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JOHANNES PAUL II.

GENERALAUDIENZ

Mittwoch, 16. Februar 1994

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Liebe Brüder und Schwestern!

1. Heute, am Aschermittwoch, beginnt die von der Kirche zur Vorbereitung auf Ostern festgesetzte Fastenzeit. Sie ist im Kirchenjahr und im geistlichen Leben des Christen eine Zeit von grundlegender Bedeutung. Der hl. Leo der Große sagte darüber: „In je größerer Heiligkeit nämlich einer erwiesenermaßen diese Tage hinbrachte, in desto gottgefälligerer Weise hat er dadurch … dem Pascha des Herrn seine Verehrung erwiesen” (Homilie XLI, 2; Bibliothek der Kirchenväter, Bd. 55, München 1927, S. 204).

Die ernste und eindrucksvolle Zeremonie der „Aschenauflegung” heute kennzeichnet den Anfang dieses geistlichen Weges, der uns anleitet, mit eifrigem Herzen und konsequentem Leben das österliche Geheimnis neu zu begehen.

Die Fastenzeit ist also eine Zeit intensiven Nachdenkens über die ewigen Wahrheiten und fester Vorsätze zu einer wahren christlichen Umkehr. Indem wir uns darauf vorbereiten, das Gedächtnis des heilbringenden Todes Jesu und seiner Auferstehung zu feiern, wird uns lebhafter bewusst, dass das Leben des Menschen auf Erden immer ein Kampf gegen das Böse ist, ein Kampf, der durch das Herz des Menschen führt.

Der hl. Paulus beschreibt im Römerbrief diesen inneren Kampf so: „Ich begreife mein Handeln nicht: Ich tue nicht das, was ich will, sondern das, was ich hasse … Das Wollen ist bei mir vorhanden, aber ich vermag das Gute nicht zu verwirklichen. Denn ich tue nicht das Gute, das ich will, sondern das Böse, das ich nicht will” (Röm 7,15.18-19). Das ist die Erfahrung eines jeden von uns! Nur Christus, der Erlöser, kann uns der Niederlage entreißen, indem er uns die Waffen des Sieges gibt, die der gleiche Apostel im Brief an die Epheser aufzählt: „Darum legt die Rüstung Gottes an, damit ihr am Tag des Unheils standhalten, alles vollbringen und den Kampf bestehen könnt” (vgl. Eph 6,11-16).

2. Was der hl. Paulus schreibt, findet Bestätigung in der Wirklichkeit unserer Tage. Gewisse traurige Ereignisse aus den Tagesnachrichten geben zu denken und erregen Besorgnis. Sie sind die Frucht innerer Entscheidungen des Menschen, entstanden im Zusammenhang mit diesem Kampf zwischen Gut und Böse, der in der Tiefe eines jeden Gewissens stattfindet, aber auch in den Beziehungen zwischen den Menschen zutage tritt. Das Gute und das Böse sind „ansteckend”: Sie vermehren und verbreiten sich, indem sie „Strukturen des Guten” und „Strukturen der Sünde” hervorbringen, die das Leben der Menschen beeinflussen. Auch auf solche „Strukturen” müssen wir unsere wachsame und rege Aufmerksamkeit richten. Aber alles geht vom Herzen aus; hier vor allem vollzieht sich die „Umkehr”, zu der wir in dieser Zeit des Gebets, des Fastens und der Buße aufgerufen sind.

3. Die Fastenzeit lädt die Gläubigen ein, die Mahnung Jesu ernst zu nehmen: „Geht durch das enge Tor! Denn das Tor ist weit, das ins Verderben führt, und der Weg dahin ist breit, und viele gehen auf ihm” (Mt 7,13).

Welches ist das „weite Tor” und welcher der „breite Weg”, von denen Jesus spricht? Es ist das Tor der moralischen Unabhängigkeit, der Weg des intellektuellen Hochmuts; wie viele, auch unter den Christen, leben in Gleichgültigkeit, passen sich der weltlichen Mentalität an und geben den Verlockungen der Sünde nach!

Die Fastenzeit ist der günstige Zeitraum, um Rückschau zu halten auf das eigene Leben, mit neuer Willenskraft die Sakramente zu empfangen und entschlossenere Vorsätze zur Lebenserneuerung zu fassen, indem man zustimmt, gemäß der Lehre Jesu durch das enge Tor und den schmalen Weg zu gehen, die zum ewigen Leben führen (vgl. Mt 7,14).

In diesem Sinn muss sich auch die christliche Familie als solche bemühen, besonders in diesem Jahr, das ihr gewidmet ist. Das Konzil bezeichnet sie als kleine Kirche, als „Hauskirche” (vgl. Lumen Gentium, Nr. 11). Im Einklang mit der ganzen kirchlichen Gemeinschaft ist die Familie aufgerufen, sich auf Ostern vorzubereiten, indem sie die Zeit des Gebets, das Hören auf das Wort Gottes, das Bemühen um eine engere Gemeinsamkeit und die liebevolle Öffnung den Mitmenschen gegenüber verstärkt. Deshalb wollte ich an alle Familien ein Schreiben richten, das in den nächsten Tagen veröffentlicht wird. Ich wünsche mir, dass es in vielen Familien Raum findet und Gutes bewirkt. Das Nachdenken darüber könnte sogar zu einer besonders intensiven Vorbereitung auf Ostern führen.

