APOSTOLISCHE REISE VON PAPST FRANZISKUS
NACH KENIA, UGANDA UND IN DIE ZENTRALAFRIKANISCHE REPUBLIK
(25.-30. NOVEMBER 2015)
GEBETSVIGIL MIT DEN JUGENDLICHEN UND BEICHTE
ANSPRACHE DES HEILIGEN VATERS
Feld vor der Kathedrale, Bangui (Zentralafrikanische Republik)
Sonntag, 29. November 2015
Liebe junge Freunde,
ich begrüße euch ganz herzlich! Euer Freund, der im Namen aller gesprochen hat, sagte, dass euer Symbol die Bananenstaude ist, weil diese ein Sinnbild für das Leben ist: Sie wächst, schlägt immer wieder neu aus und trägt Früchte von hohem Nährwert. Die Bananenstaude ist auch widerstandsfähig. Ich denke, das beschreibt deutlich den Weg, der euch in diesem schwierigen Moment von Krieg, Hass und Spaltung anzuraten ist: den Weg des Widerstands.
Euer Freund sagte, dass einige von euch weggehen wollen. Vor den Herausforderungen des Lebens zu fliehen, ist niemals eine Lösung! Man muss widerstehen, den Mut zum Widerstand, zum Kampf für das Gute haben! Wer flieht, hat nicht den Mut, Leben zu schenken. Die Bananenstaude schenkt Leben; ständig schlägt sie wieder neu aus und schenkt immer mehr Leben, weil sie widerstandsfähig ist, weil sie bleibt, weil sie dort steht. Einige von euch werden mich fragen: „Aber Pater, was können wir tun? Wie kann man denn widerstehen?“ Ich will euch zwei oder drei Dinge sagen, die euch vielleicht hilfreich sein können, um zu widerstehen.
Vor allem: das Gebet. Das Gebet ist mächtig! Das Gebet besiegt das Böse! Das Gebet bringt euch Gott nahe, der der Allmächtige ist. – Ich stelle euch eine Frage: Betet ihr?... Ich höre nichts… [Die Jugendlichen rufen: „Ja!“] Vergesst das nicht!
Zweitens: für den Frieden arbeiten. Und der Friede ist nicht etwa ein Dokument, das man unterzeichnet, und dann bleibt es da liegen. Den Frieden macht man jeden Tag! Der Friede ist eine „handwerkliche“ Arbeit, die man selbst macht, mit den eigenen Händen, mit dem eigenen Leben. Doch jemand kann mich fragen: „Aber sagen Sie mir, Pater, wie kann denn ich ein Handwerker des Friedens sein?“ – Erstens: niemals hassen! Und wenn jemand dir Böses antut, versuche zu verzeihen. Keine Hass! Viel Vergebung! Das sagen wir jetzt gemeinsam: Kein Hass, viel Vergebung! [Alle wiederholen es auf Sango] Wenn du keinen Hass in deinem Herzen hegst und wenn du verzeihst, dann wirst du ein Sieger sein. Denn du wirst Sieger im schwierigsten Kampf des Lebens sein – Sieger in der Liebe. Und durch die Liebe kommt der Friede.
Wollt ihr Besiegte, oder wollt ihr Sieger sein im Leben? Was wollt ihr? [Die Jugendlichen rufen auf Sango: „Wir wollen die sein, die siegen!“] Man siegt nur auf dem Weg der Liebe. Auf dem Weg der Liebe! Und kann man denn den Feind lieben? Ja! Kann man dem vergeben, der dir Böses angetan hat? Ja! Auf diese Weise, mit der Liebe und der Vergebung, werdet ihr Sieger sein. Mit der Liebe werdet ihr Sieger sein und immer Leben schenken. Die Liebe wird euch nie zu Besiegten machen.
Jetzt wünsche ich euch euer Bestes. Denkt an die Bananenstaude! Denkt an den Widerstand angesichts der Schwierigkeiten! Fliehen, weit fortgehen ist keine Lösung. Ihr müsst mutig sein. Habt ihr verstanden, was es bedeutet, mutig zu sein? Mutig im Verzeihen, mutig in der Liebe, mutig im Friedenschließen. Einverstanden? [Die Jugendlichen antworten auf Sango: „Ja!“] Sagen wir das gemeinsam: Mutig in der Liebe, im Verzeihen, im Friedenschließen. [Die Jugendlichen wiederholen es auf Sango].
