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JOHANNES PAUL II.

GENERALAUDIENZ

Mittwoch, 15. April 1992

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Liebe Schwestern und Brüder!

Wir haben die Karwoche begonnen. In den kommenden Tagen erleben wir anhand der kirchlichen Liturgie die Geheimnisse unserer Erlösung. Das Ostertriduum ist der Höhepunkt des liturgischen Jahres, an dem wir bewegt und dankbaren Herzens daran denken, dass Christus durch seinen Tod unseren Tod besiegt und durch seine Auferstehung uns das Leben neu geschenkt hat.

Schicken wir uns an, die kommenden Feiern intensiv zu erleben, in dem Bewusstsein, dass wir, wenn wir jetzt Anteil an den Leiden Christi haben, eines Tages bei der Offenbarung seiner Herrlichkeit voll Freude jubeln können (vgl. 1 Petr 4,13). Nun fahren wir in unserer Katechese über die Kirche als priesterliche und sakramentale Gemeinschaft fort.

1. Wie das II. Vatikanische Konzil lehrt, „vollzieht sich das heilige und organisch verfasste Wesen dieser priesterlichen Gemeinschaft sowohl durch die Sakramente wie durch ein tugendhaftes Leben” (vgl. Lumen Gentium, Nr. 11). In der heutigen Katechese wollen wir den Widerschein dieser Wahrheit im Sakrament der Versöhnung entdecken, das traditionsgemäß Sakrament der Buße genannt wird. In ihm haben wir eine wirkliche Anwendung des „allgemeinen Priestertums” aller Getauften, denn es ist Grundaufgabe des Priestertums, das Hindernis der Sünde zu beseitigen, das der lebenspendenden Beziehung zu Gott entgegensteht. Nun, dieses Sakrament wurde zur Vergebung der Sünden eingesetzt, die nach der Taufe begangen werden, und in ihm spielen die Getauften eine aktive Rolle. Sie beschränken sich nicht darauf, passiv der Form und dem Ritus nach Vergebung zu erhalten. Im Gegenteil, mit Hilfe der Gnade ergreifen sie die Initiative und bekämpfen die Sünde, indem sie ihre Schuld bekennen und dafür um Vergebung bitten. Sie wissen, dass das Sakrament von ihnen die Umkehr fordert. Und in dieser Absicht nehmen sie aktiv teil und spielen ihre Rolle im Sakrament, wie aus dem Ritus selbst hervorgeht.

2. Man muss zugeben, dass sich in jüngster Zeit vielerorts eine Krise im Empfang des Bußsakraments von Seiten der Gläubigen abzeichnet. Die Gründe, die die geistliche und soziokulturelle Verfassung breiter Schichten der Menschheit unserer Zeit berühren, sind zweierlei. Einerseits ist der Sinn der Sünde im Bewusstsein auch einer gewissen Anzahl von Gläubigen schwächer geworden, die unter dem Einfluss des in der heutigen Welt herrschenden Klimas der Forderung nach totaler Freiheit und Unabhängigkeit des Menschen Schwierigkeiten haben, die Wirklichkeit und Schwere der Sünde und der eigenen Schuldhaftigkeit sogar vor Gott zu erkennen. Andererseits fehlt es nicht an Gläubigen, die nicht die Notwendigkeit und Nützlichkeit des Sakramentenempfangs verkennen und es vorziehen, Gott selbst direkt um Vergebung zu bitten. In diesem Fall haben sie Schwierigkeiten, eine Mittlerschaft der Kirche bei der Versöhnung mit Gott zuzugeben.

3. Auf diese zwei Schwierigkeiten gibt das Konzil Antwort. Es betrachtet die Sünde unter ihrem zweifachen Aspekt: als Beleidigung gegen Gott und als Verletzung gegenüber der Kirche. Wir lesen in Lumen Gentium: „Die aber zum Sakrament der Buße hinzutreten, erhalten für ihre Gott zugefügten Beleidigungen von seiner Barmherzigkeit Verzeihung und werden zugleich mit der Kirche versöhnt, die sie durch die Sünde verwundet haben und die zu ihrer Bekehrung durch Liebe, Beispiel und Gebet mitwirkt” (Lumen Gentium, Nr. 11). Die zusammengefassten, überlegten und erleuchtenden Aussagen des Konzils bieten verschiedene wichtige Anhaltspunkte für unsere Katechese.

