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JOHANNES PAUL II.

GENERALAUDIENZ

Mittwoch, 9. Oktober 1991

DE  - ES  - IT

1. Das Zweite Vatikanische Konzil schließt in der Konstitution Lumen Gentium den ersten Teil seiner Ausführungen über die Kirche mit einem zusammenfassenden und geheimnisvollen Satz des hl. Cyprian: „So erscheint die ganze Kirche als ,das von der Einheit des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes her geeinte Volk’” (Lumen Gentium, Nr. 4). Dem Konzil nach ist also die Kirche in ihrem innersten Wesen ein Geheimnis des Glaubens, tief verbunden mit dem unendlichen Geheimnis der Dreifaltigkeit. Diesem Geheimnis im Geheimnis sollen wir nun unsere Überlegungen widmen, nachdem wir in den vorausgegangenen Katechesen die Kirche dargestellt haben – in der Lehre Jesu und im österlichen Erlösungswerk, von ihm vollbracht durch Leiden, Tod und Auferstehung und mit der Krönung am Pfingsttag durch die Herabkunft des Heiligen Geistes auf die Apostel. Nach der Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils, dem Erben der Tradition, ist das Geheimnis der Kirche im dreifältigen Gott verwurzelt und hat deshalb als erste und grundlegende Dimension die dreifältige, insofern die Kirche von ihrem Ursprung bis zu ihrem geschichtlichen Ende und ihrer ewigen Bestimmung in der Dreifaltigkeit Bestand und Leben hat (vgl. hl. Cyprian, De oratione dominica, 23: PL 4,553).

2. Diese trinitarische Perspektive der Kirche wird von Jesus mit den Worten eröffnet, die er vor seiner endgültigen Rückkehr zum Vater zuletzt zu den Aposteln sagte: „Geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes” (Mt 28,19). „Alle Völker“, eingeladen und gerufen, sich in dem einen Glauben zu vereinen, sind vom Geheimnis des dreieinigen Gottes gekennzeichnet. Alle sind zur Taufe eingeladen und gerufen, das heißt zur Einführung in das Geheimnis des göttlichen Lebens der Heiligsten Dreifaltigkeit durch die Kirche der Apostel und ihrer Nachfolger, sichtbares Fundament der Gemeinschaft der Glaubenden.

3. Diese trinitarische Perspektive, auf die Christus hinwies, indem er die Apostel aussandte, die gesamte Welt zu evangelisieren, findet ihren Ausdruck in dem Gruß, den Paulus der Gemeinde von Korinth entbietet: „Die Gnade Jesu Christi, des Herrn, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen” (2 Kor 13,13). Es ist derselbe Gruß, den der Zelebrant in der nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil erneuerten Messliturgie an die Gemeinde richtet, so wie der Apostel Paulus es einst mit den Gläubigen von Korinth tat. Der Gruß bringt den Wunsch zum Ausdruck, dass alle Christen an den Gaben teilhaben, die dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist zugeschrieben werden: an der Liebe des Vaters und Schöpfers, an der Gnade des Sohnes, des Erlösers, an der Einheit in der Gemeinschaft des Heiligen Geistes, dem Band der Liebe der Dreifaltigkeit, an dem die Kirche teilhat.

4. Dieselbe trinitarische Ausrichtung findet sich in einem anderen paulinischen Text, der unter dem Gesichtspunkt der Sendung der Kirche große Bedeutung hat: „Es gibt verschiedene Gnadengaben, aber nur den einen Geist. Es gibt verschiedene Dienste, aber nur den einen Herrn. Es gibt verschiedene Kräfte, die wirken, aber nur den einen Gott: Er bewirkt alles in allen” (1 Kor 12,4-6). Die Einheit der Kirche spiegelt zweifellos die Einheit Gottes wider, aber gleichzeitig schöpft sie Lebenskraft aus der Dreifaltigkeit des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, die sich im Reichtum des kirchlichen Lebens widerspiegelt. Die Einheit ist fruchtbar an vielfältigen Erscheinungsweisen des Lebens. Über dem ganzen Geheimnis der äußerst reichen Einheit der Kirche erstreckt sich überragend das Geheimnis des einen und dreifältigen Gottes.

