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BENEDIKT XVI.

GENERALAUDIENZ

Mittwoch, 1. Februar 2006

 

Lesung: Psalm 145,1–13

1 [Ein Loblied Davids.] Ich will dich rühmen, mein Gott und König, und deinen Namen preisen immer und ewig;
2 ich will dich preisen Tag für Tag und deinen Namen loben immer und ewig.
3 Groß ist der Herr und hoch zu loben, seine Größe ist unerforschlich.
4 Ein Geschlecht verkünde dem andern den Ruhm deiner Werke und erzähle von deinen gewaltigen Taten.
5 Sie sollen vom herrlichen Glanz deiner Hoheit reden; ich will deine Wunder besingen.
6 Sie sollen sprechen von der Gewalt deiner erschreckenden Taten; ich will von deinen großen Taten berichten.
7 Sie sollen die Erinnerung an deine große Güte wecken und über deine Gerechtigkeit jubeln.
8 Der Herr ist gnädig und barmherzig, langmütig und reich an Gnade.
9 Der Herr ist gütig zu allen, sein Erbarmen waltet über all seinen Werken.
10 Danken sollen dir, Herr, all deine Werke und deine Frommen dich preisen.
11 Sie sollen von der Herrlichkeit deines Königtums reden, sollen sprechen von deiner Macht,
12 den Menschen deine machtvollen Taten verkünden und den herrlichen Glanz deines Königtums. 13 Dein Königtum ist ein Königtum für ewige Zeiten, deine Herrschaft währt von Geschlecht zu Geschlecht. [Der Herr ist treu in all seinen Worten, voll Huld in all seinen Taten.]

 

Liebe Brüder und Schwestern!

1. Soeben haben wir Psalm 145 zu unserem Gebet gemacht, ein freudiges Lob auf den Herrn, der als liebevoller und milder Herrscher gepriesen wird, der sich um alle seine Geschöpfe kümmert. Die Liturgie legt uns diesen Hymnus in zwei verschiedenen Momenten vor, die auch den beiden poetischen und spirituellen Sätzen des Psalms selbst entsprechen. Wir verweilen jetzt beim ersten Teil, der den Versen 1–13 entspricht.

Der Psalm steigt zum Herrn auf, der als »König« angerufen und beschrieben wird (vgl. Ps 145,1), eine Darstellung Gottes, die auch in anderen Psalmhymnen vorherrscht (vgl. Ps 47; 93; 96–99). Ja, den geistigen Mittelpunkt unseres Gesanges bildet gerade eine bedeutungsvolle, leidenschaftliche Verherrlichung der göttlichen Königswürde. Darin wird viermal – gleichsam als Hinweis auf die vier Dimensionen des Seins und der Geschichte – das hebräische Wort »malkut«, »Königtum«, wiederholt (vgl. Ps 145,11–13).

Wir wissen, daß diese Königssymbolik, die auch in der Verkündigung Christi eine zentrale Stellung einnehmen wird, Ausdruck des Heilsplanes Gottes ist: Er steht der menschlichen Geschichte nicht gleichgültig gegenüber, sondern hat ihr gegenüber vielmehr den Wunsch, einen Plan der Eintracht und des Friedens zu verwirklichen. Zur Erfüllung dieses Planes ist auch die ganze Menschheit aufgerufen, dem göttlichen Heilswillen nachzukommen, einem Willen, der sich auf »alle Menschen«, auf »alle Geschlechter« und auf »ewige Zeiten« erstreckt. Es ist ein universales Tun, das das Böse aus der Welt wegnimmt und in ihr die »Herrlichkeit« des Herrn errichtet, das heißt seine wirksame und transzendente persönliche Gegenwart.

2. Auf diese Herzmitte des Psalms, die genau im Zentrum des Textes steht, richtet sich das Lobgebet des Psalmisten, der sich zur Stimme aller Gläubigen macht und der heute die Stimme von uns allen sein möchte. Das erhabenste biblische Gebet ist in der Tat die Verherrlichung der Heilswerke, die die Liebe des Herrn zu seinen Geschöpfen kundtun. Unablässig wird in diesem Psalm »der Name« Gottes, das heißt seine Person, gepriesen (vgl. Vers 1–2), die sich in ihrem Handeln in der Geschichte offenbart: Da ist die Rede von »Werken«, »gewaltigen Taten«, »Wundern«, »Macht«, »Größe«, »Gerechtigkeit«, »Langmut«, »Barmherzigkeit«, »Gnade«, »Güte« und »Erbarmen«.