4. Das Konzil erinnert vor allem daran, dass das Wesentliche der Sünde die Beleidigung Gottes ist. Eine ungeheure Tatsache, die die verderbnisvolle Tat des Geschöpfes einschließt, das sich wissentlich und willentlich dem Willen seines Schöpfers und Herrn widersetzt, indem es das Gesetz des Guten verletzt und sich in freier Entscheidung der Knechtschaft des Bösen unterwirft. Es ist ein Akt der Beleidigung der göttlichen Majestät, angesichts dessen der heilige Thomas von Aquin nicht zögert zu sagen: „Die gegen Gott begangene Sünde hat eine bestimmte Unendlichkeit durch die Unendlichkeit der göttlichen Majestät” (Summa theologiae, I-II, q. 87, a. 2 ad 2). Man muss sagen, dass sie auch ein Akt der Beleidigung der göttlichen Liebe ist, insofern sie Bruch des Gesetzes der Freundschaft und des Bundes ist, das Gott für sein Volk und jeden Menschen im Blut Christi gestiftet hat: Sie ist deshalb ein Akt der Untreue und praktisch der Verweigerung seiner Liebe. Darum ist die Sünde nicht einfach ein menschlicher Irrtum und bringt nicht nur eine Zerstörung des Menschen mit sich. Sie ist eine Beleidigung gegenüber Gott, weil der Sünder das Gesetz des Schöpfers und Herrn übertritt und seine Vaterliebe verletzt. Man kann die Sünde nicht ausschließlich vom Gesichtspunkt ihrer psychologischen Folgen aus betrachten. Die Sünde schöpft ihre Bedeutung aus der Beziehung des Menschen zu Gott.

5. Jesus gibt vor allem im Gleichnis des verlorenen Sohnes zu verstehen, dass die Sünde eine Beleidigung gegenüber der Liebe des Vaters ist, und er beschreibt die verletzende Missachtung eines Sohnes gegenüber der Autorität seines Vaters und dessen Haus. Traurig sind am Ende die Lebensbedingungen des heruntergekommenen Sohnes: Sie spiegeln die Situation Adams und seiner Nachkommenschaft nach der ersten Sünde wider. Aber das große Geschenk, das Jesus uns mit seinem Gleichnis macht, ist die gewisse und tröstliche Offenbarung der erbarmenden Liebe eines Vaters, der die Arme offen hält und auf die Heimkehr des verlorenen Sohnes wartet, um ihm entgegenzueilen, ihn zu umarmen, ihm zu verzeihen und alle Folgen der Sünde auszulöschen und für ihn das Fest des neuen Lebens zu feiern (vgl. Lk 15,11-32). Wie viel Hoffnung hat das Lesen dieses Gleichnisses in den Herzen erweckt, wie viele Male hat es in den christlichen Jahrhunderten die Umkehr zu Gott gefördert; dieses Gleichnis wurde von Lukas aufgezeichnet, der zu Recht „Schriftsteller der Milde Christi” (scriba mansuetudinis Christi) genannt wird. Das Bußsakrament gehört zur Offenbarung, die Jesus uns von der Liebe und väterlichen Güte Gottes gemacht hat.

6. Das Konzil erinnert uns daran, dass die Sünde auch eine der Kirche zugefügte Wunde ist. Tatsächlich verletzt jede Sünde die Heiligkeit der kirchlichen Gemeinschaft. Weil alle Gläubigen in der christlichen Gemeinschaft solidarisch sind, gibt es nie eine Sünde, die nicht auch eine Auswirkung auf die ganze Gemeinschaft hat. Wenn es wahr ist, dass das von jemandem getane Gute allen zum Wohl und zur Hilfe gereicht, dann ist es leider auch so, dass das von jemandem verübte Böse die Vollkommenheit hemmt, nach der alle streben. Wenn jede Seele, die sich erhebt, die gesamte Welt erhebt, wie die selige Elisabeth Leseur sagt, so ist es auch wahr, dass jeder Akt des Verrates der göttlichen Liebe die menschlichen Umstände belastet und die Kirche ärmer macht. Die Versöhnung mit Gott ist auch Versöhnung mit der Kirche und in gewissem Sinne mit der ganzen Schöpfung, deren Harmonie von der Sünde gestört wird. Die Kirche ist die Mittlerin dieser Versöhnung. Es ist eine ihr vom Gründer selbst anvertraute Rolle, der ihr die Sendung und die Vollmacht gegeben hat, „die Sünden zu vergeben”. Jede Versöhnung mit Gott geschieht also im einschließlichen und ausdrücklichen, bewussten oder unbewussten Bezug zur Kirche. Wie der heilige Thomas schreibt, „gibt es kein Heil außerhalb der Einheit des mystischen Leibes: Niemand kann sich ohne die Kirche retten, wie bei der Sintflut sich niemand außerhalb der Arche Noachs retten konnte, des Symbols der Kirche, wie Petrus lehrt (1 Petr 3,20-21)” (Summa theologiae, III, q. 73, a. 3; vgl. Suppl. Appendix I, q. 17, a. 1). Zweifellos hat Gott die Macht, zu verzeihen, und die Vergebung der Sünden ist das Werk des Heiligen Geistes: Dennoch kommt die Vergebung davon, dass auf den Sünder die von Christus am Kreuz vollbrachte Erlösung angewandt wird (vgl. Eph 1,7; Kol 1,14.20), und Christus hat seiner Kirche den Sendungs- und Dienstauftrag gegeben, der ganzen Welt das Heil in seinem Namen zu bringen (vgl. III, q. 84, a. 1). Die Vergebung wird deshalb von Gott erbeten und von Gott gewährt, aber nicht unabhängig von der Kirche, die Jesus Christus zum Heil aller gegründet hat.

7. Wir wissen, dass der auferstandene Christus, um den Menschen die Früchte seines Leidens und Todes mitzuteilen, den Aposteln die Vollmacht verliehen hat, die Sünden zu vergeben: „Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben; wem ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert” (Joh 20,23). Als Erben der Sendung und der Vollmacht der Apostel vergeben die Priester in der Kirche die Sünden im Namen Christi. Aber man kann sagen, dass der besondere Dienst der Priester im Sakrament der Versöhnung die Funktion des allgemeinen Priestertums der Gläubigen nicht ausschließt, sondern mit einbezieht, wenn diese ihre Sünden bekennen und um Vergebung bitten unter dem Einfluss des Heiligen Geistes, der sie im Innern durch die Gnade Christi, des Erlösers, zur Umkehr bewegt. Der heilige Thomas zitiert, während er diese Rolle der Gläubigen bekräftigt, die bekannten Worte des heiligen Augustinus: „Wer dich ohne dich erschaffen hat, wird dich nicht ohne dich rechtfertigen” (Augustinus, Super Joannem, serm. 169, c. 11; Thomas von Aquin, Summa theologiae, III, q. 84, aa. 5 und 7).

Die aktive Rolle des Christen im Sakrament der Buße besteht im Erkennen der eigenen Schuld durch ein „Bekenntnis”, das, Sonderfälle ausgenommen, einzeln dem Priester gegenüber gemacht wird; durch den Ausdruck der persönlichen Reue für die Gott zugefügte Beleidigung; durch das demütige Unterwerfen unter die Institution des Priestertums der Kirche, um das „wirksame Zeichen” der göttlichen Vergebung zu empfangen; durch das Anbieten der vom Priester auferlegten „Genugtuung” als Zeichen der persönlichen Teilhabe am Sühneopfer Christi, der sich dem Vater als Opfer für unsere Sünden hingegeben hat; und schließlich durch die Danksagung für die empfangene Vergebung.

8. Es ist gut daran zu erinnern, dass alles, was wir gesagt haben, für die Sünde gilt, die die Freundschaft mit Gott bricht und uns des „ewigen Lebens” beraubt: Deshalb wird sie „Todsünde” genannt. Die Zuhilfenahme des Sakramentes ist auch notwendig, wenn nur eine einzige Todsünde begangen worden ist (vgl. Konz. Trid.: DS 1707). Aber der Christ, der an die Wirkung der sakramentalen Vergebung glaubt, sucht auch außerhalb des Notfalls mit einer gewissen Häufigkeit Hilfe im Sakrament und findet in ihm den Weg einer wachsenden Empfindsamkeit und Erkenntnis und einer immer tieferen Reinigung, eine Quelle des Friedens, eine Stütze im Widerstand gegen die Versuchungen und in der Anstrengung um eine Lebensführung, die immer mehr den Anforderungen des Gebotes und der Liebe Gottes entspricht.

9. Die Kirche steht dem Christen zur Seite als Gemeinschaft, die – wie das Konzil sagt – „zu ihrer Bekehrung durch Liebe, Beispiel und Gebet mitwirkt” (Lumen Gentium, Nr. 11). Er bleibt nie sich selbst überlassen, nicht einmal im Zustand der Sünde: Er gehört immer zur „priesterlichen Gemeinschaft”, die ihn durch die Solidarität der Liebe, der Brüderlichkeit und des Gebetes unterstützt, um für ihn die Wiedereingliederung in die Freundschaft Gottes und in die Gemeinschaft der „Heiligen” zu erlangen. Die Kirche, Gemeinschaft der Heiligen, offenbart und wirkt im Sakrament der Buße als eine priesterliche Gemeinschaft des Erbarmens und der Vergebung.

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Liebe Schwestern und Brüder!

Indem ich, liebe deutschsprachige Pilger und Besucher mit diesen meinen Worten dazu einlade, in den nächsten Tagen mit bubferti gem Geist und zugleich freudiger Hoffnung die Feier des Todes und der Auferstehung unseres Herrn zu begehen, grübe ich Euch sehr herzlich. Mein aufrichtiger Willkommensgrub gilt der Behindertengruppe der Rhein-Maas Bruderschaft des Malteserhilfsdienstes Deutschlands sowie den Religionslehrern aus dem Bistum Aachen.

Euch allen, Euren lieben Angehörigen und Freunden in der Heimat sowie allen, die uns geistlich verbunden sind, erteile ich mit der Bitte um reiche österliche Gnaden von Herzen meinen Apostolischen Segen.

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Liebe Kroaten, ich grüße euch sehr herzlich!

Morgen beginnt das Ostertriduum des Leidens und der Auferstehung unseres Herrn, der „Höhepunkt des liturgischen Jahres” und auch die Zeit einer besonderen heilbringenden Nähe Gottes zu den Menschen. Die schwere Lage in eurem Land möge die geistliche Osterfreude nicht trüben und die Hoffnung, die aus dem Glauben kommt, nicht verdunkeln, damit sich nach den Leiden dieses Augenblicks die Freude wahren Friedens unter allen leidenden Völkern ausbreiten kann. Ich bitte innig den Auferstandenen, den Sieger über das Böse: Er möge allen Bewohnern des mir teuren Kroatiens seinen Frieden schenken.

Die Fürbitte und der Schutz der Gottesmutter Maria, der Königin des Friedens, die ihr auch Königin der Kroaten nennt, begleite euch immer.

Gelobt sei Jesus und Maria!

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In den vergangenen Tagen besuchte eine päpstliche Delegation unter der Leitung von Bischof Alois Wagner, Vizepräsident des Päpstlichen Rates „Cor Unum”, den Irak mit dem Ziel, den geliebten irakischen Schwestern und Brüdern den Ausdruck meiner Solidarität und meiner Liebe zu übermitteln.

Die Bevölkerung des Irak und insbesondere die christlichen Gemeinden konnten allen Personen und Einrichtungen, die sich großmütig um die Linderung ihrer Leiden bemühen, herzlich danken, baten aber auch, deren Ursachen so rasch wie möglich zu beseitigen.

In der Heiligen Woche, die uns das Ostern unseres Herrn in Erinnerung ruft, bitten wir Christus, alle Verantwortlichen des internationalen Lebens zu erleuchten, damit sie entsprechende Maßnahmen ergreifen, um der traurigen Lage des irakischen Volkes wirklich ein Ende zu setzen.