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JOHANNES PAUL II.

GENERALAUDIENZ

Mittwoch, 24. Juni 1992

DE  - ES  - IT

1. Der „Heilige Geist heiligt … nicht nur das Gottesvolk durch die Sakramente und die Dienstleistungen, er führt es nicht nur und bereichert es mit Tugenden, sondern ‚teilt den Einzelnen, wie er will‘ (1 Kor 12,11), seine Gaben aus und verteilt unter den Gläubigen jeglichen Standes auch besondere Gnaden. Durch diese macht er sie geeignet und bereit, für die Erneuerung und den vollen Aufbau der Kirche verschiedene Werke und Dienste zu übernehmen.“ (Lumen Gentium, Nr. 12). So lehrt das II. Vatikanische Konzil.

Die Teilhabe des Volkes Gottes an der messianischen Sendung wird also nicht nur durch die Dienststruktur und das sakramentale Leben der Kirche hervorgerufen. Sie vollzieht sich auch auf einem anderen Weg, dem der geistlichen Gaben oder Charismen.

Diese vom Konzil hervorgehobene Lehre gründet im Neuen Testament und will zeigen, dass die Entwicklung der kirchlichen Gemeinschaft nicht nur von der Einrichtung der Dienste und der Sakramente abhängt, sondern auch von den unvorhersehbaren und frei geschenkten Gaben des Geistes, der auch jenseits aller festgelegten Kanäle am Werk ist. Durch diese Ausspendung der besonderen Gnaden zeigt sich, dass das allgemeine Priestertum der Gemeinschaft der Kirche vom Geist mit überragender, oft überraschender Freiheit geleitet wird („wie er will“, sagt Paulus: 1 Kor 12,11).

2. Der Apostel Paulus beschreibt die Vielfalt und Verschiedenheit der Charismen, die dem Wirken des einen Geistes zuzuschreiben sind (vgl. 1 Kor 12,4).

Jeder von uns empfängt von Gott vielfache Gaben, die seiner Person und seiner Sendung angemessen sind. Dieser Vielfalt entsprechend gibt es keinen persönlichen Weg der Heiligkeit und der Sendung, der dem anderen gleich wäre. Der Heilige Geist hat Achtung vor jedem Menschen und will für jeden eine eigene Entwicklung des geistlichen Lebens und Zeugnisses fördern.

3. Zu berücksichtigen ist, dass die geistlichen Gaben nicht nur zum eigenen Wohl anzuwenden sind, sondern vor allem zum Wohl der Kirche: Petrus schreibt: „Dient einander als gute Verwalter der vielfältigen Gnade Gottes, jeder mit der Gabe, die er empfangen hat“ (1 Petr 4,10).

Durch diese Charismen ist das Leben der Gemeinschaft voll geistlicher Reichtümer und Dienste aller Art. Und die Vielfalt ist notwendig für eine weiterreichende geistliche Fruchtbarkeit. Jeder leistet einen persönlichen Beitrag, den die anderen nicht liefern. Die geistliche Gemeinschaft lebt durch den Beitrag aller.

4. Die Verschiedenheit der Charismen ist auch notwendig für eine bessere Ordnung des ganzen Lebens des Leibes Christi. Das unterstreicht der heilige Paulus, wenn er den Zweck und Nutzen der geistlichen Gaben erläutert: „Ihr aber seid der Leib Christi, und jeder Einzelne ist ein Glied an ihm“ (1 Kor 12,27).

In dem einen Leib soll jeder seine eigene Rolle entsprechend der empfangenen Gnadengabe spielen. Niemand kann Anspruch auf alle Gnadengaben erheben, noch die anderen um ihre Gnadengaben beneiden. Die Gnadengabe des Einzelnen muss geachtet und zum Wohl des Leibes Christi genutzt werden.

5. Man beachte, dass hinsichtlich der Gnadengaben, besonders im Fall außerordentlicher Gnadengaben, die Unterscheidung erforderlich ist.

Diese Unterscheidung wird vom Heiligen Geist selbst geschenkt, der die Vernunft auf dem Weg der Wahrheit und Weisheit leitet. Aber weil die ganze kirchliche Gemeinschaft von Christus unter die Leitung der kirchlichen Autorität gestellt worden ist, ist diese zuständig für die Beurteilung des Wertes und der Echtheit der Gnadengaben. Das Konzil lehrt: „Außerordentliche Gaben soll man … nicht leichthin erstreben. Man darf auch nicht vermessentlich Früchte für die apostolische Tätigkeit von ihnen erwarten. Das Urteil über ihre Echtheit und ihren geordneten Gebrauch steht bei jenen, die in der Kirche die Leitung haben und denen es in besonderer Weise zukommt, den Geist nicht auszulöschen, sondern alles zu prüfen und das Gute zu behalten (vgl. 1 Thess 5,19–21)“ (Lumen Gentium, Nr. 12).

