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JOHANNES PAUL II.
GENERALAUDIENZ
Mittwoch, 5. Mai 1982
1. In seiner Antwort auf die Fragen der Pharisäer über die Ehe und ihre Unauflöslichkeit hat sich Christus auf den „Anfang“ berufen, das heißt auf die ursprüngliche Begründung der Ehe durch den Schöpfer. Da seine Gesprächspartner sich auf das Gesetz des Mose beriefen, das die Möglichkeit der sogenannten „Scheidungsurkunde“ vorsah, antwortete er: „Nur weil ihr so hartherzig seid, hat Mose euch erlaubt, eure Frauen aus der Ehe zu entlassen. Am Anfang war das nicht so“ (Mt 19, 8).
Nach dem Gespräch mit den Pharisäern wandten sich die Jünger Christi mit folgenden Worten an ihn: „Wenn das die Stellung des Mannes in der Ehe ist, dann ist es nicht gut zu heiraten.“ Jesus sagte zu ihnen: „Nicht alle können dieses Wort erfassen, sondern nur die, denen es gegeben ist. Denn es ist so: Manche sind von Geburt an zur Ehe unfähig, manche sind von den Menschen dazu gemacht, und manche haben sich selbst dazu gemacht – um des Himmelreiches willen. Wer das erfassen kann, der erfasse es“ (Mt 19, 10–12).
2. Die Worte Christi meinen ohne Zweifel einen bewussten und freiwilligen Verzicht auf die Ehe. Dieser Verzicht ist nur möglich, wenn man ein volles Wissen um jenen Wert zugibt, der sich aus der Veranlagung des männlichen und weiblichen Körpers zur Ehe ergibt. Denn der Mensch muss sich dessen, was er wählt (die Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen), ebenso voll bewusst sein wie dessen, worauf er verzichtet (es handelt sich hier um das Wort „Bewusstsein“ im „idealen“ Sinn; nichtsdestoweniger ist dieses Bewusstsein ganz und gar „realistisch“). Christus fordert so gewiss eine reife Entscheidung. Das beweist zweifelsohne die Form, in der der Ruf zur Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen ausgedrückt wird.
3. Doch ein bewusster Verzicht auf den genannten Wert genügt nicht. Im Licht der Worte Christi wie auch im Licht der gesamten authentischen christlichen Überlieferung lässt sich folgern, dass dieser Verzicht zugleich eine besondere Form der Anerkennung jenes Wertes ist, auf den der Unverheiratete konsequent verzichtet, wenn er den Rat des Evangeliums befolgt. Das mag paradox erscheinen. Bekanntlich werden jedoch zahlreiche Aussagen des Evangeliums – und oft gerade die eindrucksvollsten und tiefgehendsten – in Paradoxa dargeboten. Wenn wir diese Bedeutung des Rufes zur Ehelosigkeit „um des Himmelreiches willen“ annehmen, ziehen wir die richtige Schlussfolgerung, wenn wir feststellen, dass die Verwirklichung dieses Rufes in besonderer Weise auch eine Bestätigung der Bedeutung des menschlichen Leibes in seiner zweifachen Gestalt ist. Der Verzicht auf die Ehe um des Reiches Gottes willen macht zugleich diese Bedeutung in ihrer ganzen inneren Wahrheit und personalen Schönheit klar. Man kann sagen, dass dieser Verzicht einzelner Personen, Männer und Frauen, gewissermaßen unerlässlich ist, damit eben die bräutliche Bedeutung des Leibes im Gesamtethos des menschlichen Lebens und vor allem im Ethos des Ehe- und Familienlebens leichter erkannt wird.
4. Obwohl also die Ehelosigkeit „um des Himmelreiches willen“ das Leben der Personen, die sie freiwillig wählen, auf eine Bahn außerhalb des gewöhnlichen Weges des Ehe- und Familienlebens lenkt, bleibt sie dennoch nicht ohne Bedeutung für dieses Leben: für seinen Stil, seinen Wert und seine dem Evangelium gemäße Echtheit. Wir dürfen nicht vergessen, dass der einzige Schlüssel zum Verständnis des sakramentalen Charakters der Ehe die Liebe Christi zur Kirche als seiner Braut ist (vgl. Eph 5, 22–23): die Liebe Christi, des Sohnes der Jungfrau, der selbst ehelos war, das heißt, „sich um des Himmelreiches willen dazu gemacht hat“ im vollkommensten Sinn des Wortes. Dieses Thema werden wir später noch einmal aufgreifen müssen.
5. Am Ende dieser Überlegungen bleibt uns noch ein konkretes Problem: Wie bildet sich in einem Menschen, dem die Berufung zur „Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen“ zuteil wurde, diese Berufung angesichts des Bewusstseins von der Bedeutung des Leibes, in seiner männlichen und weiblichen Ausprägung, und mehr noch als Frucht dieses Bewusstseins heraus? In welcher Weise entwickelt oder vielmehr „wandelt“ sie sich? Diese Frage ist wichtig, sowohl von der Theologie des Leibes wie von der Entwicklung der menschlichen Persönlichkeit her, die zugleich personalistischen und charismatischen Charakter hat. Wenn wir auf diese Frage erschöpfend – unter Berücksichtigung sämtlicher Aspekte und konkreter Probleme, die sie einschließt – antworten wollten, müssten wir eine Spezialstudie über die Beziehung zwischen Ehe und Jungfräulichkeit sowie zwischen Ehe und Zölibat entwickeln. Das würde jedoch den Rahmen der derzeitigen Betrachtungen sprengen.
