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JOHANNES PAUL II.

GENERALAUDIENZ

Mittwoch, 2. Mai 1990

DE  - ES  - IT

1. Die Offenbarung des Heiligen Geistes beim Ereignis der Verkündigung ist an das Geheimnis der Menschwerdung des Gottessohnes und der Gottesmutterschaft Marias gebunden. Lukas bezeugt, dass der Engel zu Maria sagte: „Der Heilige Geist wird über dich kommen“ (Lk 1,35). Das Wirken des Heiligen Geistes ruft in ihr auch die Antwort hervor, in der ein bewusster Akt der menschlichen Freiheit zum Ausdruck kommt: „Mir geschehe, wie du es gesagt hast“ (Lk 1,38). Im Ereignis der Verkündigung findet sich deshalb das vollkommene „Modell“ der personalen Beziehung zwischen Gott und dem Menschen.

Bereits im Alten Testament weist diese Beziehung einen besonderen Zug auf. Sie erwächst aus dem Grund des Bundes Gottes mit dem auserwählten Volk (Israel). Und dieser Bund drückt sich in den Schriften der Propheten durch eine bräutliche Symbolik aus: Das heißt, er wird als eine bräutliche Beziehung zwischen Gott und der Menschheit dargestellt. Es ist notwendig, an diese Tatsache zu erinnern, um die Wirklichkeit der Menschwerdung des Sohnes in ihrer Tiefe und Schönheit als eine besondere Fülle des Wirkens des Heiligen Geistes zu verstehen.

2. Nach dem Propheten Jeremia sagt Gott zu seinem Volk: „Mit ewiger Liebe habe ich dich geliebt, darum habe ich dir so lange die Treue bewahrt. Ich baue dich wieder auf, du sollst neu gebaut werden, Jungfrau Israel“ (Jer 31,3-4). Historisch ist dieser Text auf die Niederlage Israels und die Verschleppung nach Assyrien zu beziehen, die das auserwählte Volk, das sich von Gott verlassen glaubt, niederdrückt. Aber Gott ermutigt es und zögert nicht, zu ihm zu sprechen wie ein Vater oder Bräutigam zum geliebten Mädchen. Die bräutliche Analogie wird noch klarer und deutlicher in den Worten des Zweiten Jesaja, die in der Zeit der babylonischen Gefangenschaft an Jerusalem wie an eine Braut gerichtet wurden, die doch die Treue zum Gott des Bundes nicht hielt: „Denn dein Schöpfer ist dein Gemahl, ‚Herr der Heere‘ ist sein Name… Ja, der Herr hat dich gerufen als verlassene, bekümmerte Frau. Kann man denn die Frau verstoßen, die man in der Jugend geliebt hat? spricht dein Gott. Nur für eine kleine Weile habe ich dich verlassen, doch mit großem Erbarmen hole ich dich heim. Einen Augenblick nur verbarg ich vor dir mein Gesicht in aufwallendem Zorn; aber mit ewiger Huld habe ich Erbarmen mit dir, spricht dein Erlöser, der Herr“ (Jes 54,5-8).

3. In den zitierten Texten wird betont, dass die bräutliche Liebe des Bundesgottes „ewig“ ist. Wenn Gott auch angesichts der Sünde der Braut, angesichts der Untreue des auserwählten Volkes erlaubt, dass es schmerzliche Prüfungen erfährt, versichert er ihm durch die Propheten, dass seine Liebe nicht nachlässt. Er überwindet das Böse der Sünde, um von neuem zu schenken. Der Prophet Hosea erklärt in einer noch deutlicheren Ausdrucksweise: „Ich traue dich mir an auf ewig; ich traue dich mir an um den Brautpreis von Gerechtigkeit und Recht, von Liebe und Erbarmen, ich traue dich mir an um den Brautpreis meiner Treue: Dann wirst du den Herrn erkennen“ (Hos 2,21-22).

