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JOHANNES PAUL II.

GENERALAUDIENZ

Mittwoch, 14. Dezember 1994

DE  - ES  - IT

1. Bei den Wesensmerkmalen des gottgeweihten Lebens spricht das II. Vatikanische Konzil im Dekret Perfectae caritatis, nachdem es die evangelischen Räte der Keuschheit, der Armut und des Gehorsams behandelt hatte, vom gemeinschaftlichen Leben unter Bezugnahme auf das Beispiel der ersten Christengemeinden und auf die Quelle des Evangeliums.

Die Lehre des Konzils zu diesem Punkt ist sehr bedeutsam, auch wenn es bei einigen Formen des gottgeweihten Lebens, wie bei denen der Eremiten, ein Gemeinschaftsleben im wahrsten Sinn des Wortes nicht gibt, oder wenn es weitgehend reduziert ist und in den Säkularinstituten nicht unbedingt erforderlich ist. Aber in den meisten Instituten des gottgeweihten Lebens wird es sowohl von den Gründern als auch von der Kirche als eine Grundregel für den guten Ablauf des Ordenslebens und für eine wirksame Regelung des Apostolats betrachtet. Dementsprechend hat die Kongregation für die Institute des gottgeweihten Lebens und die Gemeinschaften des apostolischen Lebens kürzlich (am 2. Februar 1994) ein Sonderdokument über „Das brüderliche Leben in der Gemeinschaft” veröffentlicht.

2. Wenn wir uns an das Evangelium halten, kann man sagen, dass das Gemeinschaftsleben dem entspricht, was Jesus über die Verbindung zwischen den beiden Geboten der Liebe zu Gott und der Liebe zum Nächsten gelehrt hat. In einem Lebensstand, in dem man Gott über alles lieben will, kann man nicht umhin, auch den Nächsten besonders hochherzig zu lieben, angefangen von denen, die uns am nächsten sind, weil sie zur selben Gemeinschaft gehören. Das ist der Lebensstand der „Gottgeweihten”.

Aus dem Evangelium geht weiter hervor, dass Jesus wohl Einzelpersonen berufen hat, aber um sie allgemein einzuladen, sich zusammenzuschließen und eine Gemeinschaft zu bilden: Das galt für die Gruppe der Jünger wie auch für die der Frauen.

Im Text des Evangeliums wird auch die Bedeutung der brüderlichen Liebe als Seele der Gemeinschaft und damit als wesentlicher Wert des Gemeinschaftslebens dokumentiert. Es wird von Streitigkeiten berichtet, die es mehrmals unter den Aposteln gab, die, obwohl sie Jesus nachfolgten, immer noch Menschen, Kinder ihrer Zeit und ihres Volkes waren: Sie waren besorgt, eine Rang- und Führungsordnung festzulegen. Die Antwort Jesu war eine Lehre der Demut und Dienstbereitschaft (vgl. Mt 18,3-4; 20,26-28 und par.). Dann gab er ihnen „sein” Gebot, das der gegenseitigen Liebe (vgl. Joh 13,34; 15,12.17) nach seinem Beispiel. In der Geschichte der Kirche und besonders der Ordensinstitute tauchte das Problem der Beziehungen zwischen Einzelmenschen und Gruppen immer wieder auf, fand aber keine andere gültige Antwort als die der christlichen Demut und brüderlichen Liebe, die im Namen und in kraft der Liebe Christi vereint, wie es das alte „Agape”-Lied zum Ausdruck bringt: Congregavit nos in unum Christi amor. Die Liebe Christi hat uns zusammengeführt.

Gewiss fordert die Praxis der brüderlichen Liebe im Gemeinschaftsleben bemerkenswerte Anstrengungen und Opfer und verlangt nicht weniger Hochherzigkeit als das Leben der evangelischen Räte. Deshalb bringt der Eintritt in ein Ordensinstitut oder in eine Gemeinschaft die ernste Verpflichtung mit sich, die brüderliche Liebe unter all ihren Aspekten zu verwirklichen.

3. Vorbild darin ist die Gemeinde der ersten Christen. Sie versammelt sich gleich nach der Himmelfahrt, um einmütig im Gebet zu verharren (vgl. Apg 1,14) und um an der brüderlichen „Gemeinschaft” festzuhalten (Apg 2,42), und sie geht sogar bis zur Gütergemeinschaft: Sie „hatten alles gemeinsam” (Apg 2,44). Die von Christus gewünschte Einheit wurde damals am Anfang der Kirche in einer Weise verwirklicht, die es wert ist, in Erinnerung gerufen zu werden: „Die Gemeinde der Gläubigen war ein Herz und eine Seele” (Apg 4,32). In der Kirche blieb immer die Erinnerung – und vielleicht auch die Sehnsucht – an jene Urgemeinde lebendig, und die Ordensgemeinschaften suchten im Grunde genommen immer, dieses Ideal der Gemeinschaft in der Liebe, die die praktische Regel des Gemeinschaftslebens geworden war, neu zu verwirklichen. Ihre durch die Liebe geeinten Mitglieder leben in Gemeinschaft, weil sie in dieser Liebe bleiben wollen. So können sie Zeugen des wahren Antlitzes der Kirche sein, in dem sich ihre Seele, die Liebe, widerspiegelt. „Ein Herz und eine Seele” bedeutet nicht Einförmigkeit, Vereinheitlichung, Verflachung, sondern tiefe Gemeinschaft im gegenseitigen Verständnis und in der Achtung voreinander.

4. Aber es darf sich nicht nur um eine gefühlsmäßige und menschlich liebevolle Verbundenheit handeln. Das Konzil, Widerhall der Apostelgeschichte, spricht von der „Gemeinsamkeit des Geistes” (Perfectae caritatis, Nr. 15). Es handelt sich um eine Gemeinsamkeit, die ihre tiefsten Wurzeln im Heiligen Geist hat, der die Liebe in die Herzen gießt (vgl. Röm 5,5) und unterschiedliche Menschen antreibt, einander auf dem Weg der Vollkommenheit zu helfen, indem er unter ihnen eine Atmosphäre des guten Einvernehmens und der Zusammenarbeit schafft und aufrechterhält. So wie er die Einheit in der ganzen Kirche sichert, so stellt der Heilige Geist sie in noch größerem Maß in den Gemeinschaften des gottgeweihten Lebens her und lässt sie andauern.

Welches sind die Wege der vom Heiligen Geist eingegossenen Liebe? Das Konzil lenkt die Aufmerksamkeit besonders auf die gegenseitige Achtung (vgl. Perfectae caritatis, Nr. 15). Es wendet zwei Empfehlungen des hl. Paulus an die Christen auf die Ordensleute an: „Seid einander in brüderlicher Liebe zugetan, übertrefft euch in gegenseitiger Achtung” (Röm 12,10). – „Einer trage des anderen Last” (Gal 6,2). Die gegenseitige Achtung ist Ausdruck der gegenseitigen Liebe, die sich der weitverbreiteten Neigung widersetzt, den Nächsten streng zu verurteilen und zu kritisieren. Die Weisung von Paulus regt dazu an, in den anderen ihre Qualitäten zu entdecken und, soweit es menschliche Augen sehen können, das wunderbare Werk der Gnade und letzten Endes des Heiligen Geistes. Diese Achtung bringt die Annahme des anderen mit seinen Besonderheiten und seiner Denk- und Handlungsweise mit sich; so ist es möglich, viele Hindernisse zu überwinden, die der Eintracht unter oft sehr verschiedenen Charakteren entgegenstehen.

„Des anderen Last zu tragen” bedeutet, die wahren oder scheinbaren Fehler der anderen liebevoll anzunehmen, auch wenn sie einem unangenehm sind, und gern alle Opfer auf sich nehmen, die beim Zusammenleben mit denen auferlegt werden, die eine Mentalität und ein Temperament haben, die mit der eigenen Sicht- und Urteilsweise nicht voll übereinstimmen.

5. Das Konzil (Perfectae caritatis, Nr. 15) erinnert diesbezüglich immer daran, dass die Liebe die Erfüllung des Gesetzes ist (vgl. Röm 13,10), das Band der Vollkommenheit (vgl. Kol 3,14), das Zeichen des Übergangs vom Tod zum Leben (vgl. 1 Joh 3,14), die Offenbarung des Kommens Christi (vgl. Joh 14,21.23) und die Kraftquelle für das Apostolat. Wir können auf das Gemeinschaftsleben die Vollkommenheit der von Paulus im ersten Korintherbrief (13,1-13) beschriebenen Liebe anwenden und ihm das zuschreiben, was der Apostel die Frucht des Geistes nennt: „Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Selbstbeherrschung” (Gal 5,22): Früchte – so das Konzil – der „Liebe Gottes, die durch den Heiligen Geist in den Herzen ausgegossen ist (vgl. Röm 5,5)” (Perfectae caritatis, Nr. 15).

Jesus hat gesagt: „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen” (Mt 18,20). Also: Die Gegenwart Christi ist überall dort vorhanden, wo Einheit in der Liebe herrscht, und die Gegenwart Christi ist eine Quelle tiefer Freude, die sich jeden Tag erneuert bis zum Augenblick der endgültigen Begegnung mit ihm.

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Mit diesen kurzen Überlegungen heiße ich Euch, die deutschsprachigen Pilger und Besucher, sehr herzlich willkommen. Mit meinen besten Wünschen für eine besinnliche Adventszeit erteile ich Euch und Euren Lieben in der Heimat von Herzen meinen Apostolischen Segen.

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In slowakischer Sprache sagte der Papst:

Von ganzem Herzen grüße ich die junge folkloristische Gruppe Cecinka aus Pressburg. Es freut mich, dass ihr die slowakischen Volksbräuche pflegt. Bleibt auch euren religiösen Traditionen treu – bleibt dem Glauben eurer Väter treu.

Vom Mysterium der Weihnacht, auf deren Feier wir uns vorbereiten, singt unschöne Lieder. Verkündet damit die Freude darüber, dass Gott uns liebt und gekommen ist, um unter uns zu wohnen. Antwortet auf seine Liebe mit vorbildlichem christlichen Leben. Mit dem Wunsch, dass ihr und die ganze Slowakei frohe Weihnachten erleben möget, erteile ich euch den Apostolischen Segen. Gelobt sei Jesus Christus.

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In ungarischer Sprache sagte der Papst:

Ich grüße euch mit Zuneigung, liebe Pilger aus Budapest. Wir sind im Advent. Bereiten wir den Weg des Herrn und ebnen wir die Wege, die zu unserem Gott, dem Erlöser, führen. Warten wir mit lebendigem Glauben und mit Taten brüderlicher Barmherzigkeit auf die heilige Weihnacht, damit wir mit Freude das große Mysterium unserer Erlösung feiern können. Dies erbitte ich in der heiligen Messe für euch, für eure Lieben und alle Brüder in der Heimat. Mit meinem Apostolischen Segen.