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LETTERA DI SUA SANTITÀ PIO XII
PER IL KATHOLIKENTAG DI BERLINO.*

 

Geliebte Söhne und Töchter des katholischen Deutschlands!

Ihr findet euch in wenigen Tagen zu eurer jährlichen Heerschau in der altehrwürdigen Bischofsstadt Passau ein. Mit Betonung sprechen Wir von der « altehrwürdigen Bischofsstadt ». Die Stadt ist so alt wie das Christentum, wenn nicht noch älter. Das Bistum Passau schaut auf eine schon mehr als zwölfhun-dertjährige Geschichte zurück und kann sich rühmen, einstmals die spätere Kaiserstadt Wien in seinen Grenzen eingeschlossen zu haben. Die Stadt selbst wie das umgebende Land — Wir denken besonders an die herrlichen Ufer der Donau gen Regensburg zu — sind reich an Kirchen und anderen Stiftungen, wo lebendige Frömmigkeit und feinster Sinn für das Edle und Schöne sich zusammengetan haben, um Kulturwerke hohen Wertes zu schaffen, die heute um so kostbarer sind, als an vielen anderen Orten vergleichbares Kulturgut der Vernichtung durch den Krieg anheimfiel.

Es besteht jedoch kaum die Gefahr, dass die reiche Geschichte des Bodens, auf dem ihr tagt, euren Blick banne und der Ver-gangenheit so sehr verhafte, dass ihr die graue Wirklichkeit übersähet. Die beiden voraufgehenden Katholikentage in Mainz und Bochum mit ihren ausführlichen und umfassenden Entschliessungen haben bewiesen, dass ihr euch eurer Gegenwarts-aufgabe sehr wohl und sehr lebendig bewusst seid. Und wenn ihr dieses Jahr in ausgesprochen ländlicher Kultur tagt, so wisst ihr doch, dass auch auf dem Land sich die Verhältnisse von Grund aus geändert haben.

Aber ebenso seid ihr euch bewusst, dass ohne die befruch-tenden Wasser des Gebets und des persönlichen Opfers die sorg sam gestreute Saat nicht Wurzel fassen und aufspriessen kann. Ihr seid euch bewusst, dass alle guten Ansätze verkümmern, dass alles Wollen und Tun wie gelähmt und wie tot bleiben muss, wenn nicht die Gnade Jesu Christi und das machtvolle Wehen des Heiligen Geists Leben, Kraft und tiefgehende Wir-kung verleihen. Ihr seid euch bewusst, dass, so notwendig Orga-nisation ist, mit dem Organisieren allein noch nicht viel getan ist, dass das Entscheidende vielmehr der persönliche, fest im Glauben stehende und aus dem Glauben handelnde Christ ist.

Deshalb wolltet ihr die Tage in Altoetting und Passau dem religiösen Leben und der inneren Erneuerung weihen. Es sollte ganz der Katholikentag des Heiligen Jahres, des Jahres der in-neren Einkehr, des Gebets und der Busse sein. Wir loben euren Entschluss und möchten zu dessen Förderung euch drei Erwä-gungen ans Herz legen:

