JOHANNES PAUL II.
GENERALAUDIENZ
Mittwoch, 17. März 1993
1. Das Lehramt des römischen Papstes, das wir in der vorhergegangenen Katechese behandelt haben, gehört in den Bereich und kennzeichnet den Höhepunkt des Sendungsauftrags, das Evangelium zu verkünden, das Jesus den Aposteln und ihren Nachfolgern anvertraut hat. Wir lesen in der Konstitution Lumen Gentium des II. Vatikanischen Konzils: „Unter den hauptsächlichsten Ämtern der Bischöfe hat die Verkündigung des Evangeliums einen hervorragenden Platz. Denn die Bischöfe sind Glaubensboten, die Christus neue Jünger zuführen; sie sind authentische, das heißt mit der Autorität Christi ausgerüstete Lehrer. Sie verkündigen dem ihnen anvertrauten Volk die Botschaft zum Glauben und zur Anwendung auf das sittliche Leben … Die Bischöfe, die in Gemeinschaft mit dem römischen Bischof lehren, sind von allen als Zeugen der göttlichen und katholischen Wahrheit zu verehren. Die Gläubigen aber müssen mit einem im Namen Christi vorgetragenen Spruch ihres Bischofs in Glaubens- und Sittensachen übereinkommen und ihm mit religiös gegründetem Gehorsam anhangen” (Nr. 25).
Der Lehrauftrag der Bischöfe ist deshalb mit dem des römischen Papstes eng verbunden. Dementsprechend führt der Konzilstext weiter aus: „Dieser religiöse Gehorsam des Willens und Verstandes ist in besonderer Weise dem authentischen Lehramt des Bischofs von Rom, auch wenn er nicht kraft höchster Lehrautorität spricht, zu leisten; nämlich so, dass sein oberstes Lehramt ehrfürchtig anerkannt und den von ihm vorgetragenen Urteilen aufrichtige Anhänglichkeit gezollt wird, entsprechend der von ihm kundgetanen Auffassung und Absicht. Diese lässt sich vornehmlich erkennen aus der Art der Dokumente, der Häufigkeit der Vorlage ein- und derselben Lehre und der Sprechweise” (ebd.).
2. Diese höchste Autorität des päpstlichen Lehramtes, dem traditionsgemäß auch in seiner ordentlichen Form die Bezeichnung „apostolisch” vorbehalten ist, wurzelt in der institutionellen Tatsache, dass der römische Papst Nachfolger Petri ist in der Sendung, zu lehren, die Brüder zu stärken und sicherzustellen, dass die Verkündigung durch die Kirche mit dem „Glaubensgut” der Apostel und der Lehre Christi übereinstimmt. Die Autorität erwächst aber auch aus der Überzeugung, gereift in der christlichen Tradition, dass der Bischof von Rom der Erbe Petri ist auch bezüglich der Charismen eines besonderen Beistandes, den Jesus ihm zugesichert hat, als er ihm sagte: „Ich aber habe für dich gebetet” (Lk 22,32). Das bedeutet einen ständigen Beistand des Heiligen Geistes in der gesamten Ausübung des Lehrauftrags, der dahin zielt, die offenbarte Wahrheit und ihre Folgerungen im menschlichen Leben verständlich zu machen.
Deshalb bekräftigt das II. Vatikanische Konzil, dass das Wort des Papstes verdient, gehört und aufgenommen zu werden, auch wenn es nicht „ex cathedra”, sondern in der normalen Ausübung des Lehramtes gesprochen wird, in der augenscheinlichen Absicht, die Glaubenslehre zu verkünden, infolge der Institutionalisierung und des geistlichen Erbes, die der Nachfolge Petri ihre volle Dimension verleihen.
3. Bekanntlich gibt es Fälle, in denen das päpstliche Lehramt feierlich ausgeübt wird, in Bezug auf besondere Lehrpunkte, die zum Schatz der Offenbarung gehören oder eng mit ihm verbunden sind. Dies gilt für die Definitionen „ex cathedra” bezüglich der Unbefleckten Empfängnis Marias, die von Pius IX. im Jahr 1854 verkündet wurde, und bezüglich der leiblichen Aufnahme Marias in den Himmel, die Pius XII. im Jahr 1950 feierlich erklärte. Wie wir wissen, haben diese Definitionen allen Katholiken die Gewissheit gegeben, dass diese Wahrheiten zu bekräftigen und alle diesbezüglichen Zweifel auszuschließen sind.
Grund für diese Definitionen „ex cathedra” ist fast immer die Bestätigung der zu glaubenden Wahrheiten, weil sie zum „Glaubensgut” gehören, und der Ausschluss jeden Zweifels oder sogar die Verurteilung der Irrlehre hinsichtlich ihrer Authentizität und ihrer Bedeutung. Auf diese Weise erreicht man den Augenblick höchster, auch formaler Konzentration des Lehrauftrags, den Jesus den Aposteln und durch sie ihren Nachfolgern gegeben hat.
4. Im Hinblick auf die außerordentliche Größe und Bedeutung dieses Lehramtes für den Glauben hat die christliche Tradition dem Nachfolger Petri, der es allein oder in Gemeinschaft mit den zum Konzil versammelten Bischöfen ausübt, ein Charisma des Beistandes des Heiligen Geistes zuerkannt, das sich „Unfehlbarkeit” nennt.
