JOHANNES PAUL II.
GENERALAUDIENZ
Mittwoch, 5. Mai 1993
1. Als wir über den Evangelisierungsauftrag der Priester sprachen, haben wir gesehen, dass es möglich ist, den Gläubigen mit den Sakramenten und durch die Sakramente eine methodische und wirksame Unterweisung zu erteilen. Tatsächlich ist der Evangelisierungsauftrag des Priesters mit dem Dienst der Heiligung durch die Sakramente wesentlich verbunden (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 893).
Der Dienst am Wort kann sich nicht nur auf die unmittelbare und eigene Wirkung des Wortes beschränken. Die Evangelisierung ist die vorrangige „apostolische Arbeit”, die „darauf hingeordnet ist, dass alle, durch Glauben und Taufe Kinder Gottes geworden, sich versammeln, inmitten der Kirche Gott loben, am Opfer teilnehmen und das Herrenmahl genießen” (Sacrosanctum Concilium, Nr. 10). Und die Bischofssynode von 1971 hat bekräftigt, dass „der Dienst am Gotteswort, richtig verstanden, zu den Sakramenten und zum christlichen Leben hinführt, wie dieses in der sichtbaren Gemeinschaft der Kirche und in der Welt seinen konkreten Ausdruck findet” (Der priesterliche Dienst, zweiter Teil, I: O.R.dt., Nr. 11, 1971, S. 5).
Jeder Versuch, den priesterlichen Dienst nur auf die Verkündigung oder die Unterweisung zu beschränken, würde einen Grundaspekt dieses Dienstes verkennen. Bereits das Konzil von Trient hatte den Vorschlag, das Priesteramt nur im Dienst der Verkündigung des Evangeliums zu sehen, zurückgewiesen (vgl. DS 1771). Weil auch in jüngster Zeit einige den Dienst am Wort zu einseitig hervorhoben, hat die Bischofssynode von 1971 die unauflösliche Verbindung zwischen Gotteswort und Sakramenten unterstrichen. „Die Sakramente werden nämlich in Verbindung mit der Verkündigung des Gotteswortes vollzogen und entfalten so den Glauben, indem sie ihn durch die Gnade stärken.
Die Sakramente dürfen deshalb nicht gering geachtet werden, weil durch sie das Wort zu seiner vollen Wirkung gelangt, nämlich zur Gemeinschaft mit dem Mysterium Christi” (ebd.: O.R.dt., Nr. 11, 1971, S. 5).
2. Über diesen einheitlichen Charakter des Verkündigungsauftrages und des sakramentalen Dienstes zögerte die Synode von 1971 nicht zu sagen, dass eine Trennung zwischen Glaubensverkündigung und Sakramentenspendung „die Herzmitte der Kirche selbst spalten und zu einer Glaubenskrise führen” würde (vgl. ebd.: O.R.dt., Nr. 11, 1971, S. 5).
Die Synode erkennt jedoch an, dass bei der konkreten Anwendung des Einheitsprinzips unterschiedliche Modalitäten für jeden Priester bestehen können, „denn die konkrete Ausübung des priesterlichen Amtes muss oft auf verschiedene Weise erfolgen, um dadurch besser den besonderen und neuen Situationen entsprechen zu können, in denen das Evangelium zu verkünden ist” (vgl. ebd.: O.R.dt., Nr. 11, 1971, S. 5). Eine weise Anwendung des Prinzips der Einheit muss auch die Charismen berücksichtigen, die jeder Priester empfangen hat. Wenn einige von ihnen die besondere Gabe zu predigen oder zu lehren empfangen haben, müssen sie diese zum Wohl der Kirche nutzen. Hier ist es gut, an den heiligen Paulus zu erinnern, der, obwohl er von der Notwendigkeit der Taufe überzeugt war und dieses Sakrament auch einige Male gespendet hatte, sich dennoch als Abgesandter der Verkündigung des Evangeliums betrachtete und alle seine Kräfte vor allem dieser Form des Dienstes widmete (vgl. 1 Kor 1,14.17). Aber in seiner Verkündigung verlor er das wichtige Werk des Aufbaus der Gemeinschaft nicht aus den Augen (vgl. 1 Kor 3,10), dem es dienen muss.