5. Im Leben der Kirche ist es möglich, den Widerschein der Einheit und der göttlichen Dreifaltigkeit zu entdecken. Am Ursprung dieses Lebens sieht man vor allem die Liebe des Vaters, der die Initiative sowohl zur Schöpfung als auch zur Erlösung besitzt, durch die er die Menschen als Kinder in seinem eingeborenen Sohn sammelt. Deshalb ist das Leben der Kirche das Leben Christi selbst, der in uns lebt, indem er uns die Teilhabe an der eigenen Gottessohnschaft schenkt. Und diese Teilhabe wird vom Heiligen Geist bewirkt, der es ermöglicht, dass wir wie Christus und mit Christus zu Gott sagen: „Abba, Vater!” (Röm 8,15).

6. In dieser Anrufung findet das neue Bewusstsein der Teilhabe des Menschen an der Sohnschaft des Gottessohnes durch den Heiligen Geist, der die Gnade schenkt, eine Formulierung göttlichen – und dreifältigen! – Ursprungs. Derselbe Gott verwirklicht durch die Gnade die Verheißung Christi über die Einwohnung des dreifältigen Gottes in den Gotteskindern. In der Tat wird die von Jesus verkündete Verheißung: „Wenn jemand mich liebt, wird er an meinem Wort festhalten; mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und bei ihm wohnen” (Joh 14,23) im Evangelium von einer vorhergehenden Verheißung erhellt: „Wenn ihr mich liebt, werdet ihr meine Gebote halten. Und ich werde den Vater bitten, und er wird euch einen anderen Beistand geben, der für immer bei euch bleiben soll” (Joh 14,15-16). Eine ähnliche Lehre wird uns vom hl. Paulus gegeben, der den Christen sagt, dass sie „Tempel Gottes” sind, und diesen herrlichen Vorrang mit den Worten erklärt: „Der Heilige Geist wohnt in euch” (1 Kor 3,16; vgl. Röm 8,9; 1 Kor 6,19; 2 Kor 6,16). Und nun erscheint in diesen Texten eine große Wahrheit: Der Mensch, die Person, ist in der Kirche die Wohnung des dreifältigen Gottes, und die ganze Kirche, bestehend aus Personen, in denen die Dreifaltigkeit wohnt, ist in ihrem Ganzen die Wohnung, der Tempel der Dreifaltigkeit.

7. In dem dreifältigen Gott findet sich auch die wesentliche Quelle der Einheit der Kirche. Dies zeigt das hohepriesterliche Gebet Christi im Abendmahlssaal: „Alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast. Und ich habe ihnen die Herrlichkeit gegeben, die du mir gegeben hast; denn sie sollen eins sein, wie wir eins sind, ich in ihnen und du in mir. So sollen sie vollendet sein in der Einheit, damit die Welt erkennt, dass du mich gesandt hast und die Meinen ebenso geliebt hast wie mich” (Joh 17,21-23). Das ist die Quelle und auch das Modell für die Einheit der Kirche. Denn Jesus sagt: Sie sollen eins sein „wie wir”. Aber die Verwirklichung dieser Gottähnlichkeit vollzieht sich im Innern der Einheit der Dreifaltigkeit: „sie in uns”. Und in dieser dreifältigen Einheit bleibt die Kirche, die von der Wahrheit und der Liebe des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes lebt. Und die Quelle aller Anstrengungen, die auf die Wiedervereinigung der Christen in der Einheit der Kirche hinzielen, die in der menschlichen und geschichtlichen Dimension der Einheit verwundet ist, besteht immer in der einen und unteilbaren Dreifaltigkeit. Das Fundament des wahren Ökumenismus ist diese Wahrheit von der kirchlichen Einheit, die, wie uns das hohepriesterliche Gebet Christi offenbart, aus der Dreifaltigkeit hervorgeht.

