria auf den Weg und eilte in eine Stadt im Bergland von Judäa“ (Lk 1,39). Allgemein glaubt man, dass es sich um den Ort Ain-Karim handelt, sechs Kilometer westlich von Jerusalem gelegen. Maria begibt sich dorthin, um ihrer Verwandten Elisabeth, die älter ist als sie, beizustehen. Maria geht dorthin nach der Verkündigung, die durch diesen Besuch gleichsam ergänzt wird. Denn der Engel hatte zu Maria gesagt: „Auch Elisabeth, deine Verwandte, hat noch in ihrem Alter einen Sohn empfangen; obwohl sie als unfruchtbar galt, ist sie jetzt schon im sechsten Monat. Denn für Gott ist nichts unmöglich“ (Lk 1,36-37).

Maria „eilt“ zu Elisabeth, gewiss aus einem Herzensbedürfnis heraus, um ihr in den letzten Monaten der Schwangerschaft wie eine leibliche Schwester einen Liebesdienst zu erweisen. Aus ihrem empfänglichen und gütigen Herzen erwächst das Gefühl der Solidarität unter Frauen, das bezeichnend ist für diesen Umstand. Aber zu diesem psychologischen Hintergrund gehört wahrscheinlich auch die Erfahrung einer besonderen Gemeinschaft, entstanden zwischen ihr und Elisabeth bei der Verkündigung durch den Engel: der von Elisabeth erwartete Sohn wird in der Tat der Vorläufer Jesu und sein Täufer im Jordan sein.

2. Aus dieser Gemeinschaft des Geistes erklärt sich, warum der Evangelist Lukas bemüht ist, das Wirken des Heiligen Geistes bei der Begegnung der beiden werdenden Mütter ins Licht zu setzen: Maria „ging in das Haus des Zacharias und begrüßte Elisabeth. Als Elisabeth den Gruß Marias hörte, hüpfte das Kind in ihrem Leib. Da wurde Elisabeth vom Heiligen Geist erfüllt“ (Lk 1,40-41). Dieses Wirken des Heiligen Geistes, das Elisabeth besonders tief erfuhr, als sie Maria begegnete, steht in Bezug zu der geheimnisvollen Bestimmung des Sohnes, den sie in ihrem Schoß trägt. Bereits der Vater des Kindes, Zacharias, hatte während seines Priesterdienstes im Tempel bei der Ankündigung der Geburt des Sohnes gehört: „Schon im Mutterleib wird er vom Heiligen Geist erfüllt sein“ (Lk 1,15). Als Maria bei dem Besuch die Türschwelle des Hauses von Elisabeth überschreitet – und mit ihr überschreitet sie auch er, der schon die „Frucht ihres Leibes“ ist –, macht sich die Gegenwart des Heiligen Geistes in Elisabeth bemerkbar. Sie selbst bezeugt es in dem Gruß, den sie an die junge Mutter richtet, die gekommen ist, sie zu besuchen.

3. Gemäß dem Lukasevangelium rief Elisabeth „mit lauter Stimme: Gesegnet bist du mehr als alle anderen Frauen, und gesegnet ist die Frucht deines Leibes. Wer bin ich, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt? In dem Augenblick, als ich deinen Gruß hörte, hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leib. Selig ist die, die geglaubt hat, dass sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ“ (Lk 1,42-45).

In wenigen Zeilen berichtet der Evangelist uns vom Aufschrecken Elisabeths, vom frohen Hüpfen des Kindes in ihrem Schoß, von der zumindest verworrenen Wahrnehmung der messianischen Identität des Kindes, das Maria in ihrem Schoß trägt, und von der Erkenntnis, dass Maria an die ihr vom Herrn gemachte Offenbarung geglaubt hatte. Lukas verwendet von dieser Stelle an den göttlichen Beinamen „Herr“, nicht nur um von Gott, der offenbart und verheißt („was der Herr ihr sagen ließ“), zu sprechen, sondern auch von Jesus, dem Sohn Marias, der im Neuen Testament vor allem als Auferstandener so genannt wird (vgl. Apg 2,36; Phil 2,11). Hier muss er noch geboren werden. Aber Elisabeth spürt nicht weniger als Maria seine messianische Bedeutung.

