ANSPRACHE VON BENEDIKT XVI.
AN DIE ITALIENISCHE CHRISTLICHE UNION
DER UNTERNEHMER
Audienzenhalle
Samstag, 4. März 2006
Meine Herren Kardinäle,
liebe Freunde der Christlichen Union der Unternehmer!
Ich freue mich, euch zu empfangen und an jeden von euch meinen herzlichen Gruß zu richten. Ein besonderer Gedanke gilt Herrn Kardinal Ennio Antonelli, der eure gemeinsamen Empfindungen zum Ausdruck gebracht hat. Ich danke ihm für seine Grußadresse, so wie ich auch dem Präsidenten der Christlichen Union der Unternehmer für die freundlichen Worte dankbar bin, mit denen er unsere Begegnung eingeleitet und die Motivation und den Stil eures Engagements auf persönlicher und auf Verbandsebene dargestellt hat. Besonders beeindruckt hat mich der von euch bekundete Vorsatz, nach einer Ethik zu trachten, die über eine rein vom Pflichtbewußtsein bestimmte Berufsethik hinausgeht – obwohl schon das in der gegenwärtigen Lage nicht wenig wäre. Das hat mich an den Zusammenhang zwischen Gerechtigkeit und Liebe erinnert, dem ich im zweiten Teil der Enzyklika Deus caritas est (Nr. 26–29) eine eingehende Betrachtung gewidmet habe. Der Christ ist aufgerufen, stets die Gerechtigkeit zu suchen, trägt aber den Ansporn der Liebe in sich, die über die Gerechtigkeit hinausgeht. Der Weg, den die christlichen Laien von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis heute zurückgelegt haben, hat ihnen das Bewußtsein vermittelt, daß die Werke der Nächstenliebe nicht an die Stelle des Einsatzes für soziale Gerechtigkeit treten dürfen. Die Soziallehre der Kirche und vor allem die Tätigkeit so vieler christlich inspirierter Vereinigungen, wie der eurigen, zeigen, welch eine lange Wegstrecke die kirchliche Gemeinschaft im Hinblick auf dieses Thema bewältigt hat. In letzter Zeit ist uns allen, auch dank des Lehramtes und des Zeugnisses der Päpste und besonders des geliebten Papstes Johannes Paul II., klarer geworden, daß Gerechtigkeit und Liebe die zwei untrennbaren Aspekte der einen sozialen Verpflichtung des Christen sind. Den gläubigen Laien kommt es in besonderer Weise zu, für eine gerechte Ordnung in der Gesellschaft dadurch zu wirken, daß sie persönlich am öffentlichen Leben teilnehmen und mit den anderen Bürgern in eigener Verantwortung zusammenarbeiten (vgl. Deus caritas est, 29). Wenn sie so handeln, sind sie von der »sozialen Liebe« beseelt, die sie offen macht für die Menschen als Menschen, für die Situationen größter Not und Einsamkeit und auch für die Bedürfnisse, die nicht materieller Art sind (vgl. ebd., 28b).
Vor zwei Jahren wurde vom Päpstlichen Rat für Gerechtigkeit und Frieden das Kompendium der Soziallehre der Kirche veröffentlicht. Es handelt sich um ein äußerst nützliches Instrument der Bildung für alle, die sich in ihrer beruflichen Tätigkeit vom Evangelium leiten lassen wollen. Ich bin sicher, daß es auch bei euch aufmerksames Interesse gefunden hat, und wünsche mir, daß es für jeden von euch und für die örtlichen Unterabteilungen der UCID zu einem festen Anhaltspunkt bei der Analyse von Problemen, bei der Ausarbeitung von Plänen und bei der Suche nach Lösungen für die komplexen Fragen der Arbeits- und Wirtschaftswelt werden wird. In der Tat verwirklicht ihr gerade in diesem Bereich einen unverzichtbaren Teil eures Auftrags als christliche Laien und damit eures Weges der Heiligung.
Außerdem habe ich mit Interesse die »Charta der Werte« der jungen UCID-Mitglieder gesehen; ich beglückwünsche euch zu dem positiven Geist des Vertrauens in die menschliche Person, der diese Charta erfüllt. Jedes »ich glaube« verbindet sie mit einem »ich verpflichte mich« und zielt so auf den Zusammenhang zwischen einer starken Überzeugung und einem daraus folgenden aktiven und wirksamen Bemühen. Besonders anerkennenswert finde ich euren Vorsatz, jedem Menschen seinen Wert zuzuerkennen, entsprechend dem, was er ist und was er seinen Talenten gemäß geben kann, und jede Form von Ausbeutung zu vermeiden, sowie die Bedeutung, die ihr der Familie und der persönlichen Verantwortung zuerkennt. Es handelt sich um Werte, die leider, auch wegen der derzeitigen schwierigen Wirtschaftslage, oft Gefahr laufen, von den Unternehmern, die ohne eine solide moralische Inspiration handeln, nicht beachtet zu werden. Deshalb ist der Beitrag all derer unverzichtbar, die diese Inspiration aus ihrer christlichen Bildung schöpfen, die um so mehr nie als selbstverständlich vorausgesetzt werden darf, sondern stets genährt und erneuert werden muß.
Liebe Freunde, in wenigen Tagen feiern wir das Fest des hl. Josef, des Schutzpatrons der Arbeiter. Seine Verehrung ist in der Geschichte eures Verbandes sicher immer lebendig gewesen. Da ich meinerseits auch seinen Namen trage, freue ich mich, ihn euch heute nicht nur als himmlischen Beschützer und Fürsprecher für jede verdienstvolle Initiative zu empfehlen, sondern vor allem als Vertrauten eures Gebets und eurer alltäglichen Verpflichtungen, die sicher viele Genugtuungen und Enttäuschungen mit sich bringen, als Vertrauten eurer täglichen und, ich würde sagen, hartnäckigen Suche nach der Gerechtigkeit Gottes in den menschlichen Angelegenheiten. Der hl. Josef wird euch helfen, die verpflichtende Aufforderung Jesu in die Tat umzusetzen: »Euch aber muß es zuerst um sein Reich und um seine Gerechtigkeit gehen« (Mt 6,33). Stets stehe euch auch die allerseligste Jungfrau Maria bei, zusammen mit den großen Zeugen der sozialen Liebe, die durch ihre Lehre und ihr Wirken das Evangelium der Liebe verbreitet haben. Es begleite euch zum Abschluß der Apostolische Segen, den ich von Herzen euch, die ihr hier anwesend seid, erteile und den ich gern auf alle Mitglieder eurer Vereinigung und auf eure Angehörigen ausweite.
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