JOHANNES PAUL II.
GENERALAUDIENZ
Mittwoch, 1. Juli 1992
1. Die Kirche, eine priesterliche, sakramentale und prophetische Gemeinschaft, wurde von Jesus Christus als eine gegliederte und hierarchische Gesellschaft mit Dienstämtern gegründet, deren Aufgabe die seelsorgliche Leitung zur Förderung und zum ständigen Wachstum der Gemeinschaft ist. Die ersten mit einem solchen pastoralen Dienstamt Beauftragten sind die zwölf Apostel, die von Jesus Christus als sichtbares Fundament seiner Kirche ausgewählt wurden. Das II. Vatikanische Konzil lehrt, „dass der ewige Hirt Jesus Christus die heilige Kirche gebaut hat, indem er die Apostel sandte, wie er selbst gesandt war vom Vater (vgl. Joh 20,21). Er wollte, dass deren Nachfolger, das heißt die Bischöfe, in seiner Kirche bis zur Vollendung der Weltzeit Hirten sein sollten” (Lumen Gentium, Nr. 18).
Dieser Abschnitt der dogmatischen Konstitution über die Kirche, Lumen Gentium, erinnert uns vor allem an die ursprüngliche und einzigartige Stellung der Apostel im institutionellen Rahmen der Kirche. Aus den Berichten des Evangeliums wissen wir, dass Jesus Jünger zu seiner Nachfolge berufen hat, und unter ihnen hat er zwölf ausgewählt (vgl. Lk 6,13). Aus der Erzählung der Evangelien erfahren wir, dass es sich für Jesus um eine entscheidende Wahl handelte, die er nach einer im Gebet verbrachten Nacht (vgl. Lk 6,12) getroffen hatte; um eine in vollkommener Freiheit getroffene Wahl: Markus berichtet uns, dass Jesus die zu sich rief, „die er erwählt hatte” (Mk 3,13). Die Texte der Evangelien geben im Einzelnen die Namen der Berufenen an (vgl. Mk 3,16-19 und par.): ein Zeichen, dass ihre Bedeutung in der Urkirche begriffen und erkannt worden war.
2. Mit der Wahl der Zwölf schuf Jesus die Kirche als sichtbare, gegliederte Gesellschaft im Dienst des Evangeliums und der Ankunft des Reiches Gottes. Die Zahl zwölf nahm Bezug auf die zwölf Stämme Israels, und der Gebrauch, den Jesus davon machte, offenbart seine Absicht, ein neues Israel, das neue Volk Gottes, als Kirche zu schaffen. Die schöpferische Absicht Jesu wird sichtbar in dem Wort selbst, das Markus in seiner Beschreibung verwendet: „Und er [Jesus] setzte zwölf ein … Die Zwölf, die er einsetzte …”. In der italienischen Übersetzung wird das Wort „fare” (schaffen, tun) verwandt. „Fare” erinnert an das Wort, das im Genesis-Bericht über die Erschaffung der Welt und im Deuterojesaja (vgl. 43,1; 44,2) über die Erschaffung des Volkes Gottes, des alten Israel, gebraucht wird.
Der Schöpferwille drückt sich auch in den neuen Namen aus, die Simon (Petrus) und Jakobus und Johannes (Donnersöhne), aber auch der ganzen Gruppe oder dem gesamten Kollegium gegeben wurden. Denn Lukas schreibt, dass Jesus „aus ihnen zwölf auswählte; sie nannte er auch Apostel” (vgl. Lk 6,13). Die zwölf Apostel wurden so zu einer besonderen, kennzeichnenden, unter bestimmten Aspekten unwiederholbaren sozialen Wirklichkeit in der Kirche. In ihrer Gruppe ragte der Apostel Petrus hervor, demgegenüber Jesus ausdrücklich die Absicht bekundete, ein neues Israel zu gründen, als er Simon den Namen „Petrus” (Fels) gab, auf dem Jesus seine Kirche bauen wollte (vgl. Mt 16,18).