6. Während wir im Bereich der Worte Christi nach Matthäus (19, 11–12) bleiben, müssen wir unsere Überlegungen mit folgender Feststellung beschließen. Erstens: Wenn die Ehelosigkeit „um des Himmelreiches willen“ zweifellos einen Verzicht bedeutet, so ist dieser zugleich die Entdeckung einer Gabe, das heißt zugleich die Entdeckung einer neuen Sicht der Selbstverwirklichung „durch eine aufrichtige Hingabe seiner selbst“ (Gaudium et spes, Nr. 24); diese Entdeckung steht nun in tiefem innerem Einklang mit dem Wissen um die Bedeutung des Leibes, die „seit dem Anfang“ mit der Männlichkeit und Weiblichkeit des Menschen als Subjekt, als Person, verbunden ist. Zweitens: Obwohl die Ehelosigkeit „um des Himmelreiches willen“ mit dem Verzicht auf die Ehe – die im Leben eines Mannes und einer Frau die Familie grundlegt – gleichzusetzen ist, darf man darin keineswegs eine Verneinung des wesentlichen Wertes der Ehe sehen; ja, im Gegenteil, die Ehelosigkeit dient indirekt dazu, das herauszustellen, was in der Berufung zur Ehe ewig und zutiefst personal ist, was in den Dimensionen der Zeitlichkeit (und zugleich im Ausblick auf die andere Welt) der Würde der persönlichen Hingabe entspricht, die mit der Bedeutung des Leibes, in seiner männlichen oder weiblichen Ausprägung, gegeben ist.
7. Somit hat der Ruf Christi zur Ehelosigkeit „um des Himmelreiches willen“, der mit Recht mit dem Hinweis auf die künftige Auferstehung verbunden wird (vgl. Mt 22, 24–30; Mk 12, 18–27; Lk 20, 27–40), eine vorrangige Bedeutung nicht nur für das christliche Ethos und die christliche Spiritualität, sondern auch für die Anthropologie und die gesamte Theologie des Leibes, deren Grundlagen wir entdecken. Bedenken wir, dass Christus, als er sich auf die Auferstehung des Leibes in der anderen Welt berief, nach der Überlieferung der drei synoptischen Evangelien sagte: „Wenn nämlich die Menschen von den Toten auferstehen, werden sie nicht mehr heiraten, sondern sie werden sein wie die Engel im Himmel“ (Mk 12, 25). Diese Worte, die wir bereits analysiert haben, gehören zur gesamten Theologie des Leibes und tragen zu ihrem Aufbau bei.
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Liebe Brüder und Schwestern!
Mit Freude grüße ich die genannten Gruppen und auch alle ungenannten Pilger aus den Ländern deutscher und niederländischer Sprache. In euch grüße ich zugleich eure Lieben daheim, eure Familien und Heimatgemeinden. Der Friede und die Freude des auferstandenen Herrn sei mit euch allen!
In meiner italienischen Ansprache behandelte ich noch einmal das Thema der Ehelosigkeit ”um des Himmelreiches willen“. Ein solcher Verzicht auf die Ehe verlangt eine reiflich überlegte und völlig freie Entscheidung des Menschen. Diese muß zugleich von einer richtigen Wertschätzung der Ehe selbst getragen sein. Die Ehelosigkeit aus Liebe zu Christus verdeutlicht in einer besonderen Weise die bräutliche Bedeutung des menschlichen Leibes als Ausdruck personaler Hingabe. Ihr richtiges Verständnis vermittelt zugleich auch eine tiefere Erkenntnis der Ehe als Gemeinschaft zwischen Personen. Der einzige Schlüssel, um die Sakramentalität der Ehe zu verstehen, ist gerade die bräutliche Liebe Christi zu seiner Kirche. Zu Recht wird die Berufung zur Ehelosigkeit ”um des Himmelreiches willen“ mit dem Hinweis auf die künftige Auferstehung verbunden. Denn ”wenn die Menschen von den Toten auferstehen“, so sagt die Schrift, ”werden sie nicht mehr heiraten, sondern wie die Engel im Himmel sein“.
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Herzlich willkommen heiße ich sodann den Aufsichtsrat und den Vorstand der Pax-Bank zu ihrem Besuch in der Ewigen Stadt. Als Gemeinschaftswerk für die Kirche und ihre Einrichtungen gegründet, erfüllt Ihre Institution weiterhin einen hilfreichen Dienst bei der Erfüllung und Bewältigung finanzieller und wirtschaftlicher Aufgaben. Möge Ihre Tätigkeit und die Ihrer Mitarbeiter stets vom Geist christlicher Solidarität und hoher sittlicher Verantwortung geprägt sein.
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Ferner grüße ich noch besonders die Rompilger aus dem Dekanat Neuenkirchen sowie die Sportgruppe des Militärkommandos Steiermark in sterreich, die mit dem Fahrrad nach Rom gekommen ist. Vertieft euren sportlichen Einsatz durch Besinnung und Gebet, damit eure Romfahrt zu einer wirklichen Pilgerfahrt werde. Von Herzen erteile ich euch und allen anwesenden Pilgern für reiche österliche Gnaden meinen besonderen Apostolischen Segen.
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