HEILIGE MESSE
PREDIGT VON PAPST LEO XIV.
Pfarrei "Sant'Anna" im Vatikan
Sonntag, 21. September 2025
________________________________________
Liebe Brüder und Schwestern,
ich freue mich sehr, diese Eucharistiefeier in der päpstlichen Pfarrei Sant’Anna zu leiten. Mit Dankbarkeit grüße ich die Augustiner, die hier ihren Dienst verrichten, insbesondere den Pfarrer, Pater Mario Millardi, sowie den neuen Generalprior des Augustinerordens, der heute hier bei uns ist, Pater Joseph Farrell; und ich will auch Pater Gioele Schiavella begrüßen, der vor kurzem das ehrwürdige Alter von 103 Jahren erreicht hat.
Diese Kirche befindet sich an einem besonderen Ort, der auch für den hier ausgeübten pastoralen Dienst von Bedeutung ist: Wir befinden uns sozusagen »an der Grenze«, und an der Kirche Sant’Anna gehen fast alle vorbei, die in die Vatikanstadt hinein- und aus ihr hinausgehen. Manche kommen aus beruflichen Gründen, andere als Gäste oder Pilger, manche in Eile, manche voller Unruhe oder Gelassenheit. Möge ein jeder erfahren, dass hier Türen und Herzen offen sind für das Gebet, das Zuhören, die Nächstenliebe!
In diesem Zusammenhang fordert uns das soeben verkündete Evangelium auf, unser Verhältnis zum Herrn, und damit auch unser Verhältnis untereinander, sorgfältig zu prüfen. Jesus stellt eine klare Alternative zwischen Gott und dem Reichtum auf und fordert uns auf, eine klare und konsequente Haltung einzunehmen. »Kein Sklave kann zwei Herren dienen«, deshalb »könnt ihr nicht Gott dienen und dem Mammon« (vgl. Lk 16,13). Es handelt sich nicht um eine nebensächliche Entscheidung wie so viele andere, noch um eine Option, die im Laufe der Zeit je nach Situation verändert werden kann. Es geht darum, sich für einen bestimmten Lebensstil zu entscheiden. Es geht darum, zu entscheiden, woran wir unser Herz hängen, zu klären, wen wir aufrichtig lieben, wem wir mit Hingabe dienen und was wirklich das Gute für uns ist.
Deshalb stellt Jesus gerade den Reichtum Gott gegenüber: Der Herr spricht so, weil er weiß, dass wir bedürftige Geschöpfe sind, dass unser Leben voller Bedürfnisse ist. Seit wir arm, nackt geboren wurden, brauchen wir alle Fürsorge und Zuneigung, ein Zuhause, Nahrung und Kleidung. Die Gier nach Reichtum läuft Gefahr, den Platz Gottes in unserem Herzen einzunehmen, wenn wir glauben, dass Reichtum unser Leben rettet, so wie es der ungerechte Verwalter des Gleichnisses denkt (vgl. Lk 16,3-7). Die Versuchung besteht darin, zu glauben, dass wir ohne Gott trotzdem gut leben könnten, während wir ohne Reichtum traurig und von tausend Nöten geplagt wären. Angesichts der Prüfung durch die Not fühlen wir uns bedroht, aber anstatt vertrauensvoll um Hilfe zu bitten und geschwisterlich zu teilen, neigen wir dazu, zu kalkulieren, anzuhäufen und anderen gegenüber misstrauisch und argwöhnisch zu werden.
Diese Gedanken verwandeln den Nächsten in einen Konkurrenten, einen Rivalen oder jemanden, den man ausnutzen kann. Wie der Prophet Amos mahnt, können diejenigen, die den Reichtum zu einem Instrument der Herrschaft machen wollen, es kaum erwarten, »für Geld die Geringen zu kaufen« (Am 8,6) und ihre Armut auszunutzen. Im Gegensatz dazu weist Gott die Güter der Schöpfung allen zu. Unsere Armut als Geschöpfe bezeugt also eine Verheißung und eine Verbindung, für die der Herr selbst sorgt. Der Psalmist beschreibt diese fürsorgliche Haltung: Gott »schaut auf Himmel und Erde hinab«; »den Geringen richtet er auf aus dem Staub, aus dem Schmutz erhebt er den Armen« (Ps 113,6-7). So verhält sich der gute Vater, immer und gegenüber allen: nicht nur gegenüber denen, die arm an irdischen Gütern sind, sondern auch gegenüber jener geistigen und moralischen Armut, die die Mächtigen ebenso wie die Schwachen, die Bedürftigen ebenso wie die Reichen heimsucht.
Das Wort des Herrn stellt die Menschen nämlich nicht als rivalisierende Klassen einander gegenüber, sondern spornt alle zu einer inneren Revolution an, zu einer Bekehrung, die im Herzen beginnt. Dann werden sich unsere Hände öffnen: um zu geben, nicht um an sich zu reißen. Dann wird sich unser Verstand weiten: um eine bessere Gesellschaft zu planen, nicht um Geschäfte zum besten Preis zu machen. Der heilige Paulus schreibt: »Vor allem fordere ich zu Bitten und Gebeten, zu Fürbitte und Danksagung auf, und zwar für alle Menschen, für die Herrscher und für alle, die Macht ausüben« (1Tim 2,1). Heute betet die Kirche insbesondere dafür, dass die Regierenden der Nationen frei sind von der Versuchung, den Reichtum gegen den Menschen einzusetzen, indem sie ihn in Waffen umwandeln, die Völker vernichten, und in Monopole, die die Arbeiter erniedrigen. Wer Gott dient, wird frei vom Reichtum, wer aber dem Reichtum dient, bleibt sein Sklave! Wer Gerechtigkeit sucht, verwandelt den Reichtum in Gemeinwohl; wer Herrschaft sucht, verwandelt das Gemeinwohl in die Beute seiner eigenen Gier.
Die Heilige Schrift beleuchtet diese Bindung an materielle Güter, die unser Herz verwirrt und unsere Zukunft verzerrt. Meine Lieben, ich danke euch, dass ihr auf verschiedene Weise dazu beitragt, die Gemeinschaft dieser Pfarrei lebendig zu halten, und dass ihr auch ein großherziges Apostolat ausübt. Ich ermutige euch, in einer Zeit, die ernsthaft vom Krieg bedroht ist, beharrlich in der Hoffnung zu sein. Ganze Völker werden heute von Gewalt und noch mehr von einer schamlosen Gleichgültigkeit erdrückt, die sie einem Schicksal des Elends überlässt. Angesichts dieser Tragödien wollen wir nicht tatenlos bleiben, sondern mit Wort und Tat verkünden, dass Jesus der Retter der Welt ist, der uns von allem Bösen befreit. Sein Geist möge unsere Herzen bekehren, damit wir, gestärkt von der Eucharistie als dem höchsten Schatz der Kirche, Zeugen der Liebe und des Friedens werden können.
Copyright © Dikasterium für Kommunikation - Libreria Editrice Vaticana