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ORDENTLICHES ÖFFENTLICHES KONSISTORIUM
ZUR KREIERUNG NEUER KARDINÄLE

EUCHARISTIEFEIER MIT DEN NEUEN KARDINÄLEN

PREDIGT VON PAPST BENEDIKT XVI.

Vatikanische Basilika
Sonntag, 19. Februar 201
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Meine Herren Kardinäle,
verehrte Mitbrüder im bischöflichen und im priesterlichen Dienst,
liebe Brüder und Schwestern!


Am Hochfest der Kathedra des heiligen Apostels Petrus haben wir die Freude, uns gemeinsam mit den neuen Kardinälen, die ich gestern in das Kardinalskollegium aufgenommen habe, um den Altar des Herrn zu versammeln. An sie richte ich vor allem meinen herzlichen Gruß und danke Kardinal Fernando Filoni für die freundlichen Worte, die er im Namen aller an mich gerichtet hat. Ich schließe in meinen Gruß die anderen Purpurträger und alle anwesenden Bischöfe ein sowie die geschätzten Vertreter des öffentlichen Lebens, die Damen und Herren Botschafter, die Priester, die Ordensleute und alle Gläubigen, die aus verschiedenen Teilen der Welt zu diesem frohen Anlaß gekommen sind, der einen besonderen Charakter der Universalität trägt.

In der eben vorgetragenen zweiten Lesung ermahnt der Apostel Petrus die „Ältesten“ der Kirche, eifrige und zuvorkommende Hirten der Herde Christi zu sein (vgl. 1 Petr 5,1-2). Diese Worte sind vor allem an euch gerichtet, liebe, verehrte Mitbrüder, die ihr bereits viele Verdienste beim Volk Gottes habt durch euer großzügiges und weises Wirken im pastoralen Dienst in wichtigen Diözesen oder in der Leitung der Dikasterien der Römischen Kurie oder im kirchlichen Dienst der Forschung und der Lehre. Die neue Würde, die euch verliehen wurde, möchte die Wertschätzung für eure treue Arbeit im Weinberg des Herrn bekunden, die Gemeinschaften und Nationen ehren, aus denen ihr kommt und deren würdige Vertreter ihr in der Kirche seid, euch mit neuen und wichtigeren kirchlichen Verantwortlichkeiten betrauen und euch schließlich um eine noch größere Verfügbarkeit für Christus und für die ganze christliche Gemeinschaft bitten. Diese Verfügbarkeit für den Dienst des Evangeliums ist fest gegründet auf die Glaubensgewißheit. Denn wir wissen, daß Gott seinen Verheißungen treu ist, und erwarten in der Hoffnung die Verwirklichung dieser Worte des Apostels Petrus: „Wenn dann der oberste Hirt erscheint, werdet ihr den nie verwelkenden Kranz der Herrlichkeit empfangen“ (1 Petr 5,4).

Das heutige Evangelium zeigt Petrus, der auf eine göttliche Eingebung hin seinen eigenen festen Glauben an Jesus, den Sohn Gottes und verheißenen Messias, ausdrückt. Als Antwort auf dieses, von Petrus auch im Namen der anderen Apostel abgelegte klare Glaubensbekenntnis offenbart Christus ihm die Aufgabe, die er ihm anvertrauen will, nämlich der „Stein“, der „Fels“ zu sein, das sichtbare Fundament, auf dem das ganze geistliche Gebäude der Kirche aufgebaut ist (vgl. Mt 16,16-19). Diese Bezeichnung „Fels – Stein“ bezieht sich nicht auf den Charakter der Person, sondern ist nur von einem tieferen Gesichtspunkt, vom Mysterium her zu verstehen: Durch die Aufgabe, die Jesus ihm überträgt, wird Petrus das, was er aufgrund von „Fleisch und Blut“ nicht ist. Der Exeget Joachim Jeremias hat gezeigt, daß im Hintergrund die Symbolsprache des „heiligen Felsens“ steht. Diesbezüglich kann uns ein rabbinischer Text hilfreich sein, in dem es heißt: „Der Herr sprach: »Wie kann ich die Welt erschaffen, da diese Gottlosen erstehen und mich ärgern werden?« Als aber Gott auf Abraham schaute, der erstehen sollte, sprach er: »Siehe, ich habe einen Felsen gefunden, auf den ich die Welt bauen und gründen kann.« Deshalb nannte er Abraham einen Felsen.“ Der Prophet Jesaja beruft sich darauf, als er das Volk erinnert: „Blickt auf den Felsen, aus dem ihr gehauen seid … auf Abraham, euren Vater“ (51,1-2). Abraham, der Vater der Glaubenden, wird mit seinem Glauben als der Fels gesehen, der die Schöpfung stützt. Simon, der als erster Jesus als den Christus bekannt hat und der erste Zeuge der Auferstehung war, wird nun mit seinem erneuerten Glauben der Fels, der sich den zerstörerischen Kräften des Bösen widersetzt.

Liebe Brüder und Schwestern! Diese Episode aus dem Evangelium, die wir gehört haben, findet eine weitere und noch anschaulichere Erklärung in einem sehr bekannten künstlerischen Element, das den Petersdom ziert: im Kathedra-Altar. Wenn man durch das grandiose Mittelschiff geht und nach Überwindung des Querschiffs zur Apsis gelangt, sieht man sich vor einem riesigen Thron aus Bronze, der zu schweben scheint, in Wirklichkeit aber von den vier Statuen großer Kirchenväter des Ostens und des Westens gehalten wird. Und über dem Thron, umgeben von einem Triumph in der Luft schwebender Engel, leuchtet im Ovalfenster die Herrlichkeit des Heiligen Geistes. Was sagt uns nun dieses bildhauerische Gefüge, das wir dem Genie des Bernini verdanken? Es stellt eine Sicht des Wesens der Kirche und – in ihr – des petrinischen Lehramtes dar.

Das Apsis-Fenster öffnet die Kirche nach außen, zur gesamten Schöpfung hin, während das Bild der Taube des Heiligen Geistes Gott als Quelle des Lichtes zeigt. Doch da ist auch noch ein anderer Aspekt hervorzuheben: Die Kirche selbst ist nämlich wie ein Fenster, der Ort, an dem Gott sich naht, unserer Welt entgegenkommt. Die Kirche existiert nicht für sich selbst, sie ist nicht das endgültige Ziel, sondern muß über sich hinausweisen, nach oben, über uns hinaus. Die Kirche ist wirklich sie selbst in dem Maß, in dem sie den Anderen – den „Anderen“ schlechthin – durchscheinen läßt, von dem her sie kommt und zu dem sie führt. Die Kirche ist der Ort, wo Gott bei uns „ankommt“ und wo wir zu ihm hin „aufbrechen“; sie hat die Aufgabe, außer sich selber auch jene Welt zu öffnen, die dazu neigt, sich in sich selbst zu verschließen, und ihr das Licht zu bringen, das von oben kommt, ohne das sie unbewohnbar würde.

Die große Kathedra aus Bronze birgt einen hölzernen Thron aus dem 9. Jahrhundert, der lange Zeit für den Stuhl des Apostels Petrus gehalten wurde und aufgrund seines hohen symbolischen Wertes gerade über diesem Altar angebracht wurde. Er drückt nämlich die ständige Gegenwart des Apostels im Lehramt seiner Nachfolger aus. Der Stuhl des heiligen Petrus ist – so können wir sagen – der Thron der Wahrheit, der seinen Ursprung aus dem Auftrag Christi nach dem Bekenntnis bei Cäsarea Philippi bezieht. Der Lehrstuhl ruft uns immer wieder die Worte des Herrn an Petrus im Abendmahlssaal in Erinnerung: „Ich aber habe für dich gebetet, daß dein Glaube nicht erlischt. Und wenn du dich wieder bekehrt hast, dann stärke deine Brüder“ (Lk 22,32).

Noch eine weitere Erinnerung ruft die Kathedra Petri hervor: das berühmte Wort des heiligen Ignatius von Antiochien, der in seinem Brief an die Römer die Kirche von Rom als die bezeichnet, „welche den Vorsitz in der Liebe hat“ (Inscr.: PG 5,801). In der Tat ist der Vorsitz im Glauben untrennbar an den Vorsitz in der Liebe gebunden. Ein Glaube ohne Liebe wäre kein echter christlicher Glaube mehr. Aber die Worte des heiligen Ignatius haben auch noch eine andere, sehr viel konkretere Bedeutung: Der Begriff „caritas – Liebe“ wurde nämlich in der frühen Kirche auch als Bezeichnung für die Eucharistie gebraucht. Die Eucharistie ist ja das Sacramentum caritatis Christi – das Sakrament der Liebe Christi –, durch das er weiterhin uns alle zu sich hin zieht, wie er es von der Höhe des Kreuzes aus getan hat (vgl. Joh 12,32). Darum bedeutet „den Vorsitz in der Liebe haben“, die Menschen in eine eucharistische Umarmung – in die Umarmung Christi – hineinziehen, die jede Schranke und jede Fremdheit überwindet und aus den mannigfaltigen Verschiedenheiten die Gemeinschaft bildet. Das Petrusamt ist also ein Primat in der Liebe im eucharistischen Sinn bzw. ein fürsorglicher Einsatz für die weltweite Gemeinschaft der Kirche in Christus. Und die Eucharistie ist Gestalt und Maßstab dieser Gemeinschaft sowie eine Garantie dafür, daß diese dem Kriterium der Glaubensüberlieferung treu bleibt.

Die große Kathedra wird gestützt von den Kirchenvätern. Die beiden Lehrer des Ostens – der heilige Johannes Chrysostomus und der heilige Athanasius – stellen gemeinsam mit den lateinischen – dem heiligen Ambrosius und dem heiligen Augustinus – die Gesamtheit der Überlieferung und somit den Reichtum des Ausdrucks des wahren Glaubens in der heiligen und einen Kirche dar. Dieses Element des Altars sagt uns, daß die Liebe sich auf den Glauben gründet. Sie zerbröckelt, wenn der Mensch nicht mehr auf Gott vertraut und ihm nicht gehorcht. Alles in der Kirche ist auf den Glauben gegründet: die Sakramente, die Liturgie, die Evangelisierung, die Liebe. Auch das Recht, auch die Autorität in der Kirche fußen auf dem Glauben. Die Kirche regelt sich nicht in autonomer Weise, sie gibt sich nicht selbst ihre Ordnung, sondern empfängt sie vom Wort Gottes, das sie im Glauben hört und zu verstehen und zu leben sucht. Die Kirchenväter haben in der Gemeinschaft der Kirche die Funktion von Bürgen für die Treue zur Heiligen Schrift. Sie sichern eine zuverlässige, solide Exegese, die fähig ist, mit der Kathedra Petri ein festes, einheitliches Gefüge zu bilden. Die im Licht der Väter vom Lehramt maßgeblich interpretierte Heilige Schrift erleuchtet den Weg der Kirche in der Zeit, indem sie ihr inmitten der geschichtlichen Veränderungen ein beständiges Fundament gibt.

Nachdem wir die verschiedenen Elemente des Kathedra-Altars bedacht haben, wollen wir ihn nun in seiner Gesamtheit betrachten. Und dabei sehen wir, daß er von einer zweifachen Bewegung durchzogen ist: von einem Aufstieg und einem Abstieg. Es ist das Wechselspiel zwischen Glaube und Liebe. Die Kathedra ist an diesem Ort stark hervorgehoben, denn hier ist das Grab des Apostels Petrus, doch auch sie strebt der Liebe Gottes zu. In der Tat ist der Glaube auf die Liebe hin ausgerichtet. Ein egoistischer Glaube wäre ein unwahrer Glaube. Wer an Jesus Christus glaubt und in die Dynamik der Liebe eintritt, die in der Eucharistie ihre Quelle hat, entdeckt die wahre Freude und wird seinerseits fähig, nach der Logik dieses Schenkens zu leben. Der wahre Glaube ist erleuchtet von der Liebe und führt zur Liebe, nach oben, wie der Kathedra-Altar bis zum leuchtenden Fenster, zur Herrlichkeit des Heiligen Geistes emporführt, dem eigentlichen Brennpunkt für den Blick des Pilgers, wenn dieser die Schwelle des Petersdoms überschreitet. Dieses Fenster heben der Triumph der Engel und der große vergoldete Strahlenkranz in höchstem Maße hervor, mit einem Eindruck der überquellenden Fülle, welche den Reichtum der Gemeinschaft mit Gott zum Ausdruck bringt. Gott ist nicht Einsamkeit, sondern glorreiche, freudvolle, sich verströmende, strahlende Liebe.

Liebe Brüder und Schwestern, uns, einem jeden Christen ist das Geschenk dieser Liebe anvertraut: ein Geschenk zum Verschenken, mit dem Zeugnis unseres Lebens. Das ist besonders eure Aufgabe, verehrte Mitbrüder im Kardinalat: die Freude der Liebe Christi zu bezeugen. Wir vertrauen nun euren neuen kirchlichen Dienst der Jungfrau Maria an. Sie war zugegen, als sich die Gemeinschaft der Apostel in der Erwartung des Heiligen Geistes im Gebet versammelt hatte (vgl. Apg 1,14). Sie, die Mutter des menschgewordenen Wortes, schütze den Weg der Kirche, unterstütze mit ihrer Fürsprache das Werk der Hirten und behüte unter ihrem Mantel das ganze Kardinalskollegium. Amen!

 

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