Index   Back Top Print

[ AR  - DE  - EN  - ES  - FR  - HR  - IT  - PL  - PT ]

PAPST FRANZISKUS

ANGELUS

Petersplatz
Sonntag, 19. Februar 2023

[Multimedia]

______________________________________

 

Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag!

Die Worte, die Jesus im Evangelium dieses Sonntags an uns richtet, sind anspruchsvoll und scheinen paradox: Er fordert uns auf, die andere Wange hinzuhalten und sogar unsere Feinde zu lieben (vgl. Mt 5,38-48). Es ist normal für uns, diejenigen zu lieben, die uns lieben, und mit denen befreundet zu sein, die unsere Freunde sind; doch Jesus provoziert uns, indem er sagt: »Was tut ihr damit Besonderes?« (V. 47). Was tut ihr, das besonders ist? Das ist der Punkt, auf den ich eure Aufmerksamkeit heute lenken möchte: was tut ihr, das besonders ist.

»Besonders« ist das, was über die Grenzen des Gewöhnlichen hinausgeht, was die üblichen Praktiken und die normalen, von der Vorsicht diktierten Berechnungen überschreitet. Im Allgemeinen versuchen wir vielmehr, alles im Griff und unter Kontrolle zu haben, so dass es unseren Erwartungen, unserem Maß entspricht: aus Angst, keine Gegenleistung zu erhalten oder uns zu sehr zu exponieren und dann enttäuscht zu werden, ziehen wir es vor, nur die zu lieben, die uns lieben, um Enttäuschungen zu vermeiden, nur denen Gutes zu tun, die gut zu uns sind, nur denen gegenüber großzügig zu sein, die sich revanchieren können; und denen gegenüber, die uns schlecht behandeln, antworten wir mit der gleichen Münze, so dass wir im Gleichgewicht sind. Doch der Herr warnt uns: das ist nicht genug! Wir würden sagen: das ist nicht christlich! Wenn wir im Gewöhnlichen verharren, im Gleichgewicht zwischen Geben und Nehmen, ändern sich die Dinge nicht. Wenn Gott dieser Logik folgen würde, hätten wir keinerlei Hoffnung auf Erlösung! Aber zum Glück für uns ist Gottes Liebe immer »außergewöhnlich«, sie geht weiter, sie geht über die üblichen Kriterien hinaus, nach denen wir Menschen unsere Beziehungen leben.

Die Worte Jesu fordern uns also heraus. Während wir versuchen, im Gewöhnlichen des Nützlichkeitsdenkens zu bleiben, fordert er uns auf, uns für das Außergewöhnliche zu öffnen, für das Außergewöhnliche der unentgeltlichen Liebe; während wir immer versuchen, Soll und Haben auszugleichen, ermutigt uns Christus, das Ungleichgewicht der Liebe zu leben. Jesus ist kein tüchtiger Buchhalter: nein! Er führt immer hin zur Unausgewogenheit der Liebe. Wir sollten uns nicht darüber wundern. Hätte Gott nicht auf das Gleichgewicht verzichtet, wären wir nie gerettet worden: es war das Ungleichgewicht des Kreuzes, das uns gerettet hat! Jesus wäre nicht gekommen, um uns zu suchen, als wir verloren und weit weg waren, er hätte uns nicht bis zum Ende geliebt, er hätte nicht das Kreuz für uns auf sich genommen, die wir all das nicht verdient hatten und ihm nichts zurückgeben konnten. Wie der Apostel Paulus schreibt: »Dabei wird nur schwerlich jemand für einen Gerechten sterben; vielleicht wird er jedoch für einen guten Menschen sein Leben wagen. Gott aber erweist seine Liebe zu uns darin, dass Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren« (Röm 5,7-8). Seht, Gott liebt uns, als wir noch Sünder sind, nicht weil wir gut sind oder ihm etwas zurückgeben können. Brüder und Schwestern, Gottes Liebe ist eine Liebe, die immer überbordet, die immer unberechenbar ist, die immer unverhältnismäßig ist. Und heute bittet er auch uns, so zu leben, denn nur so können wir wirklich Zeugnis von ihm ablegen.

Brüder und Schwestern, der Herr schlägt uns vor, aus der Logik des Auf-unsere-Rechnung-Kommens auszusteigen und die Liebe nicht mit den Maßstäben der Berechnung und der Bequemlichkeit zu messen. Er lädt uns ein, das Böse nicht mit dem Bösen zu beantworten, das Gute zu wagen, das Geben zu riskieren, auch wenn wir wenig oder gar nichts zurückerhalten. Denn es ist diese Liebe, die langsam die Konflikte verwandelt, Entfernungen verkürzt, Feindseligkeiten überwindet und die vom Hass geschlagenen Wunden heilt. Dann können wir uns fragen, ein jeder von uns: Folge ich in meinem Leben der Logik der Gegenseitigkeit, oder jener der Unentgeltlichkeit, wie Gott es tut? Die außergewöhnliche Liebe Christi ist nicht einfach, aber sie ist möglich; sie ist möglich, weil er selbst uns hilft, indem er uns seinen Geist schenkt, seine Liebe ohne Maß.

Beten wir zur Gottesmutter, die Gott ihr »Ja« ohne Berechnung gegeben und ihm erlaubt hat, sie zum Meisterwerk seiner Gnade zu machen.

______________________________________

Nach dem Angelus sagte der Papst:

Liebe Brüder und Schwestern!

Die Liebe Jesu fordert uns auf, uns von der Situation derer, die geprüft werden, anrühren zu lassen. Ich denke insbesondere an Syrien und die Türkei, an die unzähligen Opfer des Erdbebens, aber auch an die täglichen Dramen des teuren ukrainischen Volkes und an so viele Völker, die unter Krieg oder Armut, Unfreiheit oder Umweltzerstörung leiden: viele Völker... In diesem Sinne bin ich den Menschen in Neuseeland nahe, die in den letzten Tagen von einem verheerenden Wirbelsturm getroffen wurden. Brüder und Schwestern, lasst uns die Leidenden nicht vergessen und lasst uns sicherstellen, dass unsere Nächstenliebe aufmerksam sei, lasst sie eine konkrete Nächstenliebe sein!

Ich grüße euch alle, die ihr aus Italien und anderen Ländern gekommen seid. Ich grüße die Pilger aus Oviedo (Spanien) und die Schüler aus Vila Pouca de Aguair in Portugal.

Sodann grüße ich die Gruppen der Katholischen Aktion aus Rimini und Saccolongo, die Gläubigen aus Lentiai, Turin und Bozen, die Firmlinge aus Valvasone und Almenno San Salvatore, die Heranwachsenden und Jugendlichen aus Tricesimo, Leno, Chiuppano und Fino Mornasco, die Ministranten aus Arcene und die Schüler der Schule Sant’Ambrogio in Mailand.

Ich wünsche allen einen schönen Sonntag. Bitte vergesst nicht, für mich zu beten. Gesegnete Mahlzeit und auf Wiedersehen.



Copyright © Dicastero per la Comunicazione - Libreria Editrice Vaticana