Liebe junge Zentralafrikaner, ich bin sehr froh, euch zu begegnen. Heute haben wir diese Pforte geöffnet. Sie stellt die Tür der Barmherzigkeit Gottes dar. Vertraut auf Gott! Denn er ist barmherzig, er ist Liebe, er ist imstande, uns den Frieden zu schenken. Darum habe ich am Anfang zu euch gesagt, ihr solltet beten: Es ist notwendig zu beten, um zu widerstehen, um zu lieben, um nicht zu hassen, um „Handwerker“ des Friedens zu sein.
Vielen Dank für eure Anwesenheit. Jetzt gehe ich in die Kirche, um von einigen von euch die Beichte zu hören…
Seid ihr von Herzen bereit zu widerstehen? Ja oder nein? [Die Jugendlichen antworten auf Sango: „Ja!“] Seid ihr von Herzen bereit, für den Frieden zu kämpfen? [„Ja!“] Seid ihr von Herzen bereit zu verzeihen? [„Ja!“] Seid ihr von Herzen bereit zur Versöhnung? [„Ja!“] Seid ihr von Herzen bereit, dieses schöne Heimatland zu lieben? [„Ja!“] Und ich komme zum Anfang zurück: Seid ihr von Herzen bereit zu beten? [„Ja!“]
Und jetzt bitte ich euch auch, für mich zu beten, damit ich ein guter Bischof sein kann, damit ich ein guter Papst sein kann. Versprecht ihr mir, für mich zu beten? [„Ja!“]
Und nun erteile ich euch den Segen für euch und für eure Familien. Einen Segen mit der Bitte an den Herrn, dass er euch die Liebe und den Frieden schenken möge.
[Segen]
Einen guten Abend, und betet für mich!
Vom Heiligen Vater vorbereitete Ansprache
Liebe junge Freunde, guten Abend!
Es ist mir eine große Freude, euch heute Abend zu treffen, während wir mit dem ersten Adventssonntag ein neues Kirchenjahr beginnen. Ist das nicht für jeden von uns eine Gelegenheit zu einem neuen Aufbruch, die Gelegenheit, »ans andere Ufer« (Lk 8,22) hinüberzufahren?
Danke, Evans, für die Worte, die du in euer aller Namen an mich gerichtet hast. Während dieses unseres Treffens werde ich einigen von euch das Sakrament der Versöhnung spenden können. Und so möchte ich euch einladen, über die Bedeutsamkeit dieses Sakraments nachzudenken, in dem Gott uns persönlich entgegenkommt. Jedes Mal, wenn wir ihn darum bitten, kommt er zu uns, um uns „ans andere Ufer“ hinüberzuführen, zu diesem Ufer unseres Lebens, an dem Gott uns vergibt, uns seine Liebe eingießt, die heilt, lindert und aufrichtet! Das Jubiläum der Barmherzigkeit, das ich soeben zu meiner Freude speziell für euch, liebe zentralafrikanische und afrikanische Freunde, eröffnet habe, erinnert uns gerade daran, dass Gott uns mit offenen Armen erwartet, wie uns auch das schöne Bild vom Vater, der den verlorenen Sohn aufnimmt, ins Gedächtnis ruft.
Tatsächlich tröstet uns die empfangene Vergebung und erlaubt uns, mit zuversichtlichem Herzen und in Frieden neu aufzubrechen, fähig, mehr in Harmonie mit uns selbst, mit Gott und mit den anderen zu leben. Diese empfangene Vergebung ermöglicht uns auch, selber zu vergeben. Wir haben das immer nötig, und besonders in Situationen von Konflikt und Gewalt wie jene, die ihr noch allzu oft erlebt. Ich bringe erneut allen unter euch, die von Schmerz, Trennung und den Wunden des Hasses und des Krieges betroffen sind, meine Nähe zum Ausdruck. In diesem Zusammenhang ist es menschlich sehr schwierig, denen zu verzeihen, die uns Böses getan haben. Doch Gott schenkt uns Kraft und Mut, um jene „Handwerker“, jene Gestalter von Versöhnung und Frieden zu werden, deren euer Land so sehr bedarf. Der Christ, der Jünger Christi, folgt den Spuren seines Meisters, der am Kreuz seinen himmlischen Vater gebeten hat, denen zu vergeben, die ihn kreuzigten (vgl. Lk 23,34). Wie weit ist diese Haltung von den Gefühlen entfernt, die allzu oft in unserem Herzen wohnen!... Diese Haltung und dieses Wort Jesu, »Vater, vergib ihnen«, zu meditieren, kann uns helfen, unseren Blick und unser Herz zu verwandeln. Für viele ist es ein Ärgernis, dass Gott gekommen ist, um einer von uns zu werden; ein Ärgernis, dass er am Kreuz gestorben ist. Ja es ist ein Ärgernis: das Ärgernis des Kreuzes. Das Kreuz erregt weiter Anstoß. Doch es ist der einzig sichere Weg: der Weg des Kreuzes, der Weg Jesu, der gekommen ist, um unser Leben zu teilen und uns von der Sünde zu erlösen (vgl. Begegnung mit den jungen Argentiniern in der Kathedrale von Rio de Janeiro [25. Juli 2013]). Liebe Freunde, dieses Kreuz spricht zu uns von der Nähe Gottes: Er ist bei uns, ist bei jedem von euch in euren Freuden wie in euren Prüfungen.
