JOHANNES PAUL II.
GENERALAUDIENZ
Mittwoch, 20. Oktober 1993
1. Unter den Themen der Katechesen über den Diakonat ist das über den Geist des Diakonats besonders wichtig und interessant, der alle berührt und erfasst, die dieses Sakrament empfangen, um ihre Aufgaben entsprechend der Dimension des Evangeliums zu erfüllen. Das ist der Weg, der die Diener zur christlichen Vollkommenheit führt und ihnen erlaubt, einen wahrhaft wirksamen Dienst (diaconia) in der Kirche zu leisten „für den Aufbau des Leibes Christi” (Eph 4,12).
Daraus entspringt die diakonische Spiritualität, die ihren Ursprung in der „sakramentalen Diakonatsgnade” hat, wie das II. Vatikanische Konzil sie nennt (Ad gentes, Nr. 16). Sie ist nicht nur eine wertvolle Hilfe bei der Erfüllung der verschiedenen Aufgaben, sondern sie beeinflusst tiefgreifend Geist und Herz des Diakons, indem sie ihn zur Hingabe seiner ganzen Person im Dienst für das Reich Gottes und die Kirche verpflichtet. Wie die Bezeichnung „Diakonat” selbst aussagt, kennzeichnet der Geist des Dienstes das innere Fühlen und Wollen dessen, der dieses Weihesakrament empfängt. Durch den Diakonat will man das verwirklichen, was Jesus in Bezug auf seine Sendung gesagt hat: „Der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen” (Mk 10,45; Mt 20,28).
Jesus richtete diese Worte zweifelsohne an die Zwölf, die er zum Priestertum bestimmte, um ihnen verständlich zu machen, dass sie sich, obwohl mit der von ihm verliehenen Vollmacht ausgestattet, wie er als Diener verhalten sollten. Deshalb gilt die Mahnung für alle Diener Christi. Dennoch ist sie von besonderer Bedeutung für die Diakone, und zwar mit ausdrücklicher Betonung dieses Dienstes. Sie verfügen nicht über die pastorale Vollmacht der Priester, sondern sind vor allem dazu bestimmt, durch die Erfüllung all ihrer Aufgaben die Absicht, zu dienen, zum Ausdruck zu bringen. Wenn ihr Dienst mit diesem Geist übereinstimmt, stellen sie noch mehr den charakteristischen Wesenszug Christi ins Licht: den Dienst, nicht nur „Diener Gottes”, sondern auch Diener der Mitmenschen zu sein.
2. Es ist eine Anleitung zum geistlichen Leben, die ihren Ursprung im Evangelium hat und in die frühe christliche Tradition übergegangen ist, wie der alte Text unter dem Namen „Didaskalia der Apostel” (3. Jh.) bestätigt. Die Diakone werden ermutigt, sich an dem im Evangelium beschriebenen Ereignis der Fußwaschung zu inspirieren: „Wenn der Herr das getan hat – heißt es in dieser Schrift –, dann sollt ihr Diakone nicht zögern, es für die zu tun, die krank und leidend sind, denn ihr seid Arbeiter der Wahrheit, mit dem Vorbild Christi bekleidet” (XVI, 36: ed. Connolly, 1904, S. 151). Der Diakonat verpflichtet zur Nachfolge Jesu in dieser Haltung des demütigen Dienstes, der nicht nur in den Werken der Liebe Ausdruck findet, sondern die ganze Denk- und Handlungsweise bestimmt und formt.