6. Man kann einige Unterscheidungsmerkmale nennen, die von der kirchlichen Autorität und den geistlichen Lehrern und Führern befolgt werden:

a) Die Übereinstimmung mit dem Glauben der Kirche an Jesus Christus (vgl. 1 Kor 12,3); eine Gabe des Heiligen Geistes kann nicht im Widerspruch stehen zum Glauben, den derselbe Geist der ganzen Kirche eingibt. „Daran erkennt ihr den Geist Gottes“, schreibt der Evangelist Johannes: „Jeder Geist, der bekennt, Jesus Christus sei im Fleisch gekommen, ist aus Gott. Und jeder Geist, der Jesus nicht bekennt, ist nicht aus Gott“ (1 Joh 4,2–3).

b) „Die Frucht des Geistes aber ist Liebe, Freude, Friede“ (Gal 5,22). Jede Geistesgabe fördert die Entfaltung der Liebe sowohl im Menschen selbst als auch in der Gemeinschaft und ruft Freude und Frieden hervor.

Wenn ein Charisma Verwirrung und Unordnung stiftet, heißt das entweder, dass es nicht echt oder nicht in rechter Weise genutzt wird. Wie der heilige Paulus sagt: „Gott ist nicht ein Gott der Unordnung, sondern ein Gott des Friedens“ (1 Kor 14,33).

Ohne die Liebe nützen auch die außerordentlichen Gnadengaben nichts (vgl. 1 Kor 13,1–3; siehe auch Mt 7,22–23).

c) Mit der Autorität der Kirche im Einklang stehen und ihre Anordnungen annehmen. Nachdem er sehr strenge Regeln für den Gebrauch der Charismen in der Kirche von Korinth festgelegt hat, sagt der heilige Paulus: „Wenn einer meint, Prophet zu sein oder geisterfüllt, soll er in dem, was ich euch schreibe, ein Gebot des Herrn erkennen“ (1 Kor 14,37). Den echten Charismatiker erkennt man an seiner aufrichtigen Fügsamkeit gegenüber den Hirten der Kirche. Ein Charisma kann keinen Aufruhr hervorrufen oder die Einheit zerstören.

d) Der Gebrauch der Charismen in der kirchlichen Gemeinschaft unterliegt einer einfachen Regel: „Alles geschehe so, dass es aufbaut“ (1 Kor 14,26), das heißt, die Charismen werden angenommen in dem Maß, in dem sie einen konstruktiven Beitrag zum Leben der Gemeinschaft, zum Leben in Verbundenheit mit Gott und in brüderlicher Eintracht leisten. Der heilige Paulus besteht ausdrücklich auf dieser Regel (vgl. 1 Kor 14,4–5.12.18–19.26–32).

7. Wie wir schon bemerkt haben, schätzte der heilige Paulus unter den verschiedenen Gaben besonders die der prophetischen Rede, so dass er empfahl: „Strebt aber auch nach den Geistesgaben, vor allem nach der prophetischen Rede!“ (1 Kor 14,1). Aus der Geschichte der Kirche und besonders aus dem Leben der Heiligen geht hervor, dass der Heilige Geist nicht selten prophetische Worte eingibt, die dazu bestimmt sind, die Entwicklung und Erneuerung des Lebens der christlichen Gemeinschaft zu fördern. Manchmal sind diese Worte besonders an diejenigen gerichtet, die Autorität ausüben, wie im Fall der heiligen Katharina von Siena, die beim Papst intervenierte, um seine Rückkehr von Avignon nach Rom zu bewirken. Viele Gläubige und vor allem Heilige haben den Päpsten und anderen Hirten der Kirche das notwendige Licht und den Trost für die Erfüllung ihrer Sendung gebracht, besonders in schwierigen Augenblicken der Kirche.

8. Diese Tatsache zeigt die Möglichkeit und Nützlichkeit der Freiheit des Wortes in der Kirche: einer Freiheit, die sich auch in kritisch-konstruktiver Form kundtun kann. Wichtig ist, dass das Wort wirklich eine vom Geist herkommende prophetische Inspiration ausdrückt. Wie der heilige Paulus sagt: „Wo der Geist des Herrn wirkt, da ist Freiheit“ (2 Kor 3,17). Der Heilige Geist entfaltet in den Gläubigen ein Verhalten, gekennzeichnet durch Wahrheit und gegenseitiges Vertrauen (vgl. Eph 4,25), und bewirkt, dass sie „imstande sind, einander zurechtzuweisen“ (vgl. Röm 15,14; vgl. Kol 3,16).

