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ANSPRACHE VON BENEDIKT XVI.
AN DIE TEILNEHMERINNEN AM KONGRESS DES "ORDO VIRGINUM"
ZUM THEMA "GEWEIHTE JUNGFRÄULICHKEIT IN DER WELT:
EIN GESCHENK IN DER KIRCHE UND FÜR DIE KIRCHE"

Donnerstag, 15. Mai 2008

 

Liebe Schwestern!

1. Mit Freude empfange und begrüße ich eine jede von euch, die ihr durch den »feierlichen Ritus der Anverlobung an Christus« (Ritus der Jungfrauenweihe, 30) geweiht seid, anläßlich der Internationalen Begegnung, zugleich Pilgerfahrt und Kongreß des Ordo Virginum, die euch in diesen Tagen in Rom zusammengeführt hat. Insbesondere begrüße ich Kardinal Franc Rodé und danke ihm für das freundliche Grußwort und seinen Einsatz für die Unterstützung dieser Initiative, während ich an das Organisationskomitee ein herzliches Danke richte. Bei der Wahl des Leitthemas dieser Tage habt ihr euch an einer Aussage von mir inspiriert, die zusammenfaßt, was ich bereits über eure Wirklichkeit als Frauen, die die geweihte Jungfräulichkeit in der Welt leben, sagen konnte: Ein Geschenk in der Kirche und für die Kirche. In diesem Licht möchte ich euch in eurer Berufung bestärken und euch einladen, Tag für Tag in dem Verständnis eines Charismas zu wachsen, das für die Augen des Glaubens so leuchtend und fruchtbar ist, wie es für die Augen der Welt dunkel und unnütz ist.

2. »Ihr sollt dem Namen nach und tatsächlich Mägde des Herrn sein in Nachahmung der Muttergottes« (Ritus der Jungfrauenweihe, 29). Der Stand der Jungfrauen stellt eine besondere Ausdrucksform geweihten Lebens dar, die nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil in der Kirche wiederaufgeblüht ist (vgl. Apostol. Schreiben Vita consecrata, 7). Seine Wurzeln sind jedoch sehr alt; sie reichen tief in die Anfänge des evangelischen Lebens zurück, als sich – wie eine unerhörte Neuheit – das Herz einiger Frauen dem Verlangen nach der geweihten Jungfräulichkeit zu öffnen begann: das heißt jenem Verlangen, Gott ihr ganzes Sein zu schenken, was in der Jungfrau von Nazaret und in ihrem »Ja« seine erste außergewöhnliche Verwirklichung gefunden hatte. Das Denken der Kirchenväter erkennt in Maria das Urbild der christlichen Jungfrauen und hebt die Neuheit des neuen Lebensstandes hervor, in den man durch eine freie Liebesentscheidung eintritt.

3. »In dir, Herr, sollen sie alles besitzen, weil sie vor allem dich allein gewählt haben« (Ritus der Jungfrauenweihe, 38). Euer Charisma soll die Intensität, aber auch die Frische der Ursprünge der Kirche widerspiegeln. Es gründet auf der schlichten Einladung im Evangelium: »Wer das erfassen kann, der erfasse es« (Mt 19,12) und auf dem Rat des Paulus bezüglich der Jungfräulichkeit um des Himmelreiches willen (1 Kor 7,25–35). Doch schwingt in ihm das ganze christliche Geheimnis mit. Als euer Charisma entstanden ist, wies es keine besonderen Lebens- und Verhaltensmuster auf, es hat sich aber dann nach und nach institutionalisiert, bis hin zu einer richtiggehenden öffentlichen feierlichen Weihe, die vom Bischof durch einen eindrucksvollen liturgischen Ritus erteilt wurde, der die geweihte Frau zur »sponsa Christi«, zum Bild der als Braut verstandenen Kirche machte.

4. Meine Lieben, eure Berufung ist tiefverwurzelt in der Ortskirche, zu der ihr gehört: es ist die Aufgabe eurer Bischöfe, in euch das Charisma der Jungfräulichkeit zu erkennen, euch zu weihen und euch nach Möglichkeit auf eurem Weg weiter zu begleiten, um »euch die Furcht des Herrn zu lehren«, wozu sie sich während der feierlichen Weiheliturgie verpflichten. Vom Atem der Diözese mit ihren Traditionen, ihren Heiligen, ihren Werten, Grenzen und Schwierigkeiten öffnet ihr euch dem Atem der Weltkirche, vor allem durch das gemeinsame liturgische Gebet, das euch aufgetragen wird, damit »es ununterbrochen in eurem Herzen und auf euren Lippen erklinge« (Ritus der Jungfrauenweihe, 42). Auf diese Weise wird sich euer betendes »Ich« allmählich ausweiten, bis es schließlich im Gebet nur mehr ein großes »Wir« geben wird. Das ist das kirchliche Gebet und die wahre Liturgie. Im Dialog mit Gott öffnet ihr euch dem Dialog mit allen Geschöpfen, denen gegenüber ihr euch als Mütter, Mütter der Kinder Gottes (vgl. Ritus der Jungfrauenweihe, 29), fühlt.

5. Euer an sich wirklich hohes Ideal verlangt jedoch keinerlei besondere äußerliche Veränderung. Normalerweise verbleibt die geweihte Jungfrau in ihrem bisherigen Lebensumfeld. Es ist ein Weg, der anscheinend keine spezifischen Merkmale des religiösen Lebens, vor allem des Gehorsams, aufweist. Aber für euch wird die Liebe zur Nachfolge: euer Charisma schließt eine Ganzhingabe an Christus, eine Angleichung an den Bräutigam ein, die implizit die Erfüllung der evangelischen Räte erfordert, um die Treue zu ihm unversehrt zu bewahren (vgl. Ritus der Jungfrauenweihe, 47). Das Leben mit Christus verlangt Innerlichkeit, aber gleichzeitig öffnet es uns für die Verbindung mit den Brüdern und Schwestern: dahinein mündet eure Sendung. Eine wesentliche »Lebensregel « definiert die Verpflichtung, die jede von euch mit Zustimmung des Bischofs sowohl auf geistlicher Ebene als auch im Lebensbereich übernimmt. Es handelt sich um persönliche Wege. Bei euch gibt es verschiedene Stile und Formen, das Geschenk der geweihten Jungfräulichkeit zu leben, was im Verlauf einer internationalen Begegnung, wie jener, zu der ihr in diesen Tagen versammelt seid, um so offenkundiger wird. Ich fordere euch auf, über den Schein hinauszugehen, indem ihr das Geheimnis der zarten Liebe Gottes, die jede in sich trägt, erfaßt und euch trotz eurer Verschiedenheit als Schwestern erkennt.

6. »Euer Leben sei ein besonderes Zeugnis der Liebe und sichtbares Zeichen des künftigen Reiches« (Ritus der Jungfrauenweihe, 30). Achtet darauf, daß eure Person immer die Würde der Braut Christi ausstrahle, die Neuartigkeit des christlichen Daseins und die frohe Erwartung des künftigen Lebens zum Ausdruck bringe. Auf diese Weise könnt ihr mit eurer ehrenhaften Lebensweise Sterne sein, die Orientierung geben für den Lauf der Welt. Die Entscheidung zum jungfräulichen Leben ist nämlich ein Hinweis auf die Vergänglichkeit der irdischen Wirklichkeit und die Vorwegnahme der künftigen Güter. Seid Zeugen der wachsamen und tätigen Erwartung, der Freude, des Friedens, der dem eigen ist, der sich der Liebe Gottes hingibt. Seid in der Welt präsent und dennoch Pilgerinnen auf dem Weg zum Reich. Die geweihte Jungfrau identifiziert sich nämlich mit jener Braut, die gemeinsam mit dem Geist den Herrn ruft: »Der Geist und die Braut sagen: Komm!« (Offb 22,17).

7. Bevor wir auseinandergehen, vertraue ich euch Maria an. Und ich mache mir die Worte des hl. Ambrosius zu eigen, der die christliche Jungfräulichkeit besungen hat, und richte sie an euch: »In jeder Jungfrau lebe die Seele Mariens, um den Herrn zu preisen; in jeder lebe der Geist Mariens, um im Herrn zu frohlocken. Auch wenn es nur eine leibliche Mutter Christi gibt, so ist dennoch nach dem Glauben Christus die Frucht aller, da jede Seele das Wort Gottes empfängt, vorausgesetzt, daß sie unbefleckt und unversehrt von Lastern mit untadeliger Scham die Keuschheit hütet« (Kommentar zum hl. Lukas 2,26: PL 15,1642).

Mit diesem Wunsch segne ich euch von Herzen.

  

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