In dieser Sicht versteht man die im Dokument Sacrum Diaconatus Ordinem enthaltene Bestimmung für die Zulassung der jungen Männer zur Diakonatsausbildung: „Zur Ausbildung für den Diakonat sollen nur solche jungen Männer aufgenommen werden, die eine natürliche Neigung zum Dienst der Hierarchie und der christlichen Gemeinschaft zeigen” (Nr. 8). Die „natürliche Neigung” soll nicht im Sinn eines einfachen inneren Antriebs der natürlichen Veranlagung verstanden werden, wenn dies auch immer eine zu berücksichtigende Voraussetzung ist. Es handelt sich um eine Neigung der von der Gnade beseelten Natur in einem Geist des Dienstes, der das menschliche Verhalten dem von Christus gleichförmig macht. Das Sakrament des Diakonats bringt diese Neigung zur Entfaltung: Es lässt den Menschen tiefer am Geist des Dienstes Christi teilhaben, durchdringt seinen Willen mit einer besonderen Gnade und bewirkt, dass er in seinem ganzen Verhalten von einer Neigung zum Dienst an den Mitmenschen beseelt wird.
Es handelt sich um einen Dienst, der vor allem als Hilfe für den Bischof und den Priester sowohl im Gottesdienst als auch im Apostolat zu leisten ist. Es erübrigt sich hier anzumerken, dass derjenige, der von einer Mentalität des Widerspruchs oder des Widerstands gegen die Obrigkeit beherrscht wird, die Aufgaben des Diakons nicht angemessen erfüllen könnte. Der Diakonat darf nur denen verliehen werden, die an den Wert der Hirtensendung des Bischofs und des Priesters und an den Beistand des Heiligen Geistes glauben, der sie in ihrem Handeln und in ihren Entscheidungen leitet. Insbesondere ist zu wiederholen, dass der Diakon verpflichtet ist, „dem Bischof Ehrfurcht und Gehorsam zu erweisen” (ebd., Nr. 30).
Aber der Diakonatsdienst gilt auch der eigenen christlichen Gemeinschaft und der ganzen Kirche, für die er eine tiefe Liebe hegen soll, aufgrund seiner Sendung und seiner göttlichen Einsetzung.
3. Das II. Vatikanische Konzil spricht auch von den Pflichten und Aufgaben, welche die Diakone übernehmen: „An der Sendung und Gnade des Hohenpriesters haben in eigener Weise auch … vor allem die Diakone (teil), die den Geheimnissen Christi und der Kirche dienen und sich deshalb von jedem Laster rein bewahren, Gott gefallen und für alles Gute vor den Menschen sorgen müssen (vgl. 1 Tim 3,8-10.12-13)” (Lumen Gentium, Nr. 41). Sie haben deshalb die Pflicht, Zeugnis zu geben, das nicht nur ihren Dienst und ihr Apostolat betrifft, sondern ihr ganzes Leben.
Auf die damit verbundenen Pflichten und Aufgaben lenkt Paul VI. die Aufmerksamkeit in dem bereits genannten Dokument Sacrum Diaconatus Ordinem: „Da die Diakone den Geheimnissen Christi und der Kirche dienen, sollen sie sich vor jeder schlechten Gewohnheit hüten und Gott immer zu gefallen suchen, bereit zu jedem guten Werk für das Heil der Menschen. Wegen der empfangenen Weihe müssen sie die anderen übertreffen in lebendiger Teilnahme an der Liturgie, im Gebetseifer, im göttlichen Dienst, im Gehorsam, in der Liebe, in der Keuschheit” (Nr. 25). Insbesondere was die Keuschheit betrifft, verpflichten sich die jungen Männer, die zu Diakonen geweiht sind, den Zölibat einzuhalten und ein Leben der engen Verbundenheit mit Christus zu führen. Nach Empfang der Weihe sind auch die Diakone reiferen Alters „nach der überlieferten Disziplin der Kirche rechtlich unfähig, eine Ehe einzugehen” (ebd., Nr. 16).
4. Um diese Pflichten zu erfüllen und, noch besser, um den Erfordernissen des Diakonats mit Hilfe der sakramentalen Gnade zu entsprechen, ist eine geistliche Lebensführung notwendig, die das Motu proprio Pauls VI. so beschreibt: Die Diakone sollen: „1) eifrig der Lesung und der andächtigen Betrachtung des Wortes Gottes obliegen; 2) häufig, ja womöglich jeden Tag, tätig am Messopfer teilnehmen, das Sakrament der heiligen Eucharistie empfangen und diesem frommen Besuch abstatten; 3) häufig das Bußsakrament empfangen und, um den würdigen Empfang zu gewährleisten, tägliche Gewissenserforschung halten; 4) die jungfräuliche Gottesmutter Maria fromm verehren und lieben” (ebd., Nr. 26).
