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JOHANNES PAUL II.

GENERALAUDIENZ

Mittwoch, 28. Oktober 1992

DE  - ES  - IT

1. In der Nachfolge der Apostel sind die Bischöfe berufen, an der Sendung teilzuhaben, die Jesus Christus selbst den Zwölfen und der Kirche aufgetragen hat. Daran erinnert uns das II. Vatikanische Konzil: „Die Bischöfe empfangen als Nachfolger der Apostel vom Herrn, dem alle Gewalt im Himmel und auf Erden gegeben ist, die Sendung, alle Völker zu lehren und das Evangelium jedem Geschöpf zu verkündigen. So sollen alle Menschen durch Glaube, Taufe und Erfüllung der Gebote das Heil erlangen“ (Lumen Gentium, Nr. 24).

Gemäß dem Konzilstext ist es eine Sendung, die die Bischöfe „vom Herrn empfangen” und die denselben Bereich der Sendung der Apostel umfasst. Sie gebührt dem Bischofskollegium als Ganzem, wie wir in der vorangegangenen Katechese gesehen haben. Hinzuzufügen ist, dass das Erbe der Apostel – als Sendung und heilige Vollmacht – jedem einzelnen Bischof im Bereich des Bischofskollegiums übertragen wird. Das wollen wir in der heutigen Katechese erläutern, indem wir vor allem auf die Aussagen des Konzils zurückgreifen. Sie geben die höchsten und sachkundigsten Weisungen.

2. Die Sendung der einzelnen Bischöfe wird in einem ganz bestimmten Bereich ausgeübt. Denn wir lesen im Konzilstext: „Die Bischöfe, die den Teilkirchen vorstehen, üben als einzelne ihr Hirtenamt über den ihnen anvertrauten Anteil des Gottesvolkes, nicht über andere Kirchen und nicht über die Gesamtkirche aus” (Lumen Gentium, Nr. 23). Diese Frage ist der jedem Bischof verliehenen „kanonischen Sendung” entsprechend geordnet (vgl. Lumen Gentium, Nr. 24).

Das Eingreifen der höchsten Autorität gewährleistet in jedem Fall, dass die Verleihung der kanonischen Sendung nicht nur zugunsten des Wohls einer Ortsgemeinschaft, sondern zum Wohl der ganzen Kirche, eingebunden in die universale Sendung, erfolgt, die allen mit dem Papst verbundenen Bischöfen gemein ist. Das ist ein Grundprinzip des „Petrusamtes”.

3. Die Mehrheit der Bischöfe übt ihre pastorale Sendung in den Diözesen aus. Was ist eine Diözese? Auf diese Frage antwortet das Konzilsdekret Christus Dominus über die Bischöfe wie folgt: „Die Diözese ist der Teil des Gottesvolkes, der dem Bischof in Zusammenarbeit mit dem Presbyterium zu weiden anvertraut wird. Indem sie ihrem Hirten anhängt und von ihm durch das Evangelium und die Eucharistie im Heiligen Geist zusammengeführt wird, bildet sie eine Teilkirche, in der die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche wahrhaft wirkt und gegenwärtig ist” (Christus Dominus, Nr. 11).

Der Konzilsaussage entsprechend lebt also jede Teilkirche aus der Gesamtkirche, die die fundamentale Wirklichkeit der Kirche ist. Dies ist der wichtigste und kennzeichnendste Inhalt der Diözese, die der Gesamtkirche angehört, und zwar nicht nur als Teil des Volkes Gottes, gewöhnlich eingegrenzt auf ein festgelegtes Gebiet, sondern auch mit besonderen Merkmalen und Eigenschaften, die Achtung und Hochschätzung verdienen. In einigen Fällen handelt es sich um Werte von großer Bedeutung und weiter Ausstrahlung auf die einzelnen Völker und sogar auf die Gesamtkirche, wie die Geschichte bestätigt. Jedenfalls kann man sagen, dass die Vielfalt der Diözesen zum geistlichen Reichtum und zur Entfaltung der pastoralen Sendung der Kirche beiträgt.