8. Auch die Heiligkeit der Kirche – und jede Heiligkeit in der Kirche – hat ihre Quelle in der Heiligkeit des dreifältigen Gottes. Der Übergang von der dreifältigen Heiligkeit zur kirchlichen Heiligkeit geschieht vor allem in der Menschwerdung des Sohnes Gottes, wie aus den Worten der Verkündigung an Maria hervorgeht: „Deshalb wird auch das Kind heilig sein” (vgl. Lk 1,35). Dieser „Heilige” ist Christus, der Sohn, geweiht durch die Salbung des Heiligen Geistes (vgl. Lk 4,18), der Sohn, der durch sein Opfer sich selbst weiht, um seinen Jüngern die eigene Weihe und die eigene Heiligkeit mitteilen zu können: „Und ich heilige mich für sie, damit auch sie in der Wahrheit geheiligt sind” (Joh 17,19). Verherrlicht vom Vater auf diese Weise (vgl. Joh 13,31; 17,1-2), teilt der auferstandene Christus seiner Kirche den Heiligen Geist mit (vgl. Joh 20,22; 7,39), der sie heilig macht (vgl. 1 Kor 6,11).

9. Abschließend möchte ich betonen, dass diese unsere eine und heilige Kirche ins Leben gerufen und in die Welt gestellt ist als Ausdruck jener Liebe, die Gott ist: „Gott ist die Liebe”, schreibt der Apostel Johannes (1 Joh 4,8). Und wenn Gott Vater und Sohn und Heiliger Geist ist, ist das unendliche Leben der Erkenntnis und Liebe der göttlichen Personen die transzendente Wirklichkeit der Dreifaltigkeit.

Eben diese „Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist” (Röm 5,5).

Die Kirche, „das von der Einheit des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes her geeinte Volk”, wie uns der hl. Cyprian sagte, ist also das „Sakrament” der dreifältigen Liebe. Gerade darin besteht ihr tiefstes Geheimnis.

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Liebe Schwestern und Brüder!

Im Laufe unserer Katechesen über die von Christus gegründete Kirche wollen wir heute über deren trinitarische Ausrichtung nachdenken. Vor seiner Rückkehr zum Vater sagt der Herr den Aposteln: „Geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes” (Mt 28,19).

„Alle Völker“, eingeladen und gerufen, sich in dem einen Glauben zu vereinen, sind vom Geheimnis des dreieinigen Gottes gekennzeichnet. Dies findet auch im Grußwort des Apostels Paulus an die Gemeinde von Korinth seinen Ausdruck: „Die Gnade Jesu Christi, des Herrn, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen” (2 Kor 13,13).

Gewiss, die Einheit der Kirche spiegelt die Einheit Gottes wider, aber zugleich schöpft sie ihre Lebenskraft aus der Einheit des Vaters mit dem Sohn und dem Heiligen Geist.

Im Leben der Kirche können wir den Abglanz der göttlichen Dreieinigkeit entdecken. Am Ursprung sehen wir besonders die Liebe des Vaters bei der Schöpfung wie auch bei der Erlösung, durch die er die Menschen als Kinder in seinem eingeborenen Sohn eint. So ist das Dasein der Kirche das Leben Christi selbst, der in uns lebt und uns die Teilhabe an seiner eigenen Gottessohnschaft schenkt. Diese Gabe wird vom Heiligen Geist gewirkt, den der auferstandene und verherrlichte Christus seiner Kirche sendet. Paulus begründet diese wunderbare innere Ausstattung mit den Worten: „Der Geist Gottes wohnt in euch” (Röm 8,9).