Liebe junge Freunde, das wertvollste Gut, das wir im Leben haben können, ist unsere Beziehung zu Gott. Seid ihr davon überzeugt? Seid ihr euch bewusst, welch unschätzbaren Wert ihr in den Augen Gottes besitzt? Wisst ihr, dass ihr von ihm geliebt und bedingungslos angenommen werdet, so wie ihr seid? (vgl. Botschaft zum Weltjugendtag 2015, 2). Wenn ihr euch Zeit nehmt zum Gebet und zum Lesen der Heiligen Schrift, besonders des Evangeliums, werdet ihr ihn besser kennen lernen, und auch euch selbst werdet ihr kennen lernen. Die Ratschläge Jesu können nämlich auch heute eure Gefühle und eure Entscheidungen erleuchten. Ihr seid begeistert und großherzig, seid auf der Suche nach einem großen Ideal, sucht die Wahrheit und die Schönheit. Ich ermutige euch, einen wachen und kritischen Geist zu bewahren gegenüber jedem Kompromiss, der im Gegensatz zur Botschaft des Evangeliums steht. Danke für eure kreative Dynamik, derer die Kirche bedarf! Pflegt sie! Seid Zeugen der Freude, welche die Begegnung mit Jesus schenkt! Möge sie euch verwandeln, möge sie euren Glauben stärken und festigen, um die Ängste zu überwinden, um immer mehr in den Plan der Liebe einzutreten, den Gott für euch hat! Gott will das Gute für alle seine Kinder. Diejenigen, die sich von ihm anschauen lassen, werden von der Sünde, von der Traurigkeit, von der inneren Leere, von der Abschottung befreit (vgl. Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium, 1). Und stattdessen können sie den Mitmenschen als Bruder oder Schwester betrachten, akzeptieren, dass er anders ist, und entdecken, dass er ein Geschenk für sie selbst ist. Dies ist die Weise, wie der Friede jeden Tag aufgebaut wird. Das verlangt, den Weg des Dienens und der Demut einzuschlagen, aufmerksam auf die Bedürfnisse des anderen zu sein. Um in diese Mentalität einzutreten, muss man ein Herz haben, das sich zu erniedrigen weiß und versteht, das Leben mit denen zu teilen, die bedürftiger sind. Darin liegt die wahre Nächstenliebe. Und so wächst die Solidarität, angefangen bei den kleinen Dingen, und die Keime der Trennung verschwinden. So trägt der Dialog zwischen den Gläubigen Frucht; die Geschwisterlichkeit wird Tag für Tag gelebt und macht das Herz weit, indem sie eine Zukunft auftut. Auf diese Weise könnt ihr sehr viel Gutes für euer Land tun, und ich ermutige euch, es zu tun.
Liebe junge Freunde, der Herr lebt und geht mit euch den Weg. Wenn die Schwierigkeiten sich zu häufen scheinen, wenn rings um euch Schmerz und Traurigkeit herrschen, lässt er euch nicht im Stich. Er hat uns das Gedächtnis seiner Liebe hinterlassen: die Eucharistie und die anderen Sakramente, um auf dem Weg voranzukommen, denn in ihnen findet ihr die Kraft, jeden Tag weiterzumachen. Und dies muss die Quelle eurer Hoffnung und eures Mutes sein, um mit Jesus ans andere Ufer hinüberzufahren (vgl. Lk 8,22) und so für euch und eure Generation, für eure Familien und für euer Land neue Wege zu öffnen. Ich bete, dass ihr diese Hoffnung habt. Seid in ihr verankert und gebt sie weiter an die anderen, an unsere von Kriegen, Konflikten, vom Bösen und von der Sünde verwundeten Welt. Vergesst nicht: Der Herr ist mit euch. Er hat Vertrauen in euch. Er möchte, dass ihr seine missionarischen Jünger seid, in den schwierigen Momenten und in den Prüfungen unterstützt von der Fürbitte der Jungfrau Maria und vom Gebet der ganzen Kirche. Liebe Jugendliche aus Zentralafrika, geht, ich sende euch aus!
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