3. Was Jesus mit der Einsetzung der Zwölf bezweckte, wird von Markus erklärt: „Und er setzte zwölf ein, die er bei sich haben und die er dann aussenden wollte, damit sie predigten und mit seiner Vollmacht Dämonen austrieben” (Mk 3,14-15). Der erste Punkt bei der Einsetzung der Zwölf ist also eine absolute Zugehörigkeit zu Christus: Es handelt sich um Menschen, die er „bei sich haben will”, das heißt, die alles verlassen, um ihm nachzufolgen. Der zweite Punkt ist der missionarische, ausgedrückt nach dem Beispiel der Sendung Jesu, der das Evangelium verkündete und die Dämonen austrieb. Die Sendung der Zwölf ist eine Teilhabe an der Sendung Christi seitens von Männern, die als Jünger, Freunde und Vertraute eng an ihn gebunden sind.
4. Bei der Sendung der Apostel unterstreicht der Evangelist Markus „die Vollmacht, Dämonen auszutreiben”. Eine Macht über die Gewalt des Bösen, was praktisch die Macht bedeutet, den Menschen das Heil durch Christus zu bringen, durch den, der den „Herrscher dieser Welt” hinauswirft (vgl. Joh 12,31).
Lukas bekräftigt den Sinn dieser Vollmacht und den Zweck der Einsetzung der Zwölf, indem er die Worte Jesu berichtet, der den Aposteln die Autorität in seinem Reich verleiht: „In allen meinen Prüfungen habt ihr bei mir ausgeharrt. Darum vermache ich euch das Reich, wie es mein Vater mir vermacht hat” (Lk 22,28-29). Auch in dieser Erklärung ist das Ausharren in Einheit mit Christus eng verbunden mit der in seinem Reich verliehenen Autorität.
Es handelt sich um die seelsorgliche Autorität, wie aus dem Text über die besonders Petrus anvertraute Mission ersichtlich ist: „Weide meine Lämmer … Weide meine Schafe!” (Joh 21,15-17). Petrus empfängt persönlich die Sendung als oberster Hirt. Diese Sendung wird ausgeübt als Teilhabe an der Autorität Christi, des einzigen Hirten und Meisters.
Die dem Petrus anvertraute oberste Autorität löscht keineswegs die den anderen Aposteln verliehene Autorität im Reich Gottes aus. Die pastorale Sendung ist auf die Zwölf verteilt, unter der Autorität eines universalen Hirten, des Beauftragten und Stellvertreters Christi, des guten Hirten.
5. Die besonderen Aufgaben, die der Mission innewohnen, die Jesus Christus den Zwölfen anvertraut hat, sind:
a) Die Sendung und Vollmacht, allen Völkern das Evangelium zu verkünden, wie die drei Synoptiker klar bestätigen (vgl. Mt 28,18-20; Mk 16,16-18; Lk 24,45-48). Unter ihnen hebt Matthäus die Beziehung klar hervor, die Jesus selbst zwischen seiner messianischen Macht und dem Auftrag hergestellt hat, den er den Aposteln erteilt hat: „Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf der Erde. Darum geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern” (Mt 28,18-19). Die Apostel können und müssen ihre Sendung dank der Macht Christi ausüben, die sich in ihnen kundtut.
b) Die Sendung und Vollmacht zu taufen (vgl. Mt 28,19) – als Erfüllung des Auftrags Christi – mit der Taufe auf den Namen der Heiligsten Dreifaltigkeit (vgl. ebd.); diese Taufe, mit dem Ostergeheimnis Christi verbunden, wird in der Apostelgeschichte auch als Taufe auf den Namen Jesu Christi betrachtet (vgl. Apg 2,38; 8,16).
c) Die Sendung und Vollmacht, Eucharistie zu feiern: „Tut dies zu meinem Gedächtnis!” (Lk 22,19; 1 Kor 11,24-25). Der Auftrag, durch die Konsekration des Brotes und des Weines das zu wiederholen, was Jesus beim letzten Abendmahl vollbracht hat, setzt eine höchste Macht voraus. Im Namen Christi zu sagen: „Das ist mein Leib”, „Das ist mein Blut”, ist beinahe eine Selbstidentifizierung mit Christus in der sakramentalen Handlung.
d) Die Sendung und Vollmacht, die Sünden zu vergeben (vgl. Joh 20,22-23). Es ist eine Teilhabe der Apostel an der Vollmacht des Menschensohnes, die Sünden auf Erden zu vergeben (vgl. Mk 2,10): jener Vollmacht, die im öffentlichen Wirken Jesu das Erstaunen der Leute hervorgerufen hatte, von denen der Evangelist sagt: „Sie … priesen Gott, der den Menschen solche Vollmacht gegeben hat” (vgl. Mt 9,8).
