Index   Back Top Print

[ DE  - EN  - ES  - FR  - IT  - PT ]

BOTSCHAFT VON PAPST FRANZISKUS
 AN DAS
FORUM DER LAUDATO SI'-GEMEINSCHAFTEN

Amatrice, 6. Juli 2019

 

Ich richte einen herzlichen Gruß an die Organisatoren und Teilnehmer am 2. Forum der Laudato si’-Gemeinschaften. Es wird in einem Gebiet abgehalten, das von dem Erdbeben verwüstet wurde, das Mittelitalien im August 2016 heimgesucht hat, und wo die Opferzahlen höher waren als in anderen Gebieten. Es ist ein Zeichen der Hoffnung, sich ausgerechnet in Amatrice zu befinden, an das die Erinnerung in meinem Herzen stets gegenwärtig ist, um das Ungleichgewicht, das unser »gemeinsames Haus« zerstört, zu thematisieren. Es ist nicht nur ein Zeichen der Nähe zu vielen Brüdern und Schwestern, die immer noch am Scheideweg leben zwischen der Erinnerung an eine erschreckende Tragödie und dem Wiederaufbau, der verspätet anläuft, sondern es bringt auch den Willen zum Ausdruck, laut und deutlich zu verkünden, dass es die Armen sind, die den höchsten Preis für die Umweltzerstörungen bezahlen.

Die der Umwelt zugefügten Wunden sind unausweichlich Wunden, die der wehrlosesten Menschheit zugefügt werden. In der Enzyklika Laudato si’ habe ich geschrieben: »Es wird keine neue Beziehung zur Natur geben ohne einen neuen Menschen. Es gibt keine Ökologie ohne eine angemessene Anthropologie« (Nr. 118). Nachdem ihr euch im vergangenen Jahr dem Thema »Plastik« gewidmet habt, das unseren Planeten erstickt, denkt ihr heute über die schwerwiegende und nicht mehr tragbare Situation des Amazonasgebiets und der Völker, die es bewohnen, nach. So inspiriert ihr euch an der Bischofssynode für das Amazonasgebiet, deren Instrumentum laboris kürzlich vorgestellt wurde.

Die Situation des Amazonasgebiets ist ein trauriges Paradigma für das, was in mehreren Teilen des Planeten geschieht: eine blinde und zerstörerische Denkweise, die den Profit der Gerechtigkeit vorzieht, macht die ausbeuterische Haltung deutlich, die der Mensch gegenüber der Natur einnimmt. Bitte vergesst nicht, dass soziale Gerechtigkeit und Ökologie zutiefst miteinander verbunden sind! Was im Amazonasgebiet geschieht, hat Auswirkungen auf planetarischer Ebene, aber es hat auch bereits Tausende von Männern und Frauen ihrer Gebiete beraubt: Sie sind Fremde im eigenen Land geworden, ihrer Kultur und ihrer Traditionen beraubt, wodurch das jahrtausendealte Gleichgewicht, das jene Völker mit ihrem Land vereint hat, zerstört wurde. Der Mensch darf dieser Zerstörung nicht tatenlos zuschauen, und erst recht die Kirche darf nicht schweigen: Der Schrei der Armen muss in ihrem Mund erklingen, wie bereits der heilige Paul VI. in seiner Enzyklika Populorum progressio hervorgehoben hat. Mit Unterstützung der Kirche in Rieti und von Slow food haben die Laudato si’-Gemeinschaften sich nicht nur dafür eingesetzt, die in der gleichnamigen Enzyklika dargelegte Lehre zu Gehör zu bringen, sondern auch neue Lebensstile zu fördern. In dieser pragmatischen Perspektive möchte ich euch drei Worte übermitteln.

Das erste Wort ist »Doxologie«. Angesichts des Gutes der Schöpfung und vor allem angesichts des Wohls des Menschen, der die Krone, aber auch der Hüter der Schöpfung ist, ist es notwendig, die Haltung des Lobes anzunehmen. Angesichts all der Schönheit müssen wir, mit erneuertem Staunen, mit Kinderaugen, in der Lage sein, die Schönheit wertzuschätzen, von der wir umgeben sind und von der auch der Mensch durchwirkt ist. Der Lobpreis ist Frucht der Betrachtung, die Betrachtung und der Lobpreis führen zur Achtung, die Achtung wird gleichsam zur Verehrung angesichts der Güter der Schöpfung und ihres Schöpfers.

Das zweite Wort ist »Eucharistie«. Die eucharistische Haltung gegenüber der Welt und ihrer Bewohner weiß den Status des Geschenks zu erfassen, den jedes Lebewesen in sich trägt. Alles wird uns umsonst gegeben – nicht, um ausgebeutet und absorbiert zu werden, sondern um seinerseits zum Geschenk zu werden, das mit anderen geteilt und weitergeschenkt wird, damit alle Freude daran haben und diese somit größer ist.

Das dritte Wort ist »Askese«. Jede Form der Achtung entsteht aus einer asketischen Haltung, also aus der Fähigkeit, auf etwas verzichten zu können für ein größeres Gut, zum Wohl der anderen. Die Askese hilft uns, die immer bestehende Gefahr einer ausbeuterischen Haltung zu vermeiden, um diese in die Form des Miteinander-Teilens, der ökologischen, achtsamen und rücksichtsvollen Beziehung umzusetzen. Ich hoffe, dass die Laudato si’-Gemeinschaften der Keim einer neuen Art, die Welt zu leben, sein mögen, um ihr Zukunft zu schenken, um ihre Schönheit und Ganzheitlichkeit zu bewahren für das Wohl aller Lebewesen, ad maiorem Dei gloriam. Ich danke euch, und ich segne euch von Herzen. Betet für mich!

Aus dem Vatikan, am 6. Juli 2019

Franziskus

 



Copyright © Dicastero per la Comunicazione - Libreria Editrice Vaticana