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EUCHARISTIEFEIER AM 1. TODESTAG VON PAPST JOHANNES PAUL II.

PREDIGT VON BENEDIKT XVI.

Petersplatz
Montag, 3. April 2006

 

Liebe Brüder und Schwestern!

In der Kirche und in der ganzen Welt ist in diesen Tagen, am ersten Jahrestag seines Todes, die Erinnerung an den Diener Gottes Johannes Paul II. besonders lebendig. In der marianischen Gebetsvigil haben wir gestern abend den Augenblick wieder erlebt, an dem sein frommer Heimgang stattgefunden hat, während wir uns heute erneut auf dem Petersplatz einfinden, um im Gedenken an seine auserwählte Seele das eucharistische Opfer darzubringen. Herzlich begrüße ich mit den Kardinälen, Bischöfen, Priestern und Ordensleuten die vielen Pilger, die von überall und besonders aus Polen gekommen sind, um ihm ihre Hochschätzung, ihre Liebe und ihren tiefen Dank zu bekunden. Wir wollen für diesen geliebten Papst beten, indem wir uns vom Wort Gottes erleuchten lassen, das wir soeben gehört haben.

In der Ersten Lesung aus dem Buch der Weisheit wurden wir an das erinnert, was die endgültige Bestimmung der Gerechten ist: eine Bestimmung unermeßlicher Seligkeit, die überreiche Belohnung für die im Lauf des Lebens erlittenen Leiden und Prüfungen. »Gott hat sie geprüft – bekräftigt der biblische Autor – und fand sie seiner würdig. Wie Gold im Schmelzofen hat er sie erprobt und sie angenommen als ein vollgültiges Opfer« (3,5–6). Der Ausdruck »Opfer« bezieht sich auf das Opfer, bei dem die Opfergabe vollständig verbrannt und vom Feuer verzehrt wurde. Es war deshalb ein Zeichen der vollen Hingabe an Gott. Diese biblische Ausdrucksweise läßt uns an die Sendung Johannes Pauls II. denken, der sein Dasein Gott und der Kirche geschenkt und den Opferaspekt seines Priestertums besonders in der Feier der Eucharistie gelebt hat. Eine seiner liebsten Anrufungen war der Litanei »Jesus Christus – Priester und Opfer« entnommen, die er an das Ende des Buches Geschenk und Geheimnis stellen wollte, das anläßlich seines 50jährigen Priesterjubiläums veröffentlicht wurde (vgl. S. 108–117): »Iesu, Pontifex qui tradidisti temetipsum Deo oblationem et hostiam – Jesus, Hoherpriester, der du dich selbst Gott als Gabe und Opfer dargebracht hast, erbarme dich unser.« Wie oft hat er diese Anrufung wiederholt! Sie bringt den tiefen priesterlichen Charakter seines ganzen Lebens gut zum Ausdruck. Er hat kein Geheimnis aus seinem Wunsch gemacht, immer mehr mit Christus dem Hohenpriester durch das eucharistische Opfer, die Quelle unermüdlicher apostolischer Hingabe, eins werden zu wollen. Fundament dieser totalen Selbsthingabe war natürlich der Glaube.

In der eben gehörten Zweiten Lesung verwendet auch der Apostel Petrus das Bild des im Feuer geprüften Goldes und bezieht es auf den Glauben (vgl. 1 Petr 1,7). Tatsächlich wird in den Schwierigkeiten des Lebens vor allem die Qualität des Glaubens eines jeden geprüft und auf die Probe gestellt: seine Festigkeit, seine Reinheit, seine Übereinstimmung mit dem Leben. Nun, der Papst, um den wir trauern und dem Gott eine Vielzahl menschlicher und geistlicher Gaben verliehen hatte, ging durch den Schmelzofen der apostolischen Mühen und der Krankheit, er zeigte sich immer mehr als ein »Fels« des Glaubens. Wer Gelegenheit hatte, ihn häufig aus der Nähe zu erleben, konnte seinen klaren und festen Glauben gleichsam mit Händen greifen. Dieser Glaube hat nicht nur den Kreis der Mitarbeiter beeindruckt, sondern während des langen Pontifikats auf die ganze Kirche einen ständig wachsenden heilsamen Einfluß ausgeübt, der in den letzten Monaten und Tagen seines Lebens den Höhepunkt erreichte. Ein überzeugter, starker und authentischer Glaube, frei von Ängsten und Kompromissen, der das Herz so vieler Menschen bewegte, auch dank der vielen apostolischen Pilgerreisen in alle Teile der Welt und besonders dank der letzten »Reise«, der Reise seiner Agonie und seines Todes.

Der verkündete Abschnitt des Evangeliums hilft uns, einen weiteren Aspekt seiner menschlichen und religiösen Persönlichkeit zu verstehen. Wir könnten sagen, daß er, der Nachfolger des Petrus, in ganz besonderer Weise den »Lieblingsjünger « unter den Aposteln, Johannes, nachgeahmt hat, der in der Stunde der Verlassenheit und des Todes des Erlösers unter dem Kreuz bei Maria blieb. Als Jesus sie dort beieinanderstehen sah – so berichtet der Evangelist –, vertraute er sie einander an: »Frau, siehe, dein Sohn! … Siehe, deine Mutter!« (Joh 19,26–27). Diese Worte des sterbenden Herrn waren Johannes Paul II. besonders lieb. Wie der Apostel und Evangelist wollte auch er Maria zu sich nehmen: »et ex illa hora accepit eam discipulus in sua« (Joh 19,27). Der Ausdruck »accepit eam in sua« ist ganz besonders inhaltsreich: Er bezeichnet den Entschluß des Johannes, Maria an seinem Leben teilhaben zu lassen, so daß er die Erfahrung machte, daß derjenige, der Maria sein Herz öffnet, in Wirklichkeit von ihr angenommen und der Ihrige wird. Der Wahlspruch im Wappen des Pontifikats von Papst Johannes Paul II., Totus tuus, faßt sehr gut diese spirituelle und mystische Erfahrung eines durch Maria völlig auf Christus ausgerichteten Lebens zusammen: »ad Iesum per Mariam – durch Maria zu Jesus.«

Liebe Brüder und Schwestern, heute abend denken wir bewegt an den Augenblick des Todes des geliebten Papstes, aber zugleich ist es, als würde das Herz gedrängt, nach vorne zu schauen. Wir hören im Geist seine wiederholten Aufrufe, ohne Angst auf dem Weg der Treue zum Evangelium fortzuschreiten, um Boten und Zeugen Christi im dritten Jahrtausend zu sein. Uns kommen seine unermüdlichen Mahnungen in den Sinn, hochherzig an der Verwirklichung einer gerechteren und solidarischeren Menschheit mitzuwirken und Friedensstifter und Hoffnungsträger zu sein. Unser Blick soll immer auf Christus gerichtet sein: Er ist »derselbe gestern, heute und in Ewigkeit« (Hebr 13,8), der seine Kirche mit Festigkeit leitet. Wir haben an seine Liebe geglaubt, und es ist die Begegnung mit ihm, »die unserem Leben einen neuen Horizont und damit seine entscheidende Richtung gibt« (Deus caritas est, 1). Die Kraft des Geistes Jesu sei für alle, liebe Brüder und Schwestern, so wie es bei Papst Johannes Paul II. war, eine Quelle des Friedens und der Freude. Und die Jungfrau Maria, Mutter der Kirche, helfe uns, bei jeder Gelegenheit wie er unermüdliche Apostel seines göttlichen Sohnes und Propheten seiner barmherzigen Liebe zu sein. Amen.

   

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