6. Um diese Sendung zu erfüllen, haben die Apostel neben der Vollmacht die besondere Gabe des Heiligen Geistes empfangen (vgl. Joh 20,21-22), der sich an Pfingsten gemäß der Verheißung Jesu (vgl. Apg 1,8) kundgetan hat. Durch dieses Geschenk haben sie vom Pfingsttag an den Evangelisierungsauftrag unter allen Völkern zu erfüllen begonnen. Das sagt uns das II. Vatikanische Konzil in der Konstitution Lumen Gentium: „Die Apostel aber verkündigten allenthalben die frohe Botschaft (vgl. Mk 16,20), die von den Hörenden kraft des Heiligen Geistes angenommen wurde, und versammelten so die universale Kirche, die der Herr in den Aposteln gegründet und auf den heiligen Petrus, ihren Vorsteher, gebaut hat, wobei Christus Jesus selbst der Eckstein ist (vgl. Offb 21,14; Mt 16,18; Eph 2,20)” (Lumen Gentium, Nr. 19).
7. Die Sendung der Zwölf umfasste eine ihnen vorbehaltene grundlegende Rolle, die niemand anderer hätte übernehmen können: Augenzeugen von Leben, Tod und Auferstehung Christi zu sein (vgl. Lk 24,48), der Urgemeinde seine Botschaft weiterzugeben als Bindeglied zwischen der göttlichen Offenbarung und der Kirche und deshalb den Anfang der Kirche zu setzen durch Christus und in seinem Namen, unter dem Wirken des Heiligen Geistes. Aufgrund dieser Rolle bilden die zwölf Apostel eine Gruppe von einzigartiger Bedeutung in der Kirche, die wegen dieser unauflösbaren Bindung an die Zwölf seit dem Nizäno-Konstantinopolitanischen Glaubensbekenntnis als „apostolisch” genannt wird (Credo unam sanctam, catholicam et „apostolicam” Ecclesiam). Das erklärt, warum die Kirche besondere Feierlichkeiten zu Ehren der Apostel auch in die Liturgie eingefügt hat.
8. Dennoch hat Jesus den Aposteln einen Evangelisierungsauftrag für alle Völker gegeben, der sehr viel Zeit erfordert, ja „bis zum Ende der Welt” dauert (Mt 28,20). Die Apostel verstanden, dass es der Wille Christi war, dass sie dafür sorgten, Nachfolger zu bekommen, die als ihre Erben und Gesandten ihre Mission weiterführten. Sie setzten dann „Bischöfe und Diakone” in den einzelnen Gemeinden ein „und bestimmten, dass nach ihrem Tod andere geeignete Männer ihre Nachfolge im Amt empfingen” (1 Clem 44,2; vgl. 42,1-4).
Auf diese Weise hat Christus eine hierarchische Struktur von Dienstämtern der Kirche errichtet, die von den Aposteln und ihren Nachfolgern gebildet wird; eine Struktur, die nicht aus einer vorhergegangenen, bereits bestehenden Gemeinschaft erwachsen ist, sondern unmittelbar von ihm geschaffen wurde.
Die Apostel waren einst der Samen des neuen Israel und der Ursprung der heiligen Hierarchie, wie man in der Konzilskonstitution Ad gentes (vgl. Ad gentes, Nr. 5) liest. Diese Struktur gehört deshalb zum Wesen der Kirche selbst, gemäß dem von Jesus verwirklichten göttlichen Plan. Sie spielt diesem Plan entsprechend eine entscheidende Rolle in der ganzen Entwicklung der christlichen Gemeinschaft, vom Pfingsttag an bis an das Ende der Zeiten, wenn alle Erwählten im himmlischen Jerusalem für immer an der Fülle des „neuen Lebens” teilhaben werden.