Es ist ein litaneiartiges Gebet, das den Eintritt Gottes in die Wechselfälle des menschlichen Lebens verkündet, um die gesamte geschaffene Wirklichkeit zur Heilsfülle zu führen. Wir sind weder finsteren Mächten ausgeliefert, noch werden wir mit unserer Freiheit allein gelassen, sondern wir sind dem Handeln des mächtigen und liebenden Herrn anvertraut, der uns gegenüber einen Plan hat, ein »Reich« errichten will (vgl. Vers 11).

3. Dieses »Reich« besteht nicht aus Macht und Herrschaft, Triumph und Unterdrückung, wie es leider häufig auf die irdischen Reiche zutrifft, sondern es ist der Ort eines Offenbarwerdens von Mitleid, Zärtlichkeit, Güte, Gnade, Gerechtigkeit, wie es im Fluß der Verse, die das Lob beinhalten, mehrmals bestätigt wird.

Die Zusammenfassung dieses Gottesbildes enthält Vers 8: Der Herr ist »langmütig und reich an Gnade«. Diese Worte erinnern an die Selbstoffenbarung Gottes auf dem Sinai: »Jahwe ist ein barmherziger und gnädiger Gott, langmütig, reich an Huld und Treue« (Ex 34,6). Wir haben es hier mit einer Vorbereitung des Glaubensbekenntnisses an Gott durch den hl. Johannes zu tun, den Apostel, der uns einfach sagt, daß Gott die Liebe ist: »Deus caritas est« (vgl. 1 Joh 4,8.16).

4. Außer auf diese schönen Worte, die uns einen Gott zeigen, der »gnädig und barmherzig, langmütig und reich an Gnade« ist, immer bereit, zu verzeihen und zu helfen, richtet sich unsere Aufmerksamkeit auch auf den wunderschönen Vers 9: »Der Herr ist gütig zu allen, sein Erbarmen waltet über allen seinen Werken«. Ein Wort, über das man nachdenken muß, ein Wort des Trostes, eine Gewißheit, die Er in unser Leben bringt. Dazu schreibt der hl. Petrus Chrysologus (ca. 380–ca. 450) in seiner Zweiten Predigt über das Fasten: »›Groß sind die Werke des Herrn‹: aber diese Größe, die wir in der Großartigkeit der Schöpfung sehen, diese Macht wird von der Größe des Erbarmens übertroffen. Denn nachdem der Prophet gesagt hatte: ›Groß sind die Werke des Herrn‹, fügte er an einer anderen Stelle hinzu: ›Sein Erbarmen ist größer als alle seine Werke‹. Das Erbarmen, Brüder, erfüllt den Himmel, erfüllt die Erde … Deshalb wies das großartige, großzügige, einzigartige Erbarmen Christi, der für das ganze Gericht einen einzigen Tag vorbehalten hat, die ganze Zeit des Menschen der Waffenruhe der Buße zu… Deshalb stürzte sich der Prophet, der kein Vertrauen in die eigene Gerechtigkeit hatte, ganz auf das Erbarmen: ›Gott, sei mir gnädig nach deiner Huld‹ (Ps 51,3)« (42,4–5: Sermoni 1–62bis, Scrittori dell’Area Santambrosiana, 1, Mailand/Rom 1996, S. 299.301).

Und so sagen auch wir zum Herrn: »Gott sei mir gnädig, der du groß bist in deinem Erbarmen «.


Gottes Eingreifen in die Geschichte gehört zu den großen Glaubenserfahrungen des alttestamentlichen Volkes Israel. Diese Überzeugung liegt auch dem Psalm 145 zugrunde, den wir zu Beginn vernommen haben. Der Psalmist preist die göttliche Königsherrschaft: Ja, Gottist König. Er regiert ein Reich der Eintracht und des Friedens und ruft alle Menschen auf, seinem neuschaffenden Heilswillen Folge zu leisten.

Die höchste Antwort auf die Liebe des Schöpfers ist der freudige Lobpreis des Beters. Dankbar verkündet er seinen Kindern, daß die Königsherrschaft Gottes den Menschen nicht überwältigt, sondern ein Erweis seiner Gnade, seiner Sanftmut und seiner Güte ist. „Sein Erbarmen waltet über all seinen Werken“ sagt der Psalmist (V. 9). Diese Barmherzigkeit offenbart sich in Jesus Christus. Mehr als alle großen Werke beeindruckt und berührt das göttliche Erbarmen das Herz des Menschen, den es von innen zu erneuern vermag.

***

Ganz herzlich heiße ich alle Pilger und Besucher aus den deutschsprachigen Ländern willkommen. Euer Aufenthalt hier in Rom und die Begegnung mit den großen und kleinen Zeugnissen der Geschichte des Christentums stärke euren Glauben. Die Gewißheit der liebenden Nähe Gottes mache euch stets bereit, das Gute zu tun und die Gemeinschaft der Menschen zu fördern. Der Herr begleite euch mit seinem Segen.

 

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