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JOHANNES PAUL II.

GENERALAUDIENZ

Mittwoch, 17. Mai 1995

DE  - ES  - IT

1. In einer der vorangegangenen Katechesen über das Thema Mission haben wir bereits auf das Ausmaß der Evangelisierungstätigkeit hingewiesen, zu der die Kirche heute aufgerufen ist, und auf die Schwierigkeiten, vor die sie gestellt wird. Insbesondere müssen wir nochmals daran erinnern, dass der Bevölkerungsfaktor ein zahlenmäßig starkes Missverhältnis zwischen Christen und Nichtchristen verursacht hat, angesichts dessen man unweigerlich die menschlichen Mängel und Schwächen unserer Möglichkeiten und Mittel spürt. Außerdem werfen die Vielfalt der sozialen Beziehungen auch auf internationaler und interkontinentaler Ebene sowie die Verbreitung der Kultur durch die Schule und die sozialen Kommunikationsmittel Probleme auf, die für die Missionsarbeit neu sind, die hingegen nicht mehr auf die gleichartigen und grundlegend religiösen Traditionen der Völker zählen kann.

Ebenso wenig darf „die starke Zunahme der jungen Kirchen in letzter Zeit“ falsche Hoffnungen wecken. Denn es gibt noch „ausgedehnte, nicht evangelisierte Zonen“ (Redemptoris missio, Nr. 37). Und selbst unter den Völkern, die den christlichen Glauben seit langem angenommen haben, erscheint eine neue, vertiefte und den jetzigen Bedürfnissen und Ansprüchen angemessene Evangelisierung nötig. Ja, „nicht nur eine Neuevangelisierung, sondern in einigen Fällen eine erstmalige Evangelisierung“ (ebd.).

2. Das schrieb ich in der Enzyklika Redemptoris missio und betonte: „Die Mission ad gentes steht vor einer ungeheuren Aufgabe, die keineswegs im Schwinden ist. Im Gegenteil, sie scheint ein noch viel weiteres Blickfeld vor sich zu haben, sowohl unter der zahlenmäßigen Rücksicht der demografischen Zunahme als auch unter der soziokulturellen Rücksicht des Entstehens neuer Beziehungen, neuer Kontakte und sich verändernder Situationen“ (ebd., Nr. 35).

In einigen Ländern stößt die Evangelisierung auf „Hindernisse kultureller Art: die Vermittlung der evangelischen Botschaft erscheint irrelevant oder unverständlich; Bekehrung wird als Verleugnung des eigenen Volkes und der eigenen Kultur angesehen“ (ebd.). In solchen Fällen kann der Übertritt zum Christentum sogar Verfolgungen hervorrufen, die Intoleranz anzeigen und im Gegensatz zu den Grundrechten des Menschen auf Gedanken- und Religionsfreiheit stehen. In solchen Fällen entsteht eine Art kultureller Abkapselung, die eben ein Hindernis für die Evangelisierung, aber auch von sich aus einen beklagenswerten Mangel an Dialog- und Öffnungsbereitschaft gegenüber einer geistigen, intellektuellen und moralischen Bereicherung darstellt.

3. In der Enzyklika über den missionarischen Auftrag bestätigte ich, dass die Schwierigkeiten für die Missionsarbeit manchmal „unüberwindbar scheinen und entmutigen könnten, wenn es sich um ein rein menschliches Unterfangen handelte“ (ebd.). Vor dem menschlichen Faktor dieses Werkes dürfen wir jedoch nicht die Augen verschließen. Mängel und Unzulänglichkeiten gibt es wirklich, und ich unterließ es nicht, auf sie hinzuweisen (vgl. ebd., Nr. 36). Es handelt sich hauptsächlich um ein gewisses Schwinden des Eifers in der Missionsarbeit; die traurige Erfahrung der vergangenen und noch bestehenden Spaltungen unter den Christen; die Abnahme der Berufe; das widersprüchliche Zeugnis derer, die ihren Versprechen und missionarischen Verpflichtungen nicht nachkommen; die von religiösem Relativismus durchdrungene Haltung der Gleichgültigkeit, die viele unserer Zeitgenossen denken und sagen lässt, dass „eine Religion so viel wert ist wie die andere“.

Aber solche Schwierigkeiten helfen uns, die Herausforderung besser zu verstehen, vor die der missionarische Einsatz heute mehr denn je gestellt ist. Wir dürfen schon zu Beginn darauf hinweisen, dass die Mission der Kirche ständig eine Herausforderung war: Wie hätte sonst die kleine Gruppe der Jünger Christi das von ihm geforderte universale Evangelisierungswerk beginnen können? Wie hätte diese kleine Schar von Fischern aus Galiläa „alle Völker lehren“ können? Jesus war sich durchaus der Schwierigkeiten bewusst, die die Apostel zu bewältigen hatten; deshalb gab er uns seine eigene Sicherheit: „Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt“ (Mt 28,20).