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Liebe Schwestern und Brüder!
Die Kirche als priesterliche, sakramentale und prophetische Gemeinschaft ist von Jesus Christus als eine gegliederte und hierarchische Gesellschaft mit Dienstämtern grundgelegt worden, deren Aufgabe die seelsorgliche Leitung und die Förderung des Wachstums dieser Gemeinschaft ist. Die ersten, denen ein solches pastorales Dienstamt übertragen wurde, sind die zwölf Apostel, die von Jesus Christus selbst als sichtbares Fundament seiner Kirche ausgewählt wurden. Jesus Christus, der ewige Hirte, hat „die heilige Kirche gebaut, indem er die Apostel sandte, wie er selbst gesandt worden war vom Vater (vgl. Joh 20,21). Er wollte, dass deren Nachfolger, das heißt die Bischöfe, in seiner Kirche bis zur Vollendung der Weltzeit Hirten sein sollten” (vgl. Lumen Gentium, Nr. 18).
Wie die Erzählung der Evangelien erkennen lässt, handelte es sich bei der Bestellung der Apostel um eine allein vom Herrn getroffene, einzigartige Wahl aus vollkommener Freiheit: „Er rief die zu sich, die er erwählt hatte” (vgl. Mk 3,13).
Eine erste Aufgabe, die Jesus den Aposteln anvertraut hat, besteht in der Verkündigung des Evangeliums an alle Menschen und Nationen; sodann sind sie gesandt, die Taufe zu spenden, die Eucharistie zu feiern und Sünden nachzulassen. Um diese Sendung zu erfüllen, haben die Apostel gemäß der Verheißung des Herrn neben den empfangenen Vollmachten besondere Gaben des Heiligen Geistes erhalten, wie das Geschehen von Pfingsten bekundet.
Die zwölf Apostel bilden also den Anfang der kirchlichen Hierarchie, die nach dem von Jesus verwirklichten göttlichen Plan zum Wesen der Kirche selbst gehört. Diesem Plan gemäß hat sie eine entscheidende Rolle in der ganzen Entwicklung der christlichen Gemeinschaft, angefangen vom Pfingsttag bis zum Ende der Zeiten, wenn alle Erwählten im himmlischen Jerusalem an der Fülle des „neuen Lebens” für immer teilhaben werden.
Mit dieser kurzen Betrachtung richte ich einen herzlichen Will kommensgrub an alle deutschsprachigen Pilger und Besucher, besonders an die Pilgergruppe aus St. Emmeram in Eschelbach. Seid Euch stets der Würde als Glieder des neuen Gottesvolkes bewubt und versucht, Euer Leben dieser göttlichen Berufung gemäb auszurichten. Dazu erteile ich Euch, Euren lieben Angehörigen daheim sowie allen, die uns in diesem Augenblick geistlich verbunden sind, von Herzen meinen Apostolischen Segen.
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Liebe Pilger aus Split, Zagreb und Varazdin, ich begrüße euch herzlich. Seid willkommen!
Eine große Schar von Kriegsflüchtlingen aus Kroatien und Bosnien-Herzegowina hat in euren Städten Zuflucht gefunden. Ich danke euch im Namen dieser unserer Schwestern und Brüder und danke auch allen, die ihnen weiterhin die dringenden und notwendigen humanitären Hilfen leisten. Solche Hilfen sind Menschen- und Christenpflicht!
In ähnlichen Situationen haben die Glaubenden immer eine besondere Verantwortung. Schöpft deshalb weiter aus dem Glauben und der edlen, althergebrachten Tradition und Kultur eures Volkes die notwendige Kraft, um die Schwierigkeiten zu überwinden, die durch den Krieg entstehen, der euer Vaterland immer noch verwüstet. Denkt gleichzeitig an die Zukunft, in der euch der materielle Wiederaufbau dessen erwartet, was zerstört wurde, und die geistliche Erneuerung des Einzelnen, der Familien und der gesamten Gesellschaft.
Auf euch und alle lieben Bewohner von Kroatien und Bosnien-Herzegowina rufe ich den Segen Gottes herab.
Gelobt seien Jesus und Maria!
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