Das heißt, dass auch heute wie immer in der Geschichte des Hirtendienstes die Arbeitsteilung dahin führen kann, das Schwergewicht auf die Predigt oder auf den Gottesdienst und die Sakramente zu legen, je nach den Fähigkeiten der Menschen und der Bewertung der Situationen. Aber man kann nicht bezweifeln, dass Predigt und Lehre für die Priester auch auf höchsten akademischen und wissenschaftlichen Ebenen immer den Dienst der Heiligung durch die Sakramente zum Ziel haben müssen.
3. Außer Frage steht in jedem Fall die wichtige Sendung der Heiligung, die den Priestern aufgetragen ist und die sie vor allem im Gottesdienst und in den Sakramenten ausüben können. Zweifellos ist es ein vor allem von Christus vollbrachtes Werk, wie die Synode von 1971 betont: „Das Heil, das durch die Sakramente gewirkt wird, kommt nicht von uns, sondern von oben, von Gott; dies verdeutlicht die Vorherrschaft des Wirkens Christi, des einzigen Priesters und Mittlers, in seinem Leib, der die Kirche ist” (ebd.: O.R.dt., 1971, Nr. 11, S. 5; vgl. auch das nachsynodale Apostolische Schreiben Pastores dabo vobis, Nr. 12). Im gegenwärtigen Heilsplan jedoch bedient sich Christus des priesterlichen Dienstes, um die Heiligung der Gläubigen zu bewirken (vgl. Presbyterorum ordinis, Nr. 5). Wenn er im Namen Christi handelt, erreicht der Priester die Wirksamkeit des sakramentalen Handelns durch den Heiligen Geist, den Geist Christi, das Prinzip und die Quelle der Heiligkeit des „neuen Lebens”.
Das neue Leben, das der Priester durch die Sakramente erweckt, nährt, wiederherstellt und wachsen lässt, ist ein Leben des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe. Der Glaube ist das göttliche Grundgeschenk: „Von daher wird die große Bedeutung der Vorbereitung und Glaubensbereitschaft für denjenigen deutlich, der die Sakramente empfängt; ebenso ergibt sich daraus die Notwendigkeit, dass der Spender des Sakramentes in seinem Leben und vor allem in der Art und Weise, wie er die Sakramente einschätzt und verwaltet, von seinem Glauben Zeugnis gibt” (Der priesterliche Dienst, 2. Teil, I: O.R.dt. 1971, Nr. 11, S. 5).
Der von Christus durch die Sakramente vermittelte Glaube geht Hand in Hand mit einer „lebendigen Hoffnung” (1 Petr 1,3), die in den Herzen der Gläubigen eine starke Dynamik des geistlichen Lebens in Gang setzt, ein Streben nach dem, „was im Himmel ist” (Kol 3,1-2). Andererseits ist der Glaube „in der Liebe wirksam” (Gal 5,6), in der Liebe, die aus dem Herzen des Erlösers strömt und in den Sakramenten fließt, um sich in das gesamte christliche Leben zu ergießen.
4. Der sakramentale Dienst der Priester besitzt also göttliche Fruchtbarkeit. Daran hat das Konzil erinnert.
So führen die Priester in der Taufe „die Menschen dem Volk Gottes zu” (Presbyterorum ordinis, Nr. 5) und sind also verantwortlich nicht nur für einen würdigen Vollzug des Ritus, sondern auch für eine gute Vorbereitung auf ihn durch die Bildung der Erwachsenen im Glauben und bei den Kleinkindern durch die Unterweisung der Familie, damit sie am Geschehen mitwirkt.
Außerdem: „Sie unterweisen sie im Geist Christi des Hirten, ihre Sünden reumütig der Kirche im Sakrament der Buße zu unterwerfen, sodass sie sich ständig mehr zum Herrn bekehren, eingedenk seines Wortes: ,Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen’ (Mt 4,17)” (Presbyterorum ordinis, Nr. 5). Deshalb müssen auch die Priester selbst in der Haltung von Menschen leben, die die eigenen Sünden und das eigene Bedürfnis nach Vergebung in der Gemeinschaft der Demut und Buße mit den Gläubigen erkennen. Sie werden so die Größe des göttlichen Erbarmens deutlicher bezeugen und denen, die sich schuldbeladen fühlen, himmlischen Trost zusammen mit der Vergebung schenken können.
Beim Ehesakrament ist der Priester anwesend als Leiter der Feier, indem er den Glauben bezeugt und die Zustimmung Gottes annimmt, den er als Diener der Kirche vertritt. Auf diese Weise hat er nicht nur am Ritus, sondern auch an der tieferen Dimension des Sakramentes lebendigen und tiefgreifenden Anteil.