Kritik nützt der Gemeinschaft, die immer wieder erneuert werden und versuchen muss, die eigenen Unvollkommenheiten zu verbessern. In vielen Fällen hilft sie, einen weiteren Schritt vorwärts zu tun. Wenn sie aber vom Heiligen Geist kommt, kann sie nur von dem Wunsch nach Fortschritt in der Wahrheit und Liebe beseelt sein. Sie kann nicht mit Bitterkeit geübt werden und kann sich auch nicht in Beleidigungen, Taten oder Urteilen ausdrücken, die die Ehre von Einzelpersonen oder Gruppen verletzen. Sie muss von Achtung und brüderlicher und kindlicher Liebe durchdrungen sein und vermeiden, unangemessene Formen in der Öffentlichkeit anzuwenden; sie muss sich an die von unserem Herrn gegebenen Anweisungen für die brüderliche Zurechtweisung halten (vgl. Mt 18,15–16).

9. Wenn dies die Linie der Freiheit des Wortes ist, kann man sagen, dass es keinen Gegensatz zwischen Charisma und Institution gibt, denn es ist der eine Geist, der die Kirche mit verschiedenen Gnadengaben belebt. Die geistlichen Gaben dienen auch zur Ausübung der Dienste. Sie werden vom Geist gespendet, um zur Ausbreitung des Gottesreiches beizutragen. In diesem Sinn kann man sagen, dass die Kirche eine Gemeinschaft von Charismen ist.

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Liebe Schwestern und Brüder!

Das Zweite Vatikanische Konzil lehrt uns: Der Heilige Geist heiligt nicht nur das Gottesvolk durch die Sakramente, sondern „teilt den Einzelnen, wie er will“ (vgl. 1 Kor 12,11), seine Gaben aus und verteilt unter den Gläubigen jeglichen Standes auch besondere Gnaden (vgl. Lumen Gentium, Nr. 12).

Diese Wahrheit liegt im Neuen Testament begründet. Paulus schreibt, wie wir in der Lesung gehört haben, dass die Verschiedenheit der Charismen, der Gnadengaben, durch das Wirken des Heiligen Geistes den Glaubenden geschenkt wird (vgl. 1 Kor 12,4). Ein jeder empfängt von Gott vielfältige Gaben, die seiner Person und auch seiner Sendung entsprechen. Diese Gaben dienen jedoch nicht nur zum eigenen Nutzen, sondern sind auch als ein auf das Wohl der ganzen Kirche hingeordnetes Geschenk zu verstehen. Im Petrusbrief lesen wir: „Dient einander als gute Verwalter der vielfältigen Gnade Gottes, jeder mit der Gabe, die er empfangen hat“ (1 Petr 4,10).

Diese außerordentlichen Gaben sollen wir, wie das Konzil betont, nicht leichthin erstreben; wir dürfen auch nicht vermessentlich Früchte für die apostolische Tätigkeit von ihnen erwarten. „Das Urteil über ihre Echtheit und ihren geordneten Gebrauch steht bei jenen, die in der Kirche die Leitung haben“ (Lumen Gentium, Nr. 12).

Die besonderen Gnadengaben erweisen sich als „Frucht des Geistes durch Liebe, Freude und Friede“ (vgl. Gal 5,22); ihr Gebrauch ist durch die einfache Regel des Paulus gekennzeichnet: „Alles geschehe so, dass es aufbaut“ (1 Kor 14,26).

Mit diesen Worten begrübe ich Euch, liebe deutschsprachige Pilger und Besucher, sehr herzlich und lade zugleich dazu ein, mitzubeten, damit wir die Gnadengaben des Heiligen Geistes nicht vergeblich empfangen, sondern zum Aufbau einer brüderlichen Gemeinschaft einsetzen, indem wir als Glieder des einen Gottesvolkes aufrechtes Verhalten und Ehrlichkeit walten lassen. 

Euch allen, Euren lieben Angehörigen in der Heimat sowie den mit uns über Radio und das Fernsehen verbundenen Gläubigen erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. 

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Väterlich grüße ich euch alle, die ihr aufgrund des Krieges gezwungen seid, euren Wohnsitz in Kroatien und in Bosnien-Herzegowina zu verlassen.

Ich lade euch ein, ständig für den Frieden in eurer Region zu beten und eure Leiden Gott darzubringen, damit alle Vertriebenen und Flüchtlinge bald wieder zu ihrem Wohnsitz in ihrer Heimat zurückkehren.

Heute möchte ich meinen Aufruf zur humanitären Hilfe für die leidenden Völker von Bosnien-Herzegowina und Kroatien wiederholen, denen aufgrund eines so unmenschlichen und sinnlosen Krieges die elementarsten Mittel für das Leben fehlen. Die ungeheure Tragödie erfordert eine sofortige Antwort und eifrige Nächstenliebe. Christus selbst leidet in diesen unseren Schwestern und Brüdern!

Ich vertraue Kroatien und Bosnien-Herzegowina dem mütterlichen Herzen der Mutter Jesu, der Königin des Friedens, an und rufe auf alle Bewohner den Segen Gottes herab.

Gelobt seien Jesus und Maria!