JOHANNES PAUL II.
GENERALAUDIENZ
Mittwoch, 21. August 1991
Liebe Brüder und Schwestern!
1. „Ihr habt den Geist empfangen, der euch zu Söhnen macht“ (Rom 8,15). Das Echo dieser Worte des Apostels Paulus, des Themas des Weltjugendtages, der in den letzten Tagen in Tschenstochau gefeiert wurde, ist noch in uns allen lebendig. Der Geist des Herrn wehte mit Macht in seiner neuschaffenden Kraft; davon waren wir alle Zeugen. Die Zahl der Jugendlichen, die zum Heiligtum der Hohen Feste von Jasna Góra zusammengeströmt waren, übertraf jede Erwartung. Und viele waren es auch, die von allen Winkeln der Welt aus an dieser so bedeutungsvollen kirchlichen Feier geistig Anteil genommen haben. Zum ersten Mal in der Geschichte haben sich Vertretungen von Jugendlichen aus aller Welt unter dem Blick der Gottesmutter um Christus zusammengefunden. Zum ersten Mal haben wir einem außergewöhnlichen Treffen von Jugendlichen aus dem Westen und dem Osten Europas beigewohnt, mit gegenseitigem Austausch des apostolischen Zeugnisses zwischen zahlreichen Gemeinschaften von Glaubenden. Es war eine Begegnung ohne Grenzen, eine erstaunliche Kundgebung des Glaubens, ein ermutigendes Erlebnis der Solidarität, ein einmaliges Zeichen auf der Wegstrecke der Kirche im letzten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts, am Vorabend des dritten christlichen Jahrtausends. Das ganze Treffen war von einer unvergleichlichen Atmosphäre des Gebetes und zugleich der Freude getragen.
Die Kirche geht mit den Jugendlichen; die immer wiederkehrenden Weltjugendtage erweisen es und geben auch den Schritt dafür an. Mit den Jugendlichen blickt die Kirche vertrauend den kommenden Jahren entgegen, mit ihnen ist sie schon jetzt dabei, eine bessere Zukunft in Geschwisterlichkeit und Frieden für die ganze Menschheit aufzubauen.
Der zweite Teil meiner Pastoralreise, die gestern Abend zum Abschluss kam, war ein Besuch der ungarischen Nation und der Kirche in Ungarn. Doch von dieser an tiefen Erlebnissen reichen Pilgerfahrt möchte ich am nächsten Mittwoch sprechen. Heute möchte ich noch beim Welttreffen der Jugend verweilen, um mit euch zusammen dem himmlischen Vater zu danken, der uns „als Erstlingsgabe auserwählt hat aufgrund der Heiligung durch den Geist” und alle berufen hat, „die Herrlichkeit Jesu Christi, unseres Herrn,“ zu erlangen (2 Thess 2,13-14).
