JOHANNES PAUL II.
GENERALAUDIENZ
Mittwoch, 29. September 1993
„Non vos me elegistis sed ego elegi vos.” „Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt.” Mit diesen Worten möchte ich die Katechese beginnen, die zum großen Katechesezyklus über die Kirche gehört. In diesem umfangreichen Zyklus befindet sich die Katechese über die Priesterberufungen. Die Worte, die Jesus an die Apostel gerichtet hat, sind sinnbildlich gemeint und beziehen sich nicht nur auf die Zwölf, sondern auf alle Generationen von Menschen, die Jesus Christus im Laufe der Jahrhunderte berufen hat. Sie beziehen sich auf manche Menschen persönlich: Wir sprechen von der priesterlichen Berufung, denken aber zugleich an die Berufungen zum gottgeweihten Leben der Männer und Frauen. Die Berufungen sind eine Hauptaufgabe für die Kirche, für den Glauben, für die Zukunft des Glaubens in dieser Welt: Jede Berufung ist ein Geschenk, nach den Worten Jesu ein Geschenk Gottes. Ich habe euch gewählt. Also ist es eine Wahl, eine Erwählung durch Jesus, die immer den Menschen trifft, aber dieser lebt in einem bestimmten Umfeld der Familie, der Gesellschaft, der Zivilisation und der Kirche. Deshalb ist die Berufung ein Geschenk, aber auch eine Antwort auf dieses Geschenk. Wie jeder von uns, wie der Berufene, der Erwählte auf diesen göttlichen Ruf zu antworten weiß, hängt von vielen Umständen ab, von einer gewissen inneren Reife des Menschen, von dem, was man Mitarbeit mit der Gnade Gottes nennt.
Mitarbeiten, hören, nachfolgen. Wir wissen gut, wir erinnern uns, dass Jesus zu dem jungen Mann im Evangelium gesagt hat: „Folge mir!” Nachfolgen können, und wenn man Jesus nachfolgt, dann ist die Berufung reif, sie wird konkrete Wirklichkeit. Und das geschieht immer zum Wohl des Menschen und der Gemeinschaft.
Die Gemeinschaft ihrerseits soll auch auf diese Berufungen antworten können, die aus ihren Bereichen erwachsen. Sie entstehen in der Familie, und die Familie soll es verstehen, die Berufung zu fördern. Es sind die Bereiche des menschlichen Lebens, des Daseins: die Lebensbereiche.
Die Beratung und die Antwort auf die Berufung hängen im höchsten Maß vom Zeugnis der ganzen Gemeinschaft, der Familie, der Pfarrgemeinde ab. Die Menschen sind es, die zum Wachstum der Berufungen beitragen. Die Priester sind es, die durch ihr Beispiel die Jugendlichen anziehen und die Antwort auf die Einladung Jesu erleichtern: „Folge mir!” Diejenigen, die den Ruf angenommen haben, sollen ein Beispiel geben, wie man nachfolgt.
Heute sieht man in der Pfarrgemeinde immer mehr, dass vor allem die Vereinigungen und Bewegungen zum Werk der Berufungen beitragen. Eine der Bewegungen oder vielmehr Vereinigungen, die typisch sind für die Pfarrei, ist die der Ministranten.
Sie dient den zukünftigen Berufungen. So war es in der Vergangenheit. Viele Ministranten sind Priester geworden. Auch heute ist das gut, aber man soll auch andere Wege ausprobieren, sozusagen andere Methoden, wie mit dem göttlichen Ruf, mit der göttlichen Erwählung mitzuwirken ist; wie Jesu Worte: Die Ernte ist groß, aber die Arbeiter sind wenige, auszuführen sind; wie man dazu beiträgt, sie zu vollbringen. Und das ist wahr: Die Ernte ist immer groß, die Arbeiter sind immer wenige, besonders in einigen Ländern.
Aber Jesus sagt: Bittet den Herrn der Ernte darum. Also bleibt für uns alle, ohne Ausnahme, insbesondere das schmerzliche, sorgenvolle Gebet für die Berufungen. Wenn wir uns in das Erlösungswerk Christi und der Kirche einbezogen fühlen, müssen wir für die Berufungen beten. Die Ernte ist groß.