4. Das heißt, dass Elisabeth, „vom Heiligen Geist erfüllt“, in die Tiefe des Geheimnisses der Ankunft des Messias eingeführt wird. Der Heilige Geist wirkt in ihr diese besondere Erleuchtung, die ihren Ausdruck findet in dem Gruß, den sie an Maria richtet. Elisabeth spricht so, als ob sie Augenzeugin und Teilnehmerin der Verkündigung in Nazaret gewesen sei. Sie fasst in ihren Worten das Geheimnis zusammen, das in jenem Augenblick in Maria gewirkt wurde; indem sie sagt, dass „die Mutter meines Herrn zu mir kommt“, nennt sie das Kind, das Maria (seit kurzem) in ihrem Schoß trägt, „meinen Herrn“. Und dann preist sie Maria „mehr gesegnet als alle anderen Frauen“, und fügt hinzu: „Selig ist die, die geglaubt hat“, als wolle sie auf die Haltung und das Verhalten der Magd des Herrn anspielen, die dem Engel mit ihrem „fiat“ geantwortet hatte: „Mir geschehe, wie du es gesagt hast“ (Lk 1,38).

5. Der Bericht des Lukas bekundet seine Überzeugung, dass sowohl in Maria als auch in Elisabeth der Heilige Geist handelt, der sie erleuchtet und inspiriert. Wie der Heilige Geist Maria das Geheimnis der in Jungfräulichkeit verwirklichten Messiasmutterschaft erkennen ließ, so verleiht er Elisabeth die Fähigkeit, den zu entdecken, den Maria in ihrem Schoß trägt, und das, wozu Maria im Heilsplan berufen ist: „Mutter des Herrn“ zu sein. Und das gibt ihr den inneren Antrieb, der sie drängt, diese Entdeckung „mit lauter Stimme“ zu verkünden (Lk 1,42), mit dem Entzücken und der Freude, die auch Frucht des Heiligen Geistes sind. Die Mutter des zukünftigen Predigers und Täufers vom Jordan schreibt diese Freude dem Kind zu, das sie seit sechs Monaten in ihrem Schoß trägt: „Das Kind hüpfte vor Freude in meinem Leib.“ Sohn und Mutter finden sich in einer Art geistlicher Symbiose vereint, weshalb die Begeisterung des Kindes beinahe ansteckend wirkt auf die, die ihn empfangen hat. So ruft Elisabeth mit lauter Stimme und drückt die Freude aus, die sie mit ihrem Sohn im Innersten verbindet, wie Lukas uns bezeugt.

6. Und weiter erzählt Lukas, dass aus Marias Seele ein Lobgesang dringt, das Magnifikat, in dem auch sie ihre Freude ausdrückt: „Mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter“ (Lk 1,47). Maria war im Dienst des Wortes Gottes erzogen, das sie durch Lesen und Meditieren der Heiligen Schrift kennengelernt hatte. In jenem Augenblick fühlte sie aus der Tiefe ihrer Seele die Verse des Dankliedes von Hanna, der Mutter Samuels (vgl. 1 Sam 2,1-10), und anderer Stellen aus dem Alten Testament aufsteigen, um ihren Gefühlen als „Tochter Zions“ freien Lauf zu lassen, die in ihr die höchste Verwirklichung fand. Das hatte der Evangelist Lukas gut verstanden aufgrund der vertraulichen Mitteilungen, die er direkt oder indirekt von Maria erhalten hatte. Unter diesen Mitteilungen musste auch jene sein über die Freude, die die beiden Mütter bei jener Begegnung verband, als Frucht der Liebe, die in ihrem Herzen schlug. Es war der dreifältige Geist der Liebe, der sich an der Schwelle der „Fülle der Zeit“ (vgl. Gal 4,4) offenbarte, die mit dem Geheimnis der Menschwerdung des Wortes begonnen hatte. Bereits in jenem seligen Augenblick verwirklichte sich das, was Paulus sagte: „Die Frucht des Geistes aber ist Liebe, Freude, Friede“ (Gal 5,22).

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Liebe Schwestern und Brüder!