2. Ihr habt den Geist empfangen, der euch zu Söhnen macht, den Geist, in dem wir rufen: „Abba, Vater!” (Rom 8,15). Wie man es sich nur wünschen konnte, war der Welttag der Jugend ein wirkliches Glaubenszeugnis und eine Freiheitspilgerfahrt. Im einen Glauben zusammengekommen, fühlten sich die Jugendlichen mit Macht dazu aufgerufen, dem Erlöser des Menschen offen, in Treue zum Evangelium und zu allen Anforderungen, die es stellt, zu folgen. Bei dem unvergesslichen Treffen von Tschenstochau, wie auch im Verlauf der intensiven geistlichen Vorbereitung, die ihm vorausging, wurde die Aufforderung des Heiligen Geistes, mit Christus zu „leiden, um mit ihm auch verherrlicht zu werden” (Rom 8,17), zum dringenden Anruf im Herzen eines jeden. Ermutigend und tröstend für jene, die lange Jahre den hinterhältigen Widerstreit des aufgezwungenen Atheismus ertragen mussten, spornte er die anderen an, sich hochherzig der geschwisterlichen Aufnahme zu öffnen. Alle erinnerte er daran, dass der Christ zum Heroismus der Heiligkeit berufen ist und dass das christliche Leben ein beständiger Weg des Glaubens, der Bekehrung und der Rückkehr zum Wesentlichen ist; dass es heißt: „hoch fliegen” (vgl. Botschaft zum Weltjugendtag, 15. August 1990; O.R. dt., 31.8.1990). Christus braucht junge Menschen, die ihm ohne Bedenken und ohne Furcht ihr Dasein weihen. Aus dem bereitwilligen Hinhören auf den Heiligen Geist, der unserem Geist bezeugt, „dass wir Kinder Gottes sind” (Rom 8,16), geht der konkrete Einsatz hervor, der innere Entschluss, sich in den Dienst der Kirche, der weltweiten Familie der Glaubenden, zu stellen. Der Weltjugendtag dieses Jahres hielt die Linie der früheren ein, die seit 1985 den Weg verfolgen, um die jedem jungen Glaubenden angebotene Botschaft des Evangeliums zu vertiefen, damit er sich seiner eigenen grundlegenden Rolle bei der Neuevangelisierung der Menschheit bewusst werden kann. Bekanntlich entstand die Idee eines Welttages, der ganz den Jugendlichen gewidmet ist, sozusagen unter den jungen Leuten selbst, als sie am Palmsonntag 1984 in sehr großer Zahl aus aller Welt nach Rom gekommen waren, um gewissermaßen zum feierlichen Abschluss des Heiligen Jahres der Erlösung an der Heiligjahrfeier der Jugend teilzunehmen. Die Weltjugendtage wurden dann abwechselnd in einem Jahr auf Diözesanebene und im folgenden Jahr mit einer Kundgebung internationalen Charakters gehalten. Sie fördern den Dialog zwischen den jungen Menschen in der Kirche. Sie lassen erleben, dass die kirchliche Gemeinschaft aufmerksam ist auf die Stimme des Herrn und in der Erwartung seiner Wiederkehr lebt. Sie geben ferner der Gesellschaft, die sich zu oft von irdischen Interessen gefangennehmen lässt, einen konkreten Beweis ab für die Notwendigkeit, den neuen Generationen gültige Lebensideale vorzustellen. Denn nur wenn die Jugendlichen zutiefst von geistigen Werten angeregt werden, können sie, die ja die Zukunft der Menschheit bilden, sich fest für den Aufbau einer gerechteren und wirklich freien Welt einsetzen. 1987 hat in Buenos Aires, Argentinien, das Thema „Wir haben die Liebe, die Gott zu uns hat, erkannt und daran geglaubt” dazu aufgefordert, in der Liebe Gottes die tiefsten Gründe für unsere Hoffnung und für die apostolische Tätigkeit zu entdecken. 1989 konzentrierte sich in Santiago de Compostela, Spanien, die Aufmerksamkeit auf Christus als die einzige Antwort auf das Verlangen des Menschen: „Ich bin der Weg, die Wahrheit, und das Leben.”
3. Nach dem Treffen in Santiago de Compostela, einem Heiligtum, das in früheren Jahrhunderten ein Leuchtturm geistiger Ausstrahlung des Christentums und ein Wallfahrtszentrum war, wurde im Gefolge der Ereignisse von 1989 der Vorschlag gemacht, der Weltjugendtag möge dieses Jahr beim Heiligtum von Jasna Góra stattfinden, das die uralte Ikone der „Schwarzen Madonna” hütet.
Die Wallfahrtskirche und ihr heiliges Bildnis sind so sehr ein Teil der Wirklichkeit und des Geistes der polnischen Nation, dass wir in der Geschichte des Heiligtums wie in einem Spiegel den Widerschein der Geschichte des polnischen Volkes, seiner freudvollen und leidvollen Augenblicke, seiner Hoffnungen und Befürchtungen sehen.