Papst Paul VI. fügt hinzu: „Es ist sehr angemessen, dass die ständigen Diakone wenigstens einen Teil des göttlichen Offiziums, der von der Bischofskonferenz genau zu bestimmen ist, täglich beten” (ebd., Nr. 27). Die Bischofskonferenzen haben die Aufgabe, die Standespflichten der Diakone im Einzelnen festzulegen, entsprechend der Orts- und Zeitumstände.
Wer den Diakonat empfängt, ist verpflichtet, sich ständig in der Lehre weiterzubilden, sodass das vor der Weihe erforderliche Studium noch vervollständigt und auf den heutigen Stand gebracht wird: „Die Diakone sollen im Studium besonders der Theologie nicht nachlassen; die Heilige Schrift sollen sie eifrig lesen; mit den verschiedenen Zweigen der kirchlichen Wissenschaft sollen sie sich so vertraut machen, dass sie die katholische Lehre anderen richtig darlegen können und immer mehr geeignet werden, die Gläubigen zu erziehen und zu stärken. Um das zu erreichen, sollen die Diakone zu festgesetzten Zeiten zu Tagungen zusammengerufen werden, auf denen Fragen ihres Lebens und Dienstes behandelt werden” (ebd., Nr. 29).
5. Die Katechese über den Diakonat, die ich halten wollte, um ein vollständiges Bild von der kirchlichen Hierarchie zu zeichnen, stellt also das heraus, was in diesem Amt wie auch im Priester- und im Bischofsamt von höchster Bedeutung ist: eine besondere geistliche Teilhabe am Priestertum Christi und die Gleichgestaltung des Lebens mit ihm unter der Führung des Heiligen Geistes. Bevor ich schließe, möchte ich darauf hinweisen, dass auch die Diakone wie die Priester und Bischöfe, bemüht auf dem Weg des Dienstes in der Nachfolge Christi, mit dem Erlösungsopfer enger verbunden sind, entsprechend dem Grundsatz, den Jesus lehrte, als er zu den Zwölf vom Menschensohn sprach, der gekommen sei, „um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele” (Mk 10,45). Die Diakone sind deshalb berufen, in Vereinigung mit Christus, dem Erlöser, am Geheimnis des Kreuzes teilzuhaben, die Leiden der Kirche zu teilen und die Ablehnung, auf die sie stößt, zu ertragen. Und dieser schmerzliche Aspekt des diakonischen Dienstes macht ihn noch fruchtbarer.
__________________________
Liebe Schwestern und Brüder!
Herzlich heiße ich euch willkommen, die ihr am Grab des hl. Petrus so zahlreich versammelt seid, um ihm Verehrung zu erweisen und seinem Nachfolger Treue zu bekunden.
Indem ich Euch, liebe Schwestern und Brüder, innig bitte, mit mir zu beten, damit unsere Diakone mit dem Geist des Dienens erfüllt werden, grübe ich Euch alle recht herzlich. Mein besonderer Willkommensgrub gilt den Mitgliedern des Austria–Bosnien–Komitees des Sozialdienstes Hietzing, der Gruppe des Ökumene–Ausschusses der Evangelischen Kirche von Westfalen, den Teilnehmern an der Leserfahrt der Kirchenzeitung ”Der Pilger“ des Bistums Speyer und den Mitgliedern der Christlich–Sozialen Union Oberpfalz.
Euch allen, Euren lieben Angehörigen und Freunden in der Heimat sowie allen, die uns in diesem Augenblick geistlich verbunden sind, erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen.
Copyright © Dikasterium für Kommunikation