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BOTSCHAFT VON PAPST LEO XIV.
AN DIE TEILNEHMER AN DER 44. SITZUNG
DER FAO-KONFERENZ

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Ich danke Ihnen von Herzen, dass Sie mir die Gelegenheit gegeben haben, mich zum ersten Mal an die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) zu wenden, die in diesem Jahr ihren 80. Gründungstag feiert. Sehr herzlich begrüße ich alle Teilnehmer an dieser 44. Sitzungsperiode der Konferenz, ihr oberstes Leitungsgremium und insbesondere den Generaldirektor, Herrn Qu Dongyu, und danke Ihnen für die Arbeit, welche die Organisation täglich durchführt, um angemessene Antworten auf das Problem der Ernährungsunsicherheit zu finden, die weiterhin eine der größten Herausforderungen unserer Zeit darstellt.

Die Kirche ermutigt alle Initiativen, die darauf ausgerichtet sind, dem Skandal des Hungers in der Welt ein Ende zu setzen. Sie tut das, indem sie sich die Empfindungen ihres Herrn, Jesus, zu eigen macht, der – wie die Evangelien berichten – als er eine große Menge Menschen zu ihm kommen sah, um sein Wort zu hören, als erstes sich darum kümmerte, ihnen zu essen zu geben. Er bat die Jünger, sich darum zu kümmern und segnete deren unternommene Anstrengungen überreich (vgl. Joh  6,1-13). Wenn wir den Bericht lesen, der allgemein als die »Brotvermehrung« bezeichnet wird (vgl. Mt  14,13-21; Mk  6,30-44; Lk  9,12-17; Joh  6,1-13), merken wir, dass das wahre Wunder, das Christus vollbracht hat, jedoch darin bestand, deutlich zu machen, dass der Schlüssel, um den Hunger zu besiegen, mehr im Teilen als im gierigen Anhäufen liegt. Das ist etwas, was wir heute vielleicht vergessen haben, denn obgleich wichtige Schritte unternommen worden sind, verschlechtert sich die weltweite Ernährungssicherheit weiterhin, was es immer unwahrscheinlicher macht, das Ziel »Kein Hunger« der Agenda 2030 zu erreichen. Das bedeutet, dass wir von der Erfüllung des Auftrags, der 1945 diese zwischenstaatliche Einrichtung ins Leben gerufen hat, weit entfernt sind.

Es gibt Menschen, die grausam leiden und sich danach sehnen, ihre vielen Nöte gestillt zu sehen. Wir wissen gut, dass sie diese allein nicht stillen können. Die anhaltende Tragödie des Hungers und der weit verbreiteten Mangelernährung, die heute in vielen Ländern fortbesteht, ist umso trauriger und beschämender, wenn wir uns bewusst machen, dass die Erde zwar in der Lage ist, genügend Nahrungsmittel für alle Menschen zu produzieren und es internationale Verpflichtungen zur Ernährungssicherheit gibt, dennoch leider viele Arme dieser Welt weiterhin nicht unser tägliches Brot haben.

Andererseits stehen wir heute fassungslos dem Missbrauch des Hungers als Kriegswaffe gegenüber. Die Bevölkerung verhungern zu lassen, ist eine sehr billige Weise, Krieg zu führen. Darum sind heute, da der größte Teil der Konflikte nicht von regulären Armeen, sondern von Gruppen bewaffneter Zivilisten mit geringen Ressourcen ausgetragen wird, verbrannte Erde, Viehdiebstahl oder die Blockierung von Hilfsgütern Taktiken, die von denen, die ganze wehrlose Bevölkerungen kontrollieren wollen, immer mehr angewandt werden. So werden in dieser Art von Konflikten die Wasserversorgungsnetze und die Kommunikationswege zu den ersten militärischen Zielen. Die Landwirte können ihre Produkte in Gebieten, die von Gewalt bedroht sind, nicht verkaufen, und die Inflation steigt ins Unermessliche. Das führt dazu, dass eine enorme Zahl von Menschen unter der Geißel des Hungers zugrunde gehen und sterben, wobei noch erschwerend hinzukommt, dass, während die Zivilisten elend dahinsiechen, die politischen Eliten sich durch Korruption und Straffreiheit immer mehr bereichern. Es ist daher an der Zeit, dass die Welt klare, erkennbare und gemeinsame Grenzen setzt, um diese Gewaltakte zu bestrafen und ihre Verantwortlichen und Vollstrecker zu verfolgen.

Eine Lösung für dieses qualvolle Panorama aufzuschieben, wird nichts nützen; im Gegenteil, die Ängste und der Mangel der Notleidenden werden sich weiter anhäufen und den Weg noch beschwerlicher und komplexer machen. Es ist daher dringend geboten, von Worten zu Taten überzugehen und in den Mittelpunkt wirksame Maßnahmen zu stellen, die es diesen Menschen ermöglichen, mit Vertrauen und Gelassenheit und nicht nur mit Resignation auf ihre Gegenwart und ihre Zukunft zu blicken und so der Zeit der Slogans und der falschen Versprechungen ein Ende zu setzen. In diesem Zusammenhang dürfen wir nicht vergessen, dass wir vor den zukünftigen Generationen, die ein Erbe des Unrechts und der Ungleichheit empfangen werden, wenn wir heute nicht vernünftig handeln, früher oder später Rechenschaft ablegen müssen.

Die politischen Krisen, die bewaffneten Konflikte und die wirtschaftlichen Unruhen spielen eine zentrale Rolle bei der Verschlimmerung der Lebensmittelkrise, indem sie die humanitären Hilfen behindern und die landwirtschaftliche Produktion vor Ort schädigen und so nicht nur den Zugang zur Nahrung verwehren, sondern auch das Recht, ein Leben voller Würde und Chancen zu führen.

Es wäre ein fataler Irrtum, die durch Jahre des Egoismus und der Oberflächlichkeit verursachten Wunden nicht zu heilen. Außerdem können ohne Frieden und ohne Stabilität keine widerstandsfähigen Agrar- und Nahrungssysteme garantiert noch eine gesunde und für alle zugängliche und bezahlbare Ernährung gewährleistet werden. Daher ist ein Dialog notwendig, in dem die Beteiligten den Willen haben, nicht nur miteinander zu sprechen, sondern auch einander zuzuhören, einander gegenseitig zu verstehen und gemeinsam zu handeln. Es wird nicht an Hindernissen fehlen, aber mit einem Bewusstsein für Menschlichkeit und Brüderlichkeit können die Ergebnisse nicht anders als positiv sein.

Die Nahrungssysteme haben einen großen Einfluss auf den Klimawandel und umgekehrt. Die von den Naturkatastrophen und vom Verlust der Biodiversität hervorgerufene soziale Ungerechtigkeit muss umgekehrt werden, um einen gerechten ökologischen Wandel zu verwirklichen, der die Umwelt und die Menschen in den Mittelpunkt stellt. Um die Ökosys-teme und die benachteiligten Gemeinschaften, darunter die indigenen Völker, zu schützen, bedarf es einer Mobilisierung der Ressourcen von Seiten der Regierungen, öffentlicher und privater Einrichtungen, nationaler und örtlicher Körperschaften, damit Strategien in Kraft gesetzt werden, die der Regenerierung der Biodiversität und der Bodenschätze Priorität geben. Ohne ein entschiedenes und koordiniertes klimatisches Handeln wird es unmöglich sein, Agrar- und Nahrungssysteme zu garantieren, die in der Lage sind, eine wachsende Weltbevölkerung zu ernähren.

Es genügt nicht, Lebensmittel zu produzieren, sondern es ist auch wichtig zu garantieren, dass die Nahrungssysteme nachhaltig sind und gesunde und für alle zugängliche Ernährungsformen liefern. Es geht also darum, unsere Nahrungssysteme zu überdenken und zu erneuern, in einer solidarischen Perspektive, indem wir die Logik der wilden Ausbeutung der Schöpfung überwinden und unser Bemühen besser darauf ausrichten, die Umwelt und ihre Ressourcen zu pflegen und zu bewahren, um die Ernährungssicherheit zu garantieren und uns auf eine ausreichende und gesunde Ernährung für alle zuzubewegen.

Herr Präsident, im gegenwärtigen Augenblick erleben wir eine enorme Polarisierung der internationalen Beziehungen aufgrund von bestehenden Krisen und Konflikten. Finanzielle Mittel und innovative Technologien zur Ausrottung von Armut und Hunger in der Welt werden umgeleitet und für die Herstellung von Waffen und für den Waffenhandel verwendet. Dadurch werden fragwürdige Ideologien gefördert, während zugleich die menschlichen Beziehungen abkühlen – was die Gemeinschaft schwächt und Geschwisterlichkeit sowie soziale Freundschaft in weite Ferne rücken lässt.

Dass wir Baumeister des Friedens werden und uns in diesem Sinne für das Gemeinwohl einsetzen, war nie so unaufschiebbar wie heute, weil es allen und nicht nur einigen wenigen, im Übrigen immer denselben, nützt. Um Frieden und Entwicklung im Sinne einer Verbesserung der Lebensbedingungen der Bevölkerungen, die unter Hunger, Krieg und Armut leiden, zu garantieren, sind konkrete Handlungen notwendig, die in ernsthaften und vorausschauenden Ansätzen wurzeln. Es ist daher notwendig, unfruchtbare Rhetoriken beiseitezulegen, um mit entschiedenem politischen Willen, wie Papst Franziskus gesagt hat, »Differenzen beizulegen, um ein Klima der gegenseitigen Zusammenarbeit und des Vertrauens für die Befriedigung gemeinsamer Bedürfnisse zu schaffen« (Ansprache an die Mitglieder des beim Heiligen Stuhl akkreditierten Diplomatischen Korps , 9. Januar 2023).

Meine Damen und Herren, bei der Umsetzung dieses edlen Anliegens möchte ich versichern, dass der Heilige Stuhl stets im Dienste der Eintracht unter den Völkern stehen wird. Er wird nicht müde werden, am Gemeinwohl der Familie der Nationen mitzuarbeiten, mit besonderer Rücksicht auf die am meisten leidgeprüften Menschen, die Hunger und Durst leiden, und auch auf jene entlegenen Regionen, denen es aufgrund der Gleichgültigkeit derer, deren Leben von der Ausübung unablässiger Solidarität geprägt sein sollte, nicht gelingt, sich aus ihrer Not zu befreien.

Mit dieser Hoffnung und indem ich mich zum Sprachrohr aller notleidenden Menschen auf der Welt mache, bitte ich Gott, den Allmächtigen, dass eure Arbeit reich an Früchten sei und den Schwächsten sowie der gesamten Menschheit zugutekommen möge.

Aus dem Vatikan, am 30. Juni 2025

                                                            LEO XIV.