Index   Back Top Print

[ DE  - EN  - FR  - PT ]

ANSPRACHE VON BENEDIKT XVI.
AN DEN NEUEN BOTSCHAFTER VON SAINT LUCIA BEIM HL. STUHL, HERRN
GILBERT RAMEZ CHAGOURY*

Donnerstag, 1. Dezember 2005

 

Herr Botschafter!

Ich freue mich, Sie heute im Vatikan zu empfangen und das Beglaubigungsschreiben entgegenzunehmen, durch das Sie als außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter von Saint Lucia beim Heiligen Stuhl akkreditiert werden. Ich bitte Sie höflich, der Frau Generalgouverneurin Dame Pearlette Louisy und dem Herrn Premierminister Kenny Anthony meinen Dank für ihre guten Wünsche zu übermitteln. Ich erwidere sie von Herzen und versichere die Regierung und das Volk von Saint Lucia meines Gebetsgedenkens für das Wohlergehen der Nation.

Die diplomatischen Beziehungen der Kirche, die zu Ihrem Land seit über 20 Jahren bestehen und viele Früchte getragen haben, sind Teil ihres Sendungsauftrages im Dienst an der internationalen Gemeinschaft. Ihr besonderer Auftrag ist die Förderung der Würde der menschlichen Person sowie des Friedens und der Eintracht unter den Völkern der Erde. Diese wesentlichen Voraussetzungen für den Fortschritt in der ganzheitlichen Entwicklung von Menschen und Nationen finden ihre tiefste Bedeutung in der sittlichen Ordnung, die von Gott, dem Schöpfer, der alle Männer und Frauen in die Fülle seines Lebens aufnehmen will, begründet wurde. Daher spricht der Heilige Stuhl mit soviel Beharrlichkeit und Nachdruck über die Achtung der Würde des Menschen und über die grundlegende Bedeutung des Schutzes der Familie als »Grund- und Lebenszelle der Gesellschaft« (II. Vatikanisches Konzil, Dekret über das Laienapostolat Apostolicam Actuositatem, 11).

Herr Botschafter, die heilige Institution der Ehe ist lebenswichtig für das Wohlergehen jeder Nation, Saint Lucia einbegriffen. Sie ist die unverzichtbare Grundlage des Familienlebens und die erste Quelle des Zusammenhalts von Gemeinschaften. Angesichts von Traditionen und Tendenzen, die die Ehe abwerten und sogar allmählich zerstören können, bedarf es entschlossener Anstrengungen seitens der zivilen und der religiösen Autoritäten, die zusammenarbeiten müssen, um zu gewährleisten, daß ein intaktes und treues Familienleben aufrechterhalten und von ganzem Herzen gefördert wird. Jede Hoffnung auf eine Erneuerung der Gesellschaft, die nicht an Gottes Plan für Ehe und Familie festhält, ist zum Scheitern verurteilt, denn dies ist der Ort, wo die gottgegebene Würde jedes Menschen ihre erste Verwirklichung findet und wo das Selbstvertrauen, das notwendig ist, um im Erwachsenenalter reife Beziehungen aufbauen zu können, zuerst erfahren und genährt wird (vgl. Apostolisches Schreiben Familiaris Consortio, 3).

Das Engagement Ihrer Regierung für wirtschaftliche Diversifizierung und eine Weiterentwicklung der sozialen Infrastruktur bietet vor allem der jungen Generation die Möglichkeit, mit Vertrauen und Optimismus in die Zukunft zu blicken. Entscheidend für eine derartige Zukunftsperspektive ist die Schaffung von Ausbildungsmöglichkeiten. Wo die Schulen auf professionelle Weise funktionieren und mit Personal besetzt sind, das persönliche Integrität besitzt, wird allen Menschen und vor allem den Jugendlichen Hoffnung geschenkt. Zu einer solchen Ausbildung gehört als fester Bestandteil die religiöse Unterweisung. Vom Glauben erleuchtetes Wissen, weit davon entfernt, Gemeinschaften zu entzweien, verbindet die Völker in einer gemeinsamen Suche nach der Wahrheit, die jeden Menschen definiert als denjenigen, der vom Glauben lebt (vgl. Enzyklika Fides et Ratio, 31). In dieser Hinsicht muß das Prinzip der Religionsfreiheit, wenn es auf den Lehrplan für den Religionsunterricht in den Schulen angewandt wird, das Recht einschließen, die katholischen Glaubensinhalte zu lehren und die Teilnahme an den verschiedenen Formen der Glaubenspraxis zu erleichtern (vgl. II. Vatikanisches Konzil, Erklärung über die Religionsfreiheit Dignitatis humanae, 4).

Der sittliche Aspekt wahrer wirtschaftlicher Entwicklung ist auch von grundlegender Bedeutung für das Wohlergehen und den friedlichen Fortschritt einer Nation. Hier wird die Forderung nach Gerechtigkeit erfüllt (vgl. Sollicitudo Rei Socialis, 10). Das Recht auf eine sinnvolle Tätigkeit und einen annehmbaren Lebensstandard, die Sicherheit einer gerechten Verteilung der Güter und des Wohlstands sowie der verantwortungsvolle Gebrauch der natürlichen Ressourcen: All dies hängt von einer Auffassung von Entwicklung ab, die sich nicht darauf beschränken darf, nur die materiellen Bedürfnisse zu decken, sondern die auch die Würde der menschlichen Person – die der eigentliche Träger jeden Fortschritts ist – hervorheben und so das Gemeinwohl der gesamten Menschheit anheben muß. Um ein solches Ziel zu erreichen, bedarf es gewiß der Unterstützung durch die ganze internationale Gemeinschaft, aber auch auf der Ebene regionaler Initiativen kann viel erreicht werden. Dazu ist es erforderlich, sich von einem übertriebenen Nationalismus loszusagen, damit der tiefgehende Wert gemeinschaftlicher Solidarität durch örtliche Abkommen, die zu wirtschaftlicher und sozialer Zusammenarbeit auf regionaler Basis führen, zum Ausdruck kommen kann.

Wie Eure Exzellenz freundlich erwähnten, leistet die Kirche in Saint Lucia der Nation einen großen Dienst durch ihr weit gespanntes Apostolat in Erziehung und Sozialarbeit. In Treue zu ihrer geistlichen und humanitären Sendung versucht sie, einen aktiven Beitrag zum Fortschritt des Volkes zu leisten. Unter den vielen Initiativen, an denen sie beteiligt ist, befindet sich der Kampf gegen Drogenhandel und Drogenkonsum. Der Wille zur Abwendung dieser Gefahr, die die Gesellschaftsstruktur bedroht, Zündstoff liefert für Verbrechen und Gewalt und zur physischen und emotionalen Zerstörung vieler Menschen und Familien beiträgt, verlangt große politische Entschlossenheit, internationale Zusammenarbeit und die Unterstützung durch die ganze Gemeinschaft. Ich ermutige Ihre Regierung in ihren Bemühungen, diesem Übel entgegenzutreten, und versichere Ihnen, daß sie die volle Unterstützung der katholischen Gläubigen haben.

Herr Botschafter, ich bin zuversichtlich, daß Ihr Amt, das Sie heute antreten, dazu beitragen wird, die Bande der Verständigung und Zusammenarbeit zwischen Saint Lucia und dem Heiligen Stuhl zu festigen. Da Sie nun Ihre neue Verantwortung übernehmen, versichere ich Ihnen, daß die verschiedenen Ämter der Römischen Kurie Sie bei der Erfüllung Ihrer Pflichten bereitwillig unterstützen werden. Für Sie und Ihre Landsleute erbitte ich den reichen Segen des allmächtigen Gottes.


* L'Osservatore Romano n. 2006 n. 3 p. 9.

 

© Copyright 2005 - Libreria Editrice Vaticana

 



Copyright © Dicastero per la Comunicazione - Libreria Editrice Vaticana