Die Wahrheit über den Heiligen Geist erscheint klar im Text der Evangelien, die einige Momente des Lebens und der Sendung Christi beschreiben. Die jungfräuliche Empfängnis und die Geburt Jesu aus Maria durch das Werk des Heiligen Geistes haben wir bereits überdacht. Im „Kindheitsevangelium“ sind weitere Stellen, denen wir unsere Aufmerksamkeit zuwenden müssen, denn darin wird in besonderer Weise das Handeln des Heiligen Geistes hervorgehoben.

Eine dieser Stellen ist mit Sicherheit der Bericht des Lukas über den Besuch Mariens im Hause Elisabeths. Sie begibt sich zu ihr nach der Verkündigung, bei der der Besuch bei Elisabeth gleichsam zur Ergänzung wird. Maria begibt sich „in Eile“ zu ihrer Verwandten; es ist ihr ein Herzensbedürfnis, ihr in diesen Monaten der Schwangerschaft einen Dienst zu erweisen. Auf die Ankündigung des Engels hin entsteht zwischen Maria und Elisabeth eine besondere Gemeinschaft: der von Elisabeth erwartete Sohn wird in der Tat der Vorläufer Jesu und sein Täufer im Jordan sein.

Im Augenblick der Heimsuchung, als Maria über die Schwelle zum Haus Elisabeths tritt, macht sich jene Anwesenheit des Heiligen Geistes bei Elisabeth bemerkbar. Sie selbst bezeugt ihn im Gruß, den sie an die junge Mutter richtet, die gekommen ist, sie zu besuchen. Elisabeth, „voll des Heiligen Geistes“, wird so in die Tiefen des Geheimnisses der Ankunft des Messias eingeführt. Der Heilige Geist bewirkt in ihr diese besondere Erleuchtung, die ihren Ausdruck im an Maria gerichteten Gruß findet. Elisabeth spricht so, als ob sie Augenzeugin der Verkündigung in Nazaret gewesen sei.

Der Lukastext bekräftigt die Überzeugung, dass sowohl in Maria als auch in Elisabeth der Heilige Geist handelt, der sie erleuchtet und inspiriert. Aus der Seele Mariens drängt ein Freudengesang, das Magnifikat: „Mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter“ (Lk 1,47).

Mit dieser Betrachtung grüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher sehr herzlich. Euch allen und Euren Angehörigen in der Heimat sowie den mit uns über Radio Vatikan verbundenen Hörerinnen und Hörern erteile ich gerne meinen Apostolischen Segen.

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„Darum geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ (Mt 28,19).

Im Jahr 1966 dankte die Kirche in Polen zusammen mit der ganzen Nation der Heiligsten Dreifaltigkeit für das Geschenk der Taufe vor tausend Jahren.

Im Jahr 1988 dankten die Christen für das Geschenk der Taufe in all jenen Nationen, die den Ursprung ihres christlichen Glaubens und ihrer Geschichte in Kiew haben: Russland, die Ukraine, Weißrussland. Vor tausend Jahren tat Großfürst Wladimir von Kiew dasselbe, was kurz zuvor der polnische Großfürst Mieszko getan hatte.

Die Gottesmutter auf ihrem Bild in Jasna Góra wendet sich zugleich nach Westen und nach Osten. Seit dem Pfingsttag im Abendmahlssaal von Jerusalem ist sie die Mutter der Kirche auf der ganzen Erde, unter allen Völkern. Welch große Glaubensprüfung ist der Tausendjahrfeier der Taufe der Rus’ vorangegangen! Wie viele Menschenleben hat diese Prüfung verschlungen, wie viele Leiden hat sie auferlegt! Und wie viele heroische Zeugnisse hat sie gleichzeitig hervorgebracht, ähnlich jenen der christlichen Märtyrer in den ersten Jahrhunderten und danach. Eine gewaltige, der Welt noch unbekannte Märtyrergeschichte – und zugleich ein Lebensbuch, das nur Gott allein kennt: der Vater, der Sohn und der Heilige Geist.

Das Jahr 1989 hat gezeigt, dass es nicht gelungen ist, den Namen des lebendigen Gottes von der Erde der Lebenden zu tilgen.

Zusammen mit unseren Brüdern und Schwestern sagen wir Dank an vielen Orten der Erde für die Tausendjahrfeier der Taufe der Rus’. Wir sagen Dank auch in Jasna Góra.