4. Liebe Brüder und Schwestern, die Fastenzeit ist eine Zeit, in der Jesus uns stärker die Einladung vernehmen lässt, in sein Geheimnis einzutreten und uns auf die Heilige Woche und Ostern vorzubereiten. „Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen” (Mt 11,28). Wir haben keine Angst, vor Christus hinzutreten, beladen mit unseren Treuebrüchen: Er ist der Retter! Wer ihm seine Güte und sein Mitleid mit den Zöllnern und Sündern vorhielt, dem antwortete er: „Nicht die Gesunden brauchen den Arzt, sondern die Kranken … Denn ich bin gekommen, um die Sünder zu rufen, nicht die Gerechten” (Mt 9,12-13). Gott will, dass alle gerettet werden. Die bekannten Gleichnisse vom verlorenen Sohn, dem verirrten Schaf und der verlorenen Drachme wollen gerade zu verstehen geben, dass Gott trotz des Bösen, das in der menschlichen Geschichte um sich greift, immer der bleibt, der vergibt: „Ebenso wird auch im Himmel mehr Freude herrschen über einen einzigen Sünder, der umkehrt, als über neunundneunzig Gerechte, die es nicht nötig haben umzukehren” (Lk 15,7). Gott besiegt das Böse mit seinem unendlichen Erbarmen. Und angesichts einer solchen erbarmenden Liebe sollen in uns der Wunsch nach Umkehr und die Sehnsucht nach einem neuen Leben wiedererwachen.

5. Maria helfe und begleite uns in dieser Fastenzeit.

In Fatima sagte die kleine Jacinta: „Ich liebe sehr das Unbefleckte Herz Mariä! Es ist das Herz unserer himmlischen Mutter!” Wie die kleine Seherin in der Cova da Iria rufen auch wir, liebe Brüder und Schwestern, während der Fastenzeit Maria mit kindlichem Vertrauen an: Wir beten zu ihr für die Bekehrung dessen, der in Sünde oder außerhalb der Wahrheit lebt, für die Anliegen der Kirche, für die Priesterberufe, für die Standhaftigkeit und Heiligung der Priester und für die Familien!

Die seligste Jungfrau Maria erbitte für alle die Kraft, sich als „Kinder des Lichts” zu verhalten, das „lauter Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit” hervorbringt (vgl. Eph 5,8-9).

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Liebe Schwestern und Brüder!

Am heutigen Aschermittwoch beginnt die Fastenzeit, die uns zum Osterfest hinführt und im geistlichen Leben des einzelnen Christen eine besondere Bedeutung besitzt.

Die kommenden Wochen wollen zu tiefer Besinnung über die ewigen Wahrheiten und zu echter christlicher Umkehr einladen. Dabei werden wir uns neu bewusst, dass das Leben des Menschen auf Erden immer ein Kampf gegen das Böse ist, ein Kampf, der durch das Herz des Menschen geht. Nur Christus kann uns mit den Waffen des Sieges aus der Niederlage befreien, wie es im Epheserbrief ausgedrückt ist: „Legt die Rüstung Gottes an, damit ihr am Tag des Unheils standhalten, alles vollbringen und den Kampf bestehen könnt” (Eph 6,13).

In der Wirklichkeit unserer Tage finden diese Worte Bestätigung. Traurige Begebenheiten der Zeitgeschichte geben Anlass zum Nachdenken und zur Sorge. Sie sind das Ergebnis von Entscheidungen, die aus dem Innersten des Menschen kommen und die im Zusammenhang mit jenem Kampf zwischen dem Guten und dem Bösen stehen, der auch in den Beziehungen zwischen den Menschen seinen Ausdruck findet.

Die Fastenzeit ist geeignet, das eigene Leben einer Revision zu unterziehen, die Teilnahme an den Sakramenten mit neuer Kraft zu beginnen und entschiedenere Vorsätze für ein erneuertes Leben zu fassen. Das gilt für den einzelnen wie für die christliche Familie, der dieses Jahr in besonderer Weise gewidmet ist. Die Gottesmutter helfe allen, als „Kinder des Lichts” zu leben, dessen Frucht in „lauter Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit” besteht (Eph 5,8-9).

Mit dieser kurzen Betrachtung grübe ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher sehr herzlich. Mein besonderer Grub gilt den Priesteramtskandidaten der Erzdiözese Köln, den Ordensschwestern, die an einem geistlichen Kurs des Päpstlichen Institutes ”Regina Mundi“ teilnehmen, sowie den Senioren aus dem Eisacktal. Euch allen, Euren Lieben zu Hause sowie den Gläubigen, die uns über Radio und Fernsehen verbunden sind, erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen.