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PAPST FRANZISKUS

FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTAE"

 

Verstand, Herz, Kontemplation

Dienstag, 22. Oktober 2013

aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 44, 1. November 2013

Gott hat uns nicht per Dekret oder Gesetz gerettet; er hat uns mit seinem Leben gerettet. Das ist ein Geheimnis, für dessen Verständnis Intelligenz allein nicht ausreicht, ja, es allein mit dem Verstand erklären zu wollen, bedeutet, sich der Gefahr auszusetzen, verrückt zu werden. Um es zu verstehen, ist ganz Anderes notwendig. Das erklärte Papst Franziskus in der Predigt der heiligen Messe, die er am Dienstag Morgen, 22. Oktober, in Santa Marta gefeiert hat.

Natürlich handle es sich um etwas, das weder leicht zu verstehen noch zu erklären sei. »Ich weiß nicht, ob der Abschnitt aus dem Römerbrief, den wir in der ersten Lesung gehört haben, nicht einer der schwierigsten ist«, sagte der Papst, indem er einige Verse des fünften Kapitels dieses Briefes zitierte (12.15.17-19.20-21). »Man sieht, dass der arme Paulus Mühe hat, dies zu verkünden, dies verständlich zu machen.« Doch er helfe uns, der Wahrheit näherzukommen. In diesem Zusammenhang verwies der Heilige Vater auf drei Worte, die unser Verständnis erleichtern könnten: Kontemplation, Nähe, Fülle.

Vor allen Dingen die Kontemplation. Zweifellos handle es sich um ein so außerordentliches Geheimnis, »dass die Kirche, wenn sie uns etwas über dieses Geheimnis sagen will, nur ein Wort verwendet: auf wunderbare Weise. Sie sagt: O Gott, der du die Welt so wunderbar geschaffen hast, du hast sie auf noch viel wunderbarere Weise erlöst, du hast sie neu geschaffen…« Paulus möchte uns gerade dies verständlich machen: um zu verstehen ist es notwendig, auf die Knie zu gehen, zu beten und zu betrachten. »Die Kontemplation ist Verstehen, Herz, Knien, Gebet«, und dies alles zusammenzufügen, so der Bischof von Rom, bedeute, in das Geheimnis einzutreten. Daher sei das, was der hl. Paulus in Bezug auf das Heil und die von Christus gewirkte Erlösung sage, »nur kniend zu verstehen, in der Kontemplation, nicht allein mit dem Verstand«, denn »wenn der Verstand ein Geheimnis erklären will, dann wird  er immer verrückt. So ist es in der Geschichte der Kirche geschehen.«

Das zweite Wort, auf das der Papst hinwies, lautete »Nähe«. Ein Begriff, der in diesem Text aus dem Römerbrief häufig auftauche: »Ein Mensch hat die Sünde begangen, ein anderer Mensch hat uns gerettet. Es ist der nahe Gott. Dieses Geheimnis zeigt uns Gott, der uns, unserer Geschichte nahe ist; vom ersten Augenblick an, als er unseren Vater Abraham erwählt hat, als er den Weg mit seinem Volk gegangen ist und als er seinen Sohn gesandt hat, dieses Werk zu vollbringen.«

Ein Werk, das Jesus als Handwerker, als Arbeiter vollbringt. »Das Bild, das mir in den Sinn kommt, ist das der Krankenschwester oder des Krankenpflegers, die in einem Krankenhaus eine Wunde nach der anderen heilen, mit ihren Händen. Gott mischt sich in unser Elend, er nähert sich unseren Wunden und heilt sie mit seinen Händen. Um Hände zu haben, ist er Mensch geworden. Und das Werk Jesu ist eine persönlich vollbrachte Arbeit: ein Mensch hat die Sünde begangen, ein Mensch kommt, um sie zu heilen.« Denn »Gott rettet uns nicht nur durch ein Dekret, durch ein Gesetz. Er rettet uns mit Zärtlichkeit, mit Liebkosungen, er rettet uns mit seinem Leben für uns.«

Das dritte Wort sei »Fülle«. Im Brief des Paulus werde es mehrmals wiederholt: »Wo die Sünde groß ist, ist die Gnade übergroß.« Dass die Sünde in der Welt und im Herzen jedes einzelnen groß sei, sei klar zu erkennen: »Jeder von uns kennt sein Elend, er kennt es gut. Und es ist übergroß. Aber die Herausforderung Gottes ist es, die Sünde zu besiegen, die Wunden zu heilen, wie er es bei Jesus getan hat.« Ja, noch mehr: »Uns das übergroße Geschenk seiner Liebe und seiner Gnade zu machen.«

So versteht man auch die »Vorliebe Jesu für die Sünder. Man beschuldigte ihn, immer mit den Zöllnern, den Sündern Umgang zu haben. Mit den öffentlichen Sündern zu essen war ein Skandal, weil im Herzen dieser Menschen die Sünde übergroß war. Aber er ging zu ihnen mit jener Überfülle an Gnade und Liebe.« Und die Liebe Gottes, so der Papst, »siegt immer, denn er selbst ist es, der sich schenkt, der uns nahe kommt, der uns liebkost, der uns heilt.«

Sicher, so unterstrich der Papst, wird es manchen nicht gefallen zu hören, dass die Sünder dem Herzen Jesu näher sind, dass »er sie sucht, sie ruft: kommt, kommt… Und als man eine Erklärung von ihm hören möchte, sagt er: Aber die, die bei guter Gesundheit sind, brauchen keinen Arzt; ich bin gekommen, um in Fülle zu heilen, zu retten.«

Abschließend erinnerte der Papst daran, dass einige Heilige »sagen, dass eine der hässlichsten Sünden das Misstrauen ist, Gott misstrauen. Aber wie können wir einem Gott misstrauen, der uns so nahe ist, der so gut ist, der unser sündiges Herz vorzieht? Und so ist dieses Geheimnis: Es ist nicht leicht, es zu verstehen, man kann es mit dem Verstand nicht richtig begreifen und es auch nicht nur mit dem Verstand verstehen. Vielleicht können uns diese drei Worte helfen: Kontemplation: dieses Geheimnis betrachten; Nähe: dieses von Ewigkeit her verborgene Geheimnis des nahen Gottes, der sich uns nähert; und Fülle: ein Gott, der immer mit der Überfülle seiner Gnade, seiner Zärtlichkeit siegt oder – wie wir im Tagesgebet gelesen haben – mit dem Reichtum seiner Barmherzigkeit.«



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