Sie glaubten an ihn, an seine Gegenwart und seine Macht, im Leben und im Tod. Die Urkirche nährte sich von diesem Glauben. Die heutige Kirche begegnet im Bewusstsein der geringen menschlichen Kräfte den Schwierigkeiten der Evangelisierung mit der Demut und Zuversicht, die die Gläubigen von Anfang an und für alle Zeiten beseelt hat. Sie kräftigt ihren Glauben in der allmächtigen Gegenwart Christi.

4. Zu diesem Glauben gehört die Gewissheit, dass die Gaben des Heiligen Geistes den missionarischen Eifer der Gläubigen unaufhörlich erneuern, um die Spaltungen durch die Einheit in der Liebe zu überwinden, die Zunahme und die Begeisterung der Missionsberufe zu begünstigen, das aus dem Glauben erwachsene Zeugnis zu verstärken und jede Entmutigung zu vermeiden. Die Kirche meint ohne Prahlerei mit dem Apostel Paulus sagen zu können: „omnia possum in eo qui me confortat“ – „Alles vermag ich durch ihn, der mir Kraft gibt“ (Phil 4,13).

Mit dieser „Kraft“ Christi bewältigen die Missionare die Probleme, die für die Missionstätigkeit durch die neuen soziokulturellen Bedingungen in der Welt entstanden sind. Wenn die jüngste Bevölkerungsentwicklung auf Weltebene dahin tendiert, dass ein Großteil der Bevölkerung sich immer mehr in den Metropolen anhäuft und die Missionsarbeit sich nicht mehr „überwiegend in verlassenen Gebieten, fernab von zivilisierten Zentren“ entfaltet, zögert die Kirche nicht zuzugeben, dass „zu den bevorzugten Orten die Großstädte werden müssten, in denen neue Gewohnheiten und Lebensstile, neue Formen der Kultur und der Kommunikation entstehen“, und dass „diejenigen Menschengruppen am wenigsten vernachlässigt werden dürfen, die am meisten am Rande stehen und isoliert sind“ (Redemptoris missio, Nr. 37).

5. Die Instrumente für die Verkündigung des Evangeliums müssen überprüft werden, und die sozialen Kommunikationsmittel müssen noch besser eingesetzt werden. Der „erste Areopag der neuen Zeit ist die Welt der Kommunikation, die die Menschheit immer mehr eint und – wie man zu sagen pflegt – zu einem ‚Weltdorf‘ macht. Die Mittel der sozialen Kommunikation spielen eine derartig wichtige Rolle, dass sie für viele zum Hauptinstrument der Information und Bildung, der Führung und Beratung für individuelles, familiäres und soziales Verhalten geworden sind“ (ebd.). Bisher wurden diese Mittel nicht genügend eingesetzt, jedoch ist allen der Einfluss bekannt, den sie ausüben und der dazu dienen kann, die Ausbreitung der Verkündigung zu verstärken.

Bekannt ist auch, dass die Massenmedien zur Entwicklung einer neuen Kultur beitragen. In dieser Kultur hat die Kirche nun die Aufgabe, den Geist des Evangeliums zu säen. „Die Einbeziehung der Massenmedien hat jedenfalls nicht nur den Zweck, die Botschaft des Evangeliums vielen zugänglich zu machen.

Es handelt sich um eine weitaus tiefere Angelegenheit, da die Evangelisierung der modernen Kultur selbst zum großen Teil von ihrem Einfluss abhängt. Es genügt also nicht, sie nur zur Verbreitung der christlichen Botschaft und der Lehre der Kirche zu benutzen, sondern die Botschaft selbst muss in diese von der modernen Kommunikation geschaffene ‚neue Kultur‘ integriert werden“ (ebd.). Deshalb sollte man dahin wirken, dass die sozialen Kommunikationsmittel, besonders Radio und Fernsehen, in den Händen der neuen Apostel aufgrund ihres ungeheuren Einflusses auf die Massen zu wertvollen Instrumenten der Evangelisierung werden. Auf diesem Gebiet sind die Laien zu einer äußerst wichtigen Aufgabe berufen, die bei ihnen großen Sachverstand und wahren Glaubensgeist voraussetzt. Mit Gottes Hilfe soll sich die Kirche auch heute auf den Spuren des hl. Paulus bemühen, den Sauerteig des Evangeliums in die Kulturen einzupflanzen, die in ständiger Entwicklung sind. Auch sie sind Felder Gottes, worauf man – wie gute Landwirte – das Evangelium säen und pflegen sollte, unerschütterlich vertrauend auf den, der die Kraft gibt.

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Mit diesen Überlegungen richte ich meinen herzlichen Willkommensgru an Euch, liebe Schwestern und Brüder. Mein besonderer Gru gilt der Petrus–Gilde aus Recklinghausen und den Mitgliedern der Niels–Stensen–Gemeinschaft. Möge der Besuch an den Gräbern der Apostel Euer aller Glauben stärken und Euren missionarischen Eifer beflügeln.

Dazu erteile ich Euch, Euren lieben Angehörigen zu Hause und all jenen, die uns über Radio und Fernsehen verbunden sind, von Herzen meinen Apostolischen Segen.

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„Danket dem Herrn, denn er ist gütig, denn seine Huld währt ewig“ (Ps 118,1).

