JOHANNES PAUL II.
GENERALAUDIENZ
Mittwoch, 16. Januar 1991
1. Die Apostolizität der Kirche ist ihrem tiefsten Sinn nach das Ausharren der Hirten und der Gläubigen insgesamt in der Wahrheit, die sie durch die Apostel und deren Nachfolger empfangen haben, mit einer Einsicht, die ihrem Gehalt und ihrer Bedeutung für das Leben immer angemessener entspricht. Es ist eine Wahrheit göttlichen Ursprungs über Geheimnisse, die das Begreifen und die Sicht des menschlichen Verstandes übersteigen, sodass sie nur durch das Wort Gottes – gerichtet an den Menschen mit begrifflichen und sprachlichen Analogien seiner Ausdrucksweise – erfasst, gepredigt, geglaubt und treu befolgt werden kann. Eine rein menschlich begründete Autorität genügte nicht, die Authentizität der Überlieferung dieser Wahrheit und folglich ebenso wenig die tiefe Dimension der Apostolizität der Kirche zu gewährleisten.
2. Gemäß der Konstitution Dei Verbum ist es Jesus Christus, der „durch die Sendung des Geistes der Wahrheit die Offenbarung erfüllt und abschließt und durch göttliches Zeugnis bekräftigt, dass Gott mit uns ist, um uns aus der Finsternis von Sünde und Tod zu befreien und zu ewigem Leben zu erwecken” (Dei Verbum, Nr. 4). Dieser Abschnitt der Konzilskonstitution über die göttliche Offenbarung findet seine Berechtigung in den Worten, die Christus an die Apostel im Abendmahlssaal richtet und die vom Evangelisten Johannes wiedergegeben werden: „Noch vieles habe ich euch zu sagen, aber ihr könnt es jetzt nicht tragen. Wenn aber jener kommt, der Geist der Wahrheit, wird er euch in die ganze Wahrheit führen. Denn er wird nicht aus sich selbst heraus reden, sondern er wird sagen, was er hört” (Joh 16,12–13). Der Heilige Geist wird deshalb den Aposteln Licht schenken, damit sie „die ganze Wahrheit” des Evangeliums Christi verkünden können, „indem sie [die Apostel und offensichtlich ihre Nachfolger in dieser Sendung] zu allen Völkern gehen und alle Menschen zu seinen Jüngern machen” (vgl. Mt 28,19).
3. Die Konstitution Dei Verbum fährt fort und sagt, dass der Befehl, das Evangelium zu verkünden, „treu ausgeführt worden [ist], und zwar sowohl durch die Apostel, die durch mündliche Predigt, durch Beispiel und Einrichtungen weitergaben, was sie aus Christi Mund, im Umgang mit ihm und durch seine Werke empfangen oder was sie unter der Eingebung des Heiligen Geistes gelernt hatten, als auch durch jene Apostel und apostolischen Männer, die unter der Inspiration des gleichen Heiligen Geistes die Botschaft vom Heil niederschrieben” (Dei Verbum, Nr. 7). Wie man sieht, bezieht sich der Konzilstext auf die Versicherung der geoffenbarten Wahrheit durch den Heiligen Geist, sei es durch ihre gesprochene Weitergabe (Ursprung der Tradition), sei es durch die Niederschrift, die davon unter der Inspiration und dem göttlichen Beistand in den Büchern des Neuen Testaments gemacht wurde.
4. Wir lesen weiter: „Der Heilige Geist, durch den die lebendige Stimme des Evangeliums in der Kirche und durch sie in der Welt widerhallt, führt die Gläubigen in alle Wahrheit ein und lässt das Wort Christi in Überfülle unter ihnen wohnen (vgl. Kol 3,16)” (Dei Verbum, Nr. 8). „Denn die Heilige Schrift ist Gottes Rede, insofern sie unter dem Anhauch des Heiligen Geistes schriftlich aufgezeichnet wurde. Die heilige Überlieferung aber gibt das Wort Gottes, das von Christus, dem Herrn, und vom Heiligen Geist den Aposteln anvertraut wurde, unversehrt an deren Nachfolger weiter, damit sie es unter der erleuchtenden Führung des Geistes der Wahrheit in ihrer Verkündigung treu bewahren, erklären und ausbreiten” (Dei Verbum, Nr. 9).