4. Diese außerordentlichen Texte der Propheten des Alten Testaments finden ihre wahre Erfüllung im Geheimnis der Menschwerdung. Die bräutliche Liebe Gottes zu Israel, aber auch zu jedem Menschen, verwirklicht sich in der Menschwerdung in einer Weise, die alle menschlichen Erwartungen übersteigt. Wir entdecken das in den Zeilen der Verkündigung, wo der Neue Bund als ein bräutlicher Bund Gottes mit dem Menschen, der Gottheit mit der Menschheit, bekannt gemacht wird. In jenem Bild des bräutlichen Bundes ist Maria, die Jungfrau von Nazaret, die „Jungfrau Israel“ der Prophezeiung Jeremias schlechthin. Auf sie konzentriert sich voll und endgültig die von den Propheten angekündigte bräutliche Liebe Gottes. Sie ist auch jene Jungfrau und Braut, der zugebilligt wird, den Sohn Gottes zu empfangen und zur Welt zu bringen: die besondere Frucht der bräutlichen Liebe Gottes zur Menschheit, verkörpert und gleichsam zusammengefasst in Maria.

5. Der Heilige Geist, der bei der Verkündigung auf Maria herabkommt, bringt in seiner Person die bräutliche Liebe Gottes, die „ewige“ Liebe, zum Ausdruck. In jenem Augenblick ist er in besonderer Weise Gott der Bräutigam. Im Geheimnis der Menschwerdung, in der menschlichen Empfängnis des Sohnes Gottes, bewahrt der Heilige Geist die göttliche Transzendenz. Der Lukastext drückt das in klarer Weise aus. Die Bräutlichkeit der Liebe Gottes hat rein spirituellen und übernatürlichen Charakter. Was Johannes in Bezug auf die an Christus Glaubenden sagt, gilt umso mehr für den Sohn Gottes, der im Schoß der Jungfrau „nicht aus dem Blut, nicht aus dem Willen des Fleisches, nicht aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott“ (Joh 1,13) empfangen wurde. Es bringt vor allem die höchste Verbindung der Liebe zum Ausdruck, verwirklicht zwischen Gott und einem Menschen durch den Heiligen Geist.

6. Bei dieser göttlichen Vermählung mit der Menschheit antwortet Maria auf die Verkündigung des Engels mit der Liebe einer Braut, die fähig ist, der göttlichen Erwählung in vollkommener Weise zu entsprechen und sich ihr anzupassen. Deshalb nennt die Kirche sie besonders seit den Zeiten des heiligen Franz von Assisi „Braut des Heiligen Geistes“. Nur diese vollkommene bräutliche Liebe, tief verwurzelt in ihrer jungfräulichen Ganzhingabe an Gott, konnte bewirken, dass Maria in bewusster und würdiger Weise „Mutter Gottes“ wurde im Geheimnis der Menschwerdung.

In der Enzyklika Redemptoris Mater schrieb ich: „Der Heilige Geist ist bereits auf sie herabgekommen, die bei der Verkündigung seine treue Braut geworden ist, indem sie das ewige Wort des wahren Gottes aufnahm und sich dem offenbarenden Gott mit Verstand und Willen voll unterwarf und seiner Offenbarung willig zustimmte, ja, sich im ‚Gehorsam des Glaubens‘ ganz und gar Gott überließ und darum dem Engel antwortete: ‚Ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast‘“ (Nr. 26).

7. Mit diesem Akt und dieser Geste Marias, die ganz offensichtlich dem Verhalten Evas widersprechen, tritt in der geistlichen Geschichte der Menschheit die neue Braut, die neue Eva, die Mutter der Lebenden hervor, wie die Kirchenlehrer und -väter oft sagen. Sie wird zum Urbild und Modell des Neuen Bundes als bräutliche Verbindung des Heiligen Geistes mit den Einzelnen und mit der menschlichen Gemeinschaft weit über die Grenzen des alten Israels hinaus: die Gesamtheit der Einzelpersonen und der Völker wird berufen, das Geschenk zu erhalten und an der neuen Gemeinschaft der Glaubenden teilzuhaben, die die „Macht“ empfangen haben, „Kinder Gottes zu werden“ (Joh 1,12) und in der Taufe „aus dem Geist geboren“ sind (Joh 3,6); damit gehören sie zur Familie Gottes.

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Liebe Schwestern und Brüder!

