JOHANNES PAUL II.
GENERALAUDIENZ
Mittwoch, 11. Januar 1984
1. Das liturgische Fest der Taufe Jesu, das wir vor wenigen Tagen gefeiert haben, erinnert uns an das Ereignis, das das öffentliche Leben des Erlösers einleitete und das Geheimnis vor dem Volk offenbar machte. Der Evangelienbericht stellt die Beziehung heraus, die von Anfang an zwischen der Verkündigung Johannes’ des Täufers und der Jesu besteht. Durch den Empfang der Bußtaufe bekundet Jesus seinen Willen, eine Verbindung herzustellen zwischen seiner Sendung und der Ankündigung, die der Vorläufer vom bevorstehenden Kommen des Messias machte. Er sieht in Johannes dem Täufer jenen Mann, der die Reihe der Propheten abschließt und der „mehr ist als ein Prophet“ (Mt 11,9), da er beauftragt wurde, dem Messias den Weg zu bahnen.
In diesem Taufakt wird die Demut Jesu sichtbar. Obwohl er als Sohn Gottes weiß, dass seine Sendung die Weltgeschichte von Grund auf verändern wird, beginnt er seinen Dienst nicht mit dem Vorsatz, mit der Vergangenheit zu brechen, sondern stellt sich in den Strom der von seinem Vorläufer vertretenen jüdischen Tradition. Besonders hervorgehoben wird diese Demut im Evangelium des hl. Matthäus, der die Worte Johannes’ des Täufers wiedergibt: „Ich müsste von dir getauft werden, und du kommst zu mir?“ (Mt 3,14). In seiner Antwort gibt Jesus zu verstehen, dass sich in jener Geste sein Sendungsauftrag widerspiegelt, nämlich in der Welt eine Herrschaft der Gerechtigkeit, d. h. göttlicher Heiligkeit, zu errichten: „Lass es nur zu! Denn nur so können wir die Gerechtigkeit (die Gott fordert) ganz erfüllen“ (Mt 3,15).
2. Die Absicht, in der Menschheit ein Werk der Heiligung zu vollbringen, beseelt die Taufhandlung und lässt ihre tiefere Bedeutung erfassen. Die von Johannes dem Täufer vollzogene Taufe war eine Bußtaufe zur Vergebung der Sünden. Sie war für diejenigen gedacht, die ihre Schuld erkannten, sich bekehren und zu Gott zurückkehren wollten. Jesus, der absolut heilig und unschuldig ist, befindet sich in einer ganz anderen Situation. Er kann sich nicht zur Vergebung seiner Sünden taufen lassen; wenn er sich einer Taufe der Buße und Umkehr unterzieht, so tut er das zur Vergebung der Sünden der Menschheit. Bereits in der Taufe beginnt sich all das zu verwirklichen, was in der Weissagung des Buches Jesaja über den leidenden Gottesknecht angekündet war: Der Knecht wird dort als ein Gerechter dargestellt, der die Last der Sünden der Menschheit trug und sich zum Opfer darbot, um für die Sünder die Vergebung Gottes zu erlangen (vgl. Jes 53,4–12).
Die Taufe Jesu ist also eine symbolische Geste, die den Willen zum Opfer ausdrückt, um die Menschheit von ihren Sünden zu reinigen. Der Umstand, dass sich in jenem Augenblick der Himmel öffnet, lässt uns verstehen, dass sich die Versöhnung zwischen Gott und den Menschen zu vollziehen beginnt. Die Sünde hatte den Himmel verschlossen; Jesus stellt die Kommunikation zwischen Himmel und Erde wieder her. Der Heilige Geist steigt auf Jesus herab, um seine ganze Sendung zu leiten, die in der Errichtung des Bundes zwischen Gott und den Menschen bestehen wird.
3. Wie uns von den Evangelien berichtet wird, macht die Taufe die Gottessohnschaft Jesu offenbar: Der Vater nennt ihn seinen geliebten Sohn, an dem er Gefallen gefunden hat. Das ist die klare Aufforderung, an das Geheimnis der Menschwerdung, insbesondere um der Erlösung willen, zu glauben, weil sie auf das Opfer ausgerichtet ist, das die Vergebung der Sünden bewirken und der Welt die Versöhnung anbieten wird. In der Tat sollten wir nicht übersehen, dass Jesus später dieses Opfer als eine Taufe darstellen wird, wenn er an zwei seiner Jünger die Frage richtet: „Könnt ihr die Taufe auf euch nehmen, mit der ich getauft werde?“ (Mk 10,38). Seine Taufe am Jordan hat nur symbolische Bedeutung; erst am Kreuz wird er die Taufe empfangen, die die Welt von ihren Sünden reinigt.
Durch diese Taufe, die zuerst im Wasser des Jordan zum Ausdruck gebracht und dann auf Golgota tatsächlich vollzogen wurde, hat der Erlöser den Grund für die christliche Taufe gelegt. Die in der Kirche gespendete Taufe leitet sich vom Opfertod Christi her. Sie ist das Sakrament, in dem jedem, der Christ wird und in die Kirche eintritt, die Frucht dieses Opfers zuteilwird: die Vermittlung des göttlichen Lebens durch die Befreiung von der Sünde.
Der Taufritus, ein Ritus der Reinigung im Wasser, erinnert uns an die Taufe Jesu im Jordan. Er erneuert jene erste Taufe des Gottessohnes und soll den Neugetauften die Würde der Gotteskindschaft schenken. Man darf jedoch nicht vergessen, dass der Taufritus seine aktuelle Wirkung nur kraft des am Kreuz vollzogenen Opfers hervorbringt. Er ist die auf Golgota erwirkte Versöhnung, die allen Getauften zuteil wird.
Das also ist die große Wahrheit: Indem uns die Taufe am Tod und an der Auferstehung des Erlösers teilhaben lässt, erfüllt sie uns mit neuem Leben. Folglich müssen wir die Sünde meiden oder, nach den Worten des Apostels Paulus, „für die Sünde tot sein“ und „für Gott leben in Christus Jesus“ (Röm 6,11).
Für unser ganzes christliches Dasein ist die Taufe Quelle eines höheren Lebens, das denen zukommt, die als Kinder des Vaters in Christus Gottes Ebenbild in sich tragen sollen.
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Liebe Brüder und Schwestern!
Nach Epiphanie feierten wir das Fest der Taufe Jesu. Durch den Empfang der Taufe des Johannes im Jordan bekräftigt Jesus die Kontinuität seiner messianischen Sendung mit der Offenbarung Gottes im Alten Bund. Er beginnt sein öffentliches Wirken mit einem Akt äußerster Demut. Obwohl er selber ohne Sünde war, reihte er sich in die Reihe der Sünder ein und empfing die Bußtaufe, die Johannes zur Vergebung der Sünden spendete. Für Jesus wird ihr Empfang zu einem symbolischen Zeichen. Er selber wird in der Bluttaufe des Kreuzopfers zum Lamm Gottes, das die Sünde der ganzen Menschheit auf sich nimmt, sie durch Tod und Auferstehung sühnt und den Menschen wieder mit Gott versöhnt. Jesus verwandelt die Wassertaufe des Johannes in die Taufe mit dem Heiligen Geist im Neuen Bund. Durch das Sakrament der Taufe werden wir in der Kraft des Kreuzesopfers mit Christus zu Kindern Gottes. Der Sünde abgestorben, sollen wir nun für Gott leben. Lasst uns deshalb stets unserer christlichen Berufung würdig wandeln! Das erbitte ich euch von Herzen mit meinem besonderen Apostolischen Segen.
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