Durch die Krankensalbung schließlich „richten die Priester die Kranken auf**”** (vgl. Presbyterorum ordinis, Nr. 5). Es ist eine Aufgabe, die der heilige Jakobus vorsah, der in seinem Brief lehrte: „Ist einer von euch krank? Dann rufe er die Ältesten der Gemeinde zu sich; sie sollen Gebete über ihn sprechen und ihn im Namen des Herrn mit Öl salben” (Jak 5,14). Im Bewusstsein, dass das Sakrament der Krankensalbung dazu bestimmt ist, „aufzurichten” und Reinigung sowie geistliche Kraft zu bringen, wird der Priester sich darum bemühen wollen, dass seine Anwesenheit dem Kranken das wirksame Mitleid Christi vermittelt und Zeugnis gibt von der Liebe Jesu zu den Kranken, denen er einen so großen Teil seiner evangelischen Sendung gewidmet hat.
5. Diese Ansprache über die Haltungen, mit denen man den Empfang der Sakramente vorbereiten soll, sodass man sie bewusst und im Geist des Glaubens spendet, wird vervollständigt in den Katechesen, die wir, so Gott will, den Sakramenten widmen werden.
In den nächsten Ansprachen werden wir einen anderen Aspekt der Sendung des Priesters im sakramentalen Dienst behandeln: den Gottesdienst, der besonders in der Eucharistie vollzogen wird.
Wir sagen schon jetzt, dass er der wichtigste Teil seiner kirchlichen Aufgabe ist, der Hauptgrund seiner Weihe, die Zielsetzung, die seinem Leben Sinn und Freude schenkt.
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Liebe Schwestern und Brüder!
Zur heutigen Generalaudienz heiße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher sehr herzlich willkommen und möchte meiner Freude darüber Ausdruck geben, dass ihr so zahlreich eure Verbindung zum Nachfolger Petri bekundet.
Der Verkündigungsauftrag des Priesters, von dem wir in den letzten Katechesen gesprochen haben, kann nicht für sich allein betrachtet werden. Jeder Versuch, den priesterlichen Dienst auf Predigt und Lehrverkündigung reduzieren zu wollen, würde einen fundamentalen Aspekt dieses Dienstes verkennen. Schon das Konzil von Trient hatte den Vorschlag verworfen, das Priestertum einzig im Dienst der Verkündigung des Evangeliums zu sehen (vgl. DS, 1771). Die Bischofssynode von 1971 hat die unauflösliche Verbindung zwischen Wort und Sakrament betont (Euch. Vat 4, 1180).
Eine kluge Anwendung dieses Prinzips der Einheit muss auch den Charismen Rechnung tragen, die jeder Priester erhalten hat. Das bedeutet, dass auch heute, wie immer in der Geschichte des pastoralen Dienstes, die Aufteilung der Arbeit dazu führen kann, den Akzent auf die Verkündigung oder auf den Gottesdienst und die Sakramente zu legen, je nach Fähigkeiten der Personen und der Beurteilung der Situation. Aber es besteht kein Zweifel darüber, dass Verkündigung und Lehre, auch auf ihrer akademischen und wissenschaftlichen Stufe, immer die Heiligung mittels der Sakramente zum Ziel haben. In der gegenwärtigen Heilsökonomie bedient sich Christus des Priesteramtes, um die Heiligung der Gläubigen zu bewirken.
Der Priester muss die Sakramente der Taufe, der Buße, der Ehe und der Krankensalbung mit Gewissenhaftigkeit und im Geist des Glaubens vollziehen. In den nächsten Katechesen behandeln wir das Thema des Gottesdienstes und im Besonderen der Eucharistiefeier, der wichtigsten Aufgabe des kirchlichen Amtes des Priesters.
Mit dieser kurzen Betrachtung grübe ich Euch alle sehr herzlich. Mein besonderer Grub gilt den Eltern, Angehörigen, Freunden und Bekannten der Päpstlichen Schweizergarde, die zur feierlichen Vereidigung der Rekruten nach Rom gekommen sind. Der Dienst, den die Gardisten dem Papst über Jahrhunderte hin in Treue erwiesen haben, ist ein beredtes Zeichen der engen und freundschaftlichen Beziehung zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Heiligen Stuhl. Möge der Herr allen reich vergelten, was sie in selbstlosem Einsatz dem Nachfolger Petri Gutes erwiesen haben.
Euch allen, Euren lieben Angehörigen zu Hause sowie den mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbundenen Gläubigen erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen.
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