1) Ihr könnt das Los, das euer Vaterland getroffen — Wir denken in erster Linie an die Millionen der Ostvertriebenen, wenn auch nicht an sie allein — seelisch nicht meistern, wenn ihr es nicht schaut in gläubigem Aufblick zur göttlichen Vorse-hung. Was in den verflossenen Jahrzehnten, vor allem im letzt-verflossenen vor sich gegangen, ist, hoch über allen, wenn auch noch so sehr Antwort heischenden Fragen von Recht und Ge-rechtigkeit, eine jener Heimsuchungen Gottes, eine jener Abrech-nungen, die auf die Geschichte und die Verstrickungen, auch die schuldbeladenen, ganzer Jahrhunderte zurückgreifen. Tragt euer Los in demütiger Hinnahme. Gebt ihm ein christliches Gepräge, indem ihr jenes Los von Gott entgegennehmt als Sühne, wenn nicht für eigene Schuld, so für die schwere, in ihren Auswirkun-gen erschütternd unheilschwangere Schuld anderer des eigenen Volks und fremder Völker. Bleibt aber auch dabei nicht stehen. Schicksalswendungen solchen Ausmasses sind, ganz unabhängig von dem Auf und Ab der weltlichen Geschichte eines Volks, immer Heimsuchungen Gottes im eigentlichen Sinn des Wortes, also Zeiten weitgespannter Möglichkeiten für das Reich Gottes, Zeiten stärksten Anrufs der Wahrheit und Gnade an alle Kinder und Schichten des Volks, aber nicht ohne euer Zutun und euer Mitwirken, geliebte Söhne und Töchter. Und der Kern, die in-nere Kraft eures Mitwirkens möge die bereitwillige Hinnahme eures Loses sein, wie es der Herrgott gefügt hat und wie er es fügen wird, als Sühne, als Busse, als Opfer, aus dem, in Verei-nigung mit dem Opfer Jesu Christi, eurem Volk und anderen Völkern Erbarmen, Segen und Heil werden möge, vielleicht auf Wegen, die euch augenblicklich unausdenkbar sind, die aber immer zum Guten führen werden; denn « die Gesamtheit dessen, was Gott geschaffen hat, lenkt und leitet Er durch seine Vor-sehung, "vom einen Ende zum anderen alles machtvoll erfas-send und aufs beste anordnend. Liegt doch alles bloss und offen vor seinen Augen ", auch die zukünftigen freien Handlungen seiner Geschöpfe » (Conc. Vat. Sess. III, c. 1; Denz. 1784. Cfr. Sap. 8, t; Hebr. 4, 13).

2) Ihr habt auf das Programm eurer Tagung den Kampf gegen den Materialismus gesetzt. Der Materialismus ist fort-schreitendes Abwerten und Absetzen des Übersinnlichen und Überirdischen, Geistigen und Religiösen bis zur ausgesproche-nen Gottlosigkeit; er lässt nur gelten was das Experiment, die Erfahrung der Sinne bestätigt, was mit Mass, Zahl und Gewicht erfassbar ist. Die unerhörten, sich überstürzenden Entdeckungen der Naturwissenschaften, die in Wahrheit ebensoviele Offenba-rungen Gottes sind, und die Fortschritte der Technik missbraucht der Materialismus, um die Menschen zu blenden, dass sie das Übersinnliche, Übernatürliche und Ewige daneben übersehen und vergessen, und er erfüllt sich im Kult des « Stoffes », des Leibes und der Leibeskraft, des Geldes und der Macht. Kaum eine Zeit hat so wie die gegenwärtige das Wort der Schrift wahr gemacht, dass alles in der Welt « Fleischeslust, Augenlust und Hoffart des Lebens » ist (i Io. 2, 16). Die organisierte und in der Rüstung politischer Macht einherschreitende Gottlosigkeit wäre weniger gefährlich, wenn sie nicht als Rückhalt und Zu-kunftshoffnung alle die vielen für sich buchen könnte, die, ohne sich zu ihr zu bekennen, ja vielleicht vermeinend, noch gläu-bige Menschen und Christen zu sein, in der Wirklichkeit des Alltags ganz so leben, als ob es keinen Herrgott gäbe.

Einen Damm gegen den Materialismus zu bilden ist Auf-gabe der Katholiken auf der ganzen Welt. Diese Aufgabe ist nicht hoffnungslos. Die Katholiken zählen gleichfalls nach Hun-derten von Millionen und stellen auch eine Macht dar. Es ist nicht wahr und kann lediglich aus einseitiger zu eng begrenzter Erfahrung erklärt werden, was vor kurzem geäussert wurde, dass nämlich die Katholiken nur noch zu einer nicht bedeuten-den Minderheit mit innerer Freude ihrem Glauben anhangen. Die Erfahrung der Weltkirche ist eine andere. Und mit den Katholiken steht, Wir wagen es zu sagen, immer noch auf Seiten Gottes die Mehrzahl der Menschen. Es gibt Länder, die gleich-falls nach Hunderten von Millionen zählen und deren Volk vor allem Religiösen eine Ehrfurcht hat, dass sie selbst manchen Katholiken beschämen könnte. « Gott ist der Herr auch unse rer Zeit ».

Wenn wir an die Christen der ersten Jahrhunderte denken, so ist der Kampf gegen den Materialismus, vielleicht wie keine der Kirche inzwischen gewordene Aufgabe, jener vergleichbar, vor die sie sich gestellt sahen: die alte heidnische Weltanschau-ung und Lebensordnung zu überwinden. Wie damals verlangt ein solcher Kampf den vollen Einsatz des katholischen Menschen, den geistigen und sittlichen.

Den geistigen: Nur solche, die den katholischen Glauben wirklich erfasst haben und seine Kenntnis dem Grad ihrer intellektuellen Reife entsprechend immer wieder vertiefen, denen der Glaube also persönliches Eigentum geworden ist, werden unter euren Verhältnissen sich und andere vor der Ansteckung durch den Religionsschwund bewahren. Das katholische Deut-schland konnte sich seinerzeit der zuverlässigen religiösen Schu-lung rühmen, die es seinen Söhnen und Töchtern mit auf den Weg ins Leben gab. Lasst dies auch heute euren Stolz sein. Beachtet dabei ein Doppeltes: Haltet euch in dem, was ihr über die Welt des Religiösen sagt und schreibt, immer auf dem Weg, der durch die sichere katholische Glaubenslehre abgegrenzt wird. Nur so seid ihr geschützt vor Verirrung und vor dem Ab-sturz in die Tiefe. Was sodann Glaube und Wissen angeht, ist erkenntnismässig ein Widerspruch zwischen ihnen innerlich un-möglich. Die damit aufgeworfenen Fragen hat die katholische Wissenschaft eingehend behandelt und wird sie weiter eingehend behandeln. Nur sollen dann auch ihre Ergebnisse Gemeingut der Gläubigen, besonders jener der führenden Berufe werden. Alle, welche die Jugend in die Glaubenswahrheiten einführen; dieje-nigen, welche die zukünftigen Priester und führenden Laien aus-bilden; die Priester, die das Wort Gottes verkünden; endlich die Männer und Frauen des gesamten katholischen Schrifttunis — erinnern Wir eindringlich an die überaus schwere Verantwor-tung, die ihnen heute der Beruf der Glaubensverkündigung auferlegt.

Der Kampf gegen den Materialismus fordert den sittlichen Einsatz des katholischen Menschen. In den Schlusskapiteln sei-ner Briefe, da wo der Völkerapostel von der Praxis des christlichen Lebens spricht, stellt er an den gewöhnlichen Gläubigen Anforderungen, die für Heilige bemessen scheinen. Aber nicht allein die Grösse der damals zu meisternden Aufgabe, schon das « Christ sein » an sich verlangte eine solche Höhe des sittlichen Strebens. Das galt immer; nur hat der Kampf gegen den Ma-terialismus die Gläubigen von heute besonders hellsichtig dafür gemacht. Ein jeder fühlt, dass er den Materialismus erst einmal in sich selber überwinden muss. In seinen Grundsätzen und in seinem Handeln, am Tag des Herrn wie im Alltag, im häuslichen Kreis wie im Beruf, allein wie in der Gemeinschaft und im öffentlichen Leben, ob ledig oder in der Ehe, in Vergnügen und Sport, beim Griff zur Presse, zur Illustrierten und zum Buch, beim Besuch der Bühne und des Films, immer und überall steht der Katholik unter dem Gebot Gottes und dem Gesetz Christi. Niemand kann ihn davon entbinden. Der Gegensatz gegen den Materialismus hat im Christen das Bewusstsein geschärft, dass Gott im Mittelpunkt alles Seins steht, Gott, der einzig unbe-dingte Wert, an dem alles Geschaffene zu messen ist. Wo der Christ dies unterlässt, hat er sich schon auf die Seite des Gegners gestellt.

Christ sein verlangt also gebieterisch Tugend und Opfer. Es hat sie immer verlangt, es verlangt sie aber heute ganz beson-ders und nicht selten heroische Tugend und heroische Opfer. Wer den Kampf gegen den Materialismus aufnehmen will, darf vor dieser Tatsache, dieser Folgerung nicht einen Augenblick zurückschrecken.

3) Ihr habt, geliebte Söhne und Töchter, den diesjährigen Katholikentag eingetaucht in die begnadigende Atmosphäre des Gebetes. Ihr habt gut daran getan. Denn wenn das, was heute vom katholischen Menschen verlangt wird, fast übermenschlich erscheint — das Gebetsleben gibt die Kraft, es zu meistern.

Die deutschen Katholiken haben sich immer ausgezeichnet durch Organisation und Leistung auf den verschiedensten Ge 5 7 5 bieten des kirchlichen Lebens. Mögen sie sich ebenso auszeichnen als ein Volk von Betern.

Wir rufen den Priestern zu: Betet. Betet mehr. Seid euren Gläubigen das Vorbild frommer Beter!

Wir rufen den Familien in Stadt und Land zu: Pflegt nach Vätersitte das Gebet im häuslichen Kreis! Es bringt Segen, stärkt den Glauben, schafft Gottesfurcht und Gottvertrauen, gegenseitige Ehrfurcht und Liebe und Stark-mut in schweren Tagen.

Wir rufen eurer Jugend zu: Lernt beten — nicht nur in der Gemeinschaft, sondern ebenso jeder und jede für sich, damit ihr auch auf euch selbst gestellt in der Gefahr zu bestehen vermögt und auf jeden Ruf Gottes bereit seid.

Wir rufen den katholischen Arbeitgebern und Arbeitneh-mern zu: Tragt die Fragen und Schwierigkeiten, die zwischen euch liegen, auch im Gebet aus. Wir wissen, wie verwickelt die Verhältnisse oft liegen und wie schwer Lösungen zu finden sind. Aber Programme, Gesetze und Schiedssprüche allein schaffen überhaupt noch nicht den sozialen Frieden. Selbst hervorra-gende Arbeiterführer in anderen Lagern gestehen, dass er letztlich nur werden kann aus christlichem Geist und christlicher Liebe der Beteiligten auf beiden Seiten. Betet viel um diesen Geist und diese Liebe!

Euch allen rufen Wir zu: Hebt die Herzen und Hände zu Gott empor! Die Zukunft ist unsicher und dunkel. Betet, dass Gott in gnadenvoller Vorsehung alles zum Besten lenke.

Ihr habt eure Tagung unter den Schutz der Mutter Gottes von Altötting gestellt. Im segensvollen Zeichen ihres Gnaden-bilds entfalten sich eure Beratungen am Gnadenort selbst und vollziehen sich eure Kundgebungen in Passau. In wehmütig froher Erinnerung gedenken Wir der Stunden, da Wir selbst am Altöttinger Gnadenaltar das hl. Opfer darbrachten und uns erbauten an der Inbrunst, mit der die fommen Pilger Maria ihre Hingabe erzeigten und ihre Bitten vortrugen. Drei kostbare Güter haben Deutschlands Katholiken die Jahrhunderte hin-durch besonders treu gehütet und gepflegt: den tiefen Glauben an das Heiligste Sakrament des Altars, die innige Verehrung der Gottesmutter und die lebendige Verbindung mit dem. Stellvertreter Christi auf Erden, die jetzt im Heiligen Jahr wieder so selbstverständlichen Ausdruck gefunden hat. Mögen eure Prie-ster sich der hohen Verantwortung bewusst bleiben, diese drei Quellen religiöser Kraft ihren Gläubigen in voller Reinheit und Stärke zu erhalten.

Als Unterpfand dessen erteilen Wir, den ganzen Reichtum der Gnade Jesu Christi und der mütterlichen Liebe Marias auf euch herabflehend, den in Passau anwesenden Oberhirten, Un-seren Ehrwürdigen Brüdern, dem Klerus und den Gläubigen, allen Unseren Söhnen und Töchtern in deutschen Landen und eurem ganzen Volk aus der Fülle des Herzens den Apostolischen Segen.

Den 16. August 1950.

PIUS PP. XII


*Discorsi e Radiomessaggi di Sua Santità Pio XII, XII,
  Dodicesimo anno di Pontificato, 2 marzo 1950 - 1° marzo 1951, pp. 571 - 577
  Tipografia Poliglotta Vaticana

 



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