4. Wir lesen weiter im Konzilstext: „Die einzelnen Bischöfe, denen die Sorge für eine Teilkirche anvertraut ist, weiden unter der Autorität des Papstes als deren eigentliche, ordentliche und unmittelbare Hirten ihre Schafe im Namen des Herrn, indem sie ihre Aufgabe zu lehren, zu heiligen und zu leiten an ihnen ausüben” (Christus Dominus, Nr. 11). Die Rechtsgewalt der Bischöfe über die ihnen anvertraute Herde ist also eine „eigentliche, ordentliche und unmittelbare”. Ordnung und Einheit der Kirche erfordern aber, dass sie in enger Verbindung mit der Autorität des Papstes ausgeübt wird. Aus denselben Gründen sollen die Bischöfe „die Rechte anerkennen, die den Patriarchen oder anderen hierarchischen Autoritäten rechtmäßig zustehen” (Christus Dominus, Nr. 11), entsprechend der Gliederung, die die Struktur der Kirche an verschiedenen Orten besitzt. Aber, so unterstreicht das Konzil, wichtiger und entscheidender ist, dass die pastorale Sendung von den Bischöfen „im Namen des Herrn” ausgeübt wird.

5. In diesem Licht besehen, zeigt sich die Sendung der Bischöfe in ihrer institutionellen, spirituellen und pastoralen Bedeutung und in Bezug auf die einzelnen Gruppen des ihnen anvertrauten Volkes wie folgt: „Ihrer apostolischen Aufgabe sollen sich die Bischöfe zuwenden als Zeugen Christi vor allen Menschen. Sie sollen sich nicht bloß um die kümmern, die schon dem obersten Hirten nachfolgen, sondern sich mit ganzem Herzen auch jenen widmen, die irgendwie vom Weg der Wahrheit abgewichen sind oder die Frohbotschaft Christi und sein heilbringendes Erbarmen nicht kennen, bis schließlich alle ,in lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit’ (Eph 5,9) wandeln” (Christus Dominus, Nr. 11).

Deshalb sind die Bischöfe berufen, dem „Menschensohn” gleich zu sein, der „gekommen [ist], um zu suchen und zu retten, was verloren ist” (Lk 19,10), wie Jesus beim Besuch im Haus des Zachäus sagte. Das ist der Wesenskern ihrer missionarischen Berufung.

6. In diesem Sinn führt das Konzil weiter aus: „Eine besondere Sorge werde den Gläubigen gewidmet, die wegen ihrer Lebensbedingungen die allgemeine, ordentliche Hirtensorge der Pfarrer nicht genügend in Anspruch nehmen können oder sie vollständig entbehren. Dazu gehören zahlreiche Auswanderer, Vertriebene und Flüchtlinge, Seeleute und Luftfahrer, Nomaden und ähnliche Gruppen. Geeignete Seelsorgsmethoden sollen entwickelt werden, um das geistliche Leben jener zu betreuen, die zur Erholung zeitweilig andere Gegenden aufsuchen“ (Christus Dominus, Nr. 18). Alle Stände, alle Gruppen, alle Gesellschaftsschichten und alle einzelnen Angehörigen der alten und neuen Gliederungen der Gesellschaft sind in die Hirtensorge der Bischöfe mit einbezogen, innerhalb der festen Strukturen ihrer Diözesen und darüber hinaus, wie auch die Kirche sie alle umfängt.

7. Bei der Erfüllung ihrer Aufgabe begegnen die Bischöfe den Strukturen und Verantwortlichen der Gesellschaft. Auf diesem Feld sind sie verpflichtet, sich entsprechend den evangelischen Richtlinien der Freiheit und Liebe zu verhalten, denen die Apostel selbst gefolgt sind. In allen Fällen gilt, was die Apostel Petrus und Johannes vor dem Hohen Rat sagten: „Ob es vor Gott recht ist, mehr auf euch zu hören als auf Gott, das entscheidet ihr selbst. Wir können unmöglich schweigen über das, was wir gesehen und gehört haben” (Apg 4,19–20). In diesen Worten ist das für die Hirten der Kirche ewig gültige Handlungsprinzip in Bezug auf die verschiedenen weltlichen Obrigkeiten klar ausgedrückt.