Die Offenbarung des Heiligen Geistes bei der Verkündigung ist an das Geheimnis der Menschwerdung des Gottessohnes und der göttlichen Mutterschaft Marias gebunden. Lukas bezeugt dies im Wort des Engels: „Der Heilige Geist wird über dich kommen“ (1,35). Das Wirken des Heiligen Geistes lässt auch Maria, ohne ihre menschliche Freiheit zu begrenzen, antworten: „Mir geschehe, wie du es gesagt hast“ (ebd. 1,35). Im Ereignis der Verkündigung haben wir so das vollkommene „Modell“ der personalen Gott-Mensch-Beziehung vor uns. Bereits die Schriften des Alten Testaments, besonders der Propheten, sprechen von der bräutlichen, der „ewigen“ Liebe Jahwes zu seinem Volk. Diese bräutliche Liebe Gottes gegenüber Israel wie gegenüber jedem Menschen verwirklicht sich in der Menschwerdung in einer Weise, die jede menschliche Erwartung und Vorstellung übersteigt. Auf Maria konzentriert sich vollkommen und endgültig die bräutliche Liebe Gottes, indem sie seinen Sohn empfängt und gebiert: Sie ist Frucht der göttlichen Liebe zur Menschheit, die Maria vertritt.

Der Heilige Geist, der in seiner Person im Geheimnis der Dreifaltigkeit die bräutliche, ewige Liebe Gottes ausdrückt, verkörpert bei der Menschwerdung die göttliche Transzendenz. Maria antwortet ihrerseits als „Braut des Heiligen Geistes“, wie sie seit der Zeit des heiligen Franziskus angerufen wird, mit ihrer vollkommenen, jungfräulichen Ganzhingabe an Gott und wird so in bewusster und gnadenvoller Weise „Mutter Gottes“.

Mit dem Akt ihrer Hingabe an Gott wird Maria in der Geistesgeschichte der Menschheit die neue Braut, die neue Eva, das Urbild des Neuen Bundes, der universal ist und all jene umfasst, die „aus dem Geist“ (Joh 3,6) wiedergeboren sind.

Mit dieser kurzen Betrachtung grüße ich herzlich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher, besonders die Mitglieder der Marianischen Bürgersodalität aus Trier sowie die Angehörigen der neuen Rekruten der Schweizergarde, die anläßlich der Vereidigungszeremonie nach Rom gekommen sind. Willkommen heiße ich auch eine Gruppe von Ordensschwestern, die zu einem Erneuerungskurs in La Storta weilen. Ich wünsche Euch allen bereichernde Tage in Rom und erteile Euch und Euren Lieben in der Heimat von Herzen gern meinen Apostolischen Segen.

Gelobt sei Jesus Christus!

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„Große Mutter des Gottmenschen, heiligste Jungfrau! Ich, Johann Kasimir, König aus Barmherzigkeit deines Sohnes, des Königs der Könige … erwähle dich heute zu meiner Schutzherrin und Königin meiner Staaten.“

Vor dem Jahresfest des 3. Mai ist es notwendig, an diese historischen Worte zu erinnern, die am 1. April 1656 vor dem Gnadenbild der gütigen Mutter in der Kathedrale von Lemberg (Lwiw) gesprochen wurden.

Die Worte Johann Kasimirs waren in die Zukunft gerichtet – die schwierige Zukunft des Reiches, das er der Gottesmutter anvertraute, indem er ihr als Königin von Polen jene schwere Zukunft überließ.

König Johann Kasimir sagte in seinem Gelöbnis die abschließenden Worte: „Ich verspreche und gelobe, dass ich nach der Rückkehr des Friedens [wir wissen, dass dies die Zeit des Krieges gegen die Schweden war, die Zeit der ‚Sintflut‘] zusammen mit allen Ständen alle Mittel einsetzen werde, um in meinem Reich das Volk von den ungerechten Lasten und der Unterdrückung zu befreien.“

Alljährlich feiern wir dieses Fest am 3. Mai als kirchlichen und nationalen Feiertag. Welche Bedeutung muss es morgen im Jahr des Herrn 1990 haben?

Es ist nicht schwer, in dem Gelöbnis Johann Kasimirs den Weg zu finden, der von den „ungerechten Lasten“ des adeligen Polens zur Verfassung des 3. Mai führte, das heißt zu jenem gerechten System, in dem das Vaterland das Gemeinwohl aller ist. Im nächsten Jahr ist die 200. Wiederkehr der Verkündigung der Verfassung fällig. Wir bereiten uns auf dieses Jubiläum vor. Welche Bedeutung besitzt heute dieses Zusammentreffen des 3. Mai – die Königin Polens und die Verfassung? Die eine wie die andere gehören nicht nur der Vergangenheit an. Die eine wie die andere sind uns von neuem zur Aufgabe gegeben. Greifen wir dieses Erbe wieder auf und halten es hoch!