Am Schluss der Audienz möchte ich an diese Worte des Psalmisten anknüpfen. Morgen begehe ich meinen 75. Geburtstag, denn ich bin am 18. Mai 1920 geboren. An diesem für jeden Menschen so wichtigen Tag möchte ich meiner seit langer Zeit verstorbenen Eltern gedenken. Ich erinnere mich mit Dankbarkeit meines Vaters und meiner Mutter, die mir das Leben geschenkt haben. Während ich an meine Eltern denke, möchte ich in besonderer Weise Gott, dem Herrn und Urheber des Lebens, für dieses sein erstes und grundlegendes Geschenk danken. „Deum cui omnia vivunt, venite adoremus“, singt die Kirche. Das Leben ist ein Geschenk Gottes, ein Geschenk, durch das Gott auch einen besonderen Lobpreis erhält. Alles, was lebt, lebt durch ihn (vgl. Gen 14,17–19).

Zugleich möchte ich für das göttliche Leben danken, das ich am Taufbecken in der Pfarrkirche von Wadowice empfangen habe. Durch das Sakrament der Wiedergeburt aus dem Wasser im Heiligen Geist hat in mir dieses neue, übernatürliche Leben seinen Anfang genommen, das ein Geschenk Gottes ist, ein Geschenk, das die Dimension des natürlichen Daseins übersteigt. Heute empfinde ich es als meine besondere Pflicht, für das Geschenk des irdischen Lebens zu danken, aber noch mehr für das Geschenk des übernatürlichen Lebens, durch das ich Adoptivkind Gottes geworden bin. „Wenn jemand nicht aus Wasser und Geist geboren wird, kann er nicht in das Reich Gottes kommen“ (Joh 3,5). Durch das Sakrament der Taufe hat sich dieses mir zugestandene Erbe danach im Sakrament der Firmung gefestigt.

Daraus erwuchs auch das Geschenk der christlichen, priesterlichen und bischöflichen Berufung. Heute ist es mir gegeben, den 75. Geburtstag als Bischof von Rom zu erleben: Dieses Geschenk gründet in der Taufe, die ich zu Beginn meines Lebens empfangen habe.

Ich danke Gott dafür, dass ich geboren und zu dieser besonderen Sendung berufen wurde. Ich möchte für das Geschenk des Sakraments der Priester- und Bischofsweihe danken, und ich bitte den Heiligen Geist unaufhörlich, mir zu helfen, darin bis zum Tod treu zu bleiben.

Ich sage Gott Dank dafür, dass mein Leben und mein Priester-, Bischofs- und Petrusamt mit einem Zeitpunkt der epochalen Wende für Europa, die Welt und die Kirche zusammenfällt. Wie könnte ich heute nicht für mein zwanzig Jahre währendes Bischofsamt in der geliebten Kirche von Krakau danken? Wie sollte ich nicht für das Geschenk der Teilnahme am II. Vatikanischen Konzil, das die Wege der Kirche zum dritten christlichen Jahrtausend vorgezeichnet hat, danken? Wie könnte ich mich heute nicht mit bangem Herzen des 16. Oktobers 1978 erinnern, als ich durch die Stimme des Konklaves den Ruf Christi hörte: „Weide meine Lämmer!“ (Joh 21,15)?

Ich überschaue in Gedanken die Jahre im Dienst des Römischen Stuhls, im Bewusstsein meiner menschlichen Schwächen und zugleich im unendlichen Vertrauen auf die Größe des göttlichen Erbarmens. Und ich bringe vor allem Christus gegenüber erneut meine Bereitschaft dar, der Kirche so lange zu dienen, wie er es will, wobei ich mich ganz seinem heiligen Willen anvertraue. Ich überlasse ihm die Entscheidung, wie und wann er mich dieses Dienstes entheben will.

Ich bitte Maria, die Mutter Christi und unsere Mutter und Königin, unaufhörlich um ihre Fürsprache – sie, die mich seit den ersten Jahren meiner Kindheit geführt hat. Ihr, der Mutter der Kirche, möchte ich in besonderer Weise mein ganzes Leben und meinen Dienst an der universalen Kirche heute und in Zukunft anvertrauen: „Totus tuus ego sum et omnia mea tua sunt. Praebe mihi Cor tuum, Maria!“

Anlässlich meines Geburtstages erreichen mich zahlreiche Zeichen der Aufmerksamkeit und des Gebetsgedenkens. Ich schätze sie sehr und spreche allen, die sie mir sandten, aus tiefstem Herzen meinen lebhaften Dank aus. Zugleich möchte ich alle Brüder und Schwestern im Glauben und besonders meine Mitbrüder im Priester- und im Bischofsamt wie auch die Gemeinschaften der Ordensmänner und -frauen bitten, meinen Dienst an der heiligen Kirche weiterhin durch das Gebet zu unterstützen. Ich bedarf dringend eurer Gebete, liebe Brüder und Schwestern, und ich verlasse mich auf sie! An diesem meinen besonderen Festtag segne ich euch alle mit dankerfülltem Herzen: im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes!