Index   Back Top Print

[ DE  - EN  - IT ]

ANSPRACHE DES HEILIGEN VATERS
AN DIE BISCHÖFE DER ITALIENISCHEN BISCHOFSKONFERENZ 

Segnungsaula
Dienstag, 17. Juni 2025

[Multimedia]

___________________________________

Liebe Brüder und Schwestern!

Ich freue mich wirklich sehr, euch zu treffen. Dieser Saal, der zwischen der Basilika und dem Petersplatz liegt, ist noch erfüllt von den Empfindungen, von denen die jüngsten Ereignisse begleitet waren. Denn der Papst muss durch ihn hindurchgehen, um sich auf der Mittelloggia zu zeigen. Der geliebte Papst Franziskus hat dies getan für seine letzte Osterbotschaft Urbi et orbi , die sein ultimativer, eindringlicher Aufruf zum Frieden für alle Völker war. Und auch ich wollte am Abend des Wahltages die Verkündigung des auferstandenen Herrn wiederholen: »Friede sei mit euch!« (vgl. Lk  24,36; Joh  20,19).

Ich danke euch für euer Gebet und für das eurer Gemeinden: Ich brauche es wirklich sehr! Besonders danke ich Kardinal Zuppi, auch für seine an mich gerichteten Worte. Ich begrüße die drei Vizepräsidenten, den Generalsekretär und einen jeden von euch. Die Geschichte der Kirche in Italien verdeutlicht das besondere Band, das euch mit dem Papst verbindet und das den Statuten der CEI zufolge »auf besondere Weise die Gemeinschaft der Konferenz mit dem Papst prägt« (Art. 4 § 2). Dem Beispiel meiner Vorgänger folgend spüre auch ich die besondere Bedeutung dieser »allgemeinen und besonderen« Beziehung, wie sie der heilige Paul VI. bei seiner Ansprache an die erste Vollversammlung der CEI nannte (vgl. Ansprache , 23. Juni 1966).

Bei der Ausübung meines Dienstes zusammen mit euch, liebe Brüder, möchte ich mich von den Prinzipien der Kollegialität inspirieren lassen, wie sie im Zweiten Vatikanischen Konzil ausgearbeitet wurden. Insbesondere die Konstitution Lumen gentium unterstreicht, dass Jesus, der Herr, die Apos-tel eingesetzt hat »nach Art eines Kollegiums oder eines festen Kreises ein, an dessen Spitze er den aus ihrer Mitte erwählten Petrus stellte« (Nr. 19). Und ihr seid aufgerufen, euer Dienstamt auf diese Weise zu leben: Kollegialität unter euch und Kollegialität mit dem Nachfolger Petri.

Dieses Prinzip der Gemeinschaft spiegelt sich auch in einer gesunden Zusammenarbeit mit den zivilen Behörden wider. Denn die CEI ist Ort des Austauschs und der Synthese des Denkens der Bischöfe in Bezug auf die für das Gemeinwohl wichtigen Themen. Gegebenenfalls orientiert und koordiniert sie die Beziehungen der einzelnen Bischöfe und der regionalen Bischofskonferenzen zu diesen Behörden auf Ortsebene.

Papst Benedikt XVI. hat 2006 die Kirche in Italien beschrieben als »eine sehr lebendige Wirklichkeit«, die »nach wie vor sehr präsent unter den Menschen jeden Alters und Lebensstandes« ist, wo »die christlichen Traditionen oft noch verwurzelt sind und weiterhin Frucht hervorbringen« (Ansprache an den IV. Nationalen Kongress der katholischen Kirche in Italien, 19. Oktober 2006). Nichtsdestotrotz muss sich die christliche Gemeinschaft dieses Landes seit längerer Zeit neuen Herausforderungen stellen, die mit dem Säkularismus, einer gewissen Entfremdung vom Glauben und der demographischen Krise einhergehen. In Bezug auf diesen Kontext merkte Papst Franziskus an: »Mut ist von uns gefordert, um zu vermeiden, dass wir uns an Situationen gewöhnen, die so tief eingewurzelt sind, dass sie normal oder unüberwindlich zu sein scheinen. Die Prophezeiung erfordert keine Brüche, sondern mutige Entscheidungen, die einer wirklichen kirchlichen Gemeinschaft zu eigen sind: Sie führen dazu, sich von den Ereignissen und den Menschen ›stören‹ zu lassen und sich vom heilenden Geist der Seligpreisungen beseelt in die Situation der Menschen zu versetzen« (Ansprache zur Eröffnung der 70. Vollversammlung der CEI, 22. Mai 2017).

Aufgrund der besonders engen Beziehung zwischen dem Papst und den italienischen Bischöfen möchte ich auf einige pastorale Bereiche hinweisen, die besondere Aufmerksamkeit verdienen. Der Herr stellt sie auf unseren Weg und sie erfordern unsererseits Reflexion, konkretes Handeln und ein Zeugnis im Geist des Evangeliums.

Vor allem ist bei der Verkündigung und Weitergabe des Glaubens ein neuer Schwung notwendig. Es geht darum, Jesus Christus in den Mittelpunkt zu stellen und den Menschen, dem in Evangelii gaudium aufgezeigten Weg entsprechend, zu helfen, eine persönliche Beziehung zu Ihm zu leben, um die Freude des Evangeliums zu entdecken. In einer Zeit tiefer Zerrissenheit ist es notwendig, zu den Grundlagen unseres Glaubens, zum Kerygma zurückzukehren. Das ist die erste große Verpflichtung, die alle anderen begründet: Christus in »die Adern« der Menschheit zu bringen (vgl. Apostolische Konstitution Humanae salutis, 3) durch die Erneuerung und Teilhabe am Missionsauftrag der Apostel: »Was wir gesehen und gehört haben, das verkünden wir auch euch« (1 Joh  1,3). Es geht darum, Wege zu finden, wie die Frohe Botschaft alle erreichen kann, durch pastorale Maßnahmen, die in der Lage sind, die Fernsten anzusprechen, und mit geeigneten Mitteln für eine Erneuerung der Katechese und der Formen der Verkündigung.

Die Beziehung zu Christus ruft uns auf, eine besondere pastorale Aufmerksamkeit für das Thema des Friedens zu entwickeln. Denn der Herr sendet uns in die Welt, um seine Gabe zu bringen – »Friede sei mit euch!« – und ihr an den Orten des täglichen Lebens Gestalt zu verleihen. Ich denke an die Pfarreien, die Stadtviertel, die ländlichen Gebiete, die urbanen und existentiellen Peripherien. Dort, wo menschliche und gesellschaftliche Beziehungen schwierig werden und der Konflikt vielleicht auch auf subtile Weise Gestalt annimmt, muss eine zur Versöhnung fähige Kirche sichtbar werden. Der Apostel Paulus ermahnt uns: »Soweit es euch möglich ist, haltet mit allen Menschen Frieden!« (Röm 12,18). Das ist eine Aufforderung, die einem jeden einen konkreten Teil Verantwortung überträgt. So wünsche ich, dass jede Diözese Wege der Erziehung zur Gewaltlosigkeit unterstützen möge, sowie Initiativen zur Mediation in lokalen Konflikten, Projekte zur Aufnahme, die die Angst vor dem Anderen in eine Chance zur Begegnung verwandeln. Jede Gemeinde soll ein »Haus des Friedens« werden, wo man lernt, Feindseligkeit durch den Dialog zu entschärfen; wo Gerechtigkeit praktiziert wird und Vergebung gelebt wird. Frieden ist keine spirituelle Utopie. Frieden ist ein demütiger Weg aus alltäglichen Gesten, der Geduld und Mut, Zuhören und Handeln verknüpft. Und der heute mehr denn je unsere wachsame und schöpferische Präsenz erfordert.


Und dann gibt es die Herausforderungen, die eine Bedrohung für die Achtung der Menschenwürde sind. Künstliche Intelligenz, Biotechnologien, Datenökonomie und Social Media  sind dabei, unsere Wahrnehmung und Erfahrung des Lebens tiefgreifend zu verändern. In diesem Szenarium besteht die Gefahr, dass die Menschenwürde zurückgestellt oder ganz vergessen und ersetzt wird durch Funktionalismus, Automatismus, Simulation. Aber die menschliche Person ist kein System von Algorithmen: sie ist Geschöpf, Beziehung, Geheimnis. Daher möchte ich mir erlauben, einen Wunsch zu äußern: dass der Weg der Ortskirchen in Italien in kohärenter Symbiose mit der Zentralität Jesu die anthropologische Sicht einschließt als grundlegendes Mittel pastoraler Unterscheidung. Ohne eine intensive Reflexion über das Menschsein – in seiner Körperlichkeit, seiner Verwundbarkeit, seiner Sehnsucht nach Unendlichkeit und Bindungsfähigkeit – wird die Ethik auf einen Kodex reduziert und es besteht das Risiko einer lebensfernen Abgehobenheit des Glaubens.

Insbesondere rate ich dazu, die Kultur des Dialogs zu pflegen. Es ist schön, wenn die gesamte kirchliche Wirklichkeit aus Pfarreien, Vereinigungen und Bewegungen Orte des intergenerationellen Zuhörens, der Auseinandersetzung mit fremden Welten, der Sorgsamkeit in Bezug auf Worte und Beziehungen sind. Denn nur wo es das Zuhören gibt, kann Gemeinschaft entstehen, und nur wo es Gemeinschaft gibt, wird die Wahrheit glaubwürdig. Ich ermutige euch, diesen Weg fortzusetzen!

Verkündigung des Evangeliums, Frieden, Menschenwürde, Dialog: das sind die Koordinaten, denen ihr folgen könnt, um eine Kirche zu sein, die das Evangelium lebt und Zeichen des Gottesreiches ist.

Abschließend möchte ich euch einige Ratschläge für die nahe Zukunft mitgeben. Zuerst: Geht voran in der Einheit, besonders im Hinblick auf den Synodalen Prozess. Der heilige Augustinus schreibt: »Damit der Leib des Herrn wohlgefügt und in Frieden sei, spricht Jesus durch den Mund des Apostels zur Kirche: Das Auge kann nicht zur Hand sagen: Ich brauche dich nicht. Oder der Kopf zu den Füßen: Ich brauche euch nicht. Wenn der ganze Leib Auge wäre, wo bliebe das Gehör? Wenn der ganze Leib Gehör wäre, wo bliebe der Geruchssinn?« (Kommentar zu Psalm 130 ,6). Bleibt vereint und leistet den Provokationen des Heiligen Geistes keinen Widerstand! Synodalität soll zu einer geistigen Haltung werden, im Herzen, in den Entscheidungsprozessen und in der Handlungsweise.

Zweitens sollt ihr zuversichtlich in die Zukunft blicken und keine Angst haben vor mutigen Entscheidungen. Niemand kann euch daran hindern, den Menschen nahe zu sein, ihr Leben zu teilen, an der Seite der Letzten zu gehen, den Armen zu dienen. Niemand wird euch daran hindern können, das Evangelium zu verkünden, und das Evangelium ist es, das zu bringen wir aufgerufen sind, weil es das ist, was alle, wir selbst als erste, brauchen, um ein gutes Leben zu führen und glücklich zu sein.

Sorgt für die Laien: genährt vom Wort Gottes und ausgebildet in der Soziallehre der Kirche sollen sie am Arbeitsplatz, in den Schulen und Krankenhäusern, im gesellschaftlichen und kulturellen Bereich, in Wirtschaft und Politik Protagonisten der Evangelisierung sein.

Meine Lieben, gehen wir den Weg gemeinsam mit Freude im Herzen und einem Lied auf den Lippen. Gott ist größer als unsere Mittelmäßigkeit: Lassen wir uns von ihm anziehen! Vertrauen wir auf seine Vorsehung. Ich vertraue euch dem Schutz der allerseligsten Jungfrau Maria an: der Muttergottes von Loreto, von Pompeij und der zahllosen Heiligtümer, von denen Italien übersät ist. Und ich begleite euch mit meinem Segen. Danke!



Copyright © Dicastero per la Comunicazione - Libreria Editrice Vaticana