Die Wahl des Heiligtums von Tschenstochau ließ die Jugendlichen gemeinsam den Augenblick eines geschichtlichen Wendepunktes erleben und nach den Prüfungen unseres Jahrhunderts und dem Zusammenbrechen von Ideologien zu den christlichen Wurzeln Europas zurückkehren.
Das Treffen von Tschenstochau war ein Ereignis, das vielsagend die Universalität der Kirche lebendig werden ließ.
Zum ersten Mal konnten Jungen und Mädchen aus den Ländern Osteuropas in bedeutender Zahl am Weltjugendtag teilnehmen. Jugendliche aus dem Osten und aus dem Westen sind zusammengetroffen. Welch ein großes Geschenk des Herrn! In den Annalen der Geschichte des europäischen Kontinents und unserer Zeit wurde eine ganz neue Seite geschrieben. Millionen von Gläubigen haben gemeinsam frei ihren Glauben bekannt. Die Kirche hat ihr Zeugnis als kostbaren Schatz angenommen. Es ist, wie ich bei der Eucharistiefeier am 15. August sagte, „ein Zeugnis, für das ein manchmal sehr hoher Preis an Leiden – Abgeschobensein, Verfolgung und Gefängnis – gezahlt werden musste”.
Wir stehen am Beginn einer neuen geistigen Periode der Menschheit. Wie offensichtlich hat sich das Verlangen nach Solidarität und Frieden in den verschiedenen Äußerungen der Teilnehmer am Treffen von Tschenstochau gezeigt! Die Jugendlichen aus dem Osten haben es nach der langen, aufgezwungenen Isolierung nötig, sich als ein zugehöriger Teil des weltweiten christlichen Volkes zu fühlen; die aus dem Westen können im Beispiel dieser ihrer Brüder den Ansporn finden, dem Ruf Christi aufs Neue mit mutiger Treue zu folgen. Die jungen Menschen aus dem Westen konnten tatsächlich feststellen, dass auch ihre Altersgenossen aus Osteuropa Gott suchen und dass sie mehr denn je das Bedürfnis nach jenen Werten empfinden, die ihre Quelle in Christus haben.
Gemeinsam und frei den Weg gehen, Hemmendes und Trennendes zwischen den Völkern und Rassen überwinden, um eine wirklich geschwisterliche Welt aufzubauen, um überall die befreiende Botschaft des Evangeliums zu verkünden: Das ist die Sendung, die euch jetzt erwartet, ihr Jugendlichen aus aller Welt! Ich denke an die anderen Treffen, die diesen ersehnten Weg der Entwicklung und der Evangelisierung abstecken sollen. Ich denke vor allem an die nächste außerordentliche Versammlung der Bischofssynode, bei der die Konsequenzen deutlich werden sollen, die sich aus den jüngsten politischen und sozialen Umwälzungen ergeben, und bei der eine ausgeprägtere Missionierung Europas geplant werden soll.
Die Aussicht auf ein „neues gemeinsames Haus” ermutigt und begeistert. Doch es genügt nicht, Mauern niedergerissen und die Grenzen zwischen den Staaten geöffnet zu haben. Die letzten Vorkommnisse von gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Völkern und die schwierigen Verhältnisse, die das Leben von so vielen Bevölkerungsteilen noch kennzeichnen, bezeugen, dass innere Schranken niedergelegt werden müssen, um die Herzen für eine echte und dauerhafte Solidarität zu öffnen.
Der „Geist von Söhnen”, den wir vom Heiligen Geist empfangen haben, macht alle zu Brüdern in der gemeinsamen Sendung zum Dienst am Menschen, um mit dem Beitrag aller – der staatlichen Stellen, der kulturellen Institutionen, der privaten Körperschaften und jeder einzelnen Person – eine Gesellschaft nach wirklich menschlichem Maß aufzubauen.