Gelobt sei Jesus Christus!
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Liebe Schwestern und Brüder!
Es ist mir eine besondere Freude, Euch, die Ihr aus den Ländern deutscher Sprache so zahlreich am Grab des Apostels Petrus versammelt seid, willkommen heißen zu können.
In der Reihe unserer Katechesen über das Priestertum wollen wir heute über die dazu unerlässliche Berufung nachdenken. Sie ist ein Ruf, ein Geschenk, ein Werk Gottes; sie ist eine Tat der Gnade, die zum Geheimnis der unverdienten Gaben Gottes gehört, mit denen er durch Jesus Christus, das Haupt der Kirche, die Menschen beschenkt.
Dies kommt auch in den Worten Jesu zum Ausdruck: „Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt, damit ihr … Frucht bringt und eure Frucht bleibt” (Joh 15,16).
Dieser Anruf Gottes bedarf jedoch des Mitwirkens vor allem des Berufenen selbst. Nachdem er die vom Bischof bestätigte Berufung zur Christusnachfolge angenommen hat, soll er ihr durch Verfügbarkeit, Gehorsam, Hingabe seiner selbst und durch die erforderliche Vorbereitung entsprechen.
Um dies verwirklichen zu können, bedarf es dazu des Zusammenwirkens der Gemeinschaft der Gläubigen, wie das jüngste Konzil lehrt: „Berufe zu fördern ist Aufgabe der gesamten christlichen Gemeinde; sie erfüllt sie vor allem durch ein wirklich christliches Leben” (Optatam totius, Nr. 2). Den wichtigsten Beitrag dazu leisten einmal die Familien, die gleichsam zum ersten Seminar werden; zum anderen die Pfarrgemeinden, an deren Leben die Jugendlichen selbst teilnehmen. Auch die Lehrer und die katholischen Verbände sollen die ihnen anvertrauten jungen Menschen so zu erziehen suchen, dass sie den göttlichen Ruf wahrnehmen und ihm bereitwillig folgen. Schließlich sollen die Priester selbst ihren apostolischen Eifer vor allem in der Förderung der geistlichen Berufe zeigen.
Aufgabe der Bischöfe ist es, die Angehörigen ihrer Diözese in der Förderung von Berufungen anzuspornen, für den Zusammenschluss aller Kräfte und Berufungen zu sorgen und diejenigen, „die nach ihrem Urteil zum Anteil des Herrn berufen sind, väterlich zu unterstützen, ohne dabei irgendein Opfer zu scheuen” (Optatam totius, Nr. 2).
Indem ich Euch, liebe Schwestern und Brüder, herzlich bitte, für Priesterberufe ohne Unterlab zu beten und den jungen Menschen mit Wort und Tat beizustehen, grübe ich Euch alle sehr herzlich. Mein besonderer Willkommensgrub gilt der Pilgergruppe aus Augsburg anläblich des tausendjährigen Jubiläums der Heiligsprechung des Bischofs Ulrich, der Pilgergruppe aus dem Bistum Osnabrück mit Herrn Bischof Ludwig Averkamp, den Teilnehmern an der jährlichen Pilgerfahrt ”Rom im Rollstuhl“ aus der Schweiz, einer ökumenischen Pilgergruppe aus Salzgitter sowie den Seminaristen der Diözese Fulda.
Euch, Euren lieben Angehörigen und Freunden in der Heimat sowie allen, die uns in diesem Augenblick verbunden sind, erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen.
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Mit tiefer Trauer lenke ich Eure Aufmerksamkeit auf den schweren Konflikt in Georgien und auf die dramatischen Folgen für die dortige Bevölkerung.
Ich fordere die Verantwortlichen der kämpfenden Parteien auf, die Feindseligkeiten einzustellen, die bereits getroffenen Vereinbarungen einzuhalten und den Dialog beharrlich zu verstärken, auch mit Hilfe der internationalen Gemeinschaft.
Den Opfern des Konflikts bin ich nahe im Gebet, und ich bitte den Herrn um Trost und Hilfe für alle. Möge er den streitenden Parteien die notwendige Weitsicht eingeben, damit sie zusammen eine menschenwürdige Gesellschaft aufbauen.
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