Dazu lehrt das Konzil: „Bei der Ausübung ihres apostolischen Amtes, das auf das Heil der Seelen ausgerichtet ist, erfreuen sich die Bischöfe der damit gegebenen vollen und uneingeschränkten Freiheit und Unabhängigkeit von jeglicher weltlicher Macht. Deshalb ist es nicht erlaubt, die Ausübung ihres kirchlichen Amtes direkt oder indirekt zu behindern oder ihnen zu verbieten, mit dem Apostolischen Stuhl und anderen kirchlichen Obrigkeiten wie auch mit ihren Untergebenen frei zu verkehren.

Indem sich die geweihten Hirten die geistliche Betreuung ihrer Herde angelegen sein lassen, sorgen sie in der Tat auch für das staatsbürgerliche Wohl und den sozialen Fortschritt. Zu diesem Zweck leihen sie im Rahmen ihres Amtes und wie es Bischöfen geziemt, den staatlichen Obrigkeiten ihre tatkräftige Unterstützung und leiten zum Gehorsam gegenüber den gerechten Gesetzen und zur Ehrfurcht gegenüber den rechtmäßig bestellten Gewalten an” (Christus Dominus, Nr. 19).

8. Während das Konzil über die Sendung und die Aufgaben der Bischöfe spricht, berührt es auch die Frage der Auxiliarbischöfe, die dem Diözesanbischof zur Seite gestellt sind, weil dieser „wegen der zu großen Ausdehnung der Diözese oder der zu großen Zahl der Bewohner, wegen besonderer Seelsorgsbedingungen oder aus verschiedenartigen anderen Gründen nicht selbst allen bischöflichen Obliegenheiten nachkommen kann, wie es das Heil der Seelen erfordert. Ja, zuweilen machen besondere Verhältnisse es erforderlich, dass zur Unterstützung des Diözesanbischofs ein Koadjutor bestellt wird” (Christus Dominus, Nr. 25). In der Regel wird der Bischofskoadjutor mit dem Recht der Nachfolge des amtierenden Diözesanbischofs ernannt. Aber weit höher als die Unterschiede kanonischer Natur steht das Prinzip, auf das sich der Konzilstext bezieht: „das Heil der Seelen”. Alles muss immer dem „höchsten Gesetz”, dem „Heil der Seelen”, entsprechend angeordnet und getan werden.

9. In Bezug auf dieses Gut sind auch die folgenden konziliaren Weisungen zu verstehen: „Die pastoralen Bedürfnisse erfordern mehr und mehr, dass einige Seelsorgsaufgaben einheitlich geleitet und gefördert werden. Es ist daher von Nutzen, im Dienste aller oder mehrerer Diözesen eines bestimmten Gebietes oder Landes einige Ämter einzurichten, die auch Bischöfen übertragen werden können” (Christus Dominus, Nr. 42). Wer die strukturelle und pastorale Wirklichkeit der Kirche heute in den verschiedenen Ländern der Welt beobachtet, kann leicht feststellen, dass diese Weisungen in nicht wenigen Ämtern verwirklicht wurden, die von Bischöfen oder dem Heiligen Stuhl selbst vor und nach dem Konzil sowie besonders für die Missions-, Hilfs- und Kulturtätigkeit geschaffen worden sind. Ein typischer und bekannter Fall ist der geistliche Beistand für das Militär, wozu das Konzil die Einsetzung besonderer Bischöfe vorsieht, entsprechend der vom Apostolischen Stuhl seit langem geübten Praxis: „Da auf die geistliche Betreuung der Soldaten wegen ihrer besonderen Lebensbedingungen eine außerordentliche Sorgfalt verwendet werden muss, soll nach Möglichkeit in jedem Land ein Militärvikariat errichtet werden” (Christus Dominus, Nr. 43).

10. In diesen neuen, oft komplexen und schwierigen Tätigkeitsbereichen, aber auch bei der normalen Erfüllung der Hirtenaufgabe in den einzelnen ihnen anvertrauten Diözesen, bedürfen die Bischöfe der Einheit und Zusammenarbeit untereinander im Geist brüderlicher Liebe und apostolischer Solidarität, denn sie sind Glieder des Bischofskollegiums und verwirklichen konkret ihre großen und kleinen Aufgaben des Alltags. Auch das ist eine Aussage des Konzils: „Vor allem in der heutigen Zeit können die Bischöfe ihr Amt oft nur dann angemessen und fruchtbar ausüben, wenn sie ihr einträchtiges Wirken mit den anderen Bischöfen immer enger und straffer gestalten” (Christus Dominus, Nr. 37).

Wie man sieht, werden Einheit und Zusammenarbeit immer als Schlussstein der Seelsorgsarbeit herausgestellt. Dieses ekklesiologische Prinzip muss man immer mehr befolgen, wenn man den „Aufbau des Leibes Christi” will, wie ihn der Apostel Paulus (vgl. Eph 4,12; Kol 2,19; 1 Kor 12,12 f.; Rom 12,4–5; usw.) und mit ihm jeder andere wahre Hirt der Kirche im Laufe der Jahrhunderte gewollt hat.

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Liebe Schwestern und Brüder!

Mit dieser kurzen Betrachtung grübe ich alle Pilger und Besu cher sehr herzlich. Mein besonderer Grub gilt der groben Zahl der Teilnehmer an der Behindertenwallfahrt des Malteser-Hilfs-dienstes unter der Leitung von Herrn Weihbischof Klaus Dick aus Köln. Möge mit Gottes Hilfe Eure Wallfahrt nach Rom dazu beitragen, dab Ihr aus der Verbindung mit dem Leiden Christi neue innere Kraft gewinnt, Eure eigenen Leiden und Beschwerden zu tragen. Die unerschütterliche Liebe zur Kirche, die in dieser Zeit mancher öffentlichen Kritik ausgesetzt ist, möge in Euch neu entflammen, stets eingedenk des Wortes des heiligen Augustinus: ”Seid überzeugt, Brüder, so viel wie einer die Kirche Christi liebt, so viel hat er den Heiligen Geist“.

Ebenso grübe ich eine Gruppe österreichischer Richter sowie die Pilger der Katholischen Militärgemeinde Regensburg und der Pfarrei St. Blasien.

Euch allen, Euren lieben Angehörigen zu Hause sowie den mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbundenen Gäubigen erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen.

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Ein Wort brüderlicher Solidarität möchte ich jetzt an die Angehörigen des jüdischen Volkes richten. Denn heute ist der Jahrestag der Veröffentlichung der Erklärung des II. Vatikanischen Konzils Nostra aetate über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen und besonders zu den Nachkommen des „Stammes Abrahams”. Hinzu kommt, dass in der vergangenen Woche die Reihe der Festlichkeiten zu Beginn des jüdischen Kalenderjahres mit der „Simhath-Torä”-Feier, dem „Lobpreis über das Gesetz” Gottes, endete.

Ich unterstreiche diese Anlässe jedoch mit tiefer Bitterkeit im Herzen wegen der Nachrichten über Angriffe und Entweihungen, die seit einiger Zeit das Andenken der Opfer der Shoa genau an den Orten beleidigen, die Zeugen des Leidens von Millionen Unschuldiger waren. Wie das Konzil lehrt und wie auch ich in der römischen Synagoge wiederholt habe, „beklagt die Kirche … alle Hassausbrüche, Verfolgungen und Manifestationen des Antisemitismus, die sich zu irgendeiner Zeit und von irgendjemandem gegen die Juden gerichtet haben” (Nostra aetate, Nr. 4). Allgemeiner gesagt, fühle ich mich angesichts der jüngsten Auswüchse von Fremdenfeindlichkeit, rassistischen Spannungen und übersteigertem und fanatischem Nationalismus verpflichtet zu betonen, dass jede Form von Rassismus eine Sünde gegen Gott und gegen den Menschen ist, weil jeder menschlichen Person im Innern das Bild Gottes eingeprägt ist.

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Liebe Pilger aus Kraljevica, ich grüße euch herzlich! Im Namen Jesu Christi danke ich euch und allen, die der riesigen Schar von Flüchtlingen und Vertriebenen aus Kroatien und Bosnien-Herzegowina, die den Schrecken des Krieges ausgesetzt sind, hochherzige humanitäre Hilfe leisten. Je größer die Not unserer Schwestern und Brüder ist, umso hochherziger muss unsere Hilfe und umso größer unsere Liebe zu ihnen sein.

Der Gott der Liebe und des Friedens sei immer mit euch und segne euch.

Gelobt seien Jesus und Maria!