Auch „die Aufgabe …, das geschriebene oder überlieferte Wort Gottes verbindlich zu erklären, ist nur dem lebendigen Lehramt der Kirche anvertraut, dessen Vollmacht im Namen Jesu Christi ausgeübt wird. Das Lehramt … lehrt [nichts] als das, was überliefert ist, weil es das Wort Gottes aus göttlichem Auftrag und mit dem Beistand des Heiligen Geistes voll Ehrfurcht hört, heilig bewahrt und treu auslegt und weil es alles, was es als von Gott geoffenbart zu glauben vorlegt, aus diesem einen Schatz des Glaubens schöpft” (Dei Verbum, Nr. 10).
Es besteht deshalb eine enge Verbindung zwischen der Heiligen Schrift, der Überlieferung und dem Lehramt der Kirche. Dank dieses innigen Zusammenhangs gewährleistet der Heilige Geist die Weitergabe der göttlichen Offenbarung und folglich die Identität des Glaubens in der Kirche.
5. Insbesondere hinsichtlich der Heiligen Schrift sagt uns das Konzil: „Aufgrund des apostolischen Glaubens gelten unserer heiligen Mutter, der Kirche, die Bücher des Alten wie des Neuen Testaments in ihrer Ganzheit mit allen ihren Teilen als heilig und kanonisch, weil sie, unter der Einwirkung des Heiligen Geistes geschrieben (vgl. Joh 20,31; 2 Tim 3,16; 1 Petr 1,19–21; 3,15–16), Gott zum Urheber haben und als solche der Kirche übergeben sind … Alles, was die inspirierten Verfasser oder Hagiographen aussagen, [hat] als vom Heiligen Geist ausgesagt zu gelten” (Dei Verbum, Nr. 11). Folglich muss „die Heilige Schrift in dem Geist gelesen und ausgelegt werden …, in dem sie geschrieben wurde” (Dei Verbum, Nr. 12). „Denn was die Apostel nach Christi Gebot gepredigt haben, das haben später unter dem Anhauch des Heiligen Geistes sie selbst und apostolische Männer uns als Fundament des Glaubens schriftlich überliefert: das viergestaltige Evangelium nach Matthäus, Markus, Lukas und Johannes” (Dei Verbum, Nr. 18).
„Die Apostel haben nach der Himmelfahrt des Herrn das, was er selbst gesagt und getan hatte, ihren Hörern mit jenem volleren Verständnis überliefert, das ihnen aus der Erfahrung der Verherrlichung Christi und aus dem Licht des Geistes der Wahrheit zufloss” (Dei Verbum, Nr. 19).
6. Diese enge Verbindung zwischen dem Heiligen Geist, der Offenbarung und der Weitergabe der göttlichen Wahrheit ist das Fundament des apostolischen Auftrags der Kirche und der entscheidende Grund unseres Glaubens an das Wort, das die Kirche uns vermittelt. Weiter sagt das Konzil noch, dass der Heilige Geist auch bei der inneren Grundlegung des Glaubens in der Seele des Menschen wirkt. Denn „dem offenbarenden Gott ist der ,Gehorsam des Glaubens’ (Röm 16,26; vgl. Röm 1,5; 2 Kor 10,5–6) zu leisten. Darin überantwortet sich der Mensch Gott als Ganzer in Freiheit, indem er sich ,dem offenbarenden Gott mit Verstand und Willen voll unterwirft’ und seiner Offenbarung willig zustimmt. Dieser Glaube kann nicht vollzogen werden ohne die zuvorkommende und helfende Gnade Gottes und ohne den inneren Beistand des Heiligen Geistes, der das Herz bewegen und Gott zuwenden, die Augen des Verstandes öffnen und ,es jedem leicht machen muss, der Wahrheit zuzustimmen und zu glauben’. Dieser Geist vervollkommnet den Glauben ständig durch seine Gaben, um das Verständnis der Offenbarung mehr und mehr zu vertiefen” (Dei Verbum, Nr. 5).
7. Es handelt sich hier um den Glauben der Kirche in ihrer Gesamtheit und um den jedes einzelnen Gläubigen in der Kirche. Es handelt sich auch um das rechte „Verständnis” der göttlichen Offenbarung, die immer durch den Heiligen Geist aus dem Glauben kommt, und um die „Entfaltung” des Glaubens durch das „vertiefte Nachdenken” der Gläubigen. Während es nämlich von der „apostolischen Überlieferung” spricht, sagt das Konzil, dass diese „in der Kirche unter dem Beistand des Heiligen Geistes einen Fortschritt [kennt]: Es wächst das Verständnis der überlieferten Dinge und Worte durch das Nachsinnen und Studium der Gläubigen, die sie in ihrem Herzen erwägen (wie Maria: vgl. Lk 2,19.51), durch innere Einsicht, die aus geistlicher Erfahrung stammt, durch die Verkündigung derer, die mit der Nachfolge im Bischofsamt das sichere Charisma der Wahrheit empfangen haben” (Dei Verbum, Nr. 8). Und über die Heiligen Schriften sagt es, dass „sie, von Gott eingegeben und ein für alle Mal niedergeschrieben, das Wort Gottes selbst unwandelbar vermitteln und in den Worten der Propheten und der Apostel die Stimme des Heiligen Geistes vernehmen lassen” (Dei Verbum, Nr. 21). Deshalb bemüht sich „die Braut des fleischgewordenen Wortes, die Kirche, vom Heiligen Geist belehrt, zu einem immer tieferen Verständnis der Heiligen Schriften vorzudringen” (Dei Verbum, Nr. 23).
8. Darum „verehrt” die Kirche die Heiligen Schriften, von ihnen nährt sie sich wie von einem „Brot des Lebens”, und sie sieht in ihnen „die höchste Richtschnur ihres Glaubens” (Dei Verbum, Nr. 21). Und weil die Kirche „im Gang der Jahrhunderte ständig der Fülle der göttlichen Wahrheit entgegenstrebt, bis an ihr sich Gottes Worte erfüllen” (Dei Verbum, Nr. 8), wird das ganze Leben der Kirche vom Geist beseelt, mit dem sie die Wiederkunft Christi in Herrlichkeit herbeiruft. So lesen wir in der Geheimen Offenbarung: „Der Geist und die Braut sagen: Komm!” (Offb 22,17). In Bezug auf diese Fülle der Wahrheit leitet und gewährleistet der Heilige Geist die Weitergabe der Offenbarung, indem er die Kirche und in der Kirche alle und jeden Einzelnen von uns auf das endgültige Kommen des Herrn vorbereitet.
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Liebe Schwestern und Brüder in Christus!
Im Glaubensbekenntnis bekennen wir unseren Glauben an die „apostolische” Kirche. Die Apostolizität der Kirche ist ihrem tiefsten Sinne nach das Ausharren der Hirten und der Gläubigen in der von Christus durch die Apostel und deren Nachfolger überkommenen Wahrheit. Die Glaubwürdigkeit dieser Wahrheit, die alles menschliche Begreifen übersteigt, ist durch den Heiligen Geist gegeben, wie dies Jesus im Abendmahlssaal den Aposteln sagte: „… wenn der Geist der Wahrheit kommt, wird er euch in die volle Wahrheit führen” (Joh 16,12–13).
Die Kirche, der allein die Auslegung des Wortes Gottes von Jesus anvertraut worden ist, nimmt ihren Lehrauftrag unter dem Beistand des Heiligen Geistes wahr. Diese Verbindung, die zwischen dem Wirken des Heiligen Geistes, der Offenbarung und der Weitergabe der göttlichen Wahrheit besteht, ist das Fundament des apostolischen Auftrags und die Grundlage unseres Glaubens an das Wort Gottes, das die Kirche verkündet.
Darüber hinaus wirkt der Heilige Geist auch bei der inneren Grundlegung des Glaubens in der Seele des Menschen, „um ihn zum Gehorsam des Glaubens zu führen”, wie der heilige Paulus schreibt (Röm 16,26). Dieser Glaube soll vertieft und gefestigt werden durch Nachdenken über das Wort Gottes und durch die Verkündigung der Offenbarung, wie sie uns in der Heiligen Schrift überliefert ist. Aus diesem Grunde „verehrt die Kirche die Schriften” und nimmt sie wie das Brot des Lebens an und reicht sie den Glaubenden – und dies immer unter dem Beistand des Heiligen Geistes.
Mit diesen Worten grüße ich alle Pilger und Besucher aus den deutschsprachigen Ländern.
Euch Allen, Euren Angehörigen und Euren Gemeinden wünsche ich den Frieden des Herrn für das neue Jahr und erteile von Herzen meinen Apostolischen Segen.
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1. Unsere Liebe Frau von Jasna Góra! Auch heute stehen wir noch vor dir im Licht der Epiphanie. Die Weihnachtszeit offenbart uns das Geheimnis der Heiligen Familie. Schauen wir auf sie in der Nacht von Bethlehem – in dieser unaussprechlichen Nacht, als der Sohn Gottes Kind wird in der Menschenfamilie. In dieser Familie ist er zur Welt gekommen.
An sie band er dreißig Jahre seines verborgenen Lebens in Nazareth. Und wenn „sich nur im Geheimnis des fleischgewordenen Wortes das Geheimnis des Menschen wahrhaft aufklärt” – so das II. Vatikanische Konzil (vgl. Gaudium et spes, Nr. 22) –, wie groß ist dann die Rolle, die der Familie zusteht: dieser Heiligen Familie Jesu Christi in Nazareth!
2. Wie menschlich ist dieses göttliche Geheimnis! Sein Weg geht über die Familie wie der Weg jedes Menschen. Deshalb ist es sehr bedeutungsvoll, dass man im Heiligtum von Jasna Góra den Pilgern das Evangelium vom Wunder in Kana in Galiläa vorliest. Dieser Text zeigt Jesus zusammen mit seiner Mutter und den ersten Jüngern, die zur Hochzeit geladen waren. So beginnt der Erlöser der Welt seine messianische Sendung auf dem „Weg” einer menschlichen Eheschließung: Er selbst ist der heiligste Bräutigam der ganzen Menschheit in seiner Kirche.
3. Dieser Weg führt immer in die Zukunft. Die Zukunft der ganzen Menschheit geht über die bräutliche Liebe der Eheleute, die den Anfang der Familie setzt. Die Familie ist die Zukunft des Menschen, denn in ihr werden neue Menschen geboren. Die Familie ist auch die Zukunft der Nation – unserer Nation. Von ihr hängt vor allem diese Zukunft ab.
Mutter von Kana in Galiläa! Ich wünsche dir, dass zahlreiche Familien zu deinem Heiligtum in Jasna Góra kommen. Sie haben diese Wallfahrt so sehr nötig! Wie viele Trennungen, wie viele Krisen sind entstanden! Es ist sehr notwendig, dass sie von dir diese Worte mütterlicher Sorge hören: „Was er euch sagt, das tut!” (Joh 2,5). Es ist so notwendig, dass sie die Gnade des Ehesakramentes erneuern, das sie im Herzen deines Sohnes empfangen haben.
4. Sprich zu ihnen, Mutter von Jasna Góra, durch das Wort der Liturgie der Kirche: „Liebt einander, denn die Liebe ist das Band, das alles zusammenhält … In eurem Herzen herrsche der Friede Christi … Das Wort Christi wohne mit seinem ganzen Reichtum bei euch … dankt Gott, dem Vater!” (Kol 3,14–16).
Königin von Jasna Góra! An der Schwelle des neuen Jahres, im Glanz der Epiphanie von Nazareth, empfehle und vertraue ich dir aus tiefstem Herzen alle Eheleute und Familien unseres polnischen Landes an!
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Gott unserer Väter,
groß und voll Erbarmen,
Vater aller.
Du hegst Pläne des Friedens und nicht des Leides,
du verdammst die Kriege und drückst den Stolz der Gewalttätigen nieder.
Du hast deinen Sohn Jesus gesandt,
den Nahen und Fernen Frieden zu verkünden
und die Menschen aller Rassen und jeder Herkunft
in einer einzigen Familie zu sammeln.
Höre den einmütigen Ruf deiner Söhne und Töchter,
die dringende Bitte der ganzen Menschheit:
Nie wieder Krieg, ein Abenteuer ohne Umkehr,
nie wieder Krieg, eine Spirale der Trauer und Gewalt;
Nie mehr dieser Krieg im Persischen Golf,
eine Bedrohung für alle Geschöpfe
im Himmel, zu Wasser und zu Land.
In Gemeinschaft mit Maria, der Mutter Jesu,
bitten wir dich wieder: Sprich zu den Herzen der
Verantwortlichen für die Geschicke der Völker,
halt auf mit der Logik der Rache und Vergeltung,
gib durch deinen Geist den Antrieb zu neuen Lösungen,
zu hochherzigen und ehrenvollen Gesten, zu Räumen des Dialogs und geduldigen Wartens,
die fruchtbarer sind als überstürzte Kriegstermine.
Gib unserer Zeit Tage des Friedens.
Nie wieder Krieg. Amen.
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