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BOTSCHAFT VON PAPST LEO XIV.
AN DIE TEILNEHMER DER INTERRELIGIÖSEN BEGEGNUNG IN  BANGLADESCH

[6.-12. September 2025]

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Ich freue mich, den Teilnehmern an dem interreligiösen Treffen in Bangladesch freundschaftliche Grüße zu senden. Vor allem wünsche ich euch den Frieden, der nur von Gott kommen kann – der »ein unbewaffneter und entwaffnender Friede, demütig und beharrlich« ist, und der »stets die Liebe sucht, die sich stets bemüht, insbesondere denen nahe zu sein, die leiden« (Urbi et Orbi , 8. Mai 2025).

Ich beglückwünsche die Organisatoren dieser Zusammenkunft zur Wahl des Themas »Eine Kultur der Harmonie zwischen Brüdern und Schwestern fördern«. In der Tat spiegelt dieses Thema den Geist geschwisterlicher Offenheit wider, den Menschen guten Willens mit Angehörigen anderer religiöser Traditionen fördern wollen. Darüber hinaus entspringt es der Überzeugung, dass unsere menschliche Gemeinschaft wahrhaft eine einzige ist – mit Gott als Ursprung und Ziel (vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Erklärung  Nostra aetate über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen, 28. Oktober 1965, 1). Wir sind alle seine Kinder und somit Brüder und Schwestern. Als eine Familie teilen wir die Chance und die Verantwortung, weiterhin eine Kultur der Harmonie und des Friedens zu pflegen.

In diesem Zusammenhang können wir zu Recht von »Kultur« im zweifachen Sinne sprechen. Kultur kann das reiche Erbe an Kunst, Ideen und sozialen Einrichtungen bedeuten, das jedes Volk kennzeichnet. Gleichzeitig kann Kultur verstanden werden als ein nährendes Umfeld, das Wachstum unterstützt. Genau wie ein gesundes Ökosystem es verschiedenen Pflanzen erlaubt, nebeneinander zu wachsen, so erlaubt es eine gesunde soziale Kultur unterschiedlichen Gemeinschaften, in Harmonie zu gedeihen. Eine solche Kultur muss sorgfältig gepflegt werden. Sie braucht Sonnenlicht der Wahrheit, Wasser der Liebe und Erdreich von Freiheit und Gerechtigkeit. Wir wissen aus schmerzlichen Augenblicken in der Geschichte, dass Unkraut den Frieden ersticken kann, wenn die Kultur der Harmonie vernachlässigt wird. Misstrauen schlägt Wurzeln; Klischees verhärten sich; Extremisten missbrauchen Ängste, um Spaltung zu säen. Gemeinsam, als Gefährten im interreligiösen Dialog, sind wir wie Gärtner, die das Feld der Geschwisterlichkeit bebauen und dazu beitragen, den Dialog fruchtbar zu halten und das Unkraut des Vorurteils auszurotten.

Diese Gelegenheit, die ihr heute miteinander teilt, ist in der Tat ein schönes Zeugnis. Sie bestätigt, dass Unterschiede, die den Glauben oder den Hintergrund betreffen, uns nicht spalten müssen. Im Gegenteil, in dem Akt, einander in Freundschaft und Dialog zu begegnen, stellen wir uns gemeinsam gegen die Kräfte von Spaltung, Hass und Gewalt, die die Menschheit allzu oft geplagt haben. Wo andere Misstrauen gesät haben, wählen wir Vertrauen; wo andere Angst schüren, streben wir nach Verständnis; wo andere Unterschiede als Barriere sehen, erkennen wir sie als Quelle gegenseitiger Bereicherung (vgl. Franziskus, Ansprache anlässlich des interreligiösen und ökumenischen Friedenstreffens, 1. Dezember 2017).

Eine Kultur der Harmonie aufzubauen, bedeutet tatsächlich, nicht nur Ideen, sondern auch konkrete Erfahrungen miteinander zu teilen. Der heilige Jakobus erinnert uns: »Ein reiner und makelloser Gottesdienst ist es vor Gott […]: für Waisen und Witwen in ihrer Not zu sorgen« (Jak 1,27). Aus dieser Perspektive heraus können wir sagen, dass ein echtes Maß interreligiöser Freundschaft unsere Bereitschaft ist, im Dienst an den Schwächsten der Gesellschaft zusammenzustehen. Bangladesch hat in den letzten Jahren schon inspirierende Beispiele für diese Einheit bezeugt, als Menschen unterschiedlichen Glaubens sich bei Naturkatastrophen oder Tragödien solidarisch und im Gebet zusammengetan haben. Solche Gesten bauen Brücken – zwischen Glaubensrichtungen, zwischen Theorie und Praxis, zwischen Gemeinschaften – so dass alle Bangladescher, ja, die ganze Menschheit den Weg von Miss-trauen zu Vertrauen, von Isolierung zu Zusammenarbeit gehen können. Sie stärken auch die Widerstandskraft von Gemeinschaften gegen Stimmen, die spalten. In allen guten Werken zusammenzuarbeiten ist ein sehr effektives Gegenmittel gegen Kräfte, die uns in Feindschaft und Aggression treiben wollen. Wenn unser Dialog in Taten gelebt wird, dann erklingt eine machtvolle Botschaft: dass Friede, nicht Konflikt unser sehnlichster Traum ist, und dass der Aufbau dieses Friedens eine Aufgabe ist, die wir gemeinsam übernehmen.

In diesem Sinn möchte ich die Verpflichtung der katholischen Kirche, diesen Weg gemeinsam mit euch zu beschreiten, erneut bekräftigen. Manchmal können Missverständnisse oder Wunden aus der Vergangenheit unsere Schritte verlangsamen. Lasst uns einander dennoch zum Durchhalten ermutigen. Jede Gruppendiskussion, jedes gemeinsame Projekt zum Dienst am anderen, jede geteilte Mahlzeit, jede freundliche Geste, die einem Nächsten entgegengebracht wird, der einer anderen Religion angehört – all das sind Bausteine dessen, was der heilige Johannes Paul II. als eine »Zivilisation der Liebe« bezeichnet hat (Botschaft zur Feier des Weltfriedenstages, 1. Januar 2001).

Ich versichere euch meiner brüderlichen Liebe und meines Gebets. Möge der Allmächtige einen jeden von euch, eure Familien und Gemeinschaften segnen. Möge er euer Land mit immer tieferer Harmonie und Frieden segnen. Und möge er unsere Welt segnen, die das Licht der Geschwisterlichkeit so dringend braucht.