In der göttlichen Dreieinigkeit finden wir auch die wesentliche Quelle der Einheit der Kirche, wie es Jesus in seinem hohenpriesterlichen Gebet sagt: „Damit alle eins seien, wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast” (Joh 17,21). Diese unsere eine und heilige Kirche ist berufen, die Liebe, die Gott selbst ist (vgl. 1 Joh 4,8), in der Welt sichtbar werden zu lassen.

Indem ich nach diesen meinen Worten dazu einlade, den dreieinigen Gott zu bitten, er möge die Kirche in der Einheit bestärken und festigen, grüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher sehr herzlich. Mein ganz besonderer Willkommensgruß gilt den Diakonen des Päpstlichen Collegium Germanicum et Hungaricum, die am morgigen Tag das Sakrament der Priesterweihe empfangen; von Herzen erbitte ich Euch, liebe Weihekandidaten, reiche Gnaden für Gottes weise Führung auf Eurem priesterlichen Lebensweg, damit Ihr unerschrocken das Evangelium Christi verkündet und so den Menschen den Weg weist, ”damit sie das Leben haben und es in Fülle haben“. Zugleich begrüße ich Eure lieben Eltern, Eure Angehörigen und Freunde sowie die Mitglieder Eurer Heimatpfarreien.

Ein weiterer Gruß gilt einer Gruppe evangelischer Vikare und Vikarinnen aus Lübeck und den Firmlingen der Pfarrei St. Marien, Wädenswil.

Euch allen, Euren lieben Angehörigen daheim sowie den mit uns über Fernsehen und über Radio Vatikan verbundenen Gläubigen erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen.

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Dankbaren Herzens gegenüber Gott denke ich an die ökumenische Feier vom vergangenen Samstag in der Petersbasilika, wo ich die Freude hatte, der Abendvesper vorzustehen, begleitet von den lutherischen Erzbischöfen von Uppsala und Turku, Bertil Werkström und John Vikström, und vom lutherischen Bischof von Oslo, Andreas Aarflot, anlässlich der 600. Wiederkehr der Heiligsprechung der Birgitta von Schweden.

Diese Begegnung kann als ein weiterer und wichtiger Schritt auf dem Weg zur Einheit zwischen Katholiken und Lutheranern angesehen werden. Der Ökumenismus ist eine Reise, die man zusammen unternimmt, „eine Reise über Hügel und Täler”, wie Erzbischof Vikström sagte.

Ich bin sicher, dass die ökumenische Feier vom 5. Oktober den einen und den anderen neuen Antrieb geben wird, mit dem Ziel, die noch bestehenden Hindernisse zu beseitigen. Ich vertraue darauf, dass der Herr selbst uns den Weg zeigen wird, der uns zur vollen Wiederherstellung der Einheit führen wird, entsprechend seinem Gebet beim letzten Abendmahl: „Alle sollen eins sein …, damit die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast” (Joh 17,21).

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Ich möchte heute mit euch des jüngst verstorbenen Patriarchen von Konstantinopel, Dimitrios I., gedenken.

Eine Delegation des Heiligen Stuhls hat am Begräbnis dieses lieben Bruders teilgenommen, dem ich in tiefer Liebe verbunden war.

Vor vier Jahren, anlässlich des Besuches beim Stuhl Petri, betonte Patriarch Dimitrios, dass er uns die Umarmung und Liebe der orthodoxen Brüder überbringe. Gern möchte ich deshalb mit euch an seinen damals öffentlich ausgesprochenen Wunsch erinnern, „dass baldmöglichst der Tag unserer vollen und vollendeten Einheit in dem einen Glauben und in der gemeinsamen Feier der Sakramente der Kirche anbreche”.

Während ich den Herrn bitte, er schenke ihm die ewige Ruhe in der Herrlichkeit des Himmels, lade ich euch ein, auch für die Schwesterkirche von Konstantinopel zu beten und schon jetzt den Heiligen Geist anzurufen, damit er die Mitglieder des Heiligen Synods bei der Wahl des neuen Ökumenischen Patriarchen auf dem altehrwürdigen Stuhl des Apostels Andreas erleuchte und leite.