Das I. Vatikanische Konzil sagt dazu: „Wenn der römische Bischof in höchster Lehrgewalt (ex cathedra) spricht, das heißt, wenn er seines Amtes als Hirt und Lehrer aller Christen waltend, in höchster, apostolischer Amtsgewalt endgültig entscheidet, eine Lehre über Glauben oder Sitten sei von der ganzen Kirche festzuhalten, so besitzt er aufgrund des göttlichen Beistandes, der ihm im heiligen Petrus verheißen ist, jene Unfehlbarkeit, mit der der göttliche Erlöser seine Kirche bei endgültigen Entscheidungen in Glaubens- und Sittenlehren ausgerüstet haben wollte. Diese endgültigen Entscheidungen des römischen Bischofs sind daher aus sich und nicht aufgrund der Zustimmung der Kirche unabänderlich” (DS 3074).
Diese Lehre wurde vom II. Vatikanischen Konzil zusammengefasst, bekräftigt und näher erläutert: „Dieser Unfehlbarkeit erfreut sich der Bischof von Rom, das Haupt des Bischofskollegiums, kraft seines Amtes, wenn er als oberster Hirt und Lehrer aller Christgläubigen, der seine Brüder im Glauben stärkt (vgl. Lk 22,32), eine Glaubens- oder Sittenlehre in einem endgültigen Akt verkündet. Daher heißen seine Definitionen mit Recht aus sich und nicht erst aufgrund der Zustimmung der Kirche unanfechtbar, da sie ja unter dem Beistand des Heiligen Geistes vorgebracht sind … Sie bedürfen daher keiner Bestätigung durch andere und dulden keine Berufung an ein anderes Urteil. In diesem Falle trägt nämlich der Bischof von Rom seine Entscheidung nicht als Privatperson vor, sondern legt die katholische Glaubenslehre aus und schützt sie in seiner Eigenschaft als oberster Lehrer der Gesamtkirche, in dem als einzelnem das Charisma der Unfehlbarkeit der Kirche selbst gegeben ist” (Lumen Gentium, Nr. 25).
5. Es ist anzumerken, dass das Zweite Vatikanische Konzil auch das Lehramt der mit dem Papst vereinigten Bischöfe hervorhebt und betont, dass auch sie die Unterstützung des Heiligen Geistes genießen, wenn sie gemeinsam mit dem Nachfolger Petri einen Glaubenspunkt definieren: „Die der Kirche verheißene Unfehlbarkeit ist auch in der Körperschaft der Bischöfe gegeben, wenn sie das oberste Lehramt zusammen mit dem Nachfolger Petri ausübt. [...]. Wenn aber der Bischof von Rom oder die Körperschaft der Bischöfe mit ihm einen Satz definieren, legen sie ihn vor gemäß der Offenbarung selbst [...], In Schrift oder Überlieferung wird sie durch die rechtmäßige Nachfolge der Bischöfe weitergegeben [...] und im Licht des Geistes der Wahrheit in der Kirche rein bewahrt und getreu ausgelegt“ (Lumen gentium, 25).
Und weiter: „Die einzelnen Bischöfe besitzen zwar nicht den Vorzug der Unfehlbarkeit; wenn sie aber, in der Welt räumlich getrennt, jedoch in Wahrung des Gemeinschaftsbandes untereinander und mit dem Nachfolger Petri, authentisch in Glaubens- und Sittensachen lehren und eine bestimmte Lehre übereinstimmend als endgültig verpflichtend vortragen, so verkündigen sie auf unfehlbare Weise die Lehre Christi.
Dies ist noch offenkundiger der Fall, wenn sie auf einem Ökumenischen Konzil vereint für die ganze Kirche Lehrer und Richter des Glaubens und der Sitten sind. Dann ist ihren Definitionen mit Glaubensgehorsam anzuhangen. Diese Unfehlbarkeit, mit welcher der göttliche Erlöser seine Kirche bei der Definierung einer Glaubens- und Sittenlehre ausgestattet sehen wollte, reicht so weit wie die Hinterlage der göttlichen Offenbarung, welche rein bewahrt und getreulich ausgelegt werden muss, es erfordert” (Lumen Gentium, Nr. 25).
6. In diesen Konzilstexten gibt es gleichsam eine Festlegung des Bewusstseins, das bereits die in Jerusalem versammelten Apostel hatten: „Denn der Heilige Geist und wir haben beschlossen …” (Apg 15,28). Dieses Bewusstsein bestätigte die Verheißung Jesu, den Aposteln und der Kirche den Geist der Wahrheit zu senden, nach der Vollendung des Kreuzesopfers und seinem Heimgang zum Vater. „Der Beistand aber, der Heilige Geist, … wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe” (Joh 14,26). Diese Verheißung hat sich an Pfingsten verwirklicht, von dem die Apostel sich noch gestärkt fühlten. Die Kirche hat von ihnen dieses Bewusstsein und dieses Gedächtnis geerbt.
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Mit dieser kurzen Betrachtung heibe ich die deutschsprachigen Pilger und Besucher sehr herzlich willkommen. Mein besonderer Grub gilt der Pilgergruppe aus Tirol, die sich anläblich der Feiern zum 100. Geburtstag von Anna Dengel, der Gründerin der ”Missonsärztlichen Schwestern“, in Rom aufhält, ferner den Seelsorgern, Ärzten, Schwestern und dem Pflegepersonal des St.–JosephsKrankenhauses in Freiburg sowie der Gruppe von Aussiedlern aus Nordrhein–Westfalen. Euch, liebe Schwestern und Brüder, Euren Angehörigen in der Heimat und all jenen, die uns in diesem Augenblick geistlich verbunden sind, erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen.
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