4. Es war gerade deshalb mein Wunsch, dass der Weltjugendtag eine Pilgerfahrt zum „Hellen Berg” sei, um Maria das neue Kapitel der Geschichte anzuvertrauen, das sich unter dem Zeichen der Hoffnung und der Freiheit auftut. Ihr habe ich die Jugendlichen jeder Nation und ihre legitimen Bestrebungen anvertraut. „Maria, Mutter der Kirche, ich bin dir nahe, ich gedenke deiner, ich wache!”
Auch jetzt spreche ich der Muttergottes meine kindliche Dankbarkeit aus, in erneutem Bekenntnis der vollen, liebenden Hingabe. Ich rufe sie voll Vertrauen an, dass das Feuer des Geistes, das sie im Herzen der Jugendlichen in Tschenstochau entzündet hat, nicht erlösche. Möge es immer mehr auflodern und mit Freude in alle Winkel der Erde getragen werden. Und möge die Kirche, jung und missionarisch, wachend und betend um Maria geschart, die Neuheit des Geistes bezeugen und ein neues Pfingsten erleben, um die ersehnte „Zivilisation der Wahrheit und der Liebe” zu errichten.
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Liebe Schwestern und Brüder!
Ihr habt den Geist empfangen, der euch zu Kindern Gottes macht (vgl. Rom 8,15): Das Echo dieser Worte des Apostels Paulus, die das Thema des vor wenigen Tagen in Tschenstochau gefeierten 6. Weltjugendtages gebildet haben, klingt in uns allen noch nach. Die erneuernde Kraft des Geistes Gottes hat mächtig gewirkt: Wir alle sind Zeugen davon gewesen. Die Zahl der beim Heiligtum von Jasna Góra zusammengekommenen Jugendlichen hat jede Erwartung weit übertroffen, aus allen Teilen der Erde hatten sie sich zu dieser denkwürdigen kirchlichen Feier auf den Weg gemacht. Zum ersten Mal in der Geschichte waren Jugendvertreter des ganzen Erdkreises um Christus und unter dem Bild der Muttergottes versammelt. Erstmals konnten wir einer solchen außergewöhnlichen Begegnung junger Menschen aus dem Westen und Osten Europas beiwohnen, mit dem Austausch vielfältiger Glaubenszeugnisse aus unterschiedlichen Gemeinschaften und geistlichen Traditionen.
Es war eine Begegnung ohne Grenzen, eine großartige Bezeugung des Glaubens und die Erfahrung ermutigender Solidarität, die den besonderen Abschnitt im Leben der Kirche während des letzten Jahrzehnts kennzeichnet, am Vorabend des dritten christlichen Jahrtausends. Eine unvergleichliche Atmosphäre des Gebetes und ebenso der Freude hat diese Tage geprägt.
Auch heute möchte ich dieses Bekenntnis der Liebe und Hingabe an Maria erneuern und die Mutter des Herrn bitten, das Feuer des von ihr entfachten Geistes in den Herzen der Jugendlichen niemals verlöschen zu lassen. Es brenne vielmehr auch weiterhin und möge mit Freude in alle Welt weitergetragen werden, um Zeugnis von der stets jungen und missionarischen Kirche zu geben und so in einem neuen Pfingsten die verheißene „Zivilisation der Wahrheit und der Liebe” zu verwirklichen.
Mit dieser kurzen Rückbesinnung auf meine jüngste Begegnung mit den Jugendlichen aus aller Welt bei der ”Schwarzen Madonna“ von Tschenstochau grüße ich Euch, liebe Schwestern und Brüder deutscher Sprache. Ein besonderer Willkommensgruß gilt dem Münsterchor aus Schwäbisch -Gmünd.
Herzlich lade ich Euch alle dazu ein, Euch stets der Würde und Auszeichnung der Gotteskindschaft bewußt zu bleiben und Euch dem mütterlichen Schutz Mariens vertrauensvoll anheimzustellen. Dazu erteile ich Euch, Euren Angehörigen daheim sowie den uns über Radio und Fernsehen verbundenen Gläubigen von Herzen meinen Apostolischen Segen.
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